Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Verschlusssache Wein: Korken vs. Schrauber

03.05.2022 24 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

Die Debatte um den angeblich billigen Schraubverschluss wird von manchem Traditionalisten gern mit großer Entschlossenheit geführt. Doch ist der Schrauber wirklich der schlechtere Verschluss für Wein und wie oft tritt eigentlich der gefürchtete Korkfehler auf? Michael und Tobias tragen die wichtigsten Argumente zusammen, reden über die Gasdiffusionsrate und Dom Pérignon, Zwölftonmusik und ihren persönlichen Umgang mit der Verschlusssache Wein.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Über kaum ein anderes Weinthema wird leidenschaftlicher diskutiert als über den Verschluss von Weinflaschen. Für die einen sind Korken Kulturgut und das Entkorken selbst ein liebgewordenes Ritual beim Öffnen exklusiver Flaschen. Für andere ist das Naturmaterial ein unnötiges Risiko für Korkschmecker und Schraubverschlüsse eine mehr als nur praktikable Alternative. Was wohl Michael dazu sagt? Also bleibt mal dran. Ich ruf den mal an!
Michael
00:00:50
Hallo Tobias, mein Guter. Ich hoffe, du siehst es mir nach, wenn ich dich heute mal hintenanstelle.
Tobias
00:00:59
Wie, was?
Michael
00:00:59
Doch, doch. Ich richte mich jetzt sofort an unsere Zuhörerinnen und Zuhörer und sage erst mal ganz herzlichen Dank für eure Geburtstagsglückwünsche. Also jede einzelne Mail hat uns total gefreut. Ja, Tobias, das ist doch mal ein Grund, warum ich dich ausbremsen darf.
Tobias
00:01:16
Ja, selbstverständlich. Und jetzt tust du fast so, als würde ich mich gar nicht bedanken wollen. Also noch mal ganz offiziell. Danke an alle da draußen. So dürft ihr gerne weitermachen. Nur auf dem Facebook- und Instagram-Account von Weinfreunde, ja, da könnte sich noch ein bisschen mehr tun, denn wenn es um Beiträge zum Podcast geht, lesen Michael und ich natürlich fleißig eure Kommentare. Also bitte mal nach der Instagram- und Facebook-Seite von Weinfreunde schauen.
Michael
00:01:45
Ja, Tobias. Fleißig ist ein gutes Stichwort. Also wird er jetzt endlich mal Zeit, dass wir unser heutiges Thema vorstellen. Verschlusssache Wein hast du es so schön wunderbar doppeldeutig genannt und es geht nun wirklich um die Kontroverse Weinkorken versus Schraubverschluss.
Tobias
00:02:06
Allerdings.
Michael
00:02:06
Da treffen ja viele, ich sage mal, gefühlte und tatsächliche Argumente aufeinander und beide wollen wir ernst nehmen. Das hast du mir vorab versprochen.
Tobias
00:02:17
Ja, unbedingt, lieber Michael. Und zumal ich ja direkt vorab gestehen muss, da schlagen ja auch bei mir 2 Herzen in der Brust, ja? Umso wichtiger also, mal alle wichtigen Fakten auf den Tisch zu legen und auch ein paar weinprominente Stimmen dazu zu hören. In diesem Zusammenhang interessiert es mich natürlich total, was die Zuhörerinnen und Zuhörer über Korken und Schraubverschluss denken. Das wäre doch mal irgendwie ein ganz gutes Thema für eine E-Mail an dich.
Michael
00:02:46
Du fällst schon wieder mit der Tür ins Haus. Aber pass auf, wir erzählen das jetzt einfach mal ein bisschen gemächlicher. Zur Einstimmung mal was Historisches.
Tobias
00:02:56
Das war ja klar.
Michael
00:02:58
Also pass auf. Schauen wir erst mal weiter. Wir starten mit dem berühmten Dom Pérignon, dem Benediktinermönch. Du weißt, ne?
Tobias
00:03:07
Ja, Moment mal, jetzt bist du aber, glaube ich, in der falschen Podcastfolge. Wir sprechen ja heute nicht über Champagner, denn du willst jetzt bestimmt auf die besonderen Schaumweinkorken hinaus mit dem überstehenden Wulst, den die Agraffe am Flaschenhals fixiert. Okay, aber das ist ja irgendwie jetzt doch die ganz falsche, ne?
