Charlottenburger Geschichte mit der Berliner Geschichtswerkstatt e.V.
Verein bietet Schiffsrundfahrten mit Start in Charlottenburg an
31.12.2023 19 min Oliver Springer
Zusammenfassung & Show Notes
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In der aktuellen Ausgabe von "Charlottenburg in Bewegung" spricht Oliver Springer mit Jürgen Karwelat aus dem Vorstand der Berliner Geschichtswerkstatt e.V. Der Verein wurde 1981 von Studenten gegründet, die mit der traditionellen Geschichtsvermittlung unzufrieden waren und die Bedeutung der Alltags- und Kiezgeschichte betonen wollten.
Der Verein hat zwar seinen Sitz in Schöneberg, bietet jedoch Schiffstouren an, die in Charlottenburg an der Dampferanlegestelle Caprivibrücke ihren Ausgangspunkt haben. Diese Schiffstouren bilden den thematischen Schwerpunkt dieser Podcast-Folge.
Nach dem Start an der Caprivibrücke führen die Schiffstouren über die Spree und den Landwehrkanal. Auf dem Weg liegen unter anderem der Siemenssteg, das Kraftwerk Charlottenburg, das Iburger Ufer und der Spreebogen.
Die Schiffstouren werden in zwei Varianten angeboten: längere Touren am Nachmittag und Abend über Spree und Landwehrkanal sowie kürzere Touren am Sonntagvormittag bis zum Nikolaiviertel und zurück über den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal. Angeboten werden auch Fahrten mit speziellen Schwerpunkten wie "Literatur", "Mauerstadt Berlin", "Einwanderungsstadt Berlin" und eine Musikfahrt.
Die Berliner Geschichtswerkstatt engagiert sich nicht nur mit Schiffsfahrten, sondern auch mit anderen Aktivitäten wie Stadtrundgängen, Buchvorstellungen, Diskussionen über Straßennamen, Gedenktafeln und Veranstaltungsreihen.
Der Verein hat zwar seinen Sitz in Schöneberg, bietet jedoch Schiffstouren an, die in Charlottenburg an der Dampferanlegestelle Caprivibrücke ihren Ausgangspunkt haben. Diese Schiffstouren bilden den thematischen Schwerpunkt dieser Podcast-Folge.
Nach dem Start an der Caprivibrücke führen die Schiffstouren über die Spree und den Landwehrkanal. Auf dem Weg liegen unter anderem der Siemenssteg, das Kraftwerk Charlottenburg, das Iburger Ufer und der Spreebogen.
Die Schiffstouren werden in zwei Varianten angeboten: längere Touren am Nachmittag und Abend über Spree und Landwehrkanal sowie kürzere Touren am Sonntagvormittag bis zum Nikolaiviertel und zurück über den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal. Angeboten werden auch Fahrten mit speziellen Schwerpunkten wie "Literatur", "Mauerstadt Berlin", "Einwanderungsstadt Berlin" und eine Musikfahrt.
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Transkript
Charlottenburg in Bewegung.
Ich bin Oliver Springer, zu Gast
ist heute Jürgen Karwelat vom
Verein Berliner Geschichtswerkstatt.
Die Berliner Geschichtswerkstatt e.V.,
die hat ihren Sitz zwar in Schöneberg,
aber der Verein bietet Schiffsrundfahrten
an, die in Charlottenburg starten und
bei denen man auch eine Menge über
Charlottenburger Geschichte erfährt.
Darüber spreche ich mit Jürgen Karwelat.
Hallo.
Ja, guten Tag.
Du bist im Vorstand der Berliner
Geschichtswerkstatt und mittlerweile
mehr als vier Jahrzehnte, habe
ich gelesen, im Verein aktiv.
Wie ist der Verein denn damals entstanden?
1981 ist er entstanden und eigentlich
waren es Studentinnen und Studenten,
die mit der damaligen Vermittlung
von Geschichte unzufrieden waren,
die Geschichte der Herrschenden
und der Großen und der Schlachten.
Und die haben sich gesagt So ist die
Geschichte nicht gewesen, wir müssen
auch Alltagsgeschichte vermitteln,
wir müssen die Geschichte der kleinen
Leute vermitteln, und wir müssen
auch Stadtteilgeschichte vermitteln.
