Gaslaternen als Kulturgut - Gaslicht-Kultur e.V.
Vor allem in Charlottenburg gibt es noch viele Straßen mit Gaslicht-Beleuchtung
30.12.2023 24 min Oliver Springer
Zusammenfassung & Show Notes
Möchtest Du als Gast dabei sein und Dein Geschäft, Deinen Verein, Deine Stadtteilinitiative oder ein anderes Projekt vorstellen, nimm einfach Kontakt mit uns auf!
In dieser Ausgabe von "Charlottenburg in Bewegung" spricht Oliver Springer mit Bertold Kujath, dem Vorsitzenden des Vereins Gaslicht-Kultur e.V. Hervorgegangen aus einer Bürgerinitiative, setzt sich der Verein für den Erhalt der Berliner Gasstraßenbeleuchtung als Kulturerbe ein.
Zwar sind bereits sehr viele Berliner Glaslaternen abgerissen worden, doch gibt es immer noch eine recht große Anzahl im Stadtgebiet. Insbesondere in Charlottenburg, in der Nähe des Schlosses, werden viele Straßen mit Gaslicht beleuchtet. Als Stadt mit den meisten öffentlich betriebenen Gaslaternen ist Berlin im internationalen Vergleich nach wie vor einzigartig.
Bertold Kujath erklärt, dass Gaslicht nicht nur eine kulturhistorische Bedeutung hat, sondern auch ökologische Vorteile bietet, wie z. B. eine geringere Lichtverschmutzung und im Gegensatz zur elektrischen Straßenbeleuchtung keine Insektenmassen anzieht, die dann verenden. Auch in puncto Langlebigkeit können Gaslaternen gegenüber LED-Straßenleuchten punkten.
Zu den aktuellen Aktivitäten des Vereins gehören neben Führungen die Überwachung von Abrissplänen, die Förderung des Gaslaternenmuseums und das Bemühen um internationale Unterstützung für den Erhalt der Gasbeleuchtung.
Zwar sind bereits sehr viele Berliner Glaslaternen abgerissen worden, doch gibt es immer noch eine recht große Anzahl im Stadtgebiet. Insbesondere in Charlottenburg, in der Nähe des Schlosses, werden viele Straßen mit Gaslicht beleuchtet. Als Stadt mit den meisten öffentlich betriebenen Gaslaternen ist Berlin im internationalen Vergleich nach wie vor einzigartig.
Bertold Kujath erklärt, dass Gaslicht nicht nur eine kulturhistorische Bedeutung hat, sondern auch ökologische Vorteile bietet, wie z. B. eine geringere Lichtverschmutzung und im Gegensatz zur elektrischen Straßenbeleuchtung keine Insektenmassen anzieht, die dann verenden. Auch in puncto Langlebigkeit können Gaslaternen gegenüber LED-Straßenleuchten punkten.
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Transkript
Charlottenburg in Bewegung, ich
bin Oliver Springer, zu Gast ist
Berthold Kujath, Vorsitzender
des Vereins Gaslicht-Kultur e.V.
mit Sitz in Berlin-Westend.
Hallo.
Hallo.
Verein zur Förderung des Kulturgutes
Berliner Gas-Straßenbeleuchtung,
das steht auf der Vereinswebsite und
vermittelt ja schon so ungefähr, worum
es geht, aber lassen Sie uns für den
Überblick doch ein paar Sätze dazu sagen!
Ja, die Berliner Gasstraßenbeleuchtung
braucht auf jeden Fall einen starken
Fürsprecher, so eine Art Lobbyarbeit, die
wir für die Gasbeleuchtung machen müssen.
Deswegen haben wir uns im Jahre 2010
als gemeinnütziger Förderverein für das
Kulturgut Berliner Gasstraßenbeleuchtung
gegründet, weil die Abrisspläne
für die Gasbeleuchtung gab es schon
immer und die sind auch in der Zeit
damals immer massiver geworden.
Anfangs wurden ja immer nur einzelne
Straßen sozusagen umgerüstet, in
Elektrobeleuchtung umgewandelt, aber dann
kamen so ab 2010 die Pläne auf, also die
Berliner Gasstraßenbeleuchtung insgesamt
abzuschaffen, und da mussten wir uns aus
der ehemaligen Bürgerinitiative, die wir
waren, die Gaslichtinitiative Berlin in
einen gemeinnützigen Verein umwandeln,
und das haben wir mit der Vereinsgründung
im Jahre 2010 dann gemacht.
