Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Württemberg: mit Felix Ellwanger im Nebel

18.02.2025 46 min

Zusammenfassung & Show Notes

Für ein Porträt über das Anbaugebiet Württemberg haben Michael und Tobias den idealen Interviewgast besucht: Felix Ellwanger steht nicht nur einem der besten Weingüter des Remstals vor, er ist außerdem Präsident des VDP-Regionalverbands Württemberg. Mit ihm sprechen sie natürlich über Lemberger und Trollinger, aber auch über Riesling aus Württemberg. Noch dazu erfahren die beiden von Felix die spannende und weit zurückreichende Geschichte des Weinguts Ellwanger. Nur mit der grandiosen Aussicht im Weinberg hat es nicht geklappt, es herrschte Nebel, wo nie Nebel ist. Eine lehrreiche und vergnügliche Plauderei.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Das deutsche Anbaugebiet Württemberg erhält noch viel zu wenig Aufmerksamkeit, finden Michael und ich. Um dies zu ändern, haben wir Felix Ellwanger im schönen Winterbach besucht. Er betreibt gemeinsam mit seinem Vater das vielleicht beste Weingut der Region. Zudem ist er Vorsitzender des VDP-Regionalverbands Württemberg. Wer könnte überzeugender eine Lanze für Trollinger, Lemberger, aber auch Riesling brechen als er? Komm unbedingt mit uns nach Württemberg. Es lohnt sich! Und wusstest du schon, dass du noch mehr von Michael und mir auf weinfreunde.de entdecken kannst? Einfach einloggen und beim Bonusprogramm Weinfreunde plus unsere Hörgenuss-Folgen anhören - Weinempfehlungen von uns beiden inklusive. Also bleibt mal dran. Wir fangen direkt an! Felix, hi!
Felix
00:01:03
Hi.
Tobias
00:01:04
Freuen uns, hier zu sein.
Felix
00:01:05
Ich freue mich auch, dass ihr hier seid, an diesem nebligen Montag.
Tobias
00:01:09
Ja, genau. Neblig ist es. Und winterlich ja außerdem. Deswegen vielleicht direkt mal zum Einstieg die Frage: Wie sieht es aus mit dem Eiswein? Wir haben jetzt erst eine Podcastfolge über das Thema gemacht. Wie sind da die Prognosen?
Felix
00:01:21
Also bei uns ist, glaube, schon durch. also wir hatten aber nichts hängen. Also man muss sagen, man versucht ja immer Eiswein in Jahren zu machen, wo später dran sind und das Lesegut, sag ich mal, noch noch gesund ist, genau. Und ich muss ehrlich sagen, also erstens mal war es ein kleiner Jahrgang und da hat man jetzt nicht so viel Kapazität, um was hängen zu lassen. Deswegen haben wir gesagt nee, lass mal lieber dieses Mal. Aber es hätte funktioniert.
Tobias
00:01:46
Ja, okay, aber da sind wir wieder bei dem Thema Risiko, und will man das wirklich? Und funktioniert es wirklich? Dann muss man sich ja immer überlegen, geht man das ein oder macht mit dem Wein etwas anderes?
Felix
00:01:57
Ich bin mal ehrlich. Also im Grunde genommen ist es so, wenn du einen großen Jahrgang hast und da ist der Keller eh schon voll und dann hast du noch irgendwo ein paar Reihen hängen, dann kannst du sagen: lass hängen, probier mal aus. Aber dieses Jahr...
Tobias
00:02:08
Ach, so läuft das?
Felix
00:02:08
...Aber dieses Jahr mit Frost und mit der ganzen Krankheitsproblematik im Sommer, schwierig. Lassen wir lieber mal.
Michael
00:02:17
Verzichtet eventuell freiwillig auf Ertrag, den man einfach braucht und dann überlegt man sich das?
Felix
00:02:23
Ja, also man muss ja auch sagen, Eiswein ist für Württemberg, also ich finde, dass Württemberg sehr, sehr geile Weine hat. Das Problem ist bloß, es interessiert sich kein Mensch dafür. Also das ist die Wahrheit.
Tobias
00:02:35
Mehr oder weniger, ne?
Felix
00:02:36
Ja, also ich habe mal mit dem Rudi Knoll, werde ich nie vergessen, hatten wir mal eine Weinprobe zum Rotweinpreis und da haben wir den Edelsüßen noch mitgebracht, weil alle halt Rot hatten, haben wie Eiswein, und dann hat er damals gesagt, dieser Eiswein kommt aus Württemberg und kostet damals knapp 36 €. Wenn er von der Mosel kommen würde, würde er 1.000 € kosten. Ja, und das ist schon so. Also ganz ehrlich, ich mache es gern, ich mag es auch sehr gern, aber es ist für uns eher so, ja, Hobby möchte ich jetzt nicht sagen, aber...
Michael
00:03:08
Nische.
Felix
00:03:09
...Nische, Nische in der Nische. Ja, genau.
Tobias
00:03:12
So, jetzt müssen wir aber vielleicht erst mal sagen, wir sind beim Weingut Ellwanger, oder genauer gesagt beim Weingut Jürgen Ellwanger. Zu der Geschichte kommen wir später natürlich auch noch. Aber wir müssen jetzt vielleicht den Zuhörerinnen und Zuhörern erst mal erklären: Wo sind wir eigentlich? Also erzähl uns doch vielleicht ein bisschen was zur Geografie von Württemberg, dem viertgrößten Anbaugebiet Deutschlands, bevor wir dann vielleicht zu eurem speziellen Mikrokosmos kommen.
Felix
00:03:35
Okay, also Württemberg, schon richtig gesagt, viertgrößtes Anbaugebiet. Im Grunde genommen teilt sich Württemberg so ein bisschen in zwei große Bereiche. Es gibt noch Teilbereiche wie unten am Bodensee, aber eigentlich der größte Bereich ist wirklich eigentlich das Unterland. Das ist praktisch Heilbronn. Dann hast du diesen Bereich Hohenlohe, dann ein bisschen Vaihingen Enz, also eher das, ich sag jetzt mal, Nördlichere, und das ist etwas Südlichere ist eigentlich das Remstal, oder Östlichere auch. Und von den Verhältnissen her muss man sagen, also Württemberg hat ja knapp 10.000 Hektar round about, davon sind 1.000 Remstal und Stuttgart, und die restlichen 9.000 ist praktisch der obere Bereich. Also wir sind der deutlich kleinere Teil.
Michael
00:04:23
Und zum Remstal, Entschuldigung, ich muss die Frage immer stellen, die Rems ist der Fluss jetzt hier? Wir haben auch vorhin sehr eindrucksvoll das Tal gesehen, voll mit Nebel. Ganz viel Nebel haben wir gesehen.
Felix
00:04:36
Ja, da ist wirklich viel.
Michael
00:04:37
Die Rems fließt in den Neckar, ne?
Felix
00:04:40
Genau.
Michael
00:04:41
Und was sind so die Besonderheiten dieses Tals? Ist es eng? Ist es weit. Was bedeutet das für den Wein?
Felix
00:04:46
Also, das Schöne am Remstal ist, dass es eigentlich beides hat. Also es beginnt eigentlich bei Stuttgart. Dann mit Fellbach ist eigentlich der erste Teil zum Remstal, wobei Fellbach ist immer dort, wo es gerade passt. Also manchmal sind sie lieber Stuttgarter, manchmal sind sie lieber Remstäler. Das darf ich, aus Spaß darf ich es sagen. Und aufhören tut es eigentlich bei uns hier hinten. Also über meinen Vater ist mal geschrieben worden, der letzte Wenger da vor Moskau. Ist so weit im Osten, ja. Also bei uns geht es dann auf die Ostalb hoch und das Tal wird eigentlich breiter. Also vorne ist es eher enger, und habt da jetzt auch gerade gesehen, also vorne hat sich der Nebel noch gestaut. Hier hinten ist er öfter. Also eigentlich sind wir aber der kühlere Teil. Also ich sage immer, es ist manchmal von Vorteil, manche Jahre ist von Nachteil. Also kühle Jahre sind wir im Nachteil, in warme Jahre sind wir im Vorteil. Da haben wir halt einfach mehr Säure. Das ist schon so.
