Wie lebt es sich in der Gegend um den Klausenerplatz?
Kleine Läden, vielfältige Gastronomie, Gemeinsinn der Anwohner
31.12.2023 22 min Oliver Springer
Zusammenfassung & Show Notes
Möchtest Du als Gast dabei sein und Dein Geschäft, Deinen Verein, Deine Stadtteilinitiative oder ein anderes Projekt vorstellen, nimm einfach Kontakt mit uns auf!
In dieser Folge unseres Podcasts "Charlottenburg in Bewegung" spricht Oliver Springer mit Beate Dyballa, die 1985 von Spandau nach Charlottenburg in die Gegend um den Klausenerplatz gezogen ist. Sie schildert ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Perspektiven.
Beate beschreibt die Vielfalt der Bewohner und hebt den Zusammenhalt, den Widerstandsgeist und auch das Verständnis für unterschiedliche Lebensweisen als charakteristisch für die Nachbarschaft hervor.
Es wird diskutiert, wie sich das Viertel im Laufe der Jahre verändert hat, insbesondere im Hinblick auf die Bewahrung von Traditionen, den Umgang mit Veränderungen und die Herausforderungen durch den Tourismus.
Nach wie vor gibt es im Klausenerplatzkiez viele kleine Läden (mit zum Teil ungewöhnlichen Angeboten). Zu ihren Lieblingsläden gehören der "Brotgarten" und der Gemeinwohl-Bioladen Lylla (ehemals "Lylla dankbar"), erzählt Beate.
Darüber hinaus findet man im Stadtteil ein breites gastronomisches Angebot und nicht bzw. wenig kommerziell orientierte Angebote wie die Schularbeitenhilfe und einen Laden der Stadtmission.
Zum Charme des Klausenerplatz-Kiezes tragen nicht zuletzt die vielen Altbauten aus der Gründerzeit bei. Darüber hinaus gibt es in diesem Teil Charlottenburgs immer noch viele Straßen mit Gas-Straßenbeleuchtung.
Direkt gegenüber dem Klausenerplatz liegt das Schloss Charlottenburg mit seinem Schlosspark. Eine weitere große Grünanlage in der Nähe ist der Lietzenseepark.
Beate beschreibt die Vielfalt der Bewohner und hebt den Zusammenhalt, den Widerstandsgeist und auch das Verständnis für unterschiedliche Lebensweisen als charakteristisch für die Nachbarschaft hervor.
Es wird diskutiert, wie sich das Viertel im Laufe der Jahre verändert hat, insbesondere im Hinblick auf die Bewahrung von Traditionen, den Umgang mit Veränderungen und die Herausforderungen durch den Tourismus.
Nach wie vor gibt es im Klausenerplatzkiez viele kleine Läden (mit zum Teil ungewöhnlichen Angeboten). Zu ihren Lieblingsläden gehören der "Brotgarten" und der Gemeinwohl-Bioladen Lylla (ehemals "Lylla dankbar"), erzählt Beate.
Darüber hinaus findet man im Stadtteil ein breites gastronomisches Angebot und nicht bzw. wenig kommerziell orientierte Angebote wie die Schularbeitenhilfe und einen Laden der Stadtmission.
Zum Charme des Klausenerplatz-Kiezes tragen nicht zuletzt die vielen Altbauten aus der Gründerzeit bei. Darüber hinaus gibt es in diesem Teil Charlottenburgs immer noch viele Straßen mit Gas-Straßenbeleuchtung.
Direkt gegenüber dem Klausenerplatz liegt das Schloss Charlottenburg mit seinem Schlosspark. Eine weitere große Grünanlage in der Nähe ist der Lietzenseepark.
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Transkript
Charlottenburg in Bewegung,
ich bin Oliver Springer.
Zu Gast ist heute Beate Dyballa.
Hallo.
Hi Olli.
Du betreibst zwar keinen Laden und
sprichst auch nicht für einen Verein
oder eine Bürgerinitiative, sondern
bist als Bürgerin und Anwohnerin dabei.