Und dann haben wir einfach einen Verein
gegründet, diese, im Wesentlichen waren
es Studentinnen und Studenten, aber
es waren noch ein paar andere dabei
Und über die vielen Jahre hat
sich eine ganze Menge angesammelt
und getan, wahrscheinlich.
Bevor wir uns auf Charlottenburg
und die Schiffsrundfahrten jetzt
fokussieren, interessiert mich
dann doch ein Überblick, was die
Geschichtswerkstatt so alles macht.
Na ja, was machen wir?
Wir versuchen Berliner Geschichte zu
vermitteln auf vielfältige Art und Weise.
Wir machen Rundgänge, ich mache zum
Beispiel auch einen Rundgang durch
Halensee, das ist knapp Charlottenburg
- NICHT - Rundgänge in Lichtenrade, in
Schöneberg, wo wir ja hier unseren
Sitz haben, und auch in Mitte.
Also, das sind Rundgänge zu Fuß.
Wir machen Schiffsrundfahrten, wir
stellen Bücher vor, von Leuten die an
uns herangetreten, dass sie interessante
Sachen über Berlin geschrieben haben.
Wir diskutieren mit, wenn es um
Gedenktafeln geht, regen Gedenktafeln
an, regen Stolpersteine an.
Und wir diskutieren auch seit vielen
Jahren, immer wieder beliebt in Berlin,
über Straßennamen zu diskutieren, das
ist auch eine wichtige Funktion von uns.
Und ab und zu machen wir
Veranstaltungsreihen.
In diesem Jahr zu Ende gebracht haben
wir eine Veranstaltungsreihe, wo wir uns
selber ein bisschen mehr beleuchtet haben.
Die hieß "40 Jahre Berliner
Geschichtswerkstatt" mit
unterschiedlichen Aspekten.
Aber wir haben in diesem Jahr
zum Beispiel auch eine kleine
Veranstaltungsreihe gehabt zu "Revolution
1848", das ist jetzt 175 Jahre her.
Da haben wir eine Schiffsfahrt gemacht,
da haben wir verschiedene ... ein
Konzert gemacht, Rundgänge.
Und auch eine Veranstaltung
"Frauen in der Revolution 1848".
Ja, und zu erwähnen eigentlich auch:
Manchmal machen wir etwas weg von
den ausgetretenen Pfaden, wir machen
ab und zu auch Radiosendungen.
Die letzte, die wir gemacht haben,
zusammen mit dem Verein Rockradio.de war
"100 Jahre Radio in Berlin", denn am 29.
Oktober, genau vor 100 Jahren, gab es die
erste Radiosendung vom Potsdamer Platz
und das haben wir zum Anlass genommen,
dann auch so eine Radiosendung mit Musik
und Originalton-Beispielen zu machen.
Also, ein breiter Versuch der
Vermittlung zu Berliner Geschichte
in den unterschiedlichsten Aspekten.
Wir greifen heute einen Punkt raus: Start-
und Endpunkt der Schiffsrundfahrten ist
die Dampferanlegestelle Caprivibrücke.
Die Caprivibrücke von heute, so
fertiggestellt Mitte der 50er Jahre,
die würde ich jetzt, also ich jedenfalls
nicht als Sehenswürdigkeit bezeichnen.
Die Brücke, die da vorher an der
Stelle über die Spree führte, finde
ich, die hatte schon ihren Charme.
Und ich muss zugeben, ich habe auch
bei der Vorbereitung erst auf unser
Gespräch, mich mal informiert, wonach
die oder nach wem die Caprivibrücke.
eigentlich benannt wurde.
Ja, ich stimme dir voll zu.
Die heutige Brücke ist
so eine Zweckbrücke.
Ja, leider auch dadurch entstanden,
dass bei den Endkämpfen um Berlin 1945
nahezu alle Brücken zerstört wurden, zum
Teil sogar von deutschen Truppen selbst.
Wie das bei dieser Brücke
war, weiß ich nicht.
Und dann sind in den 50er Jahren
reine Zweckbauten gekommen und
auch mir ging es genau wie dir.