Michael
00:03:27
Nee, nee. Langsam, langsam, langsam, mein, ich sag jetzt mal, Champagnervollblüter, ja? Es wird sogar noch eine Spur grundsätzlicher. Ganz anders, als du jetzt denkst. Dom Pérignon gilt nämlich als derjenige, der den Korken erst systematisch zur Verschlusssache gemacht hat. Also liegt ja nahe bei Schaumweinen, dass er eine Möglichkeit suchte, die Flasche so zu verschließen, dass da nichts rauskommt. Vor allen Dingen nicht die Kohlensäure. Ja, denn wissen wir alle, ohne dichte Flasche gibt es schließlich auf Dauer keinen guten Schaumwein.
Tobias
00:04:08
Na ja, das ist richtig und muss ich ganz ehrlich sagen, das wusste ich noch überhaupt nicht. Bist du dir da sicher? Ich dachte, der Weinkorken ist schon viel, viel älter.
Michael
00:04:16
Ja, Man denkt immer an so Amphoren und Olivenverschlüsse und so. Ich lasse das jetzt mal weg und kürze das ab. Ja, ich habe verschiedene Quellen konsultiert dazu und genau immer das gefunden. Aber, wenn du mich jetzt hier an der Stelle nicht vertraust, mein Gott.
Tobias
00:04:34
Ja, mein Gott, jetzt sei nicht gleich schon wieder eingeschnappt. Ja, entscheidend ist ja, dass du ein ganz wichtiges Pro-Korken-Argument genannt hast. Denn tatsächlich schließt der Korken die Flasche nahezu luftdicht ab und sobald Luft in die Flasche kommt, starten ja oxidative Prozesse, die den Wein schneller altern lassen, Stichwort Essig. Also zu viel davon und der Wein ist einfach um und quasi nicht mehr genießbar. Aber ein bisschen, ja, ein bisschen sollte ja trotzdem sein. Wir möchten ja, dass der Wein reift, sich durch ganz geringe Oxidation weiterentwickelt. Das nennt sich dann im Übrigen - Achtung - Nanooxidation. Also selbst Mikro ist da noch zu viel.
Michael
00:05:23
Okay, aber pass auf. Also ich meine, der Korken ist ja aus einem ganz natürlichen Material hergestellt und dann kommt ein weiterer Vorteil, im besten Fall hat das keinen Einfluss auf den Geschmack. Aber eben auch nur im besten Fall.
Tobias
00:05:40
Richtig.
Michael
00:05:40
Denn eigentlich ist genau das ja das Problem vom Korken. Wir reden ja hier über den Korkfehler, also über THC.
Tobias
00:05:48
Na, wenn das mal jetzt kein Freudscher Versprecher ist, ja? Das heißt TCA, mein lieber Michael. Trichloranisol, wenn du es genau wissen willst, ja. Also THC ist, sagen wir mal, auch ein Wirkstoff, aber das hat sicher nichts mit Wein zu tun.
Michael
00:06:09
Ich, also da muss ich was verwechselt haben.
Tobias
00:06:11
Allerdings.
Michael
00:06:12
Aber ja, ja, man hat so viel um die Ohren in diesen Zeiten, also, okay. Also TCA, dabei handelt es sich im Übrigen, puh, geschafft, um einen Schimmelpilz, der von Mikroorganismen erzeugt wird und der schon in kleinsten, in den minimalsten, in allergeringsten Dosierungen, ja, den Wein komplett ruiniert.
Tobias
00:06:37
Ja, da sind wir wieder bei der Maßeinheit Nano, glaube ich, ne? Und dieser und dieser Korkschmecker, ja, das muss man vielleicht auch noch mal betonen, der ist sofort beim Verkorken der Flasche ein Problem. Ja, mancher Weinfreund denkt ja noch, Kork hat dann auch was mit dem Alterungsprozess zu tun und ältere Flaschen sind dann irgendwie anfälliger für Korkfehler. Nee, nee, nee, auch ein frisch verkorkter Wein würde sofort so ein bisschen nach feuchter Pappe schmecken. Der hat dann so einen unangenehm muffigen Ton, den man eigentlich auch schon relativ schnell riechen kann. Und soweit ich weiß, wenn wir schon jetzt bei dieser ganzen Nanoebene sind, reicht bereits ein Milliardstel Gramm aus, um den Weingenuss komplett zu killen. Und man kann sich vorstellen, früher war das natürlich auch noch ein viel größeres Problem als heute, denn mittlerweile kann man den Korkfehler technisch aufspüren und so fehlerhafte Chargen von Korken einfach aussortieren.
