Digital Kompass

Sascha Lang
Since 03/2023 12 Episoden

Digitale Teilhabe – auch wenn das Geld fehlt

Ein zweiteiliges Gespräch mit Greta Schabram (Paritätischer Gesamtverband) und Nadja Ullrich (Aktion Mensch e.V.).

17.10.2024 41 min

Zusammenfassung & Show Notes

In der elften Folge des Digital-Kompass Podcasts geht es um digitale Teilhabe und Armut. Nach Angaben des Statistischem Bundesamtes leben 21,3 Prozent aller Menschen in Deutschland in Armut. Im ersten Teil spricht Greta Schabram vom Paritätischen Gesamtverband über Armut und digitale Teilhabe, im zweiten Teil des Podcasts schildert Nadja Ullrich von der Aktion Mensch e.V. die strukturellen Herausforderungen, die bei Behinderung und Armut entstehen können. 
 
Ganz konkret geht es in dieser Podcast-Folge um diese und weitere Fragen:
 
*             Was bedeutet digitale Teilhabe und warum ist sie in unserer heutigen Gesellschaft so wichtig?
*             Welche sieht es in diesem Zusammenhang mit dem Zugang zu digitalen Geräten und dem Internet aus? 
*             Welche Rolle spielen soziale Einrichtungen und Bildungsangebote, um digitale Teilhabe für Menschen in Armut zu ermöglichen?
*             Was wünschen Sie sich von staatlicher oder wirtschaftlicher Seite, um noch mehr Menschen digitale Teilhabe zu ermöglichen? 
*             Wie steht es aktuell um die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Deutschland?  
*             Wie steht es um kostenfreie Bildungsangebote zum digitalen Kompetenzerwerb für Menschen mit Behinderung?  Können Sie unseren Hörer:innen bestimmte Angebote empfehlen? 
 
 
 
Genannte Angebote und Links aus dem Podcast:
 
 
 
 
 
 
 
 
Projekt Digi Teilhabe <https://awo-digiteilhabe.org/>  
 
 
 
Ihre Anmerkungen und Fragen sowie Lob und Kritik können Sie jederzeit per Mail an podcast@digital-kompass.de <mailto:podcast@digital-kompass.de>  <mailto:podcast@digital-kompass.de> richten. 