Michael
00:05:40
Und wie sieht die Tendenz aus? Mehr im Vorteil oder mehr im Nachteil in den vergangenen zehn Jahren?
Felix
00:05:46
Also ich finde es eher positiv. Früher hat man schon. Also man muss natürlich sagen, das Bild des Weines hat sich ja gewandelt. Also ich nehme mal das Beispiel gerne, 2003, das war so der erste Jahrgang, den ich so mitgekriegt habe, also wo ich noch nicht lange im Business war oder sonst irgendwas, aber den habe ich so im Kopf . Und das war so dieser superheiße Jahrgang. Und damals wusste man ja gar nicht, was man, also viele wussten gar nicht, was sie machen. Das war der erste Jahrgang, wo du säuern durftest und so. Und mein ältester Bruder, der war damals, der hat 1990 in Castello di Ama gelernt, und das war einer von den wenigen, der wusste, wie man es säuert, weil der es halt aus Italien gekannt hat. Also, dass man nicht den Wein säuert, sondern eigentlich den Most. Und ich muss sagen, da haben wir wirklich grandiose Rotweine damals rausgebracht und es war für uns echt ein geiler Jahrgang. Also viele sagen ja, 2003 kannst du nicht trinken, sage ich immer noch Rot, Weltklasse. Also mit das Beste, was wir je gemacht haben. Aber man muss sagen, der Stil von damals, den gibt es ja heute nicht mehr. Also ich weiß noch, mein Vater war damals stolz wie Harry, der hatte einen Spätburgunder, muss man sich überlegen, 16 Volumprozent.
Michael
00:06:51
Spätburgunder?
Felix
00:06:52
Spätburgunder.
Tobias
00:06:53
Spät-Spät.
Felix
00:06:53
Und die Leute haben es uns aus der Hand gerissen. Wenn du das heute machst, wenn du das heute produzieren würdest, würdest du gesteinigt werden. Also völlig unvorstellbar.
Tobias
00:07:01
Da will man ja jetzt von weg.
Felix
00:07:02
Genau. Also was ich sagen möchte, ist, im Grunde genommen ist die Säure ja von Vorteil. Also ich freue mich eher über die kühleren Jahrgänge, über die eleganteren Jahrgänge. Aber deswegen ist es ja immer auch eine Frage, was man haben möchte. Und was man erzeugen möchte, es kommt natürlich auf die Rebsorte an.
Tobias
00:07:19
Aber grundsätzlich kann man sagen, das Klima in Württemberg, jetzt mal Norden und Süden mal zusammengefasst, ist ja eher warm mit vielen Sonnenstunden, was dann eigentlich ja schon in Richtung Rebsorten überleitet. Mit ein Grund dafür wahrscheinlich, dass Württemberg Rotweinland ist, oder?
Felix
00:07:38
Jein. Also dieses Rotweinland, das unterschreibe ich nicht immer ganz, weil die Hauptrebsorte ist halt doch Riesling. Also nicht Lemberger und schon gar nicht Trollinger, sondern eigentlich ist bei uns Riesling die stärkste Rebsorte. Klar, es ist mehr Rot, Rot fächert sich deutlich mehr auf. Aber ja, ich weiß gar nicht. Ich glaube, es war der Gert Aldinger, der das mal so schön gesagt hat. Wenn es zu heiß für Riesling hier ist, dann gehen wir halt auf die Nordseite. Also ihr seid ja Mühlen zugefahren, rechts ist bei uns Streuobst. Das waren früher auch mal Weinberge. Es ist vielleicht die Frage, ob die Lagen, die früher die idealen Weine, Lagen für kühlere Weine waren, ob sie es heute noch sind.
Tobias
00:08:24
Ja, klar.
Felix
00:08:25
Also das ist wieder eine andere Frage. Aber prinzipiell würde ich nicht unterschreiben, dass es zu heiß für Weißwein ist. Also ganz und gar nicht. Also vor allem hier im hinteren Remstal, da ist halt, ich sage mal, das Tal doch etwas breiter, etwas wilder. Also einfach viel mehr windzugiger. Das ist schon echt ein Unterschied.
Michael
00:08:44
Und ganz unterschiedliche Mikroklimata, ne?
Felix
00:08:47
Genau. Also das ist so, man hat hier halt auch relativ wenig Monokultur, muss ich sagen. Das finde ich auch schön, dass die Weinberge immer durch Streuobst unterbrochen sind. Also wenn wir gerade im VDP die Nachhaltigkeitsdebatte, und dann ging das halt so los über das Thema, ja, ob man nicht noch praktisch was anderes pflanzen kann. Und dann habe ich dem damals einfach mal ein Bild vom Winterbacher Hungerberg gezeigt. Der war komplett geschockt, weil da halt einfach ringsherum Streuobst, komplett alles in der Blüte gestanden ist. Also das sieht natürlich schön aus, aber was ich sagen will, ist, du hast hier nicht diese ewigen Weinflächen, sag ich mal, sondern es ist schon unterbrochen und das liegt aber schon echt an den Mikroklimas. Weil es halt dann auch, wenn dann halt was in den Nordhang übergeht, dann steht da halt einfach kein Wein mehr.
Michael
00:09:32
Ja, ein wichtiger Parameter ist ja noch Höhe. Also wie hoch geht es hier eigentlich vom Tal aufwärts?
Felix
00:09:38
Ja, es sind eigentlich so ich sag mal von 300 bis 450. Also es ist schon recht ordentlich oben. Und das macht halt auch einen Riesenunterschied. Also man sieht es, also es gibt diesen klassischen Rebsortenaufbau, Lemberger in den mittleren, heißen Lagen und oben drüber der Spätburgunder. Das sind bei uns halt zum Beispiel die Große-Gewächs-Lagen, Linnenbrunnen und Berg einteilt, wo Spätburgunder und Lemberger wächst. Da ist halt, im heißen Teil steht der Lemberger, der halt deutlich mehr Sonne braucht, und der Spätburgunder steht dann eigentlich drüber, wo eigentlich eher das Gegenteil gewünscht ist, wo man sehr früh holen muss.
Tobias
00:10:14
Jetzt hast du eben gesagt, Riesling ist die meistangebaute Rebsorte in Württemberg. Ich glaube, das lässt sich ja auch auf euer Weingut übertragen, was ja die Menge der produzierten Weine angeht. Trotzdem habe ich aber jetzt gelesen, der Boden in Württemberg insgesamt ist eigentlich ideal für Rotwein, weil er ist geprägt von Muschelkalk, aber auch von Keuper. Und ich glaube, das ist ja so ein etwas schwererer Boden. Kannst du uns dazu ein bisschen was erzählen?
Felix
00:10:41
Genau. Keuper ist eigentlich ein schwerer Boden. Also ein bisschen mehr lehmhaltig, also nicht unbedingt fett, das ist er nicht, aber er speichert sehr viel Wasser, zum Beispiel. Also zum Beispiel jetzt gerade in der Klimawandeldebatte sehr interessant, weil ich sage, unsere Böden, die speichern wirklich so viel Wasser. Wir haben relativ wenig Probleme mit Trockenstress. Also es gibt schon, so ist es nicht, aber es ist jetzt nicht so, dass bei uns in den letzten Jahren massenweise die Reben gestorben sind, was du ja in andere Anbaugebiete schon hast. Ja, und das ist einfach durch den Keuperboden, der einfach das Wasser halt auch speichern kann. Es ist halt kein Sandboden oder kein Schieferboden, wo es im Grunde genommen einfach durchgeht, sondern er puffert schon sehr viel.