Früher konnte man in Berlin ja
überall Gasstraßenbeleuchtung
sehen, ich erinnere mich auch noch
an viele entsprechende Leuchten.
Inzwischen ist davon ja
wirklich viel verschwunden.
In Charlottenburg ist aber zum
Glück vergleichsweise viel übrig.
In Charlottenburg ist immer noch
viel übrig, obwohl zum Zeitpunkt
des Beschlusses ... Im Jahre 2008
wurde der Abgeordnetenhausbeschluss
gefasst, die Gasbeleuchtung
abzureißen in Berlin, komplett
auszutauschen gegen Elektrolaternen.
Da hatten wir 44.000
Gaslaternen in Berlin insgesamt.
Das ist aber auch noch nicht die Hochzeit.
Die Hochzeit gab es 1938 mit
88.000 Gaslaternen in Berlin.
Berlin war damals so etwas wie die
Welthauptstadt der Gasbeleuchtung,
in keiner anderen Stadt gab es
mehr Gaslaternen, sie war auch
sehr gut im Schuss und sehr gut
gepflegt und gut gewartet damals.
Das war auch im Jahre 2008 noch der Fall,
als dieser Abgeordnetenhausbeschluss
zum Abriss gefasst wurde.
Diese 44.000 Gaslaternen sind um
weit mehr als die Hälfte reduziert
worden, auf ungefähr unter 20.000
jetzt und es soll auch weitergehen.
Und es gibt ja einen Beschluss im
Augenblick, dass ungefähr 3.300
Gaslaternen denkmalgeschützt
erhalten bleiben sollen, das ist
so das Ziel, was in den nächsten
Jahren dann erreicht werden soll.
Dann in den Erhaltungsgebieten,
nehme ich an.
In den Erhaltungsgebieten, die 31
Erhaltungsgebiete, die wir zusammen
mit dem Landesdenkmalamt festgelegt
haben und identifiziert haben, da
ging es natürlich auch um Fragen "Wie
sieht die Bebauung drum herum aus?".
Es musste denkmalgeschützt Bebauung
möglichst aus der Zeit der Gasbeleuchtung,
also so um 1850 rum, Ende des 19.
Jahrhunderts, vorhanden sein.
Und da gibt es genau 31 Gasschutzgebiete
unterschiedlicher Größe.
Es gibt auch Einzelstandorte, wie zum
Beispiel der "Fünfarmige Kandelaber"
vor dem S-Bahnhof Nikolassee.
Es gibt aber auch große Erhaltungsgebiete,
das größte überhaupt ist das in
Charlottenburg, südlich vom Schloss
Charlottenburg, da sind ungefähr
550 Gaslaternen unter Denkmalschutz.
Gasbeleuchtung war lange Zeit der
Standard in der Stadt; und dieser Standard
ist gleichzeitig, aber international
gesehen trotzdem eine Ausnahme.
Ja, also Berlin ist nach wie vor die Stadt
mit den meisten öffentlich betriebenen
Gaslaternen in der Welt, es gibt aber
auch andere Städte, zum Beispiel in
Düsseldorf, die ähnlich viel haben.
Da ist im Augenblick auch die
Diskussion um Abriss und Erhaltung.
Es gibt auch in den USA
viele Städte mit Gaslaternen.
South Orange ist ein Beispiel in
der Nähe von New York, die auch
sehr viele Gaslaternen noch haben.
Die haben sich sogar mal mit uns in
Verbindung gesetzt, weil der letzte
Gaslaternenwächter dort in Rente gegangen
ist und sie wollten Tipps und Hinweise
von uns haben, wie man das dann mit der
Wartung und technisch umsetzen kann dann.
Also in den USA werden solche Gaslaternen
auch tatsächlich wie mit Gas betrieben,
auch sehr wertgeschätzt und auch
erhalten, soweit sie noch vorhanden sind.
Beim Thema Gaslicht geht es nicht nur
um das, was man sehen kann, aber auch
das ist natürlich ein wichtiger Aspekt,
auch wenn manchmal behauptet wird, man
könnte den Unterschied gar nicht sehen.
Dabei sieht man den Unterschied
ja sogar vom Weltraum aus.
Also zwischen einer normalen
Elektrolaterne, so wie wir sie in den
Straßen haben, das sind also hauptsächlich
diese Natriumdampf- ..., dieses
gelbe, wir haben das früher immer
belgisches Autobahnlicht genannt.
Diese gelben Natriumdampflampen,
die sind hauptsächlich in Ostberlin
vertreten und in Westberlin gibt es
doch tatsächlich noch Stellen, die
überwiegend mit Gas beleuchtet sind.