Michael
00:07:40
Wie technisch? Gibt es da keine Hunde für?
Tobias
00:07:43
Ach so, du meinst wie so ein Trüffelhund?
Michael
00:07:46
Ja, ja, ja. Oder auch Rauschgift.
Tobias
00:07:48
Ja, da sind wir wieder bei deinem Thema von eben.
Michael
00:07:51
Na ja, gut. Weiter bitte, weiter bitte.
Tobias
00:07:53
Ja, genau. Also, es gibt da bestimmt speziell ausgebildete Hunde. Müssen wir noch mal recherchieren. Aber was ich sagen wollte, das so genau zu kontrollieren, das kostet natürlich. Ja, der Hund braucht ja auch Fressen und na ja, du weißt schon, wie. Aber bei den richtig guten Weingütern, die Weine erzeugen, die etwas Reife benötigen, ja, ist so ein hochwertiger Korken ein absolutes Muss. Und das habe ich hier auch noch mal irgendwo gelesen: Mittlerweile seien es nur noch 1,5 %, die den Fehler aufweisen. Ja, nur da musst du ja auch mal drüber nachdenken. Jetzt stell dir vor, ein Autohersteller, der liefert seine Autos aus und muss aber leider 1,5 % der Kunden mitteilen, dass der Motor fehlt. Ja, also von daher sind selbst diese 1,5 %, finde ich, schon noch eine ziemlich hohe Zahl.
Michael
00:08:47
Ja, aber Autos sind halt kein Naturprodukt. Nee, Quatsch, jetzt mal Scherz beiseite, aber Kosten ist ja noch mal ein gutes Stichwort. Also gerade wir Deutschen sind ja so kostensensitiv, wenn es um die Weine geht. Und dann muss man einfach mal sagen, über einen Euro kostet dann eben so ein richtig guter Naturkorken. Also richtig guter, ein guter Naturkorken. So viel muss berappt werden, wie man so schön sagt.
Tobias
00:09:18
Berappen ist jetzt eine gute Vokabel. Denn tatsächlich, das Abschälen der Rinde von Bäumen, also auch von Korkeichen, nennt man berappen. Das hast du jetzt ja wieder richtig gut hingekriegt, aber wahrscheinlich nur zufällig, ne?
Michael
00:09:31
Ja, das war Intuition, weißt du? Aber egal. Jetzt überleg aber mal, jetzt gibt es Leute, die zahlen 3, 4, 5 € für einen Wein und sagen dann, aufgrund der Wertigkeit wollen sie einen Naturkorken haben, der einen Euro kostet. Passt das zusammen? Also, wo liegt das Schwergewicht? Auf dem Wein oder auf dem Korken?
Tobias
00:09:53
Vor allem 3, 4, teilweise sind es ja sogar nur 2 oder 3 € für einen Wein im Discounter.
Michael
00:09:59
Ja, so extrem wollte ich mich jetzt gerade nicht zeigen. Aber ganz ehrlich, wusstest du eigentlich ja, dass der Großteil des Korks für diese Weinkorken aus Portugal kommt? Und zwar aus der von mir so geliebten und geschätzten Region Alentejo? Ja, das ist, eigentlich ist das die Topadresse für das Abschälen, das Berappen der Rinde von der Korkeiche.
Tobias
00:10:26
Also fragst du mich jetzt ernsthaft, ob ich das weiß? Also vergisst du denn wirklich alle gemeinsam Erinnerungen?
Michael
00:10:34
Es war mir ja klar, dass sie das irgendwie dann doch bekannt war. Okay, genau, wir waren ja gemeinsam vor Ort.
Tobias
00:10:39
Richtig.
Michael
00:10:40
Das war jetzt so ein bisschen naiv von mir. Nun gut, dann kommen wir jetzt mal zu den Schraubverschlüssen. Und um es mal ganz persönlich zu formulieren: Ich habe dem Schraubverschluss in den vergangenen Jahren richtig viel abgewinnen können. Ich war sehr skeptisch, aber mittlerweile weiß ich ihn immer mehr zu schätzen, weißt du? Der ist praktisch, zuverlässig und was meinen Weinkonsum betrifft, für mindestens 80 % bestimmt genau die richtige Lösung.