Tobias
00:11:22
Aber Kalk spielt ja trotzdem eine Rolle und das bringt ja, denke ich, wahrscheinlich so ein bisschen...
Felix
00:11:27
...Mineralität mit rein. Das ist eigentlich so, ich sage mal, im Bereich Riesling sind das eigentlich die spannenden Böden, die eigentlich so Gipskeuper oder Muschelkalk sind, die dann doch ein gewisses Maß an Mineralität bringen. Jetzt, schon klar, die Frucht haben und dafür ist halt eigentlich der Keuperboden, eigentlich Rotwein. Und ich sag mal, fruchtbetonte Weißweine. Das kriegst du aus Keuperböden raus. Aber er hat schon echt Vorteile. Er ist halt früher wahrscheinlich eher schwieriger gewesen, aus dem Grund, weil er halt sehr schwer zu bearbeiten ist. Also das ist ja, also ich nehme jetzt mal das Beispiel Winterbach Hungerberg. Also Hungerberg heißt er ja nicht ohne Grund, der heißt Hungerberg deswegen, weil das wirklich so ein karger Boden früher war und da wenig, ja, also die Leute hatten ja keinen Traktor, sondern die mussten das ja alles von Hand bearbeiten. Es war halt echt Knochenarbeit. Also wir haben da oben noch ein kleines Wochenendhäusle. Wenn du da versuchst, was Normales zu pflanzen, das ist wie Beton. Also, das ist so hart, der Boden, wenn der trocken ist. Das ist halt richtig, richtig knallhart. Ja, das war halt für die Leute früher, wenn die das pflügen mussten oder wie die das gemacht haben, deswegen hieß es dann Hungerberg. Aber im Grunde muss man ja sagen...
Michael
00:12:39
...Das ist gut für Wein eigentlich.
Felix
00:12:40
Genau. Bei Wein geht es ja nicht darum, du möchtest ja keinen Ackerboden. Du möchtest nicht viel, sondern du möchtest wenig und gut.
Tobias
00:12:46
Und das ist der Beweis dafür. Wenn nichts mehr geht, Wein geht immer noch.
Felix
00:12:50
Genau. Und das ist ja das, was man immer manchmal auch sagen muss in dieser ganzen Bodendebatte. Ja, also das, was die vor 200 Jahren wollten oder vor 100 Jahren, selbst in Württemberg würde ich sagen, vor 50 Jahren war das Ziel ja ein ganz anderes. Also zu meinem Vater seiner Zeit war das Idealbild eines Weinbergs in Württemberg eine blaue Wand. Das hieß, so viele Trauben wie möglich. So, das war in den meisten Anbaugebiete so. Heute hat sich natürlich der Markt wo ganz anders hinentwickelt. Also wir möchten ja eigentlich gute Weine oder große Weine erzeugen und nicht viel Wein. Und das ist eigentlich, ich sage mal, das, wo man einfach sagen muss, dadurch hat sich einfach der Charakter des Weinbergs an sich geändert.
Michael
00:13:33
Das sagt jetzt jemand, der im VDP Mitglied ist. Da gibt es ja dann auch für bestimmte Lagen einfach auch eine Begrenzung des Ertrags. Die reduzieren das ja automatisch.
Felix
00:13:42
Ja noch weit, weit tiefer. Also man muss sagen, ich nehme jetzt das Beispiel Württemberg, da hast du, also wir reden ja immer von Hektar-Höchstertrag, also als Winzer rechnest du pro Ar. Liter pro Ar, also 10 auf 10 Meter so und so viel. Du darfst maximal in der Steillage 130 Liter haben. In der normalen, glaub ich, 100. Wir haben einen Betriebsdurchschnitt von 70 und bei einem Großen Gewächs sind wir eher bei 30. So, und das ist eigentlich jetzt auch das, wo ich sage, mich fragen immer viele Leute: Warum ist der Wein jetzt so viel teurer als der andere? Liegt es am Boden? Liegt es an der Lage? Na klar liegt es daran . Oder liegt es am Holzfass? Und eigentlich musst du sagen, im Grunde genommen, der erste große Schritt, und der am meisten uns Winzer Geld kostet, also als unser Invest in den Wein, ist die Ertragsregulierung. Also wenn ich jetzt zum Beispiel, ich habe jetzt bei uns einen Winterbacher Riesling unser Guts-, unser Basis-Riesling, da habe ich vielleicht 75 Liter. So, das Große Gewächs, das hat 30 Liter. Also der eine kostet 9,90, der andere kostet 32. So, jetzt laufe ich da im Sommer durch und schneide die Hälfte aller Trauben auf den Boden, wenn die noch erbsengroß sind. Das heißt, der ist schon mal von Haus aus, nur vom Ertrag her habe ich genau doppelt so viel Aufwand, weil ich einfach so wenig Ertrag habe. Jetzt kommt aber dazu, die Trauben fallen ja nicht von alleine weg, sondern du läufst ja eigentlich durch und nimmst jede Traube nochmal in die Hand. Beziehungsweise teilweise jetzt bei Spätburgunder zum Beispiel halbierst du jede einzelne Traube. Und natürlich stellst du diesen Weinberg ja von vornherein so ein. Also ich habe immer dieses Beispiel, wenn man - ja, also da muss ich vielleicht anders anfangen, aber das Remstal ist ja jetzt schon, hier gibt es sehr viele reiche Menschen. So, reiche Menschen kommen ja auf die Idee, sie hätten gern Weinberge.
Tobias
00:15:34
Kommen alle aus Stuttgart.
Felix
00:15:35
Ja, genau als Beispiel. Es gehört halt dazu. Und jetzt kauft jemand den Weinberg und dann sagt er zu einem guten Winzer, den er gern hätte für seinen Weinberg: Kannst du das für mich machen? Also der nimmt das natürlich. Dann musst du dem aber erst mal klarmachen: Hey, können wir machen, aber dieser Weinberg, den du gekauft hast, der ist jetzt 30 oder 50 Jahre lang auf eine ganz andere Art bewirtschaftet worden. Also das ist, wie wenn du ein Pferd hast, das, - bei Pferde geht es gar nicht, aber rein theoretisch ein Pferd - das war 20 Jahre Ackergaul und soll jetzt Rennen laufen. So, das fängt schon damit an, dass du Düngung umstellen muss. Weil wenn du den Weinberg jetzt so, das braucht allein mal 4 Jahre, dass die Düngung stimmt, weil wenn das jetzt noch auf 100 Kilo ausgelegt ist, dann hast du viel zu massige Trauben, egal ob du die ausdünnst. Das sind einfach so Sachen. Im Grunde genommen fängt es vom ersten Tag an damit an, wie du den Weinberg einstellst.
Michael
00:16:29
Der Rebschnitt lief ja auch anders all die Jahre.
Felix
00:16:31
Genau. Du schneidest weniger Augen an, du hast weniger Ertrag, die Düngung muss stimmen, die Begrünung muss stimmen. Und so weiter. Es ist einfach was völlig anderes. Und das ist, ja, das gehört alles dazu, um einen großen Wein zu erzeugen. Aber diese Ertragsreduzierung ist mal der erste fundamentale Schritt in allem, was du tust.
Michael
00:16:51
Also Entschuldigung, da muss ich kurz einschreiten. Das hört sich jetzt so schlecht an mit der Ertragsreduzierung. Klar tut euch das weh, aber ohne dies gäbe es ja diese tollen Weine dann eben nicht. Also die Rebe kann sich halt eben auf weniger Trauben konzentrieren und den mehr im Verhältnis zu anderen mitgeben.