Es gibt Bezirke, wie zum Beispiel
Zehlendorf und Charlottenburg, die
waren bis vor kurzem zu 70 Prozent
der Fläche mit Gas beleuchtet.
Also Gaslicht ist nicht irgendein
exotisches Beleuchtungsmedium, was dann
vereinzelt mal irgendwo rumsteht und noch
übriggeblieben ist, sondern das hat gerade
in Berlin flächendeckenden Charakter.
In vielen Bezirken, so auch in
Charlottenburg, gibt es ganz, ganz
viele Bereiche, die gasbeleuchtet
waren, das ist natürlich jetzt durch
die Abrissaktivitäten weniger geworden.
Aber auf diesem Satellitenbild aus
dem Weltraum kann man ganz klar
noch die ehemalige Zonengrenze, die
Mauer zwischen Ost- und Westberlin
sehen, anhand der Lichtfarbe.
Das ist in Westberlin dieses mehr
weißliche, viel von Gaslicht geprägte
Licht, was nach oben abstrahlt,
und in Ostberlin dieses grelle,
helle Natriumdampflicht, das ist
ganz typisch für Berlin, auch diese
Teilung in der Lichtfarbe der Stadt.
Wenn Gaslichtlaternen dann durch andere
Beleuchtungsarten ersetzt werden, da
ändert sich nicht nur das Licht, sondern
oft auch das Aussehen der Laternen.
Das ist richtig, die Mühe bei der
Umrüstung LED-Imitate zu nehmen, die
umgebaute Gaslaternen sind, das ist
meistens die "U7", das ist diese typische
Bischofsmütze, die man in Berlin hat, die
mit diesem dreifach abgesetzten silbernen
Dach oben das ist auch die Laterne, die
am häufigsten im Stadtgebiet vorkommt.
Diese U7 wurde häufig genommen als Imitat
mit LED-Beleuchtung, dass zumindest
am Tage kein Unterschied zu sehen ist.
Bei der Lichtfarbe sieht man sehr wohl
einen Unterschied nachts, also die LED es
ist sehr viel heller und auch weißlicher
in der Lichtfarbe, es ist kein Gaslicht.
Der Schattenwurf ist ein ganz anderer,
die ganze Lichtatmosphäre ist eine andere.
Aber die Zeiten sind auch vorbei.
Denn diese Laternen waren ungefähr
vier- bis fünfmal so teuer als
eine Standardindustrieleuchte,
die jetzt genommen wird.
Eine große Berliner Tageszeitung hat
diese Leuchten "Ufo-Leuchten" getauft,
weil sie auch tatsächlich wie so ein
landendes Raumschiff aussehen, mit
vielen LED-Lichtpunkten oben drin und so
verschiedenen wabenförmigen Ausbuchtungen.
Das ist jetzt die neue Standardleuchte,
die häufig für Gaslaternen genommen wird,
in den Randbezirken auf jeden Fall, da
gibt man sich nicht mehr die Mühe, dann
für teures Geld die Imitate zu nehmen.
In der Innenstadt sind in den
denkmalgeschützten Bereichen tatsächlich
noch einige Umrüstungen mit diesen
Imitaten, aber das wird sicherlich
aufhören, allein aus Kostengründen.
Dass Gaslichtlaternen durch
andere Arten ersetzt werden.
Das ist ja kein neues Thema,
haben wir ja schon angesprochen.
Diese Bürgerinitiative - in den 80ern
ist die damals schon zustande gekommen,
wenn ich das richtig verstanden habe.
Genau, Gaslichtinitiative Berlin, das
fing an, dass damals noch nach den
Prinzipien der behutsamen Stadterneuerung,
nicht so wie heute Kahlschlag und so
schnell wie möglich und so billig wie
möglich, sondern damals gab es noch die
Prinzipien der behutsamen Stadterneuerung.
Da gab es mal einen Artikel in der
Zeitung, wo gesagt wurde, man möchte
jetzt immer da, wo Erdarbeiten in
den Straßen nötig waren, dass die
Fahrbahndecke erneuert werden muss
oder Gas-, also Stromleitungen oder
Wasserleitungen verlegt wurden,
während, da wollte man dann, wenn da
eine Gasbeleuchtung vorhanden gewesen
wäre, diese durch Elektro-Laternen
ersetzen im Zuge dieser Arbeiten.
Das wäre wesentlich behutsamer
und langsamer und unauffälliger,
weniger einschneidend auch in in
der Optik des Stadtbildes passiert.