Der Teil von Charlottenburg,
der am Klausenerplatz liegt, der
ist schon lange dein Zuhause.
Ja, und zwar mit Absicht.
Ja, sag!
Warum?
Ich bin dahin gezogen, weil ich
einfach das Glück hatte, da eine
Wohnung zu bekommen durch Bekannte.
Und in der Sekunde, als ich da eingezogen
bin, war ich sozusagen verwurzelt, weil
der Bezirk so viel bietet und einfach
einen ganz bestimmten Charme hat, der
sich praktisch einem sofort erschließt.
Und wenn man sich damit beschäftigt,
dann findet man raus, warum das so ist.
Er hat eine ganz lange Tradition.
Dann lass uns erst mal sagen,
seit wann du dort bist.
Also, ich wohne da seit 1985.
Ich habe vorher in Spandau gewohnt, aber
das möchte man ja hier nicht diskutieren.
Ich bin jetzt Charlottenburger,
ich hab's geschafft.
Ja, schon lange.
Der Grund, warum hergezogen
bist, war, dass du einfach ein
gutes Wohnungsangebot hattest
...(?)
Ich wollte aus Spandau raus und
nach Charlottenburg, weil ich
einfach den Kiez schon immer mochte.
Da ist das Leben gewesen, wo
man abends hingegangen ist:
Kinoveranstaltungen, alle Discos.
Letztendlich bist du immer Richtung Zoo,
Richtung Charlottenburg gefahren oder dann
eben irgendwann mal Richtung Kreuzberg 36.
Aber das war nie so ganz meine Gegend.
Also, in Charlottenburg habe ich
mich schon immer sehr wohl gefühlt.
Gerade wenn man aus Spandau kommt,
ist das andere auch sehr weit.
Ja, deswegen habe ich
ja Spandau verlassen.
In Spandau gibt es da irgendwie
nichts Vergleichbares.
Und Charlottenburg dagegen
ist die große, weite Welt.
Anders als Neukölln oder Kreuzberg,
wo ganz klar da bestimmte Strukturen
herrschen, findest du in Charlottenburg
und ganz besonders in unserer Gegend
einfach eine gute Durchmischung von
Leuten, die da schon immer gewohnt
haben, die normale Bürgerschaft,
die Ausgeflippten, die Hippies, die
neuen Pärchen, die Alternativen, die
alten Säcke, die sich da nie ändern,
weil schon die ganze Familie seit
vier bis zwölf Generationen da wohnt.
Und alle kommen miteinander aus.
Die meisten nennen die
Gegend Klausenerplatz-Kiez.
Manche sagen auch Danckelmannkiez,
und gibt's, habe ich noch
ganz andere Begriffe gehört.
Wie sagst du?
Zu Hause, das ist mein Zuhause.
Ich kann mich an so Begriffe nicht
gewöhnen, weil Klausenerplatz-
oder Danckelmannkiez ... Ist,
ja nur praktisch eine Ecke.
Ich sag halt einfach Charlottenburg in der
Gegend um das Charlottenburger Schloss.
Und dann wissen die Leute meistens
Bescheid, weil das Charlottenburger
Schloss ist eigentlich ein Punkt, den
einfach jeder aus der Stadt kennt.
Und ich kann da hinlaufen, sage ich, zwei
Minuten vom Charlottenburger Schloss,
und zack wissen die Leute, wo ich wohne.
Schloßstraßen-Kiez habe
ich auch schon gehört.
Das stimmt, aber dann denkst du, das
ist die Schloßstraße in Steglitz.
Und dann gibt es noch so einen
Insider, der hat sich jetzt aber so
ein bisschen verschoben, seit es den
Zwang zur Hundekottütenbenutzung gibt.