Felix
00:17:07
Genau, weil die Rebe sagt ja nicht, die Rebe sagt ja nicht: Wow, lieber Winzer, ich möchte gern tollen Wein produzieren. Sondern die Rebe denkt eigentlich: Hey, lieber Vogel, hol dir bitte meine Beeren, friss die, schmeiß meinen Samen irgendwohin und vermehre mich. Ja, das ist eigentlich das, was die Rebe will. Die Rebe...
Michael
00:17:23
Zilpzalp.
Tobias
00:17:24
Genau, der Zilpzalp.
Felix
00:17:25
Ja, das ist das Ziel von der Rebe. Die sagt eigentlich, okay, je mehr Samen, desto mehr kann ein Vogel verbreiten. Und wenn sie weniger Beeren hat, dann versucht sie eben, die Beeren attraktiver zu machen für den Vogel. Das ist ja eigentlich das, was die Rebe, wenn sie ein Gehirn hätte, würde sie s o denken, ja. Und wir nutzen das natürlich und reduzieren den Ertrag. Das heißt, du kannst jetzt nicht mit 5 Liter fahren, weil das wird die Rebe auch nicht machen. Also dann wird sie nicht die Beeren 20-mal so gut machen. Aber das ist schon ein riesengroßer Schritt einfach.
Tobias
00:17:56
Aber das ist natürlich jetzt auch, sage ich mal, so eine Aussage von einem VDP-Weingut, in dann auch dem, sage ich mal, kleineren Remstal, dem exklusiveren Remstal. Wenn wir uns jetzt die aktuelle Realität im Anbaugebiet Württemberg anschauen, dann sprechen wir von 70 Genossenschaften, die 3/4 der Gesamtrebfläche bewirtschaften, und das bei einem durchschnittlichen Ertrag - ich habe das natürlich alles nur auswendig gelernt - von 88 Hektoliter pro Hektar. Plus, um das noch in der Aufzählung zu ergänzen, dass es hier mehr liebliche Weine gibt als trockene Weine. Wie sehr beschäftigt dich, was so um dich herum eigentlich in diesem Anbaugebiet passiert?
Felix
00:18:38
Also, ich muss jetzt erst mal eine Lanze für die Genossenschaft brechen. Das wissen nämlich die Allerwenigsten. Also mein Urgroßvater, der hat mal die Remstal Kellerei gegründet. Ist sehr, sehr lange her, und wir sind eigentlich, also lassen wir mal den ganzen Standesdünkel weg und denken mal einfach mal 200 Jahre zurück. Es gab ja eigentlich in dem Sinne keine Weingüter, und nicht bloß in Württemberg, sondern eigentlich allgemein alles andere. Es gab die Adligen, die waren schon immer irgendwie selbstständig und haben halt ihre Weingüter gehabt. Deswegen halt auch VDP. Aber im Grunde genommen haben die Weingüter ja zumindest hier, kann man sagen, so alles so nach dem Krieg eigentlich erst richtig, sind die erst groß geworden. Ja, und die Genossenschaften an sich waren ja keine schlechte Geschichte.
Tobias
00:19:21
Ja, waren wichtig ja.
Felix
00:19:22
Wichtig vor allem. Also um das mal ganz kurz zusammenzufassen, also Remstal früher mal 3.000 Hektar, dann 1.000 Hektar. Kommt einfach daher, dass wir hier die Industrialisierung, klar, Bosch, Daimler, die sind alle groß geworden. Gleichzeitig hatten wir die Reblaus. Auf einmal hat es keine Weinberge mehr gegeben, weil die alle kaputt waren. Das kann sich ja heute gar keiner mehr vorstellen, dass auf einmal - es gab ja, 2/3 aller Weinberge in Europa waren ja kaputt. Das war ja eine Mammutaufgabe, die die Orte bewältigen mussten. Ohne die Genossenschaften hätten die das gar nicht hinkriegt, so das wieder bepflanzen und so weiter. Und da ist halt dann das andere dazukommen, früher hat ja jeder Winzer sein Fässle gehabt und das hat er an seinen, in Anführungszeichen, Weinherrn, so hat man das hier genannt. Das war meistens eine Gaststätte. Bei uns war das irgendwas irgendwo Richtung Alb hoch. Also mein Opa wusste das noch, die haben dann einmal im Jahr das Fass abgeholt und das war's. So kann man sich natürlich vorstellen, wie sehr man von diesem einen Kunden abhängig war.
Tobias
00:20:15
Ja, allerdings.
Felix
00:20:16
Und da kamen eben die Genossenschaften ins Spiel, die gesagt haben, wir schließen uns jetzt zusammen. Das erleichtert die Bewirtschaftung, die Kelter und alles. Und es gibt dann einfach andere, ich sag mal, andere Möglichkeiten. Und das hat jahrzehntelang verdammt gut funktioniert. Also das muss man auch mal einfach so sagen. Also in Stuttgart sind früher die Genossenschaftswinzer erstklassig gefahren. Das hat niemand in irgendeinem anderen Anbaugebiet gehabt. Also das war eine Lizenz zum Gelddrucken, ja. Das Problem ist einfach, oder was heißt das Problem, das ist einfach der natürliche Lauf der Dinge meiner Ansicht nach, dass sich der Markt verändert. Und der Anspruch an Wein hat sich verändert. Früher war Wein Lebensmittel, heute ist es Genussmittel. Zumindest in unserem Segment. Und da muss man ganz klar sagen, da sind viele, nicht alle, aber viele Genossenschaften haben diesen Strukturwandel einfach nicht mitgemacht. Oder zu langsam, weil sie einfach gesagt haben, uns geht's so gut, wir müssen nichts ändern. Ja, und das ist etwas, das hat man in allen Weinanbaugebieten, die es gibt, überall durchlebt. Alles andere, das hat, das war in der Pfalz so, das war in Rheinhessen so, das war an der Nahe so, das war Österreich, das beste Beispiel.
Michael
00:21:25
Da kann man auch nach Südtirol gehen oder an die Rhône gehen oder ins Languedoc gehen, da ist es genauso.
Felix
00:21:29
Und ich glaube einfach, uns ist es in vielen Bereichen zu lange zu gut gegangen. Also zumindest in der breiten Weinmasse. Und bei uns war ja im Grunde genommen mein Großvater, der ist Winzer geworden deswegen, oder der hat ein Weingut angefangen in dem Sinn 1949, weil es halt keine Gelder gab. Also er konnte gar nicht anders. Und mein Vater hat halt Gott sei Dank relativ schnell erkannt, ja okay, mit Menge kann ich eh nicht mithalten. Ich kann einfach nur versuchen, besseren Wein zu machen. Und so war das bei uns. Dadurch sind wir dann irgendwann mal 1994 in VDP gekommen, oder 1993, Also wir waren dann mit eigentlich mit Aldinger zusammen, der erste nicht-adelige Betrieb, der in VDP gekommen ist, also in Württemberg, das war ja früher ein adliger Club. Ja, und so hat das mal angefangen.
Michael
00:22:12
Okay, jetzt hast du gerade von deinem Vater berichtet, von deinem Opa, von deinem Großvater hast du berichtet. Die Geschichte eures Weinguts oder des Weinbaus der Familie geht ja noch viel, viel weiter zurück.
Felix
00:22:25
Also wir sind, also wir können es, was heißt belegen, aber wir wissen, wir sind Seit 500 Jahren sind wir schon immer Winzer gewesen, also Bauern. Früher war es halt klar, da war halt, Weinbau hat immer dazugehört. Das war immer klassischer Mischbetrieb. Und mein Ur-Ur-Urahne, Nikodemus Ellwanger, der war praktisch der, ja, also seitdem wissen wir es eigentlich. Und das war halt gerade die Zeit vom Bauernkrieg. Also das ist halt einfach, ab da an gibt es halt keine Akten mehr, sozusagen. Wahrscheinlich gibt es die noch länger, aber jedenfalls bei dem ist es halt überliefert, dass der halt Schultheiß, also auf Normaldeutsch Bürgermeister, und Winzer war. Und seitdem, genau.