Das Kuriosum war, dass damit in der
Straße, in der ich damals gewohnt
habe, angefangen werden sollte, nämlich
in der Ulmenallee in Neu-Westend.
Und ich habe dann sofort meine Freunde
und Nachbarn alarmiert, hab gesagt:
"Die wollen uns die Gaslaternen
wegnehmen, das geht ja gar nicht!"
Und da haben wir dann die Bürgerinitiative
Gaslicht-Initiative Berlin gegründet,
die es dann tatsächlich geschafft hat,
im Abgeordnetenhaus einen Beschluss
zu erwirken, dass die Gasbeleuchtung
Berlin grundsätzlich zu erhalten ist.
Und das war auch ein Beschluss, der
über die Umstellung auf Erdgas hinaus
dann bis Anfang der 2000er-Jahre
tatsächlich umgesetzt und gewirkt hat.
In den 90ern wurde in Berlin ja
von Stadtgas auf Erdgas umgestellt,
und das war erst mal ein großes
Problem für die Gaslichtbeleuchtung.
Grundsätzlich war das überall
in Deutschland, wo das passiert
ist, ein Problem, weil das
Erdgas andere Eigenschaften
hinsichtlich der Feuchtigkeit hatte.
Es ist trockener und es hat einen höheren
Druck, und da war die Befürchtung,
dass die Dichtungen der Gasbeleuchtung
durch die höhere Trockenheit
austrocknen, undicht werden würden.
Und man hatte auch Angst mit dem höheren
Druck, dass Gas austritt, nicht nur aus
den Gaslaternen, aus den einzelnen Teilen
selber, sondern auch aus der Erde, aus den
Gasrohren, was zum Teil auch tatsächlich
in geringen Mengen passiert ist.
Man hat dann aber im Gegensatz zu anderen
Städten in Berlin das Projekt gewagt, die
Gasbeleuchtung erdgastauglich zu machen.
Es ist mit einem hohen technischen,
materiellen, personellen und finanziellen
Aufwand erdgastauglich gemacht.
Die höheren Drücke wurden abgefedert durch
PE-Rohre, die in diese Gaslaternen, in
diese Gasleitung eingezogen worden sind.
Das musste man allerdings auch deswegen
machen, weil die Gaslaternen an
einem Gashausnetz hängen, am normalen
Hausversorgungsnetz, das heißt,
also da musste man natürlich auch
dafür sorgen, dass es dichter wird.
Das ist immer so ein Aberglaube,
man müsse für die Gaslaternen ein
eigenes Gasnetz betreiben, was sie
dann extrem teuer machen würde.
Das stimmt nicht, es geht also ein
Hauptgasrohr unter der Erde an der
Häuserfront lang, und dann gehen
meinetwegen rechts die Stichleitung in
die Häuser für die Gasversorgung rein
und links gegen die Stichleitung in die
Gaslaternen, also ist ein und dasselbe
Netz, was dann saniert werden musste.
Und man hat es dann tatsächlich
geschafft in Berlin, die Gasbeleuchtung
erdgastauglich zu machen.
So konnte sie auch diese
Umstellung überleben.
In Ostberlin ist dieses Unterfangen
nicht gemacht worden, weil man
schlichtweg nicht geglaubt hat, dass
das überhaupt technisch möglich war.
In Berlin hat man gezeigt,
dass es technisch möglich ist.
Und deswegen haben wir auch in
Ost-Berlin wesentlich weniger
Gaslaternen als in West-Berlin, und
auch in anderen Städten ist dann im
Zuge der Umrüstung auf Erdgas die
Gaslaternen komplett abgeschafft worden.
Geht's beim Abschied von der
Gaslichtbeleuchtung hauptsächlich
ums Energiesparen oder was
sind so die Hauptargumente?
Das Energiesparargument ist
natürlich ein großes Argument.
Das hat jetzt wieder Auftrieb
und Aufwind erhalten durch die
Ukraine-Krise, durch den Ukraine-Krieg,
weil wir ja hauptsächlich
russisches Erdgas bezogen haben.
Es sind auch weitere Argumente:
Umweltschutz, Klimaschutz, CO2.
Es ist ein natürlich Verbrennungsvorgang,
in der Laterne wird Gas verbrannt,
da entsteht natürlich CO2.
Das entsteht bei der Stromproduktion
natürlich auch, bloß an anderer Stelle
und in anderen zusammenhängen, da ... Wenn
man jetzt nur die Energieverhältnisse
in der Lampe mit LED und Gaslaterne
vergleicht, dann ist natürlich die
Energiebilanz und die CO2-Bilanz bei
der Gaslaterne sehr viel schlechter.