Ich bin mal irgendwo in einem anderen
Bezirk gewesen und wir haben über
dreckige Straßen gesprochen und dann
habe ich gesagt: Ich wohne in der
Straße mit der meisten Hundekacke,
und da sagte die wie aus der Pistole
geschossen: "Du wohnst doch aber
nicht etwa in der Nehringstraße?",
und dann hab ich gesagt: "Doch!"
Aber das hat sich geändert, es war
wirklich schlimm, weil jeder hatte
einen Hund oder zwei, und da musste
man auch noch kein Tütchen haben.
Man konnte eigentlich
nur noch Slalom laufen.
Aber jetzt ist es besser, jetzt
ist es wunderschön ohne Hundekacke.
Eine gewisse Bindung an den Teil
der Stadt, in dem man wohnt, den
haben die allermeisten Menschen.
Was mir aufgefallen ist, wenn ich
mit Menschen spreche, die dort halt
in der Gegend um den Klausenerplatz
leben, dann spreche ich nicht mit
Anwohnern, dann spreche ich mit Fans.
Bist du auch ein Fan?
Oh ja!
Wie gesagt, ich bin da eingezogen,
weil ich einfach eine Wohnung in
Charlottenburg haben wollte und auch in
der Nähe, so ungefähr von der Arbeit.
Und ich habe mich da sofort eingelebt.
Es ist einfach ein gutes Zuhause.
Da ist sehr viel altes Wohnpotential,
also die Häuser sind schön.
Sie wurden dann auch sehr sanft saniert,
weil die Anwohner sich schon immer
auf die Hinterbeine gestellt haben und
gesagt haben: Der Kiez muss bleiben,
keine Sanierung und Abriss von Häusern.
Und das, was wir haben, verteidigen
wir, und das macht, glaube
ich, auch den Zusammenhalt aus.
Also, es ist tatsächlich noch so eine
Nachbarschaft wie im alten Früher,
wo man eine Menge von seinen Nachbarn
man kannte, auch von einer Ecke.
Und dann gehst du mal da hin und
ach, du bist hier, irgendwie so.
Man kennt sich und man arbeitet zusammen
und borgt sich Werkzeuge, und auch die
Hausgemeinschaft macht eine Menge aus.
Selbst wenn man sich nicht versteht,
man hält letztendlich doch zusammen,
also wie auf dem Dorf, so ein bisschen.
Und dann gibt es im Dorfidioten,
und dann gibt es die Familie, und
dann gibt es den Nachbarschaftsnazi,
der aber auch mit allen klarkommt,
weil man sich ihm doch aushilft.
Und er hilft eben auch dem Türken,
den er eigentlich sonst nicht leiden
könnte beim Radwechsel vom Auto.
Und es ist tatsächlich noch
so ein bisschen Dorfcharakter
mit Anschluss ans Stadtleben.
Charlottenburg an sich ist
ja schon sehr vielfältig.
Die Gegend um den Klausenerplatz, ich
bleibe meistens bei dem Begriff, ist ja
noch mal für sich besonders vielseitig.
Haben wir schon einiges von angesprochen.
Was mir positiv aufgefallen ist,
zum einen, da finden sich kleine
Läden mit teilweise wirklich
sehr speziellen Angeboten wie
Baby-Alpaka-Wolle, ja wirklich aus
der ersten Schur, zum Beispiel.
Zum anderen eine große gastronomische
Auswahl und dann sind da auch noch
Vereine, Initiativen und überhaupt
Angebote dabei, die nicht, jedenfalls so
überwiegend kommerziell ausgerichtet sind.
Das sage ich ja: Die Leute
haben tatsächlich noch so dieses
Bedürfnis, eine Heimat zu haben,
da ändert man was, da setzt man
auch ein bisschen Arbeitskraft ein.
Oder man macht zweimal im Jahr
einen gemeinsamen Flohmarkt und
räumt die Keller leer oder macht
eine gemeinsame Sperrmüllaktion.
Man möchte sich den Kiez als Heimat
halten und tut dafür auch was.
Und es gibt eben auch immer noch Läden,
die praktisch unkommerziell arbeiten.