Ja, hier muss ich, ich musste noch mal
nachschauen: Wer ist eigentlich Caprivi?
Aber das ist eben der Pfiff einer
solchen Fahrt: Man kommt an Stellen
vorbei, man trifft auf Namen,
die heute ganz vergessen sind.
Und dieser Caprivi, das ist ein
Reichskanzler gewesen, um 1890 herum
und auch preußischer Ministerpräsident,
also hatte eine sehr wichtige politische
Funktion im damaligen Kaiserreich.
Und ja, dementsprechend ist dann auch noch
im Kaiserreich die Brücke nach ihm benannt
worden, und so heißt sie auch noch heute.
Startpunkt ist also Caprivibrücke, man
fährt natürlich mit dem Schiff durch so
einige oder unter eisigen Brücken durch.
Die erste Brücke, unter der das Schiff
dann durchfährt, ist der Siemenssteg.
Das ist zwar keine besonders bekannte
Brücke, aber ich finde: Es ein
erstklassiges Fotomotiv, und wenn
ich mich richtig erinnere, hat diese
Brücke dann gerade Glück gehabt.
Die war militärisch einfach
zu unbedeutend, und deshalb
wurde sie nicht gesprengt.
Ja, es ist eine Fußgängerbrücke,
die aber eine wichtige Funktion hat.
Und damit sind wir auch gleich wieder in
der Geschichte Charlottenburgs: Um 1900
ist die Brücke gebaut worden, als auch
das erste Kraftwerk von Charlottenburg,
das ja direkt daneben liegt, gebaut wurde.
Und diese Brücke diente den Kabeln und
den Rohren, die vom Kraftwerk aus in
den bewohnten, also in den Wohnteil
von Charlottenburg geführt wurde.
Und da gab es also zum einen
Elektrokabel und zum zweiten auch
Rohre für die Heizung, womit dann
auch das Rathaus Charlottenburg schon
damals geheizt wurde, was eine sehr
fortschrittliche Geschichte war, um 1900.
Die Fußgänger sind dann sozusagen die
Nutznießer, für die Fußgänger wurde es
ja nicht wirklich gebaut, eigentlich.
Ja, auch, aber sind wahrscheinlich
weniger rübergelaufen, weil: Ja, was
wollte man auf der anderen Seite?
Da war ja das Kraftwerk, das
war noch nicht mal ein schöner
Park, wo man rumlaufen konnte.
Was interessant ist:, An den
Brückenpfeilern sind symbolisiert Blitze.
Und wenn man das genau anschaut, dann
überlegt man: Warum sind die Blitze da?
Und die Blitze sind natürlich deswegen
dort, weil es um Elektrizität ging, die
da über die Spree transportiert wurde.
Und die ist ja eben nicht weit, weil es
neben dem Kraftwerk Charlottenburg steht.
Das ist dann sozusagen
auch die nächste Station.
Richtig, ja.
Ja und was man dann über Charlottenburg
natürlich an dieser Stelle sagen
kann, also das ist eine sehr
selbstbewusste und reiche Stadt
gewesen, bis 1920, bis Charlottenburg
eingemeindet wurde, wie viele andere
unabhängige Städte und Dörfer auch.
Und die haben dann damals praktisch
zeitgleich mit der Stadt Berlin ein
Kraftwerk gebaut und haben dann auch,
nicht weit entfernt von unserer An- und
Ablegestelle, ja auch das Rathaus gebaut.
Ich finde, es ist ein ziemlicher
Klotz, der allerdings höher
ist als das Rote Rathaus.
Auch das, ganz bewusst von dem damaligen,
ja, bürgerlichen Charlottenburg:
Wir wollen doch mal Berlin zeigen,
dass wir auch was bauen können.
Und dann haben sie den Turm da gebaut
und der ist höher als das Rote Rathaus.
Der Turm, finde ich jetzt, sage
ich mal spontan, wirkt auf mich
immer so ein bisschen, mmmhhh,
also in der falschen Proportion.
Da hat man sich wahrscheinlich gedacht
Unser Turm muss besonders groß werden.
Ich finde, das wirkt so ein bisschen,
also ein bisschen zu groß für den Rest.