Es sind aber auch noch andere
Argumente wie Wartbarkeit.
Man braucht natürlich bestimmte
Einzelteile, die vorrätig
gehalten werden müssen.
Es werden immer weniger Gaslaternen,
womit die Wartung dann auch immer
teurer und komplizierter wird.
Diese Einzelteile werden nicht mehr
produziert, wie zum Beispiel Glühstrümpfe.
Man hat ja schon in den 1990er-Jahren
die Glühstrumpfproduktion nach Indien
verlagert, möglicherweise vorausschauend,
um dann 2010 das Argument anzubringen,
Wir haben ja gar keine Glühstrümpfe
mehr, denn es wurde damals von dem
Glühstrumpfhersteller beim Senat
angefragt, ob er denn garantieren könne,
dass auch weiterhin eine große Nachfrage
an Glühstrümpfen passieren würde.
Da wurde ihm schon Mitte der
1990er-Jahre geantwortet nein,
das können wir nicht garantieren.
Das heißt also, diese Pläne sind schon
länger in der Schublade und durch
das Aufkommen der LED hatte man dann
ein Argument zu sagen, wir können das
Gaslicht ja imitieren und das ist ja
viel billiger und sehr viel CO2-ärmer.
Also das sind schon die Argumente:
Energie, Klima, Einzelteil, Wartbarkeit.
Wir argumentieren dagegen, dass es sich
ja um ein Industriedenkmal handelt,
und es ist nun mal eine ureigenste
Eigenschaft eines Denkmals, nicht den
neuesten DIN-Normen zu entsprechen und
auch den Umweltnormen zu entsprechen.
Das ist halt ein altes, funktionierendes
System, was seinen Wert hat.
Und das ist natürlich schwieriger zu
händeln als eine moderne LED-Laterne.
Bei LEDs wird ja oft die Langlebigkeit
angepriesen, aber das Alter der
Gaslaternen zeigt ja auch: Das ist ja auch
ein System, was ziemlich langlebig ist.
Gaslaternen haben einen
natürlichen Rostschutzfaktor.
Dieses Gas, was in den Rohren ... Wir
haben ja verschiedene Typen von Masten
und da gibt es eine Mastform, das ist
sozusagen einfach nur ein verlängertes
Gasrohr, was oberirdisch senkrecht in Luft
steht, sage ich immer, wo dann oben der
Leuchtkopf der Gaslaterne anmontiert ist.
Also dieser Mast ist komplett von
innen mit Gas durchströmt, verdrängt
somit den Sauerstoff und damit kann
der Mast von innen nicht rosten.
Das Rosten von in ist ja
immer ein großes Problem.
Und das führt zum Beispiel dazu,
dass Elektrolaternenmaste tatsächlich
betriebswirtschaftliche Lebensdauer
von 40 Jahren haben und Gaslaternen
haben, so hat es die Bundesanstalt für
Materialforschung einmal festgestellt,
eine Lebensdauer von über 200 Jahren.
Das heißt also, wir haben ja die fünffache
Lebensdauer der Masten und deswegen muss
man auch diese ganzen Umrüstungskosten
mal zwei oder mal drei nehmen, denn wenn
ich jetzt eine Gaslaterne abreiße und
dafür eine Elektrolaterne hinstelle, dann
würde die Gaslaterne noch stehen können,
wenn die Elektrolaterne, die ich heute
aufgestellt habe, in 40 Jahren abgerissen
werden muss, weil sie durchgerostet ist.
Das sind natürlich jetzt
Fallbeispiele, das sind extreme Sachen.
Aber die Tendenz und der Trend ist
schon da, dass Elektrobeleuchtung nicht
so langlebig ist, wie von der Hardware
zumindest her, wie die Gasbeleuchtung.
Und das sind Kosten, die in diese
Umrüstung überhaupt gar nicht
mit eingeflossen sind bis jetzt.
Wenn es jetzt nur darum ginge Ressourcen
zu sparen und die Umwelt zu schützen,
dann wäre es im Grunde das Beste,
nachts das Licht einfach auszulassen.
Stichwort Lichtverschmutzung und
auch Stichwort Insektensterben.
Ja, natürlich gibt es eine
Beleuchtungspflicht, gerade in der
Innenstadt kann man sich das nicht
vorstellen, obwohl die Innenstadt ja auch
schon von selbst hell genug ist durch die
Autoscheinwerfer, durch Geschäfte, die
beleuchtet werden durch Reklameschilder.
Trotzdem besteht eine Beleuchtungspflicht,
man kann es nicht ausschalten.