Da gibt es einen Hospizladen, da gibt
es dann was von der Stadtmission oder da
gibt es dann die Schularbeitshilfe oder
da gibt's, was man sich halt so aussucht.
Jeder hat Platz und jeder ist willkommen,
wenn er das richtige Herz hat.
Und Leute, die da versucht haben, also
in Ende der 80er Jahre, Anfang der 90er
Jahre, da großräumig sich einzukaufen
und den Kiez, also zu kommerzialisieren,
die haben dann auch Gegenwind bekommen.
Also wo einzelne Hausbewohner oder
Hausgemeinschaften sich einfach mal
gegen so einen Laden gewehrt haben, der
dann nur noch Sportwetten angeboten hat
und was weiß ich für dubiose Sachen.
Die kriegen da Gegenwind, genau wie die
Leute, die also praktisch jetzt wieder
alles per Eigentumswohnung verändern
wollen und praktisch das Level heben.
Nein, es sollen auch die alten Omas,
die irgendwie eine kleine Rente
haben, die sollen da auch wohnen
bleiben, weil die einfach wichtig
sind für das ganze Kiezleben.
Damit die Kinder auch noch mal zu Oma
an der Nachbartür klingeln können,
irgendwie so, und sich unterhalten.
Dass es ein lebendiges Leben ist von allen
möglichen Leuten, die bestimmte, sagen wir
mal, Charaktere in einem Dorf darstellen.
Also gut, über das Dorfleben weiß
ich jetzt zwar nicht so viel,
aber mir ist halt die Atmosphäre
auf den Straßen aufgefallen.
Die ist schon irgendwie anders.
Die ist entspannt.
Die ist entspannt, obwohl es
natürlich auch einzelne Idioten
gibt oder Pöbler oder was weiß ich.
Es gibt halt nicht mehr so
viele Eckkneipen, wie früher.
Aber es ist Leben auf der Straße,
und die Leute tun da Bänke raus, auch
wenn sie jetzt keinen Laden haben,
sondern man versucht dann auch an
der Ecke noch Blumen einzupflanzen.
Oder da, wo die Bäume stehen, da wird dann
noch ein kleines Gärtchen drum gebaut.
Also das meine ich mit Dorfleben.
Ich komme ja auch nicht vom Dorf,
außer wenn man jetzt Spandau als
Dorf bezeichnet, aber es ist halt
schon irgendwie so eine gewisse
Eigeninitiative und auch der Wille,
sich das zu erhalten und dafür was zu
tun, um es eben nicht staatlichen oder
finanziellen Interessen zu überlassen.
In den 80er Jahren wurden da
auch einige Häuser instandbesetzt
und die sind teilweise heute
noch im Besitz von Initiativen.
Zum Beispiel gibt es da den
"Brotgarten", die haben das geschafft,
im Laufe der Jahre das Mietshaus dann
zu kaufen und wohnen und arbeiten
in dem Kiez zu verwirklichen.
Und das ist einfach so eine
feste Einheit in diesem Kiez.
Da trifft man sich, das gibt's
seit 30 Jahren oder länger und der
"Brotgarten" ist der "Brotgarten"
und das ist wie der Dorfplatz.
Und so gibt es auch andere Punkte und
andere Geschäfte und so wollen wir das
auch haben und so unterstützen wir das.
Ich habe einem Laden beim Umzug
geholfen, damit der Laden, in dem
ich einkaufe, weiterbestehen kann.
Und das machen andere Leute auch.
Da sind wir gleich schon bei
dem Punkt konkrete Beispiele.
"Brotgarten" hast du schon genannt.
Genau.
Du hast noch andere Lieblingsläden.
Ja, da gibt es also zum Beispiel
den "Lylla dankbar"-Laden, die
einen ganz besonderes Konzept haben.
Vielleicht kannst du dich ja
damit auch noch mal beschäftigen?
Das kommt in einer anderen
Episode, das ist ziemlich komplex.