Transkript

Ja, digitale Teilhabe ist wichtig, aber was eigentlich noch wichtiger ist, das haben es auch die Menschen in der Studie damals gesagt, das ist eigentlich Wertschätzung und Anerkennung von Menschen mit Behinderung als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Denn wenn die Inklusion auf der realen, analogen Ebene nicht funktioniert, dann funktioniert sie auch im virtuellen Raum nicht.
Speaker0
00:00:29
Also das eine ist eben, dass man Digitalisierung nicht nur voraussetzt, sondern auch am Ende der Staat Geld dafür in die Hand geben muss, dass wir insofern digitalisierte BürgerInnen will und es beim Zugang zu einfachsten Dingen notwendig wird oder immer öfter notwendig wird, dass man da natürlich für die Voraussetzungen setzen muss. Das heißt, der Sozialstaat muss dafür sorgen, dass es auch Anlaufstellen gibt, dass es kostenfreie Angebote gibt, um sich eben entsprechende Fähigkeiten dann auch anzueignen und so weiter. Also ganz klar, die Vermittlung digitaler Kompetenzen muss staatliche Aufgabe sein und kann nicht einfach nur vorausgesetzt werden.
Speaker1
00:01:20
Präsentiert vom Digitalkompass. Moderator, euer Inklusator Sascha Lang.
Speaker2
00:01:28
Der Digitalkompass-Podcast heute mit der Ausgabe Nummer 11. Das Thema ist Armut. Beigeschaltet sind zwei Interviewgäste. Auf der anderen Seite die Frau Schabram. Herzlich willkommen.
Speaker0
00:01:39
Vielen Dank. Herzlich willkommen.
Speaker2
00:01:41
Und von der Aktion Mensch die Frau Ulrich. Schön, dass Sie dabei sind. Hallo.
Speaker1
00:01:46
Auch von meiner Seite und danke für die Einladung.
Speaker2
00:01:49
Ja, Frau Schabram, fangen wir mal bei dem ganz Üblichen an. Wer ist Frau Schabram eigentlich? Stellen Sie sich mal kurz zu unseren Zuhörern vor.
Speaker0
00:01:55
Ich bin Greta Schabram. Ich bin beim Paritätischen Gesamtverband Referentin für gleich drei Themen. Zum einen Statistik, Sozialforschung. Da beschäftigen wir uns vor allem zum Thema Armut, zu dem wir auch heute sprechen. Und dann mache ich noch Sozialforschung auch rund um das Thema Armut und bin dann noch zuständig für das Thema Wohnen, also Wohnungspolitik.
Speaker2
00:02:17
Sie haben es schon angesprochen, wir sprechen heute über das Thema Armut im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Was bedeutet digitale Teilhabe und warum ist sie in unserer heutigen Gesellschaft so wichtig?
Speaker0
00:02:33
Zunächst einmal bedeutet ja Digitalisierung, dass grundsätzlich immer mehr Aspekte des privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Lebens ins Digitale verlagert wird. Und damit drohen aus unserer Sicht halt vor allem digital abseits stehende Gruppen in ihrem privaten, beruflichen und aber auch gesellschaftlichen Leben bedrohend, sind die halt davon bedroht, ausgeschlossen zu werden. Das liegt daran, dass digitale Teilhabe einen Anspruch grundsätzlich meint, dass ja alle Menschen Zugang zur digitalen Welt haben. Das heißt, dass sie sich in diesem digitalen Raum zurechtfinden und auch dort partizipieren können. Und damit setzt eigentlich digitale Teilhabe drei Aspekte voraus. Zugang, Fähigung und Partizipation. Und wenn wir uns den ersten Aspekt einmal angucken, das ist der Zugang, dann ist damit klar, dass wir damit zum einen technische Voraussetzungen meinen, wie Hard- und Software, aber auch den Internetzugang, ganz klassisch. Aber dann ein sehr, sehr zentraler Aspekt ist beispielsweise die Befähigung. Also es reicht eben nicht aus, einen Laptop zu haben und einen Internetzugang zu haben, sondern wir müssen ja diese Geräte und uns der Welt auch zurechtfinden können. Das heißt, wir brauchen Wissen und Fähigkeiten, um uns eben in der digitalen Welt zurechtzufinden, dort selbstbestimmt und souverän agieren zu können. Und das setzt intellektuelle, aber auch eben finanzielle Ressourcen voraus. Und dann gibt es den dritten Punkt, Partizipation, also die Möglichkeit, in der digitalen Welt aktiv teilzuhaben, sich einbringen zu können. Und auch das setzt etwas sehr Zentrales voraus, nämlich nicht nur den Zugang und die Befähigung, also die ersten beiden Aspekte, sondern auch den Faktor Zeit. Und digitale Teilhabe ist für uns als Wohlfahrtsverband jetzt in den letzten Jahren auch immer drängender und wichtiger geworden, weil es eben neben den Vorteilen, die Digitalisierung ja auch faktisch wirklich bietet, ein entscheidender Faktor mitgedacht werden muss. Und das ist eben, dass die Digitalisierung einen neuen und einen ganz eigenen Ausschlussmechanismus darstellt. Jetzt mal zwei Beispiele. Jetzt kürzlich hat die BVG in Berlin das analoge Ticket