Ja, kann man so sehen, aber
das Rathaus selber, das hat
auch schon ziemliche Ausmaße.
Und im Übrigen, wer mal in das Rathaus
reingeht und sich versucht zu orientieren
durch diese verschiedenen Treppen, den
warne ich, das ist gar nicht so einfach.
Das ist so ein Rundbau, man läuft
manchmal im Kreis und kommt nicht
da an, wo man ankommen will.
Also, ein interessanter Bau, aber ja,
manchmal nicht besonders zweckmäßig.
Aber imposant, auf jeden Fall.
Das war beabsichtigt.
Ja.
Das Kraftwerk, das steht
am nördlichen Spreeufer.
Was gibt es auf der anderen
Seite am Iburger Ufer zu sehen?
Na ja, es ist so, Iburger Ufer hat mir
auch bis vor einiger Zeit nichts gesagt,
bis wir auf die Idee kamen, von dort,
von der Caprivibrücke loszufahren, und
dann gucke ich immer links und rechts,
na, was gibt es dafür Straßennamen.
Und die kleine Straße, völlig
unbekannt, heißt Iburger Ufer.
Und wenn man dann bohrt, kommt man richtig
in die Charlottenburger Geschichte rein,
denn es ist nach Bad Iburg benannt.
Da kommt Sophie Charlotte her, nach der
auch praktisch das Schloss Charlottenburg
und anschließend auch die ganze Stadt
Charlottenburg benannt worden ist.
Die ist da geboren, in der
Nähe von Osnabrück, und hat
dann nach Berlin geheiratet.
Und was ich auch dann witzig fand
und interessant fand: Bad Iburg ist
eine Partnerstadt von Charlottenburg.
Also, man hat diese damalige Beziehung,
Charlotte kam von Niedersachsen aus
nach Berlin, jetzt auch vor vielen
Jahren aufgegriffen, und hat Bad
Iburg als Partnerstadt gewonnen.
Das sind so Sachen, die man im
Alltag wirklich nicht erfährt.
Ja, ich sage auch immer: Straßennamen
ist ein interessanter Motor oder ein
interessanter Anlass, über Geschichte
nachzudenken oder überhaupt angestoßen
zu werden, darüber mal nachzudenken.
Vom Spreekreuz aus geht's
dann in den Spreebogen über.
Ja, wir fahren ja Spree aufwärts in
Richtung Mitte, kommen dann an eine
Stelle, wo der Landwehrkanal in die
Spree führt, das ist dann auf der
rechten Seite alles Charlottenburg.
Und dann kommen wir in ein Gebiet, das
man heute immer noch Charlottenburger
Spreebogen nennt, ist der nördliche Teil
von Charlottenburg, hin nach zu Moabit.
Der ist früher sehr stark
industriell geprägt gewesen, da
war ein riesiges Werk von Siemens.
Jetzt ist auch noch Mercedes da, es sind
auch noch andere Automobilunternehmen
da und es sind eine Reihe von
größeren Büro- und Forschungsgebäuden.
Also, eines dieser Forschungsinstitute ist
das sogenannte Doppel-Institut: Fraunhofer
Gesellschaft und Technische Universität
forschen da zusammen in Richtung
automatisierte Produktion, in Richtung
Zugangssysteme und alles Mögliche.
Und das ist ein sehr interessantes
schönes, vom Wasser aus gut zu
sehendes, weißes Gebäude mit
einer Rundhalle von 50 Metern.
Und mittlerweile sind allerdings die
Kastanienbäume, wir haben sie wachsen
sehen, seit Mitte der 80er Jahre,
auch schon ziemlich groß geworden.
Und das ist dann eben auch schon ein
schöner, grüner Uferweg, wo vorher
alle möglichen kleinteiligen Gewerbe
waren und Autos rumstanden und Hügel
mit Abfall angefahren wurden, die dann
sortiert wurden in den 80er Jahren.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass
das ein richtiges in Anführungszeichen,
"Kraut und Rüben"-Gelände war, nun
aber, ja, ein Büro- und Forschungsort.
Hinter dem Spreebogen, da fließt
die Spree dann doch noch ein kurzes
Stück weiter durch Charlottenburg.