Ja, aber das ist typisch für die Gegend:
Das sind nicht einfach nur Leute, die
jetzt mal eben ein Geschäft machen
wollen, und dann hauen sie wieder ab.
Sondern die denken sich was dabei und
die suchen eine Umgegend, in der das
auch dankbar angenommen wird, und das
hat sich in diesem Kiez so erhalten.
Und ich glaube, das liegt wirklich
da dran, dass dieser Kiez eine ganz
langjährige Geschichte hat, im Leben
zusammen und eben auch so einen
Hintergrund in seinen Tätigkeiten
und im Leben verwirklichen zu wollen.
Du ernährst dich ja seit Langem
vegetarisch, aber du hast
trotzdem einen Lieblingsfleischer.
Oh ja, also man muss dazu sagen, ich
bin seit 1980 Vegetarier, und zwar
aus den allereinfachsten Gründen:
Wat musste arme Tierchen töten?
Dann esse ich lieber Gras.
Es ist tatsächlich so, es ist
wirklich so und ich stehe dazu.
Und ich habe einen Großneffen,
der leider eine Essstörung hat.
Und das Einzige von wenigen Speisen,
die er essen kann, ist eine Putenwurst,.
Die gab es früher bei ALDI.
Und alle anderen Marken, die es sonst noch
auf der Welt gibt, kann er nicht essen.
Die Produktion von ALDI wurde
eingestellt und ich habe alles abgegrast.
Ich habe alles bundesweit abgegrast,
um einen Ersatz zu finden, nur um
bei mir um die Ecke fündig zu werden.
Und ich als Vegetarier - und mir fällt
es schwer, in diesen Laden auch nur
reinzugehen - gehe da regelmäßig einkaufen
und es hat sich eine Freundschaft
zwischen mir und diesen Leuten entwickelt.
Wir duzen uns, ich ruf da
an, legt mir das zurück.
Und so läuft das bei uns im Kiez.
Und ich liebe diese Leute für
das, was sie machen, obwohl ich
eigentlich dagegen sein müsste.
Aber ich erkenne ihre Gründe an,
sie erkennen meine Gründe an.
Ich gehe da rein, weil ich's tun muss,
weil mein Neffe das braucht zum Überleben.
Und so läuft das, glaube
ich, in der ganzen Gegend.
Dass man irgendwie sich akzeptiert
und den Willen hat zu verstehen,
warum der andere das macht und
warum der so ist, wie er ist.
Und dann kommt man miteinander aus.
Und wirklich dieser, dieser
Fleischerladen ist von einem knochentief
verwurzelten Vegetarier empfohlen.
Ich bin zutiefst überzeugt, dass die gute
Arbeit machen in dem, was sie machen.
Aber es ist auch ein Biofleischer, ne.
Das ist ein Biofleischer und den sollte
man auch noch mal interviewen, weil da
ist natürlich auch eine Menge los, und er
ist auch eine Institution in diesem Kiez.
Aber wenn ein eingefleischter Vegetarier
einen originalen Fleisch-Fleischer
empfiehlt, dann könnt ihr diese
Empfehlung ernstnehmen, weil da
eine Menge mehr hintersteht, als
irgendwo nur einkaufen zu gehen.
Und das ist typisch für
den ganzen Kiez, glaub ich.
Wenn Du mal eine Zeit lang nicht
in der Gegend bist, wie fühlt sich
das an, wieder zurückzukommen?
Ich fahre um die Ecke, gucke auf die
Straßen, ich liebe es, ich bin da zu
Hause, ich liebe jede Laterne, jeden
Buckel, jedes Loch und die Erinnerung,
dass der olle Zille um eine Ecke gewohnt
hat und andere Leute auch noch, mit denen
ich geistig mich verwandt fühle, kann
ich praktisch aus den Pflastersteinen
saugen und ich bin da zu Hause.
Ich will da nicht weg,
ich krall mich da fest.
Da hast du das nächste Stichwort schon
mal unfreiwillig angesprochen: Zille.