abgeschafft. Das bedeutet faktisch für Menschen mit geringen digitalen Fähigkeiten, mit fehlendem Zugang, dass sie massive Probleme haben, überhaupt die nächste U-Bahn zu nehmen. Oder wir haben das andere Problem, dass mittlerweile Kitas oder auch die Wohnungssuche kaum mehr möglich sind, wenn man nicht über ein internetfähiges Handy verfügt, wenn man nicht weiß, wie man das bedienen kann, wenn man schnell auf E-Mails reagieren kann und so weiter und eigentlich sein Leben auch am Ende darüber mit organisiert. Das setzt aber eben dann doch ziemlich viel voraus. Und diese Verlagerung ist eben für Menschen, die diesen Trend nicht so gut mitmachen können und die Zugangsprobleme haben bei der Digitalisierung, die werden hier von wirklich fundamentalen Lebensbereichen immer mehr abgeschnitten oder drohen halt, exkludiert zu werden. Und ein besonders großes Problem, was sich gerade auf uns als Akteur der Wohlfahrtsfehler gestellt ist, ist natürlich, wenn das Zugang zum Hilfesystem oder auch der Zugang zum Recht oder eben Zugänge zur Sozialleistung immer mehr davon abhängig sind, dass sie mal digitale Anträge beispielsweise ausfüllen kann, dann ist das quasi eine massive Zugangshürde. Also weil gerade Menschen ausgeschlossen werden oder eben mit erheblichen Barrieren zu kämpfen haben, die man ja eigentlich darunter erreichen will und die man stärken will. Das ist so ein kurzer Abriss.
Speaker2
00:06:14
Ja, das heißt, wir merken ganz klar, dass digitale Teilhabe und Menschen, die in Armut leben, ein hohes Potenzial nicht in Inklusion, sondern Exklusion mündet. Kann man das so beschreiben?
Speaker0
00:06:29
Ja, auf jeden Fall. Also ich würde es genauso beschreiben, weil wir eben, und das vergessen wir manchmal, wenn wir vielleicht gerade Anfang 30 sind, wenn wir uns sowieso die ganze Zeit mit Laptop und Handy aufhalten und für eine gewisse Generation, den sogenannten Digital Natives, ist das ja quasi weitestgehend, sozusagen in die DNA schon eingeschrieben. Die haben damit für mich jetzt erstmal nicht so große Probleme, aber man muss ja erstmal sehen, Denn wir haben zum einen oder anderen eine Generation, die überhaupt nicht damit aufgewachsen ist, nehmen wir mal die Generation 75 plus.
Speaker1
00:07:00
Aber eben hängt es sowieso auch noch von intellektuellen Fertigkeiten,
Speaker0
00:07:03
Zeit und so weiter ab. Aber ich möchte einfach, dass es ein Bewusstsein in unserer Gesellschaft gibt, dass wir diese Grundvoraussetzungen für Digitalität nicht als gegeben sehen, sondern als eine große Barriere und einfach verstehen, dass es mit finanziellen, zeitlichen, intellektuellen und sozialen Ressourcen verknüpft. Und diese Ressourcen sind einfach sehr ungleich verteilt. Und nimmt man eine, weiß ich nicht, alleinerziehende Mutter, drei Kindern, die Frage ist halt, ob die die Zeit hat, sich da mal eben noch digital vorzubilden oder das Geld hat das zu tun und so weiter. Also es gibt auch einfach, ist auch manchmal eine Frage von Zeit, ob man die Zeit hat, sich mit gewinnen in diesen Dingen der eigenen Weiterbildung, beschäftigen zu können, das haben eben nicht alle gleichermaßen. Oder anderer Aspekt, gerade bei älteren Menschen, da kommt zum Beispiel die Frage, Haben die soziale Ressourcen, das heißt, haben die Enkelin, haben die Freunde, haben die eigenen Kinder, die sich mit ihren Hinsätzen sagen, so, jetzt richten wir dir mal ein E-Mail-Konto ein. Und mit der E-Mail ist nicht getan, die müssen den PC hochfahren können, die müssen einen benutzen können, die müssen auch wissen, was man macht, wenn der mal kaputt ist. Also es ist ganz schön viel Wissen, was wir da eigentlich für viele relativ selbstverständlich angehäuft haben, aber wo andere Menschen einfach eine sehr große Distanz und dieses aufzuholen, auch das ist halt eine Frage von Ressourcen. Finanzielle Ressourcen kann ich mir Kurse leisten, soziale Ressourcen habe ich Freundinnen, Familie, die mich dabei unterstützen. Intellektuelle Ressourcen kann ich, verstehe ich das überhaupt oder habe ich vielleicht eine Beeinträchtigung und so weiter. Also, dass wir einfach diese Grundvoraussetzungen nicht für gegeben nehmen, sondern eben sehr stark darauf achten, dass es... Oder verstehen, dass es nicht gleich verteilt ist und dann auch unsere Konsequenzen daraus ziehen. Und wir haben ja als Forschungsstelle auch einmal uns repräsentative Daten des sogenannten sozioökonomischen Panels angeschaut und dabei herausgefunden, dass auch von Armutsbetroffenen rund 21 Prozent zu Hause über keinen Internetanschluss verfügen. Und damit ist das schon nur der allererste Aspekt