Tobias
00:23:04
Jetzt hatten wir das Thema, glaube ich, vorhin schon mal . 27 Hektar Rebfläche, glaube ich, hast du erzählt, habt ihr insgesamt, Riesling tatsächlich, sage ich, mal vorherrschend. Trotzdem natürlich Lemberger, Trollinger ganz klassisch im Sortiment. Da tauchen aber jetzt auch so Rebsorten auf, die mich überrascht haben. Zum einen Zweigelt, und ehrlich gesagt, hatte ich jetzt Kerner, obwohl das ja, glaube ich, auch sehr traditionell für Württemberg ist, hatte ich jetzt irgendwie auch nicht so auf dem Schirm. Erzähl uns da doch bitte so ein bisschen zu eurem Mix und warum der eigentlich auch so ist.
Felix
00:23:37
Also wie gesagt, wir waren ja eigentlich, also ich sag mal, Remstal und wir waren halt damals so ein bisschen der Nobody. Das war ja, also am Anfang. Und mein Vater hat sich dann natürlich schon Gedanken gemacht und das ist so, also da muss man vielleicht auch mal ein bisschen, hier im hinteren Remstal gab es früher gar keinen Lemberger. Also wir haben die 60er-Jahre die ersten Lemberger gesetzt und das Problem war eigentlich, dass das sehr kühle und kalte Jahre waren. Und der Lemberger, der ist halt so halb reif geworden. Aber das hat mein Vater mal erzählt, also das war für ihn so der erste Durchbruch, wo er seinen ersten Wein nach Stuttgart verkauft hat. Also Lemberger, das war so, ja, gab es aus dem Remstal eigentlich nicht viel. Und dann war, aber irgendwann mal hatten wir mal einen Praktikanten aus Österreich gehabt und der hat gesagt: Hey, guckt euch mal den Zweigelt an, weil der wird früher reif als der Lemberger, also ist halt einfach gehaltvoller. Und so sind wir auf Zweigelt gekommen. Und die Erste...
Tobias
00:24:31
Durch den Praktikant?
Michael
00:24:32
Ich glaube, der Zweigelt ist auch deshalb gezüchtet worden.
Felix
00:24:35
Genau. Also Zweigelt ist eine Züchtung aus dem Lemberger raus. Also daher kommt er ja. Und er ist einfach früher reif. Und heute darf ich sagen, die ersten haben wir damals noch illegal gesetzt, aber es waren wirklich die ersten, also die ersten Zweigelt wirklich in Deutschland. Und ja, dadurch kam eigentlich Zweigelt hierher. Und für uns ist eigentlich Zweigelt fast genauso wichtig wie Lemberger. Also wir haben knapp 5 Hektar, 5,5 Hektar Lemberger und 4,9 Hektar Zweigelt. Also so weit auseinander ist es nicht.
Tobias
00:25:08
Und ist jetzt auch offiziell Qualitätswein zuge lassen und so weiter?
Felix
00:25:12
Ja. Aber bei uns steht immer noch nicht, also bei uns steht nicht Zweigelt drauf, sondern Zweigelt-Rebe und es kam genau aus dieser Versuchsanbau-Geschichte. Da musst du immer Rebe dazuschreiben.
Michael
00:25:22
Also Zweigelt ist auch eine problematische Namensgeschichte.
Felix
00:25:26
Das kommt noch dazu.
Michael
00:25:27
Das lassen wir mal weg.
Felix
00:25:28
Aber da muss ich dazusagen, dann darfst du auch keinen Porsche fahren.
Tobias
00:25:32
Ja, gut.
Michael
00:25:35
Jein. Aber ich bin ja schon froh, dass die Scheurebe Scheurebe heißt.
Tobias
00:25:40
Aber noch mal zum Thema Lemberger-Trollinger. Ganz typisch emblematisch, wie man heute sagt, für Württemberg. Trotzdem habe ich immer so das Gefühl, wenn die Leute hören, Blaufränkisch aus Österreich gucken die irgendwie verträumt. Wenn sie hören, Vernatsch aus Südtirol irgendwie auch. Aber beim Stichwort Lemberger und Trollinger, was ja einfach nur ein Synonym dafür ist, dass verbinden doch zumindest, sage ich mal, unbedarfte Weinfreunde nicht so mit Topqualität. Woran liegt das immer noch?
Felix
00:26:09
Das liegt schon an unserer Vergangenheit, klar. Also das ist schon klar, wo das herkommt. Ich habe das ja immer, bevor wir hergefahren sind, wir haben es ja auch drüber gehabt. Ich sage mal, früher war das relativ wurscht. Also der Trollinger im guten Jahr hat 58 Grad Oechsle gehabt, im schlechten hat er 56 gehabt. So, jetzt muss man sagen, also man kann darüber heute lachen, das ist witzig, ja. Aber man muss sagen, die Leute haben Geld verdient wie Dreck . Jetzt welchen Vorwurf soll ich denen, also meine Ahnen machen, dass die damals Geld verdient haben? Die haben eh nichts gehabt. Mussten sie eben machen. Da hat halt keiner dafür Zeit gehabt zu sagen, okay, ich möchte jetzt Weltklasseweine erzeugen. So, das war die Realität. So ist es. Aber dieses Bild ist 40 Jahre her, und ich glaube, die einzige oder die große Schwäche Württembergs liegt darin, dass sie es noch nie geschafft haben oder auch nicht schaffen mussten, dieses Bild in der, ich sage mal, Breite von Deutschland oder auch international groß zu ändern. Da sind wir heute dran. Und das sehe ich als eigentlich die Aufgabe von meiner Generation an, um das Bild dorthin zu rücken, wo der Weinbau hier eigentlich ist. Nicht dieses Phantasiebild, das 40 Jahre alt ist, das es schon gar nicht mehr gibt, sondern eigentlich das, was es heute ist. Und das liegt ein bisschen an der Struktur her. Das liegt natürlich auch ein bisschen an dem starken Heimatmarkt.
Tobias
00:27:26
Ja.
Felix
00:27:26
Weil der Markt einfach so stark ist. Also mein Vater, der musste nicht raus.
Michael
00:27:30
Der hat sie hier verkauft in der Region.
Felix
00:27:32
Ja, das ist so wie heute Saale Unstrut. Tolle Weine, das Gleiche, aber die müssen eigentlich, wenn sie ehrlich sind, müssen sie nicht raus. Müssen sie nicht machen. Warum? Und mal ganz ehrlich, das ist ja nicht schlecht. Also das ist ja, ich sage immer, an der Mosel, die sind schon vor, also wir sind hier noch mit dem Kuhkarren durch die Gegend fahren, da sind die auf der Titanic in die USA gefahren, um ihren Wein zu verkaufen. So, jetzt muss man natürlich aber auch sagen, das haben die ja nicht freiwillig gemacht. Die haben ja nicht gesagt: Cool, ich möchte in die USA Wein verkaufen. Sondern die sind da rüber, weil es daheim gar niemanden gab, der das trinken sollte. Das ist, das ist so. Ja, und da muss man sagen, dieser schwäbische Heimatmarkt, der ist halt wahnsinnig stark, und das ist Fluch und Segen zugleich. Weil im Grunde genommen, das ist auch nicht mehr so, wie es mal war. Und auf der anderen Seite ist so, draußen musst du dich halt schon noch immer erklären. Nee, du musst dich nicht, du musst dich erklären, weil die Leute immer überrascht sind,
Michael
00:28:19
Anders präsentieren.
Felix
00:28:24
wenn sie die Sachen von dir trinken. Aber wie richtig gesagt, viele verbinden halt Trollinger und Lemberger mit 40 Gramm Restzucker, und ja. Ja, ist halt.