Es gibt aber in verschiedenen
deutschen Städten Modellversuche in
kleineren Straßen, wo wenig Verkehr
ist, die Beleuchtung ausgeschaltet
wird und immer nur dann, wenn
jemand da durchgeht oder ein Auto
kommt, sie wieder angeschaltet wird.
In Mannheim gab es mal einen
Modellversuch, wo dann Fußgänger
die Straßenbeleuchtung mit
ihrem Handy anschalten konnten.
Ich habe mich mal gefragt: Was
tun die, die kein Handy haben
oder wo der Akku leer ist?
Aber das sind so Modellversuche, den
Strom zu sparen, die Lichtverschmutzung
auch einzudämmen, das sind sehr
gute Versuche und das sind auch sehr
tolle Ideen, die dahinterstecken.
Das kann man natürlich mit Gaslaternen
nicht machen, solche Sensoren würde
ja auch das historische Innenleben aus
Verbrenner, aus Gasglühstrümpfen und so
weiter und so fort dann da eingreifen.
Es ist halt ein altes System, ein
denkwürdiges System mit dem Potenzial zum
Weltkulturerbe, und es kann eben diese
neuesten Entwicklungen nicht mitmachen.
Und es ist auch gut so.
Aber noch mal zum Thema
Lichtverschmutzung: Da gibt es ja
dann doch durchaus Unterschiede,
gerade was die Insekten angeht.
Die Lichtfarbe und das Lichtspektrum
bei der Straßenlaterne ist
grundsätzlich entscheidend, wie viel
Lichtverschmutzung es gibt und wie
gefährlich das für Insekten ist.
Also das Gaslicht hat keine Blauanteile,
das ist ein natürliches Licht, was
dem Sonnenlicht ähnelt, und es hat den
Effekt, dass es wenig Blauanteile hat.
Insekten gehen hauptsächlich beim
Straßenlicht auf die Blauanteile.
Sie denken, das ist die
Sonne und fliegen dagegen.
Pro Sommernacht fliegen sich bis zu
220 Insekten an einer Elektrolaterne am
Glas tot, die immer reinfliegen wollen.
Das kennt man auch den Effekt im Fenster,
wenn draußen die Sonne scheint, dann
liegen die toten Insekten auf der
Fensterbank drin, das ist derselbe Effekt.
Das gibt es beim Gaslicht nicht,
weil Insektenaugen überwiegend
blind gegenüber Gaslicht sind.
Dann kommt noch dazu, dass das
blaue Lichtanteil die größte
Lichtverschmutzung verursacht, weil es
am weitesten ins Weltall hinaus strahlt.
Das sind also die Punkte, die das Gaslicht
besonders umweltfreundlich machen.
Mal abgesehen davon, dass Gaslicht
eine Primärenergie ist, das heißt ich
verbrenne das Gas so, wie es aus der
Erde kommt und muss nicht erst über
Kohleverbrennung und so weiter und so
fort mit Leitungsverlusten Strom erzeugen.
Ich will aber gar nicht rumargumentieren.
Natürlich ist die LED-Laterne energetisch
und von der Umweltbilanz besser, wobei
man natürlich dazu auch sagen muss:
Auch in der LED gibt es seltene Erden,
da gibt es problematische Stoffe,
LED-Laternen, manche Elektrolaterne,
da muss der gesamte Leuchtkopf als
Sondermüll entsorgt werden, weil das so
giftig ist, dass ... Diese Problematik
gibt es beim Gaslicht auch nicht.
Also die Bilanz fällt nicht
so eindeutig zugunsten der LED
aus, das können wir festhalten.
Schönheit liegt ja immer im Auge des
Betrachters, ob Straßenbeleuchtung
dagegen blendet oder nicht, das
lässt sich ja objektiv beurteilen.
Blendfrei ist das Gaslicht auch, ja.
Das war früher mit den Elektrolaternen
so, man konnte ja damals sozusagen einen
Diffusor einbauen, in die Leuchtköpfe
der Elektrolaternen, das heißt, das
war so eine Art Milchglas, sodass das
verbreitert, also verstreut wurde, das
Licht, das blendete nicht, das ist ja
jetzt nicht mehr erlaubt, weil das ja auch
Energie kostet, das heißt, ich produziere
ja mit Energie Licht, die dann von dem
Diffusor wieder rausgefiltert wird.
Das ist natürlich ein bisschen
widersinnig, das gibt es jetzt nicht.
Also deswegen strahlt das Licht jetzt
aus den Lichtpunkten direkt auf die Erde
und auch in das Auge des Betrachters.