Tobias
00:11:11
Ja, sehr schön gesagt. Und tatsächlich ist er in vielen Köpfen immer noch etwas wie Wertigkeit und richtige Qualität mit dem Naturkorken verbunden. Ich glaube, das hat etwas mit dem Ritual zu tun, den Korken zu ziehen, dieses Spiel mit dem Widerstand des Korkens, das feine Plopp und nur dezente Seufzen. Das hat natürlich was, das gebe ich schon zu. Besonders natürlich bei älteren Weinen. Aber so ein bisschen sprichst du dich ja jetzt trotzdem gegen den Schraubverschluss aus, denn du hast ja eben nur von ungefähr 80 % gesprochen.
Michael
00:11:47
Langsam, langsam. Also dezentes Seufzen. Also, wie schön hast du das gesagt? Also bislang heißt es ja bei Verkostungsnotizen erst mal Auge, Nase, Gaumen. Ich finde das jetzt ganz toll, dass du jetzt im Namen des Korkens, ja, noch mal das Ohr voranstellt. Also echt eine tolle Geschichte. Nein, ich weiß ja, was du meinst. Für mich ist das ja eher so ein Aufatmen des Weins und nicht so ein Seufzen. Aber gut, da können wir uns noch mal gesondert drüber unterhalten. Der Korken, das muss man ja aber dann an der Stelle auch dazu sagen, ist ja beim Öffnen der Flasche eben genau das Problem. Ja, also wenn du jetzt mal an ältere Jahrgänge denkst, dann nimmst du den Korken raus, der ist durchsotten. Das heißt, der Wein, bei der waagerecht gelegen hat, ist in den Korken eingedrungen und plötzlich gibt es dann so Brösel, die dann in die Flasche fallen.
Tobias
00:12:49
Ja, absolut. Das ist natürlich insbesondere bei wirklich älteren Semestern ein Problem. Das hat man nicht jeden Tag, aber man muss trotzdem festhalten, das Problem hast du bei einem Schraubverschluss halt einfach nicht. Ja, und tatsächlich kenne ich nur einen wirklich ernstzunehmenden Kritikpunkt bei einem Schrauber. Ja, viele Weinfreunde sind sich eben unsicher, wie sich dieser Verschluss bei Weinen macht, die, sagen wir mal, 1ß, 20 Jahre in der Flasche bleiben sollen oder sogar noch länger. Da denken dann viele, ja, der nimmt dann vielleicht so einen metallischen Geschmack an oder so, ne? Und man muss ja auch zugeben, so wirklich viele Erfahrungswerte gibt es dazu nicht. Und ich persönlich habe das schon mal gar keine diesbezüglich, dass ich sagen könnte, ich habe jetzt schon seit 30 Jahren einen hochwertigen Rotwein mit Schraubverschluss im Keller. Wäre ja irgendwie komisch, ne? Das heißt, die Gretchenfrage ist eigentlich dieselbe wie auch beim Naturkorken. Und hast du aufgepasst?
Michael
00:13:49
So was habe ich geahnt. Aber ich sage jetzt mal. dichthalten und Sauerstoffzufuhr nur in kleinster Dosierung erlauben. Das müsste dir doch einfach gefallen als Antwort. Warum? Damit die Oxidation des Weines gebremst wird, aber auch so ein bisschen stattfindet, denn wir wollen ja einen Reifeprozess haben. Ganz ausdrücklich gerade bei den Guten Weinen. Ja, also ich glaube, wir reden hier von Gasdiffusionsrate, also der unterschiedlichen Verschlüsse. Und ja, das gilt ja meist als der größte Nachteil der Schraubverschlüsse. Die sind einfach rappeldicht.