von denen, die ich gerade genannt habe, was man braucht, um digital teilhaben, schon fundamental verletzt, also nämlich der digitale Zugang. Und bei Menschen, die eben nicht arm sind, sieht man, dass es signifikant weniger sind in der Befragungsdaten, die wir uns anguckt haben, lag diese Zahl bei 9 Prozent. Also Armut führt ganz faktisch und nachgewiesenermaßen zu schlechteren Zugangsvoraussetzungen im Bereich der Digitalisierung. Und wir haben auch herausgefunden, dass beispielsweise arme Menschen viel seltener über den eigenen Beruf, also die eigene Berufstätigkeit, digitale Fertigkeiten oder Fähigkeiten aufbauen können, da sie eben seltener in Berufen arbeiten, wo sie quasi automatisch digitale Arbeitsmittel verwenden. Also wenn ich mal mich als Beispiel nehme, ich arbeite eigentlich knapp zu 95 Prozent, sitze ich am PC und meine gesamten Weiterbildungskenntnisse oder was ich hier in Slack-Teams und weiß ich nicht, was alles kenne, habe ich durch meinen Beruf erworben, weil das hier notwendig ist. Das heißt, mein Arbeitgeber hat beispielsweise auch ein hohes Interesse daran, dass ich digital mithalten kann, weil sonst könnte ich meinen Beruf nicht ausüben. Das heißt, ich muss das nicht in meiner Freizeit machen, ich mache es einfach oder lerne das über meinen Beruf. Und auch das ist zum Beispiel eine Frage, hast du einen Beruf, wo das erfordert ist und wo du das mitlernst oder nicht?
Speaker2
00:10:20
Sehen wir schon fast in die Frage 3 reingerutscht, der Zugang. Sie haben das als einer der ersten Merkmale genannt, Zugang, Befähigung und so weiter und auch die Möglichkeit, es zu lernen. Der Zugang ist ja an sich, wenn man das jetzt die anderen zweimal ausklammert, aber das teuerste am Invest. Internetzugang braucht man, ist heute ja auch nicht mehr für 3,50 Euro zu kriegen, wenn man eine vernünftige Leitung haben will, um nicht gerade einzuschlafen dabei. Dann haben wir die Geräte, die heute kaum, kaum, zwar mit Verträgen, aber wenn man in der Armut liegt, kriegt man auch nicht so einfach die Verträge. Das heißt, die Gerätschaften sind schon enorm teuer. Wenn man irgendwie nicht mit einer alten Kamelle da arbeiten will und abgehängt werden will, überhaupt mal reinzukommen ins Internet, kann man ja auch keine zu alten Geräte mehr kaufen, dann gibt es keine Updates mehr und so weiter. Also dieser technische Zugang, der ist ja schon einer der enormsten Hürden, die es gibt.
Speaker0
00:11:09
Ja, der ist vor allem besonders teuer und das ist ja meistens auch gar nicht mal durch eine einmalige Anschaffung getan. Also eine Waschmaschine hält 20 Jahre oder so, also meine hält schon sehr lange. Aber sowas wie Handy, Apps, Computer, das ist ja eben nichts mehr, was du dir einmal anschaffst, einmal lernst und dann kannst du es, sondern du musst es anschaffen, es geht kaputt, es kommen neue Geräte, die musst du wieder neu lernen und so weiter. Also Digitalisierung ist einfach ja auch nichts, was du einmal nachmodisch, muss man einmal den Weg gehen, dann habe ich ihn verstanden, sondern du musst dich auch immer wieder adaptieren, du musst immer wieder Dinge leisten können, immer wieder neu anschaffen, reparieren können, die neue App anwenden, das neue Betriebssystem runterladen, die neue Firewall und so weiter. Also das ist einfach dann am Ende auch nichts, was erstmal finanziell, also die erste Anschaffung ist schon sehr kostspielig. Die zweite ist, dass es nicht einmal die Kosten ist, sondern die Kosten sind eigentlich fortlaufend, aber auch das Know-how und ich glaube, das ist sogar fast noch der zentralere Punkt, weil wir zum Beispiel in unseren sozialen, Sozialberatungsstellen, mit denen ich gesprochen habe, die haben ganz klar gesagt, ja, wir können unseren Leuten, unseren Klientel, die kommen, weil sie Sozialberatung brauchen. Wir können denen hier einen Laptop hinstellen und mal einen Internetzugang. Aber das Problem ist einfach, dass sie überhaupt nicht damit zurande kommen. Also dass sie überhaupt nicht die Fähigkeiten besitzen, sich damit zurechtzufinden und eine wahnsinnige Unterstützung brauchen, um beispielsweise Sozialleistungsanträge zu stellen oder einfach sich nur mal auf einen Minijob zu bewerben und so weiter. Also ich glaube, die erste Zugangswürde ist schon sehr richtig, dass die digitalen Geräte und Internet einfach ein hoher Kostenpunkt ist. Zweite ist aber auch, selbst wenn man das mal irgendwo lokal zur Verfügung stellt, damit ist es eben lange nicht getan, weil das eben so viel voraussetzt.
Speaker2
00:13:03