Und deswegen empfinde ich zumindest, und
auch viele, mit denen ich so spreche,
die neuen Elektrolaternen als blendend.
Das ist beim Gaslicht halt eben
nicht der Fall, weil es von der
Lichtfarbe viel angenehmeres Licht
ist, von der Atmosphäre, die erzeugt
wird, vom Schattenwurf, auch das
ist schon nicht so blendend und
so störend wie das Elektrolicht.
Die Insekten, die haben ja keine so
starke Lobby, aber Gasbeleuchtung wird
inzwischen ja auch - hatten es schon
angesprochen - als Kulturgut betrachtet.
Definitiv ist es ein industrielles
Kulturerbe, wie viele Sachen auch.
Es gibt ja auch zum Beispiel
"Zeche Zollverein", wo Bergbau
... Fördertürme und so erhalten werden.
Gasbeleuchtung ist auch in der
Industriegeschichte sehr prägend,
gesellschaftlich prägend.
Das Gaslicht hat ja sozusagen den
Tag in die Nacht da reingebracht.
Es war in Berlin, also dann seit
dem Aufkommen der Gasbeleuchtung,
möglich, dass man nachts unter
Gaslicht noch flanieren konnte.
Früher mit den Öl-Laternen war das
nicht möglich, die waren nur vereinzelt
- beleuchteten nur vereinzelte Kreuzungen;
es war weitestgehend dunkel in Berlin.
Das ist mit der mit der Einführung
der Gasbeleuchtung anders geworden.
Der Vorteil war auch, dass
Gasbeleuchtung zentral mit Energie
versorgt wird, während die Öl-Laternen
einzeln aufgefüllt werden mussten.
Gasbeleuchtung hat also gerade diese
ganzen hellen Boulevards hervorgebracht.
Es war möglich, also auch abends
noch zu flanieren, in Straßencafés zu
gehen, also ein Nachtleben, wie wir es
heute aus Berlin kennen, ist durch die
Gasbeleuchtung in Berlin erst aufgekommen.
Das ging sogar so weit, dass durch die
Gasbeleuchtung ja man auch nachts von
der Arbeit nach Hause fahren konnte.
Gasbeleuchtung hat auch
die Industrieanlagen von
innen beleuchten können.
Übrigens die ersten Gasbeleuchtungsanlagen
waren Indoor-Beleuchtung, die
haben in London und in England die
ersten Industriehallen von innen
beleuchtet und sind dann von innen
erst auf die Straße gekommen.
Aber zumindest hat sich
die Gesellschaft verändert.
Auch die Gewerkschaften wurden
dann plötzlich nötig, denn es
war nun möglich, die ganze Nacht
durchzuarbeiten und die Leute auch
um 24 Uhr nach Hause zu schicken.
Die Straßen waren ja beleuchtet und
da mussten dann die Gewerkschaften
einschreiten, dass also auch geregelte
Arbeitszeiten, Schichtdienst,
Schichtzulagen und so weiter und
sofort die ganze Thematik, die damit
zusammenhängt, ist dann aufgekommen.
Also, das ist auch ein Argument, warum
Gasbeleuchtung als Weltkulturerbe-fähig
anerkannt wird, weil es eben
als "Outstanding Value", wie es
heißt, auch gesellschaftliche
Veränderung, große gesellschaftliche
Veränderungen hervorrufen hat.
Was gehört denn jetzt alles zu den
Aktivitäten Ihres Vereins und auf
welche Art kann man sich da einbringen?
Also wir haben ja in der Zeit, wo
diese Umrüstungspläne aufgekommen
sind, sehr viel Öffentlichkeitsarbeit
gemacht, Unterschriften gesammelt,
Informationsveranstaltungen
gemacht, auch mit der Presse Touren
veranstaltet, um die Gasbeleuchtung
zu erklären und näherzubringen.
Wir haben damals häufig den Satz
gehört, das wussten wir ja alles gar
nicht, wir dachten, Gasbeleuchtung
sind so alle Funzeln, die irgendwo
rumstehen, so vereinzelt und so aber,
dass das solch ein tolles Stadtbild
gibt, dass es so ein tolles Licht ist
und solche Kiezatmosphäre da erzeugt,
das wussten wir alles gar nicht.
Und deswegen waren diese
Informationsveranstaltungen
für uns wichtig.
Hauptaufgabe war auch international
... Wir haben viele Fernsehsender aus dem
Ausland zu Besuch bei uns gehabt, die
über das Gaslicht berichtet haben.