Tobias
00:14:34
Na, das war lange Zeit so, aber da hat sich in den letzten Jahren ordentlich etwas getan, denn mittlerweile ist man bei Schraubverschlüssen so weit, dass man sie ganz nach den Wünschen der Winzer herstellen kann. Will meinen, wie viel Nanooxidation - Nano, ne? - passt zu einem perfekten Reifeprozess des konkreten Weines? Das lässt sich jetzt komplett aussteuern und so dann auch von dem Hersteller an das Weingut liefern. Und das ist gerade für die Super Premium-Weine eine ideale Sache. Jetzt hör mal zu, das ist nämlich ziemlich spannend, denn Naturkorken sind in Sachen Nanooxidation eigentlich eine komplette Blackbox. Es gibt mittlerweile Untersuchungen, ja, dass gute Korken nur 0,08 Gramm Sauerstoff pro Jahr passieren lassen. Bei schlechteren Korken, die nicht so sorgfältig ausgewählt selektiert wurden, sind es ganze 32,4 Gramm Sauerstoff pro Jahr. Ja, und verlässlich im Vorfeld das irgendwie überprüfen? Ja, das kann man natürlich nicht bei jedem einzelnen Korken, selbst bei den teuersten Naturkorken nicht. Es ist halt eben, wie der Name schon sagt, ein Naturprodukt. Und diese Einschlüsse, die Durchlässigkeit, die entscheidet sich quasi von Rinde zu Rinde. Und zusammengefasst bedeutet das, ein moderner Schraubverschluss lässt selbst die hochwertigsten Weine absolut kontrolliert reifen, ganz wie es eben zu dem konkreten Wein am besten passt. Denk vor allem mal an hochwertige Bordeaux-Weine. Da gibt es ja Erfahrungen mit den Reifeprozessen, die schon Jahrzehnte, teils Jahrhunderte zurückreichen. Und dann diese Möglichkeit zu haben, ist eigentlich fantastisch. Und das macht es auch logisch, dass viele fordern: Weg mit den Korken! Denn das letzte Argument war ja immer, du hast es schon genannt, wer weiß, wie gut Schraubverschlüsse Weine auf Dauer reifen lassen. Ja, aber dann muss ich doch wieder ein bisschen einlenken. Das angesprochene Ritual würde ich trotzdem vermissen. Also es ist schon irgendwie ein bisschen krank.
Michael
00:16:51
Nein, danke, Tobias. Das war jetzt echt eine Sternstunde der Weinedukation, ja. Respekt, Respekt. Oder wie hieß das eben? Es ist jetzt einfach mal eine ungeheure Wissensdiffusionsrate, die du gerade geliefert hast. Nein, aber dennoch muss man das ja auch mal konkreter fassen. Also wir sind jetzt immer noch so ein bisschen im luftleeren Raum. Und nimm zum Beispiel mal das VDP-Weingut Gunderloch, sicherlich kein Unbekannter, aus Rheinhessen. Bei denen kommen vom Einstiegswein, vom allerersten, ja, bis zum Großen Gewächs alle Weine ausschließlich auf den Schraubverschluss. Ja, oder Nehmen wir mal Patrick Johner aus Baden. Genau dasselbe! Ja, und da reden wir jetzt über große, anerkannte Namen unter den Winzern. Und ich sage jetzt mal, ein bisschen polemisch, echte Überzeugungstäter, ja, wenn es um Verschlusssache geht, um Schraubverschluss versus Korken. Haben die das schon begriffen und wir noch nicht?
Tobias
00:17:59
Ja, also aus Qualitätsgesichtspunkten lässt sich nun wirklich nichts gegen den Schraubverschluss sagen. Das haben wir jetzt, glaube ich, geklärt. Und das hat man in Ländern wie Australien und Neuseeland schon viel, viel länger verstanden als bei uns. Stichwort Neue Welt. Die sind da immer so ein bisschen offener für neue Entwicklungen. Ja, und dagegen, in Frankreich und Italien läuft das noch gar nicht so gut mit dem Schraubverschluss. Ein Bordeaux oder Barolo mit einem Schrauber, das ist absolut undenkbar. Ja, das ist geradezu ein Tabubruch. Ja, das ist also in diesen Ländern noch viel, viel tiefer in der Kultur verwurzelt als bei uns. Und wie gesagt, ich zucke ja auch noch immer zusammen, wenn ich dieses unromantische Ratsch des Schraubverschlusses höre. Stell dir vor, auch so eine Situation in einem guten Restaurant, vielleicht sogar mit einem Sommelier, der dann mit der Flasche an den Tisch kommt, und ja, dann gibt es eben kein Kellnermesser, sondern nur das schöne Ritschratsch.
Michael
00:18:59
Also dein Seufzen oder mein Aufatmen. Aber tatsächlich ist vielleicht der Ratsch dann ja auch so was wie die Zwölftonmusik bei der Verschlussfrage bei den Weinen. Und man muss das gar nicht so pessimistisch sehen. Und ich, ehrlich gesagt, würde ja prophezeien, es wird in Zukunft noch viel mehr von Gunderloch geben, sowohl in Frankreich als auch in Italien. Denn denk mal nach, gerade bei den einfacheren Weinen, einfacher in dem Sinne, die brauchen keine lange Reifezeit, die nehme ich direkt aus dem Regal, mach sie auf und schütte sie mir ins Glas. Da braucht es keinen Naturkorken in diesem engeren Sinne, gerade weil es ein Naturmaterial ist. Da muss man damit sparsam umgehen. Und das andere ist jetzt, das sage ich jetzt noch mal so, es ist ja keine Entweder-Oder-Entscheidung, ja? Also es spricht ja nichts gegen eine friedliche Koexistenz von Naturkorken und Schraubverschluss, gerade im Sinne der Vernunft. Und dieses Statusding. Ja, das kann man sich wirklich abgewöhnen. Also das sage ich aus ganz eigener Erfahrung. Und wer da meinen Ratschlag benötigt, ich sage einfach mal, probiert es mal mit einem Pinot Noir La Ligne von Friedrich Becker. Ein grandioser Wein mit Schraubverschluss. Da baut man alle Vorurteile ab. Also geht doch, oder?