Schon zu Zeiten von Heinrich Zille,
der da in der Gegend gelebt hat,
in der Sophie-Charlotte-Straße
...
Sophie-Charlotte-Straße, genau.
... gab es den Wochenmarkt schon,
der immer noch veranstaltet wird.
Genau, und so wollen wir das haben.
Und wir wollen auf den Markt
und wir wollen das angrabschen,
wir wollen das fühlen.
Wir wollen da beim Einkaufen frieren
und unsere Nachbarn treffen, und
das ist genauso wie im alten Früher.
Weil, ich bin ja auch schon etwas
älter und kenne den Wochenmarkt noch
praktisch so, wie das in Berlin so
üblich war, wo also die Urberliner "Ei,
Gewürze [?], meine Gurken sind die Besten"
- praktisch so sind, und das ist da noch so.
Das hat Tradition, das ist da
einfach ununterbrochen so gewesen.
Das Angebot ist okay?
Vielfältig, frisch und
natürlich auch up to date.
Aber wie gesagt, es ist einfach
seit achtzehnhundert langsam immer
da gewesen und entwickelt sich und
bleibt praktisch Teil der Verbindung
von Leuten zwischen Wohnen und Leben.
Finde ich gut!
Als du damals in die Gegend
gezogen bist, da sah manches
natürlich noch ganz anders aus.
Die Gegend hat sich im
Laufe der Zeit verändert.
Ein bisschen haben wir das
auch schon angesprochen.
Würdest du sagen:
überwiegen zum Positiven?
Oder hast du eher soSozusagen
überwiegend zum Positiven.
Oder hast du eher so gemischte Gefühle?
Also es gab schon eine Zeit, wie gesagt,
Mitte der 80er Jahre bis Anfang der 90er,
wo man gesehen hat, dass man versucht
hat, aufzukaufen und zu sanieren und
die Gegend aufzuhübschen und möglichst
die alten kleinen Läden rauszuekeln oder
eben einfach die Mieten so zu verteuern,
dass sie sich nicht mehr halten können.
Und das irgendwie auch jetzt
praktisch, so Juppi-mäßig und für
das große Geld klarzumachen, weil es
sich ja schon abzeichnete und gerade
nach dem Mauerfall, dass Pankow und
Berlin-Mitte irgendwann mal voll werden.
Und dass jetzt praktisch dann die
Leute diesen Kiez auch für sich im
Hochpreissektor entdeckt haben, aber: Die
sollen sich warm anziehen, weil der alte
Widerstandsgeist lebt halt in diesem Kiez.
Und wir wollen das schon so haben,
dass eben einfach auch finanziell
schwächere Leute da immer noch
wohnen bleiben, weil die einfach
den Charakter der Gegend ausmachen.
Und da muss jeder andere Bezirk
einfach in Berlin auch aufpassen,
dass denen das nicht passiert, dass
sie die Leute, die wirklich also
diese, diese Heimat darstellen, nicht
rausekeln, weil sonst haben wir nur
noch nackte Wände und teure Geschäfte.
Und da sollen sie mal ruhig kommen, da
werden wir die schon irgendwie verekeln.
Obwohl sich ja vieles in der Gegend um
den Klausenerplatz verändert hat, ist
sie andererseits ja auch bekannt für, ja,
ich sag mal für Tradition oder für, für,
für, für bewahren, denn architektonisch
ist da noch so viel erhalten.
Also die Gebäude sind im Zweiten Weltkrieg
relativ unbeschädigt geblieben und
...
Das stimmt nicht!
In meinem Haus und nebenan, da lag
’ne Bombe und da hat sie das halbe
Haus weggesprengt, also es gab schon
Schäden, die sieht man nur nicht,
weil es meistens die Hinterhöfe
...
Aber im Vergleich zu anderen Gegenden
...
Ja, das stimmt.
Das ist weitgehend intakt geblieben, jetzt
nicht komplett fabrikneu noch, aber da ist
so viel erhalten geblieben und auch das
denke ich, macht viel von dem Charm aus.