Welche Rolle spielen denn hier die sozialen Einrichtungen oder Bildungsangebote, um Menschen, die in der Armut leben, diesen Zugang zu ermöglichen? Welche Rolle spielen denn hier diese sozialen Einrichtungen und Bildungsangebote?
Speaker0
00:13:17
Das ist natürlich ein wichtiges Instrument, also ein ganz wichtiges Instrument, um für vulnerable Gruppen Zugänge zu liefern oder eben auch Angebote zu schaffen, die digitale Ungleichheiten abbauen oder eben vor allem zielgruppenspezifische Angebote zu entwickeln für Mütter mit jungen Kindern und die weiß ich nicht mehr, was machen müssen. Also ganz wichtig, dass sie kostenlos sind, dass sie an der Lebenswelt der Zielgruppe angepasst sind. Also da liefert die Wohlfahrtsfähige schon einen wichtigen Beitrag. Und sie haben ja eben erkannt, weil das Ziel ist ja immer, Menschen zu befähigen und zu einem selbstständigen Leben zu verhelfen und die, die es gerade nicht können, da an wichtigen Stellen zu helfen. Und da ist eben die Erfahrung der letzten Jahre, dass immer mehr kommen. Allein, weil sie die Zugänge zur Digitalisierung nicht haben, weil sie damit, dass jetzt eben der Ausself-Job mit dem digitalen Lebenslauf quasi eine Bewerbung dafür notwendig ist oder Wohnungsanzeigen und so weiter, dass sie allein deswegen kommen, weil ihnen die digitalen Zugänge fehlen. Und da haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass das eine ganz neue Aufgabe wird. Also es wird eine ganz neue Aufgabe, weil man eben nicht mehr in Anführungszeichen nur Sozialberatungsstelle ist. Du bist jetzt eigentlich eine Sozialberatungsstelle plus Anlauf zum Thema Digitalisierung, weil das läuft nun mal Hand in Hand. Und da muss man auch sagen, dass dann unsere Einrichtungen da auch natürlich die finanzielle Unterstützung des Staates brauchen. Einerseits, um ihre eigenen Mitarbeitenden zu schulen. Die müssen ja auf einmal dann eben auch digital beraten können, also wie jemand digital Dinge erledigt. Die brauchen eine andere Form von Equipment oder es ist vielleicht auch wichtig, vor Ort mehr Laptops zu installieren, die regelmäßig gewartet sind und so weiter. Und die müssen Angebote vorhalten können, die sich auch allein auf den digitalen Umgang beziehen. Und das ist jetzt quasi noch nicht so sehr mitgedacht, dass es immer mehr Teil auch zum Beispiel von der Sozialberatung ist und muss dann natürlich aber auch mit finanziell unterstützt werden. Das Problem ist schon lange erkannt, weil die Zugangshürden haben einfach die Betroffenen, die tagtäglich in diese Stellen kommen. Oder auch im Bereich der Wohnungslosenhilfe ein massives Problem. Aber eben diese Sozialberatungsstellen sind jetzt leider finanziell noch nicht so ausgestattet, dass sie diese notwendige Arbeit so leisten können, wie sie es sehr gerne selber wollen.
Speaker2
00:15:41
Das eine ist die digitale Welt, was die Anforderungen sind. Das andere ist auch die Unterstützung oder die Sozialeinrichtungen, die dann die Sozialberatung auf das digitale Niveau oder Level erhöhen müssen. Sie haben schon bereits angedeutet, der Paritätische Wohlfahrtsverband hat Angebote, gibt Angebote an Menschen mit geringem Einkommen, um sie auf den Weg, durch den Weg ins Internet zu begleiten. Haben Sie da ein paar Beispiele?
Speaker0
00:16:06
Oh, dann müsste ich jetzt nochmal, wir sind ja quasi der oberste Dachverband, also ganz aktuelle Beispiele, ich weiß halt, dass sie das teilweise in ihren Einrichtungen zu machen, müsste ich ehrlich gesagt nochmal recherchieren, aber grundsätzlich spielt es eine Rolle natürlich in Sozialberatungsstellen, teilweise im Rahmen der Migrationsarbeit, wo man Angebot macht oder auch natürlich, wir haben auch Bildungseinrichtungen, aber jetzt so ein Projekt, was ich jetzt so vornehmlich nennen könnte, viele mir jetzt, Nicht direkt ein, müsste ich nochmal nachschauen.
Speaker2
00:16:31
Alles gut, man findet ja auch da ganz viele Informationen. Internet, natürlich schwierig, wenn man kein Internet hat, aber der, der diesen Podcast hört, der hat definitiv Internet, sonst würde es nicht gehen. Also das heißt, wenn Sie Menschen kennen, die diese Informationen benötigen, ist es immer wichtig, auch dann zu unterstützen und vielleicht dann für diese Menschen dann im Internet zu recherchen, damit sie zu den, ja, zu den...
Speaker0
00:16:53
Es gibt es einfach kommunal, das sind ja Angebote, die jetzt meistens, wenn es um eine digitale Barriere geht, bringt es ja nichts, wenn ich sage, klicke auf den QR-Code, komm, weil dann gibt es auch, ist auch lustig, wenn das die Angebote sind. Aber damit habe ich etwas ganz Wesentliches nicht verstanden. Deswegen sind das natürlich Angebote, die nicht auf Bundesebene so klassischerweise fungieren, sondern kommunal in der Gemeinde, in dem Bezirk Angebote sind und über die Angebotsvielfalt jetzt quasi ganz unten in der Kommune, in den einzelnen Bezirken, wie auch immer, habe ich jetzt nicht die detaillierte Einsicht.