War mir vorher auch gar nicht
klar, dass es da doch wirklich
noch ein bisschen weitergeht.
Was gibt's da noch?
Ähh, wenn man jetzt in Flussrichtung
geht, also würde man von unserer
Anlegestelle aus, Caprivibrücke, am
Charlottenburger Schloss vorbeikommen,
dann kommt man zur Schleuse, die ja
auch Schleuse Charlottenburg heißt,
heißt die so, ja, ich meine ja.
Und dann gibt es noch fünf Kilometer
und dann ist man in Spandau und
dann fließt die Spree in die Havel.
Also, das ist diese Richtung.
Das ist die Richtung, klar.
Die andere Richtung, die wir mit unserem
Schiff fahren, die ist, also praktisch
Spree aufwärts, und nach Charlottenburg
kommt man dann nach Moabit und fährt am
Hansaviertel vorbei und ist dann bald auch
am Tiergarten mit dem Schloss Bellevue
und dann ist man am Hauptbahnhof, und dann
ist man praktisch in der Mitte von Berlin.
Und so fahren wir auch bei beiden
Tour-Varianten, die wir anbieten.
Da sollten wir drüber sprechen.
Es gibt zwei verschiedene
Routen, die die Schiffe fahren.
Was ist da der Unterschied?
Einmal von der Zeit her und
einmal von der Route her.
Von der Zeit her ist, sind die
Nachmittagstouren, die wir machen ... Wir
machen übrigens in diesem Jahr wieder
18 Touren an sieben Sonntagen, so, macht
14 und dann noch mal vier Abendtouren.
Und diese Nachmittags- und Abendtouren,
die gehen über Spree und Landwehrkanal,
sind dreieinhalb Stunden lang.
Und da fährt man also über Spree,
über Berlin-Mitte, man kommt hin in
Kreuzberg an, ist dann am Osthafen.
Dort beginnt der Landwehrkanal, und
dann fährt man praktisch über den
Landwehrkanal in Richtung Westen,
über Kreuzberg und Schöneberg
wieder nach Charlottenburg zurück.
Also eine große Runde,
dreieinhalb Stunden, das sind
häufig Schwerpunktfahrten,
"Literatur", "Mauerstadt Berlin",
"Einwanderungsstadt Berlin".
Eine Musikfahrt bieten wir auch
an, also die sind etwas, ja, etwas
literarischer und mit Schwerpunktthemen.
Während die zweite Variante sonntags,
morgens um 11 Uhr, etwas kürzer ist.
Die ist nur zweieinhalb Stunden lang.
Da fahren wir bis Berlin-Mitte, über
die Spree bis zum Nikolaiviertel.
Dort wenden wir, fahren zurück, und
biegen dann am Hauptbahnhof in den
Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal
ein und fahren über Nordhafen und
Westhafen und dann auch wieder Schloss
Charlottenburg in einer großen Runde
zurück, sind also da auch noch mal
ziemlich lange in Charlottenburg, weil
wir an Charlottenburg-Nord vorbeifahren.
Das ist zwar etwas langweiliger
Westhafenkanal, aber auch da gibt’s
...
Ich wohne in Charlottenburg-Nord.
Es ist langweilig, aber schön.
... da gibt’s auch einiges zu berichten.
Also, es gibt da so ein Fußgängerüberweg
auch, der hat einen sehr interessanten,
also architektonisch interessant,
weil er so eine spiralförmige,
zwei spiralförmige Aufgänge hat,
darauf kann man gut hinweisen.
Ja, Ringelbrücke, sagen manche Leute.
Ringelbrücke, ja.
Ist der Goerdelersteg.
Das ist der Goerdelersteg und benannt
eben auch nach einem Widerstandskämpfer
gegen den Nationalsozialismus, wie auch
viele Straßen in Charlottenburg-Nord
nach Widerstandskämpfern gegen
den Nationalsozialismus benannt
sind, die nicht weit davon
entfernt, nämlich in, ääähhhmmm
...
In der Gedenkstätte.
In der Gedenkstätte, davor war es nun
die Hinrichtungs-, Hinrichtungsstätte
Plötzensee, ermordet worden waren.