Und was halt auch dazu passt
ist, dass da auch noch so viel
Gaslicht-Beleuchtung ist, was dann auch
wieder sehr zu dieser Gegend passt.
Das stimmt.
Ja, das stimmt, aber wie gesagt, das
ist auch den Anwohnern zu verdanken,
dass es so geblieben ist, weil
das sollte ja auch alles platt und
neu ohne Schnörkel gemacht werden.
Und das mit den Gaslaternen, das ist
ein Problem, weil die haben wirklich
ein besonderes Licht gegeben und diese,
diese warme Atmosphäre noch verstärkt.
Ich sehe es ein, dass man
die irgendwie umstellen muss.
Aber die Leute trauern dem auch hinterher.
Also es gibt auch eine Menge
Argumente dafür, die zu erhalten.
Also, es gibt auch eine Episode
...
Ich will meine Laterne behalten,
und zwar weil ick Berliner bin, weil
als Kind haste nämlich immer Wetten
abgeschlossen: Mach mal die Gaslaterne an!
Wie, mach mal die Gaslaterne an?
Biste Berliner, kannste die Gaslaterne
anmachen ... Man musste dagegentreten.
Und wer das nicht wusste,
war kein Berliner.
Und wenn die jetzt die Gaslaternen
wegmachen, dann kann man ja den
Berliner-Beweis nicht mehr machen.
Also, die Gaslaternen müssen auf
jeden Fall auch erhalten bleiben.
Ja, also es gibt eine Extra-Episode
noch, da spreche ich mit jemandem,
der sich für diesen ... Ja, es gibt
einen Verein: Gaslicht-Kultur e.V.".
Und im Gespräch habe ich auch noch
eine Menge gelernt über Gas-Licht.
Zum Beispiel auch, dass das sehr
gut ist, um beispielsweise zu
vermeiden, dass so viele Insekten
sterben, denn von dem Gaslicht ohne
UV-Anteil werden die nicht angezogen.
Das ist also an dem Punkt zum
Beispiel ein Beitrag zum Umweltschutz.
Ich bin dabei, das ist genau das, was
einem hinterher bestätigt wird, was man
mit einem Gefühl, mit dem Bauch fühlt.
Und dann kommen die wissenschaftlichen
Argumente und bestätigen dir das.
Da bin ich dabei.
In der Regel hören die Leute
andersrum sowieso nicht zu, aber
das ist ein ganz anderes Thema.
Das freut mich.
Jawohl, Gas-Licht, bin ich dafür,
ich koche auch lieber auf Gas.
Also ja, es hat eine gewisse Qualität.
Okay, also dafür haben wir
auch eine weitere Episode.
Ähhmmm, aber es trägt halt doch
auch zur Gegend bei, die dann auch
natürlich, da sind wir wieder beim
nächsten Thema, gut passt zu dem, was
nebenan ist: Das Schloss ist natürlich
ein Stückchen älter noch, aber so
harmoniert das Ganze schon sehr gut.
Also, das Schloss ist nebenan und
dann auch zahlreiche bekannte Museen.
Da kommen viele, viele Touristen in der
Gegend, das ist manchmal schwer, dann
sozusagen den Heimweg zu finden, wenn
man sich da durchschieben muss, laufen
die eigentlich auch zufällig mal, dann
...?
Alle.
Also, ich muss eines sagen: Ich bin ja
wie gesagt, etwas älter und West-Berliner.
Als die Mauer noch war, lag das Goldene
Buch der Stadt im Schloss Charlottenburg.
Und ich habe sie alle gesehen: Lady Diana
hat mir zugewinkt und haste nicht gesehen,
aber für uns ist natürlich die Hölle.
Weil für uns bedeutet das natürlich
nicht: "Ohhh, da kommt der Prinz
aus Zamunda", sondern "Bohhh,
ich kriege keinen Parkplatz",
"Bohhh, meine Straße ist gesperrt".