Tobias
00:28:36
Und ist das jetzt auch so ein bisschen, das muss man ja auch mal verraten, du bist seit 2023 Vorsitzender des VDP Württemberg. Ist das jetzt auch so ein bisschen deine Mission, dafür noch mehr zu tun, dass Württemberg eigentlich den Respekt bekommt, den es verdient?
Felix
00:28:52
Ich glaube, das ist schon immer eigentlich die Mission, auch von meinem Vorgänger schon. Aber man muss sagen, ich glaube, dass die Situation heute einfach eine andere ist. Aus dem Grund, weil du natürlich schon ein schwierigeres Marktumfeld hast. Also muss man auch ganz klar sagen, einfach dadurch, dass unsere Genossenschaften gerade wirklich echt massiv Probleme haben und das vielleicht noch mehr forcieren. Man muss halt mehr nach draußen gehen, man muss sich mehr zeigen und vielleicht auch mit, ja, nicht diese Sonderrolle fahren, sondern...
Michael
00:29:22
Ja, ich finde, da ist ja schon so ein bisschen Bewegung ins Spiel gekommen. Einerseits unfreiwillig, so, Stichwort Zusammenschlüsse. Und was machen wir jetzt? Auf der anderen Seite versuchen die ja aber auch noch mal, Wein aus der Genossenschaftsecke neu zu präsentieren. Also das sehe ich schon.
Felix
00:29:37
Natürlich, natürlich.
Michael
00:29:37
Ich frag mich deshalb auch, ist Württemberg generell nicht, wenn ich so an die deutschen Anbaugebiete denke, immer noch, ja, immer noch in der zweiten Reihe? Wieso? Also man redet vielleicht über andere, wenn man dir besonders wehtut, wahrscheinlich Baden kenne ich.
Felix
00:29:51
Nein. Nee, nee. Also, ich muss sagen, Baden hat er das gleiche Problem wie wir. Aber es ist für mich eher so eine Strukturgeschichte. Also über die Qualität guckt man sich einfach mal die Bewertungen, die Weinpreise der letzten Jahre an, wo das sehr viel nach Württemberg und noch mehr ins Remstal gegangen ist. Und ich glaube aber einfach manchmal, dass wir einfach aufgrund der Großbetriebe, die PS nicht richtig auf die Straße kriegen. Also ich sage immer, jedes Weinanbaugebiet auf der Welt nimmt immer seine Topbetriebe als Speerspitze. Also nehmen wir das Beispiel Bordeaux mit 100.000 Hektar, davon sind vielleicht, keine Ahnung, ich weiß jetzt nicht auswendig, aber nicht mal 1 % sind Grand Cru und noch weniger sind wirklich die Top Châteaus. Ja, aber wenn man über Bordeaux nachdenkt und redet, dann redet man über Rothschild, man redet über Petrus usw., aber eigentlich ist es ein Promille. Ja genau, und so macht es jedes Anbaugebiet auf der Welt. Der Einzigen, der es immer anders probiert hat, war Württemberg. Also wir sind immer praktisch mit der breiten Front gekommen, so, und sind dann praktisch am Markt abgeprallt, wo die anderen halt mit der Speerspitze rein sind und dann haben sie den Rest hinterher geschoben. So und das ist einfach für mich der Fehler. Und dann ist es natürlich auch eine, da bin ich auch ehrlich, wo ich sage, es ist jahrelang einfach meiner Ansicht nach zu viel zu schön geredet worden. Man ist jahrelang einfach durch die Gegend und hat gesagt super Jahrgang, noch besser als der Nächste und blablabla. Ach, hör doch auf. Im Grunde genommen, man hätte Probleme schon viel früher - manchmal kam es mir vor wie das alte Rom, man ist untergegangen und hat's nicht mal gemerkt. Ja, ist so. Und ich glaube, auch wir VDP-Weingüter müssen uns bewegen. Aber ich glaube, dass wir schon mal oft in die richtige Richtung gehen. Und das ist schon auch sehr lange, und ja, und ich glaube, dass es einfach, vielleicht einfach manchmal, ja, hört sich jetzt blöd an, aber man muss halt, es gibt sehr viele gute Betriebe hier außerhalb vom VDP. Und ich glaube, da ist schon echt eine Aufbruchsstimmung, die ist voll und ganz da.
Tobias
00:32:01
Das ist gut zu hören.
Michael
00:32:02
Ja, also wir haben ja eben schon mal über neue Rebsorten hier gesprochen. Das erfordert ja Mut, das zu machen. Du hast gesagt, ihr wart so mit bei den Ersten, die hier mit Lemberger angefangen haben. Und du warst jetzt eben auch schon in Rom, beim Untergang des Römischen Reiches. Ich will noch ein bisschen weiter zurück nach Griechenland, und zwar in die Unterwelt. Mein Stichwort heißt: Hades. Kannst du uns bitte dazu was sagen?
Felix
00:32:27
Ja, also Hades, da muss ich jetzt etwas in der grauen Vorzeit anfangen. Mein Vater hat damals, für uns der erste Schritt war eigentlich der Vinzenz Klink. Kennen vielleicht viele. Genau, Koch. Genau, und der war damals, war der noch in Schwäbisch Gmünd und hat immer Weißwein von uns gehabt,
Michael
00:32:42
Den Koch
Felix
00:32:47
aber eigentlich nie Rotwein. Oder ja, eigentlich hat ja niemand in der deutschen Spitzengastronomie deutschen Rotwein gehabt. Ein bisschen Spätburgunder vielleicht. Und mein Vater hat ihn dann irgendwann mal gefragt, ob er einen Rotwein haben will, und hat gesagt, nee, eure Weine sind viel zu leicht für mein Essen. Und das hat auch gestimmt. Also man hat ja keinen deutschen Rotwein in der Spitzengastronomie gehabt. Und dann war wirklich der erste Wein, den wir gemacht haben, war dann für ihn. Er hat auch selber dieses Fass besorgt. Also das haben nicht wir besorgt, sondern das war ein Fass von der Schwäbischen Alb, von einem Fassküfer. Das war das erste Barriquefass, das haben wir mit Grauburgunder gefüllt. Und er hat mal später in einem Buch geschrieben, in Flaschen gepresstes Holz. Das war auch so. Man wusste ja nicht, was das ist oder wie das funktioniert. Ja, und zeitgleich ging das ja überall los. Barrique ist ein französisches Transportfass. Das war ja eigentlich der Grundplan dieses Fasses, und das hat ja dann auch in Italien dann irgendwann mal angefangen. Und da war ein Deutscher, der hat ihn in Italien gelehrt, in San Michele als Professor, und das war der Rainer Zierock, und der kam aus Marbach. Und der hat damals seine Schülerin geheiratet, woraufhin er da auch gehen musste, und das war ein bisschen problematisch. Also diese Schülerin war Elisabetta Foradori. Und ja, sehr lange Geschichte. Das soll sie wahrscheinlich dann erzählen, wenn ihr dort mal seid. Der entscheidende Punkt ist der, er ist heimgekommen und hat gesagt, der wollte dieses Fass hier wieder hinbringen. Und er hat dann praktisch in jedem Teil von Württemberg einen Betrieb gesucht. Und wir hatten damals schon einen gemacht, also wir waren es dann halt fürs Remstal. H war Fürst Hohenlohe, A Graf Adelmann, D Drautz-Able, also das ist halt der Heilbronner Raum, Hohenlohe, Raum Groß-Pottwan, E, wir waren es fürs Remstal, und S war noch Sonnenhof, was es leider nicht mehr gibt. Und dann später kam dann noch Schule, also die Weinbauschule in Weinsberg dazu. Und so hat es mal angefangen. Und man muss sich einfach vorstellen, es gab kein Barriquefass. Also das gab es nicht in Geisenheim, das gab es nicht.
Tobias
00:34:52
Also wir müssen es mal kurz einordnen. 1986 sprechen wir, glaube ich?