Tobias
00:20:32
Ja, allerdings. Und wie zu erwarten, gibst du jetzt den Pragmatiker. Ja, finde ich aber eine gute Art der Argumentation. Sehr, sehr geschickt. Nachdem du dich jetzt geoutet hast, will ich erst recht wissen, was die Bei Anruf Wein-Fans darüber denken. Also noch mal der Hinweis: Schreibt uns gerne, was ihr von Korken bzw. Schraubverschlüssen haltet.
Michael
00:20:57
Und bitte, bitte, bitte, ganz ehrlich, weil es ist ja nun wirklich eine Frage, die uns alle bewegt, auch wenn sie so unscheinbar erscheint. Also schreibt an podcast@weinfreunde.de. Unter der Mailadresse sind Tobias und ich genau wie bei dem Instagram- und bei dem Facebook-Account natürlich allzeit für euch verfügbar. Wir freuen uns über eure Rückmeldungen und so.
Tobias
00:21:23
Ne, Moment, stopp mal. Du willst mir jetzt schon wieder in die Schuhe schieben, ich hätte irgendwas wahrscheinlich vergessen usw. Nee, nee. Heute drehe ich nämlich mal den Spieß um. Also, lieber Michael, was haben wir denn vergessen? Ist wirklich alles zu Korken und Schraubverschluss gesagt? Hm, hm?
Michael
00:21:41
Du kennst mich jetzt schon gut und ich sage jetzt mal, kurz überlegen, ja doch, zu den Naturkorken schon, aber es gibt ja unter den Verschlüssen noch Presskorken, Kunststoffkorken und sogar Glasverschlüsse. Also die müssen wir ja zumindest mal genannt haben.
Tobias
00:22:01
Ja, sehr gut, sehr gut, sehr gut, sehr gut. Presskorken und auch Kunststoffkorken halten eigentlich nicht richtig mit. Also zumindest aus meiner Sicht. Vor allem, wenn man an die bereits ausgeführten Qualitäten denkt. Diese Alternativkorken sind vor allem eines, nämlich billiger, und bieten eben das liebgewonnene Ritual, ja, haben dann meistens auch nicht das Risiko der Korkschmecker, aber das war's dann auch. Und Glasverschlüsse, die finde ich dann für Weine, die keine Reife benötigen, okay, sind aber auch relativ teuer und so weit ich weiß, sind sie dann für Weine, die reifen müssen, eher nichts, da sie ziemlich dicht sind. Es sei denn. da hat sich auch schon wieder was getan. Aber das so mein letzter Kenntnisstand.
Michael
00:22:50
Ja, dicht sind, das war jetzt kurz und bündig von dir. Danke, danke, danke. Und ihr Lieben da draußen.
Tobias
00:22:57
Stopp, Stopp über die tollen Wachskapseln, mit denen man den Korken schützen kann. Willst du jetzt an der Stelle nichts sagen?
Michael
00:23:04
Nein, das kann man alles ganz getrost im Weinfreunde-Magazin in aller Ruhe nachlesen. Also noch einmal bitte. Pause. Also, ihr Lieben da draußen, vielen Dank fürs Zuhören. Ich hoffe, es hat euch gefallen, wie zuvor auch, und ihr öffnet euch jetzt ein wenig für das Thema Schraubverschluss.
Tobias
00:23:32
Ja, öffnet, sehr schön gesagt. Und vielleicht folgt ihr ausnahmsweise mal der Empfehlung Michaels und holt euch ein paar gute Flaschen ins Haus, um euch noch einmal mit dem Schrauber genüsslich zu konfrontieren. Zeit genug bleibt ja, bis es wieder heißt.
Michael
00:23:48
Bei Anruf.
Tobias
00:23:50
Wein.