Also insofern, geschichtlich
gibt es da schon auch einiges
zu entdecken, vom Wasser aus.
Zumindest jedenfalls, nicht von dem Teil,
das wäre dann ein anderer Kanal wiederum.
Das ist der Westhafenkanal.
Aber er gehört da, an dieser
Stelle ist es immer Charlottenburg.
Was wir auch ein bisschen erwähnen
oder ab und zu erwähnen ist, ich
mache es gerne, sind so Kuriositäten.
Und kurz bevor man dann am
Jakob-Kaiser-Platz oder kurz vor
der Schleuse ist, erreicht man einen
Punkt, wo man nicht sieht, wo ich
aber erzählen kann, dass genau unter
uns schon ein Tunnel gebaut worden
ist, unter der Spree drunter her,
für eine geplante U-Bahnstrecke, die
nach, zum Flughafen Tegel geplant
war, die aber nie gebaut worden ist.
Und nun sind da 300 Meter unter der
Spree auch, die ab und zu der Berliner
Feuerwehr zu Übungszwecken dient.
Aber es ist schon ein Kuriosum,
dass man also schon eine so lange
Strecke U-Bahn gebaut hat, die
da nie in Betrieb genommen wurde.
Vorleistungen sind zwar schon
üblich, aber dann meist bei
den Bahnhöfen oder Gebäuden.
Ja.
Das auch.
Wird ja durchaus öfter mal was gemacht.
So ganze Tunnel, glaube ich, eher selten.
Naja, aber da sind wirklich 300
Meter, die noch über den Bahnhof
hinausgehen, der da geplant war.
Die genauen Zeiten und so, die stehen
dann natürlich alle auch im Internet.
Sprechen wir noch über einen anderen
Teil Charlottenburgs, der ebenfalls
an der Spree liegt, aber eben in der
entgegengesetzten Richtung, wir hatten
es ja ganz kurz schon angesprochen.
Dann fließt die Spree ja sozusagen
irgendwann am Schlosspark vorbei und dort,
an der Westseite der Mierendorffinsel, sag
ich mal, ist es ja eigentlich eine Gegend,
die heute, abgesehen von dem wirklich
üblen Autoverkehr, beschaulich ist.
Aber früher gab's da mal
die Schlacht am Tegeler Weg.
Ja, die gab es mal an einem Tag.
Und das ist ein wichtiger Tag in der
Nachkriegsgeschichte für Westdeutschland
und West-Berlin, sage ich mal,
weil es so ein Knackpunkt in der
Geschichte der Studentenbewegung war.
Das war am, ich muss noch mal nachschauen,
damit ich hier nichts Falsches sage, am 4.
November 1968, also in der
Hochzeit der Studentenrevolte.
Ein paar Monate vorher war Rudi Dutschke
angeschossen worden am Kurfürstendamm.
Und an dem dortigen Landgericht sollte ein
Prozess stattfinden gegen Horst Mahler.
Das war der damalige Rechtsanwalt
der Studentenbewegung.
Ihm sollte praktisch die Lizenz als
Rechtsanwalt entzogen werden, die
Zulassung, weil ihm angehängt worden
war, dass er für die Osterunruhen, wobei
bei Springer also auch Autos angezündet
worden sind, er als Organisator zur
Rechenschaft gezogen werden sollte.
Also es fanden sich dann etwa 1.000
Studentinnen und Studenten aus Solidarität
zu ihm vor dem Landgericht ein und
wollten ihre Solidarität kundtun.
Glücklicherweise ist ihm dann,
oder es ist dem jedenfalls nicht
die Lizenz entzogen worden.
Aber die Studenten waren trotzdem da
und haben protestiert und gerieten
mit der Polizei in Konflikt.
Dummerweise, oder vielleicht sogar
absichtsweise, stand da ein Lastwagen,
wo kleine Pflastersteine drauf waren,
und die Studenten haben diese Steine
genommen, um die Polizisten zu bewerfen.
Es entstand eine zweieinhalbstündige
Schlacht am Tegeler Weg, die sich
dann bis zur Schloßbrücke hinzog.
Dann löste sich das Ganze auf, es
gab viele verletzte Studenten, es
gab viele verletzte Polizisten.