Felix
00:34:55
Ja, genau. Also das hat angefangen, man muss sich vorstellen, es gab einfach. Keiner wusste, was das ist. Also wir hatten zum Beispiel die ersten Fässer. Wir hatten am Anfang nur Francois-Frères- Fässer, weil Francois Frères die einzige Tonnellerie war, die uns das damals verkauft hat. Weil die Franzosen, die hatten gar keine Vertriebswege in Deutschland. Das gab es gar nicht. Heute wirst du, also wenn du Winzer bist, die rennen dir die Bude ein. Die kommen, im Frühjahr stehen die schon da und sagen: Möchten Sie schon Fässer kaufen fürs nächste Jahr um einen Haufen Geld? Jedenfalls, das gab es nicht. Das gab es einfach nicht. So, die sind dann zu Francois Frères gefahren, keiner hat Französisch können, außer der Graf Adelmann und Rainer Zierock, ja, und die haben die dann belabert und haben gesagt, ja gut, müsst ihr uns einen ganzen Lastzug abnehmen. Dann haben wir einen Lastzug Barrique genommen und haben die praktisch als Gruppe gebracht. So, jetzt kommen zwei Faktoren dazu. Kein Mensch wusste, wie das funktioniert. Du wusstest nicht, kann ich einen Trollinger da reinlegen? Kann ich einen Lemberger reinlegen? Kann ich Dornfelder reinlegen? Wusste niemand. Funktioniert es mit Riesling? Funktioniert es mit, wusste ja keiner. So, das Problem ist halt immer, du hast pro Jahr nur einen Schuss frei, also einen Versuch. So ist es einfach sehr langwierig. Das heißt, man hat dadurch, dass man 6 Betriebe war, hat man einfach 6 Chancen gehabt und hat einfach diese Forschungsergebnisse im Grunde genommen ausgetauscht. Also das war eigentlich der Grundplan von Hades. Da ging es nicht darum, dass wir Wein verkaufen. Winzervereinigungen gibt es wie Sand am Meer. Sondern es ging wirklich darum, wie funktioniert dieses Fass. Das Problem war dann irgendwann mal, dass der Wein ja auch verkauft werden muss. Dann kann er nicht bloß rumliegen. Und das Problem war, die sind einfach nicht durch Qualitätsweinprüfung gekommen. Also Qualitätsweinprüfung hat gesagt, okay, schmeckt nach Holz, Weinfehler, tschüss. Ja, und damals war ja Tafelwein noch wirklich was Negatives. Also du hast damals Weine, die 30 Mark gekostet haben, oder 25, die waren als Tafelwein klassifiziert. Und dann hat man gesagt, okay, das ist jetzt ein bisschen doof, da solltest du jetzt schon zeigen, warum das so ist. Und dann hat es angefangen mit der Hades-Flasche mit dem Hades-Emblem. Man hat im Grunde genommen das, was wir heute beim Großen Gewächs machen, davor schon gemacht. Die Weine müssen blind probiert werden, erst wenn alle zustimmen, ist es ein Hades-Wein. Das hat alles dazugehört. Und mit dieser Geschichte, man hat praktisch versucht, was passiert mit den heimischen Rebsorten, die wir hier haben, kam dann der andere Schritt dazu. Ja, gut, im Ausland haben die andere Rebsorten. Funktioniert das mit den Rebsorten? Und das war zum Beispiel Merlot, Chardonnay, Sauvignon Blanc, waren alles Sachen, die im Grunde wir von Hades-Betriebe ausprobiert haben. Wir haben Chardonnay probiert, Drautz-Able hat Sauvignon probiert. Sauvignon hat funktioniert, Chardonnay nicht. Mein Vater hat damals gesagt, wenn das eine nicht funktioniert, funktioniert das andere bei uns auch nicht. Also gab es keinen Sauvignon erstmal. Das waren so Sachen. Du wusstest einfach nicht, weil die Erfahrung, die gab es nicht. Also meine Brüder, wo die in Weinsberg waren, die haben ihre, also nicht Weinsberg, sondern wie die auf der Berufsschule waren, die haben ihren Lehrern beigebracht, wie das funktioniert, weil die das nicht wussten. Das gab es einfach nicht. Und deswegen muss ich auch ein bisschen eine Lanze brechen, auch für die Generation, weil uns wird ja manchmal vorgeworfen, Hades, das war so holzlastig. Ja, Entschuldigung, wir wussten es halt nicht besser. Ja, also es gab ja keinen Vergleich. Und ich muss sagen, heute, das ist jetzt vielleicht der Vorteil, den wir aus dieser Geschichte zogen, weil ich sag mal, diese Forschungsarbeit ist mehr oder minder eigentlich beendet. Aber wir wissen ganz genau, wir haben das Holz dosieren müssen, weil wir es einfach über Jahrzehnte gemacht haben.
Tobias
00:38:15
So früh damit angefangen, ja.
Felix
00:38:16
Genau. Und du weißt einfach, wie du das heute dosieren musst und was zu uns, zu unserem Stil und zu unserer Stilistik passt. Ich glaube, das ist einfach ein riesengroßer Vorteil.
Tobias
00:38:25
Klingt so ein bisschen nach Super-Württemberger.
Michael
00:38:27
Ja, ja.
Tobias
00:38:28
Irgendwie so ein bisschen was anderes ausprobieren. Okay, wir haben jetzt natürlich auch Zuhörerinnen und Zuhörer vor den Lautsprechern oder unter den Kopfhörern, die das Weingut Jürgen Ellwanger noch gar nicht kennen. Gibt es so einen Wein, wo du sagen würdest, das ist eigentlich so, sage ich mal, die Visitenkarte? Das ist der Wein, ja, den sollten die Leute probieren, um uns als Weingut kennenzulernen?
Felix
00:38:49
Das ist auch wieder so eine Geschichte. Ich sage immer, wer Lieblingskinder hat, hat auch Stiefkinder. Ich versuche eigentlich, das nicht zu haben, aber wenn ich so rede. Also ich sag mal, im Basisbereich, es kommt ja immer auf die Bereiche an, also ich finde zum Beispiel Nico weiß finde ich einen supergeilen Weißwein. Wenn man jetzt nicht auf Riesling steht, super witzig, weil es einfach Frische hat. Damit kommt jeder klar. Das ist einfach ein schöner Wein.
Tobias
00:39:14
Das ist, glaube ich, auch eine Weißweincuvée. Da ist auch Kerner drin.
Felix
00:39:17
Kerner und ist aber jetzt einfach nicht, Kerner Dinge viel halbtrocken, sondern wirklich ein trockener, fruchtiger Kerner, genau. Bei den Rieslinge finde ich klar, unser Großes Gewächs ist schon eigentlich das, was wir, ja, da geht mir auch das Herz auf, bei dem Wein.
Tobias
00:39:33
In welcher Lage ist der?
Felix
00:39:34
Der Schneider Altenberg ist das. Der Altenberg-Riesling ist schon geil. Und dann, ja, Zweigelt eigentlich. Zweigelt gehört schon zu uns. Das ist schon irgendwie unsere DNA, oder für viele ist es also. Lemberger und Zweigelt bei uns sollte man schon probiert haben.
Tobias
00:39:47
Okay. Und wenn du sagst jetzt DNA, was ist denn so, ich sage mal Weinstilistikmäßig eure DNA, die sich vielleicht auch von anderen Weingütern abhebt oder die euch besonders wichtig ist?