Speaker2
00:17:30
Sicherlich gibt es da immer Angebote. Einfach mal Nachfrage noch bei der Kommune anrufen. Frau Schaber, Sie forschen über das Thema, Sie analysieren, Sie recherchieren. Was wünschen Sie sich oder was wird benötigt auf staatlicher, auf wirtschaftlicher Seite, um die Digiteilhabe von Menschen, die die finanziellen Ressourcen nicht zu haben, also nach deutschem Begriff in Armut leben, um diese Menschen besser mitnehmen zu können, um diesen Menschen eine bessere Möglichkeit zur digitalen Teilhabe zu geben?
Speaker0
00:17:58
Also das eine ist eben, dass man Digitalisierung nämlich nur voraussetzt, sondern auch am Ende der Staat Geld dafür in die Hand geben muss, dass man insofern digitalisierte BürgerInnen will, und es beim Zugang zu einfachsten Dingen notwendig wird oder immer öfter notwendig wird, dass man da natürlich für die Voraussetzungen setzen muss. Das heißt, der Sozialstaat muss dafür Sorgen tragen, dass es auch Anlaufstellen gibt, dass es kostenfreie Angebote gibt, um sich eben entsprechende Fähigkeiten dann auch anzueignen und so weiter. Also ganz klar, die Vermittlung digitaler Kompetenzen muss staatliche Aufgabe sein und kann nicht einfach nur vorausgesetzt werden. Das heißt, Dinge wie in öffentlichen Einrichtungen, dass es halt Arbeitsplätze gibt mit nicht nur technischer Ausstattung, sondern auch fachlicher Beratung. Und der andere Punkt ist, dass aus unserer Sicht. Es auch immer noch analoge Wege geben muss, weil wir können es eben nicht von allen verlangen. Es wäre ein massiver Ausschuss von relevanten Anteilen in unserer Bevölkerung. Und um gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen, brauchen wir auch immer noch analoge Wege. Das heißt, wenn ich meinen Sozialleistungsantrag stellen will und ich habe, warum auch immer, gerade keinen digitalen Zugang, muss ich einfach hingehen können. Ich muss noch eine Wohnungsstelle, die vom Bezirk eingerichtet ist, auch noch per Fuß. Und ich gehe da hin und sage, ich möchte einen Termin. Die Terminvergabe darf nicht nur digital stattfinden. Also da muss einfach der Staat dafür sorgen, dass es auch immer noch für Menschen analoge Wege gibt. Auch wenn man sagt immer mehr und wenn wir halt für eine gewisse Weiterbildung sorgen, ist das ja auch eine Frage von Zeit. Also ich glaube, es ist auch immer noch eine Übergangszeit, die wir eben noch eine Weile haben und da aber nicht so mit vorbrechen und sagen, so Digitalisierung wird jetzt zur Voraussetzung, sondern wir wollen uns digitalisieren, sehen das als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, aber damit wir die Menschen nicht komplett ausschließen, das ist ja sonst im Form der Digitalisierung so, der digitalen Teilhabe, lassen wir analoge Wege, um am Ende für Daseinsvorsorge auch zu sorgen.
Speaker2
00:20:09
Ja, beginnen wir mal mit dem üblichen, liebe Frau Ullrich. Stellen Sie sich einfach mal unseren Zuhörern vor.
Speaker1
00:20:14
Mein Name ist Nadja Ullrich. Ich komme von der Aktion Mensch, die sitzt in Bonn. Ich arbeite da schon sehr lange, seit über 20 Jahren. Aber mit dem Thema digitale Teilhabe beschäftige ich mich schwerpunktmäßig seit fünf Jahren. Davor habe ich schon ganz viel zu den Themen Barrierefreiheit und Innovation gemacht. Aber seit fünf Jahren habe ich ebenso als Schwerpunktthema alles, was sich mit Digitalisierung, Barrierefreiheit, Inklusion, digitaler Teilhabe beschäftigt. Sie haben auch die Studie begleitet, die die Aktion Mensch gemacht hat zur digitalen Teilhabe von Menschen mit Behinderung.
Speaker2
00:20:55
Dann natürlich, wenn so eine Studie abgeschlossen ist, die Frage von ganzem Herzen, wie sieht es denn aus mit der digitalen Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Deutschland?
Speaker1
00:21:04