Das ist deswegen so ein Schnittpunkt,
weil sich darüber der "SDS" zerstritten
hat, dass man Gewalt anwendet oder
auch nicht Gewalt anwenden soll.
Der "SDS" hat sich daraufhin aufgelöst,
und auf der polizeilichen Seite hieß es:
Jetzt müssen wir uns aber besser schützen.
Und dann sind Schutzwesten angeschafft
worden, Helme angeschafft worden.
Also, es war also in dieser
Hinsicht eine Aufrüstung auf
beiden Seiten und eigentlich eine
unsägliche Schlacht am Tegeler Weg.
Was man bei wirklich dieser ansonsten
sehr friedlichen Gegend nicht annimmt.
Nein, manchmal passiert an manchen Sachen,
ja dieser friedlich aussehen sehr, sehr
schlimme Dinge, das hat man ja öfter.
Das stimmt auch wieder.
Was allerdings interessant ist: Dieses
Landgericht, das ist ja auch so ein
unglaublicher Klotz aus Anfang des 20.
Jahrhunderts, der ein bisschen
furchteinflößend ist und auch in so
’nem Bogenstiel gebaut ist, aber wenn
man den Haupteingang anschaut, kann man
da alle möglichen Sachen erkennen: Eine
Justitia, die dann die Augen verbunden
hat und in der einen Hand hat ein
Gesetzbuch, in der anderen Hand hatte
sie so ein paar Fasces, also, das heißt
Ruten, mit denen also auch dann die
Gerechtigkeit durchgesetzt werden soll.
Also, ist an sich dann auch schon
ein interessantes Gebäude, aber
auch ein bisschen sehr, ja, brutal
...
Sieht wie eine Festung aus.
Sieht wie eine Festung aus, ist immer
noch Landgericht, ist auch immer noch
zuständig wie auch 1968 für solche
Rechtsanwalts-, also solche Fragen wie,
Entzug der Zulassung von Rechtsanwälten.
Und ansonsten ist es ein Zivilgericht
’Ne Menge Informationen gibt's und
wer mehr müssen [wissen] will, der
schaut am besten dann auf die Website
der Berliner Geschichtswerkstatt.
Die lautet, die Adresse
...?
Die Adresse lautet
www.berliner-geschichtswerkstatt.de.
Aber, wenn du mich schon drauf
ansprichst: Wir haben glücklicherweise
auch ein paar junge Leute bei uns im
Verein, die gesagt haben also, wir
müssen auch andere Medien noch nutzen.
Und seit einiger Zeit haben wir also
auch einen Auftritt bei Instagram, der
dann gefüttert wird, im Wesentlichen mit
Bildern, aber natürlich dann auch mit
Informationen über das, was wir vorhaben.
Lohnt sich ja auch, wenn man so viel
unterwegs ist, draußen und bei den ganzen
Sehenswürdigkeiten und geschichtlichen
Orten, da kann man ja super Motive finden.
Wir sind immer auf der Suche, ich
suche auch immer gerne etwas, und
ich hab schon gesagt, ich schaue
auch mal gerne auf etwas Abwegiges.
Und davon gibt es in Berlin ja auch was.
Man schaut auf den Boden und sieht die
vielen Stolpersteine, die uns eben an
diese unsägliche Nazizeit erinnern.
In Charlottenburg-Wilmersdorf im Übrigen
am meisten von ganz Berlin, weil ja auch
die Zahl der Juden in Charlottenburg und
Wilmersdorf recht hoch war, in Wilmersdorf
sogar noch höher als in Charlottenburg.
Also dementsprechend, so was findet man,
aber man findet auch noch immer irgendwas
... "Ach guck mal, da ist schon lange was
weg, aber die Reste davon sind noch da.
Buchstaben von Werbungen,
Reste von Pommesbuden, die 40
Jahre lang gestanden haben.
Und die Ausmaße kann man immer noch
erkennen, weil das Fett offensichtlich
an den Wänden auf das Trottoir getropft
ist, aber nur wer’s weiß, dann.
Wenn man hinguckt.
Okay, dann danke fürs Mitmachen.
Danke, dass ich dabei sein konnte.