Und jetzt ist schon wieder Weihnachtsmarkt
am Schloss Charlottenburg und alle
wollen bei mir vor der Tür parken.
Es nervt, aber man trägt es mit Fassung,
weil es ist ja auch ein Rahmen von
Kultur, dass man eben nicht nur klein und
klein in seinem Kiez rummacht, sondern:
Nofretete hat bei mir um die Ecke gewohnt,
bis sie dann einfach wieder weggenommen
wurde, in ein anderes Museum gebracht
wurde, was mich schwer getroffen hat.
Sie war so lange meine Nachbarin.
Und natürlich sind wir froh, dass
wir da Museen haben und Leute auch
vorbeikommen, die dann auch wieder
die Gegend beleben und einfach auch in
die Lokale gehen, wo die Leute, die da
arbeiten, ja auch in der Gegend wohnen.
Also, wir brauchen das auch.
Wir brauchen Touristen und wir mögen euch
und wir finden das auch gut, wenn ihr
da kommt und abends auch wieder weggeht.
Ich wollt’s gerade sagen.
Jawohl, und parkt nicht
vor meiner Haustür!
Ja, im Gegensatz zu manch anderem Teil
auch von Charlottenburg gibt’s jetzt
direkt in der Wohngegend nicht so viel
Grün, wobei ich erfahren habe, bei der
Recherche, dass es früher noch ganz
anders war, da gab es gar keine Bäume.
Inzwischen ist ja einiges
schon gepflanzt, aber
...
Das stimmt nicht.
Jetzt so verglichen
...
Wer hat dir das erzählt?
Na so ein bisschen, also im Vergleich
...
Nee, dann musst du im Frühling
vorbeikommen, weil nach Straßen
geordnet, die Bäume auch verschiedene
Blätter entwickeln und blühen.
Zum Beispiel in der Neufertstraße
und der Neuen Christstraße
sind die Bäume als Erstes grün.
Und das alleine, da durchzufahren,
aber auch nicht immer.
Hä-pä-pä!
Wer wohnt da du oder ich?
Okay, dann am besten selbst
vorbeigehen und da recherchieren.
Aber so im Vergleich zu anderen Gegenden
von Charlottenburg gibt es nicht sooooo
viel Grün, aber vor der Tür neben.
Ihr merkt: mein Lokalpatriotismus.
Ich lasse auf meine Straßen nix kommen!
Es ist grün, es ist wunderbar, wir lieben
unsere Bäume, wir gießen die im Sommer.
Wir pflanzen da noch kleine Zäunchen
und Blümchen rum, und wir wollen
es grün haben und draußen sitzen.
Und wenn wir woanders hinmüssen, wo
noch mehr Grün ist, ist immer der
Schlosspark die erste Adresse, weil da
läuft natürlich auch eine ganze Menge
an Veranstaltungen für junge Leute Musik
und für die Kinder - weiß ich nicht
- irgendwelche Märkte oder schöne Sachen.
Einfach zum Chillen ist es schön.
Und immer dieses wunderbare Gefühl
dabei, dass der König und die Königin
uns das nicht mehr wegnehmen können.
Und da, wo früher die reichen Leute von
goldenen Tellern gefressen haben, während
die anderen Leute nix hatten, da tanzen
wir jetzt und machen uns eine schöne Zeit.
Und das macht auch eine Menge Spaß
aus, im Schlosspark spazieren zu gehen.
Und auf der anderen Seite gibt
es noch den Lietzenseepark.
Und der ist wunderschön, bietet
irgendwie auch Gastronomie und
Erholung und einfach das Park-Feeling.
Eigentlich ist das einfach nur eine schöne
Gegend, um zu laufen und alles zu haben:
Grün und viele kleine, schöne Läden.
Ich liebe es!
Dann: Danke fürs Mitmachen.
Bitte sehr, für die Gegend bin ich
immer zu haben, um da irgendwie
die Leute davon zu überzeugen,
dass das unbedingt so bleiben muss.