Genau, also wir haben, man muss dazu sagen, die Studie ist ein bisschen älter. Die haben wir gemacht im Jahr 2019, erschienen ist sie dann 2020, also mitten während der ersten Corona-Welle. Und es ist aber eine Trendstudie. Wir haben damals zwölf Fachleute und 43 Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen gefragt, wie sie Digitalisierung wahrnehmen, wie sie digitale Medien nutzen und was sie sich für die Zukunft wünschen. Das so vielleicht zum Rahmen der Studie. Und ich denke, die Ergebnisse, klar, Corona hat die Digitalisierung natürlich in vielen Bereichen stark vorangebracht, aber ich denke, die Ergebnisse sind trotzdem auch immer noch valide. Das sehe ich auch in meiner täglichen Arbeit. Es ist einfach so, die Nutzung von digitalen Medien ist bei Menschen mit Beeinträchtigung erst mal genauso wie in der Gesamtbevölkerung. Also auch Menschen mit einer Beeinträchtigung benutzen digitale Medien als Hilfsmittel, das Smartphone vor allen Dingen ist auch ein riesen Türöffner zur Teilhabe, ist so mein Eindruck. Aber wir haben eben festgestellt, dass die Nutzung von digitalen Medien bei Menschen mit Behinderung, aber das ist glaube ich auch nicht, also jetzt auch so bei allen anderen, stark abhängig auch vom lebenswertlichen Hintergrund. Also zum Beispiel dem Bildungsgrad, der sozialen Einbindung ist natürlich was völlig anderes, ob man jetzt zu Hause wohnt, in einer Familie, mit Freunden oder ob man in einer Einrichtung ist. Da ist natürlich der Grad der digitalen Teilhabe einfach durch die lebensweltlichen Umstände sehr unterschiedlich. Dann haben wir so ein bisschen drei Dimensionen der digitalen Teilhabe sozusagen konstatiert, nämlich einmal das Thema digitale Teilhabe anzuschauen. An Medien, durch Hardware, Software, einfach durch Medienkompetenz, die man erwirbt, dann Teilhabe durch digitale Medien. Das heißt, da fällt das ganze Thema drunter Sprach- und Bilderkennung, Sprachsteuerung, auch weiteren Sinne dann Prothetik, Robotik. Aber ich würde da sehr stark den Fokus auf Sprachsteuerung, Spracherkennung, gerade in Bezug auf Nutzen für Menschen mit Behinderung legen. Und dann als dritte Dimension Teilhabe in digitalen Medien. Das haben wir damals so vor allen Dingen auf soziale Medien bezogen, Repräsentation in sozialen Medien, Interessenvertretung über Medien im Internet, Services, Peer-to-Peer-Beratung, so dieser Bereich. Also zusammenfassend kann man sagen, und das sind echte Chancen von Digitalisierung, sie schaffen Zugang, sie schaffen Selbstbestimmung und sie schaffen Gestaltungsmöglichkeiten. Es gibt natürlich aber auch Probleme, die nach wie vor da sind, immer noch sicherlich technische und inhaltliche Mangel bei Medienkompetenz, sowohl bei den Betroffenen selbst, aber auch bei Fachkräften und Angehörigen. Das ist aber auch etwas, was in der Gesamtbevölkerung auch immer noch ein Thema ist. Die technische Entwicklung geht ja auch immer schneller. Also es ist ja sehr schwer, da überhaupt noch nachzukommen. Wir haben festgestellt, mangelndes Vertrauen auch in den Datenschutz, also gerade bei sehr sensiblen Daten, Gesundheitsdaten, die Menschen mit Behinderung ja stark betreffen. In Einrichtungen fehlt heute wahrscheinlich immer noch teilweise auch WLAN-Zugang als Grundvoraussetzung. Das ganze Thema Barrierefreiheit ist nach wie vor ein großes Problem, sowohl bei Hard- und Software müssen wir feststellen, da ist auch einfach zu wenig Wissen noch vorhanden und Willen, das umzusetzen. Und was uns die Leute damals aber auch gesagt haben, das ist noch eine weitere Dimension, sozusagen eine Spaltung innerhalb der Gruppe der Menschen mit Beeinträchtigung. Es wurde prognostiziert, dass vor allem Menschen mit einer Lernbehinderung oder auch mit einer psychischen Behinderung eher von digitaler Exklusion betroffen sein werden als jetzt Menschen mit einer Sinnes- oder Mobilitätseinschränkung, weil da einfach sozusagen die technische Barrierefreiheit doch auch durch Gesetzgebung und einfach durch den Gang der Dinge weiter erhöht wird. Aber was die redaktionellen Inhalte angeht, also leichte Sprache, einfache Sprache, ist es halt immer noch auch sehr schwierig. Und wir haben natürlich ein Thema, was damals noch gar nicht so gesehen wurde, aber heutzutage natürlich total wichtig ist es das Thema künstliche Intelligenz. Und Sprachmodelle wie Chat-GPT reproduzieren Diskriminierung aus der realen Welt. Und das ist eben jetzt ein Thema, was verstärkt kommt und womit wir uns auch beschäftigen, was ja auch immer relevanter wird.
Speaker2
00:26:18
Statistisch gesehen gehören Menschen mit Behinderung ganz oft auch zu den Menschen, die unter Armut leben. Inwiefern beeinflusst diese Tatsache auch den digitalen Zugang?
Speaker1
00:26:32