Es war eine Zeit lang sogar so,
dass im Ausland mehr über den
Abriss der Gasbeleuchtung in Berlin
berichtet wurde als in Berlin selber.
Klar, man wollte das Thema
natürlich kleinhalten.
Im Ausland war das schon, also auch
in Japan, in ... Al Jazeera hat
über uns berichtet, in 141 Ländern
sind wir ausgestrahlt worden.
Das war die Aktivität damals,
die sehr viele Leute uns
auch dabei unterstützt haben.
Dann war natürlich der
Abgeordnetenhausbeschluss.
Wir haben diese 3.300 denkmalgeschützten
Laternen durchsetzen können, was viel
zu wenig aus unserer Sicht ist, aber
immer noch besser als gar nichts.
Nun sind wir mehr damit beschäftigt,
da sozusagen die Messen gesungen sind,
diesen Abriss zu überwachen, dass nicht
doch irgendwo mal angefangen wird,
in geschützten Gebieten abzureißen.
Und wir kümmern uns jetzt hauptsächlich
auch ums Gaslaternenmuseum, denn das
braucht auch die Unterstützung eines
Vereins, denn das wird auch abgebaut.
Das ist ja lange Zeit
vernachlässigt worden.
Es brüten ja mittlerweile
schon Vögel in den mit Steinen
zermisschenen Gasleuchtköpfen oben.
Das wird aber jetzt abgebaut, und da
sind wir auch sehr dabei zu versuchen,
dass das nicht verschrottet wird,
dass es nicht verteilt wird, sondern
zusammenbleibt und möglicherweise
später noch mal wieder aufgestellt wird.
Das ist sozusagen jetzt unsere
Hauptaufgabe, das Gaslaternenmuseum
wieder in die Senkrechte zu bringen
und nicht in Kisten verpackt
im Keller verstauben zu lassen.
Wer sich informieren möchte, kann
auf die Website des Vereins gehen.
Ja, www.gaslicht-kultur.de
ist die Homepage der Berliner
Gaslaternen ... Und gaslaternenmuseum.eu.
Das Gaslaternenmuseum ist aus unserer
Sicht ein europäisches Museum,
weil aus ganz vielen europäischen
Städten Spenden eingegangen sind, aus
Brüssel, aus London, aus Paris eine
große Pariser Leuchte, die "Grand
Lumiere" steht im Gaslaternenmuseum.
Aus Dublin haben wir eine Leuchte,
also es ist schon ein europäisches
Beleuchtungsmuseum, das wir erhalten
wollen, deswegen haben wir eine
eigene Seite, und deswegen hat
diese Seite die Endung ".eu".
Wir sind bei Facebook vertreten,
der Link zu unserer Facebook-Präsenz
gibt es auf der Homepage.
Informieren über das Gaslicht und erleben,
wie es funktioniert, kann man sich auch
auf unseren Touren, die wir anbieten.
Wir bieten geführte Gaslichttouren im
größten Gaslaternenschutzgebiet Berlins
in Charlottenburg, südlich vom Schloss
Charlottenburg im sogenannten Schloss-Kiez
an, da, wo die Umgebung noch ursprünglich
ist, mit den Gründerzeitfassaden, mit
den Schweinehälften auf der Straße,
die diese typische Pflasterung ... mit
diesen großen Beton- oder Granitplatten,
die ganz typisch aus dem 19.
Jahrhundert sind.
Da bieten wir diese Gaslichttouren an,
als geführten Stadtspaziergang, als
Radtour und als Bustour auch, das wird
gerne für Firmenfeste von Vereinen
gebucht, aber auch die Stadtspaziergänge
für kleinere Touristengruppen.
Zur "Langen nach der Museen" und
zum "Tag des offenen Denkmals"
gibt es ein Schnupperpaket, da
bieten wir diese Touren auch an.
Wir machen da auch technische
Demonstrationen, zeigen, wie moderne
Gaslaternen heute angezündet werden.
Da geht nämlich nicht mehr der
gute ältere Herr mit der Stange
rum und macht die Gaslaternen an.
Das funktioniert alles
mit Halbleiterelektronik.
Auch eine Folge der Modernisierung der
Gasbeleuchtung wegen der Erdgasumstellung.
All das ist eine sehr spannende und viel
gebuchte und viel gefragte Tour, die
wir da anbieten, die jeder buchen kann
bei uns und jeder, das Gaslicht auch
erfahren kann, in seiner Ursprünglichkeit.
Das waren so viele Informationen.
Dann ganz großes Danke fürs Mitmachen.
Ich danke auch.