Felix
00:39:58
Also bei den Rotweinen würde ich behaupten, dass uns immer nachgesagt wird, also es gibt ja immer so was wie Betriebston. Ja, und über die Jahre kommt man auch mit vielen Leuten, große Verkoster, oder egal, also Kritiker zusammen und eigentlich kommt bei uns immer dieses Wort „kräuterig" vor, Also unsere Rotweine würde ich schon, sie sind ein bisschen kühler, einfach durchs Klima. Ja, vielleicht auch manchmal ein bisschen mehr Gerbstoff, ein bisschen mehr Säure. Aber sie haben immer eine Kräuterigkeit. Und das ist was, was ich eigentlich auch sehr selber sehr mag. Egal ob beim Lemberger oder beim Zweigelt. Beim Lemberger dauert es manchmal ein bisschen länger. Also Lemberger ist für mich so die Rebsorte, die unbesiegbar ist. Also Lemberger ist Lemberger, stirbt nie. Ja, und das kann ich wirklich allen, die gerade zuhören, einfach mal empfehlen. Wenn ihr irgendwo seid, im Restaurant, scheißegal wo, und da hat man das Glück bei Württemberg, dass das oft gut funktioniert. Wenn ihr einen Betrieb habt, der halbwegs, wo ihr wisst, dass der gute Weine macht, und ihr seht ein Lemberger, der da irgendwie in einem seit 10 Jahren auf einer Karte rumgammelt, bestellt den. Das ist eigentlich richtig geil. Lemberger wird erst spannend, wenn er 10 Jahre alt ist. Lemberger ist, ich habe Lemberger aus den 50er-Jahren getrunken und da waren wir bestimmt önologisch noch nicht mal in der gleichen Sphäre. Aber Lemberger ist, es ist unglaublich, wie diese Rebsorte altern kann. Die schlägt alles. Also man muss es mal gemacht haben, man muss es mal erlebt haben. Aber trinkt mal einen Lemberger, der alt ist. Gegen...
Tobias
00:41:33
Auf jeden Fall.
Felix
00:41:33
...Gegen mal ganz große Rotweine. Und ihr werdet sehr, sehr, sehr, sehr überrascht sein. Weil für mich...
Tobias
00:41:39
Da kommt man auch noch dran, an so ältere Jahrgänge? Das ist ja manchmal das Problem.
Felix
00:41:43
Schwierig. Schwierig manchmal, aber...
Tobias
00:41:44
Die Leute trinken es ja leider vorher schon aus.
Felix
00:41:46
Ja, das ist aber allgemein so, würde ich mal sagen. Ich weiß nicht woran es liegt, aber irgendwie denken die Leute immer warm, haltbar. Was ja genau das Gegenteil ist. Also kein großer Rotwein auf der Welt kommt aus einer wirklich heißen Region. Das sind immer die kühleren Teile dieser Region. Und was Weiß haltbar macht, ist Gerbstoffe und Säure .
Tobias
00:42:07
Säure, ja.
Felix
00:42:07
So, und deswegen Lemberger, weil Lemberger einfach von beidem en masse hat. Und das macht Lemberger richtig spannend. Und für mich ist Lemberger, also hört sich jetzt vielleicht, ich will jetzt nicht, aber Lemberger ist für mich wie Barolo.
Tobias
00:42:23
Okay.
Felix
00:42:23
Am Anfang, kein Mensch. Kein Mensch sagt: Ich trinke jetzt einen 23er Barolo. Das sagt niemand. Aber warum tut man das nem deutschen Wein an? Warum macht man das? Und dann sagt man: Der ist aber sauer. Ja, aber das ist doch scheiße. Also im Grunde genommen geht es darum, dass dieser Wein das gleiche Potenzial hat. Nur man muss ihm diese Zeit geben. Es gibt andere Rebsorten wie Merlot, die sind früher zugänglich, oder auch Zweigelt. Aber Lemberger braucht einfach verdammt noch mal Zeit.
Michael
00:42:49
Okay, jetzt hast du aber ganz schön geschwärmt für den Lemberger, hast uns angesteckt. Warst jetzt kurz schon beim Barolo. Wir haben immer noch so eine Frage, ein kleines Gedankenspiel. Du bist ganz alleine auf einer einsamen Insel und du darfst einen Wein mitnehmen. Du darfst davon so viel mitnehmen, wie du willst. Das ist auch bestens dafür gesorgt, dass dieser Wein gut gelagert wird. Also egal ob tropisches Klima oder sonst was. Welchen Wein nimmst du mit auf die einsame Insel?
Felix
00:43:16
Oh, das ist eine harte Frage.
Michael
00:43:17
Also auch Geld spielt keine Rolle. Du kannst frei wählen.
Tobias
00:43:20
Aber auch nur ein Jahrgang ist möglich, also.
Felix
00:43:26
Verdammt schwierig. Also muss es jetzt - ne eigentlich, ich glaube, davon, dass ich ja ausgehe, dass ich sehr, sehr alt werde, würde ich, glaube ich, wirklich Lemberger mitnehmen.
Tobias
00:43:41
Okay.
Felix
00:43:42
Also, jetzt mal ganz ehrlich. Das hält wirklich verdammt lang. Und ich glaube, wenn es von mir was wäre, also wenn ich es aus meinem eigenen Keller mitnehmen würde, wäre es, glaube ich, ein 2004er Lemberger.
Tobias
00:43:53
Okay. Welcher konkret?
Felix
00:43:54
Das Großes Gewächs. Das könnte ich ja im Sommer trinken. Vielleicht leicht gekühlt. Leicht gekühlt. Würde gehen. Ja, wär möglich.
Michael
00:44:01
Das geht ja alles.
Felix
00:44:03
Ich meine, klar. Natürlich könnte ich jetzt auch den Petrus mitnehmen, aber da weiß ich nicht, ob ich so viel kriege. Aber nee, aber ich muss jetzt schon sagen, ich glaube, ich würde, also wenn es von mir aus meinem eigenen Keller sein würde, wäre es Lemberger 2004. Das könnte ich im Sommer trinken, könnte ich im Winter trinken.
Tobias
00:44:15
Welche Lage? Haben wir jetzt noch nicht gesagt.
Felix
00:44:17
Hebsacker Berg. Ist halt auch eine kleinere, kühlere Parzelle, also so wirklich Kikroklima kann man davon reden. Das sind insgesamt bloß 20 Hektar, die es da gibt. Und ja, ich glaube, ich würde - doch, ich würde das mitnehmen.
Tobias
00:44:32
Wow. Also ich finde, wir haben dann in dieser Folge irgendwie wirklich eine Lanze gebrochen. Nicht nur für das Anbaugebiet Württemberg, sondern eben auch für die Rebsorten, insbesondere natürlich jetzt abschließend Lemberger. Und da können wir jetzt eigentlich nur allen Zuhörerinnen und Zuhörern empfehlen: Beschäftigt euch mal ein bisschen mit dem Anbaugebiet. Und bei dem Weingut Ellwanger wird man dann auch direkt, sage ich mal, in Sachen guter Qualität fündig. Vielen Dank, Felix.
Felix
00:44:57
Bitte, bitte. Schön, dass ihr da wart.
Tobias
00:44:58
Hat großen Spaß gemacht, trotz Nebel. Ja, der ist ja jetzt, glaube ich, weg.
Felix
00:45:02
Wir waren, das muss man vielleicht, wir waren in einer der schönsten Lagen und wir haben genau nicht mal die Hand vor Augen gesehen. Weil es so neblig war.
Tobias
00:45:08
Ja, obwohl es dann...
Michael
00:45:09
Aber ich kann es mir vorstellen. Ich kann es mir vorstellen.
Felix
00:45:11
Geistiges Auge.
Michael
00:45:12
Und bitte vergesst jetzt auch nicht, jetzt schon für 2035 schon mal was bestellen? Den Lemberger.
Tobias
00:45:20
Richtig.
Michael
00:45:20
Haben wir ja gelernt. Aber so lange braucht es gar nicht, bis es das nächste Mal wieder heißt.
Tobias
00:45:28
Bei Anruf.
Felix
00:45:30
Wein.
Tobias
00:45:33
Danke, vielen Dank!