Ja, also ich möchte vorweg sagen, wir als Aktion Mensch kategorisieren nicht, auch nicht in der Förderung nach dem Thema Armut. Nicht alle Menschen mit Behinderung sind von Armut betroffen. Da ist die Bandbreite auch sehr, sehr breit. Aber natürlich kann Behinderung das Risiko für Armut erhöhen. Und wenn beides zusammenkommt, dann entsteht eine sozusagen eine doppelte Teilhabebeschränkung durch die Behinderung auf der einen und die Armut auf der anderen Seite. Und in unserer Studie damals wurde das Thema Kosten von den interviewten Menschen mit Beeinträchtigungen natürlich oft angesprochen. Tatsächlich haben viele Menschen mit Behinderung ein geringes Einkommen. Ich will mal gar nicht reden von Leuten, die in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten. Da ist die Problematik ja nochmal viel krasser. Das bleibt kaum Geld, um sich eine digitale Ausstattung anzuschaffen. Und in den Leistungskatalogen, auf die ja viele Menschen auch mit Beeinträchtigungen angewiesen sind, da ist auch nur wenig Geld für digitale Medien vorgesehen. Es gibt dann, viele Menschen mit Behinderung brauchen ja auch noch zusätzliche Hilfsmittel. Da gibt es inzwischen ja auch viel im digitalen Bereich. Da gibt es einen eigenen Katalog. Die müssen aber über die Krankenkassen beantragt werden und die werden eben auch oft abgelehnt. dann muss man widersprechen, das kostet alles Nerven. Also das ist ein großes Thema und die Menschen in der Studie haben sich deshalb auch noch mehr zentrale Informationen über die vorhandenen digitalen Hilfsmittel und über die Finanzierung gewünscht. Und auch die Fachverbände der Behindertenhilfe fordern seit langem eine bessere Finanzierung von digitaler Teilhabe, also sowohl was die Hardware angeht, was Medienkompetenz angeht, Auch für Medienkompetenz, auch für Fachkräfte. Also wenn das zusammenkommt, beide Aspekte, dann ist es wirklich ein sehr großes Problem für die betroffenen Menschen.
Speaker2
00:28:37
Wir haben bereits die persönliche finanzielle Situation angesprochen, die Auswirkungen auf digitale Teilhabe haben kann. Öffentliche Einrichtungen haben ja auch ganz oft das Problem, dass sie zu wenig Geld haben. Wie sind da die Probleme, die dadurch auftauchen können, Frau Ulrich?
Speaker1
00:28:53
Ja, also erstmal muss man ja sagen, dass es schon seit langem eine gesetzliche Verpflichtung gibt durch das Behindertengleichstellungsgesetz, dass öffentliche Einrichtungen auch in ihren digitalen Angeboten barrierefrei sein müssen. Aber das ist nicht der Fall. Die Überwachungsstelle des Bundes für die Barrierefreiheit von Informationstechnik hat da noch große Defizite festgestellt. Und es ist offensichtlich immer noch nötig, klarzumachen, wie viele Menschen von einem barrierefreien digitalen Angebot profitieren, nämlich eigentlich alle. Barrierefreiheit ist ein Qualitätsmerkmal, das heißt, Angebote sind gut strukturiert, sind gut navigierbar und das nutzt ja eigentlich allen. Wenn öffentliche Angebote nicht barrierefrei sind, kann das Exklusion erheblich erhöhen, Nämlich wenn man zum Beispiel Informationen über gesetzliche Leistungen nicht in einfacher oder leichter Sprache bekommt, kann man diese auch nicht beantragen. Und wenn wir jetzt an das Online-Zugangsgesetz denken, nachdem Verwaltungsleistungen vor allem digital sein sollen in Zukunft, dann muss das Thema Zugänglichkeit und Barrierefreiheit hier eine viel, viel größere Rolle spielen. Weil ja gerade die Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, oft auch die Leute sind, die auf Leistung zur Teilhabe angewiesen sind. Die Aktion Mensch bietet selber viele Informationen für alle Lebenslagen an auf ihren Seiten und das barrierefrei und in einfacher Sprache. Beim Familienratgeber.de, das nur am Rande, da kann man sich auch viel über solche Leistungen, die einem zustehen und Angebote informieren. Ich könnte auch noch die Seite RehaDat.de nennen, die besonders für die berufliche Teilhabe eine wichtige Informationsplattform ist. Und was man in diesem Zusammenhang auch noch erwähnen muss, ist der ganze private Bereich, also der wirtschaftliche Bereich. Wir haben dieses Jahr zum zweiten Mal gemeinsam mit Google Online-Shops auf Barrierefreiheit getestet und da waren die Ergebnisse auch leider überhaupt nicht gut. Zum Glück tritt hier nächstes Jahr das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft, das endlich auch private Anbieter von digitalen Produkten und Dienstleistungen verpflichtet. Aber da ist auch noch eine Menge an Aufklärung zu tun. Also wir setzen uns als Aktion Mensch ja schon seit über 20 Jahren für das Thema digitale Barrierefreiheit und Inklusion ein. Man merkt aber erst jetzt durch die gesetzliche Regulierung, dass sich etwas tut. Und es muss sich aber noch viel mehr tun in diese Richtung.
Speaker2
00:31:36
Gibt es denn derzeit schon kostenfreien Technologien, Apps oder Hilfsmittel, die Menschen mit Behinderungen unterstützen, digital teilhaben zu können?
Speaker1
00:31:45
Da aber die Bedürfnisse der Menschen auch so unterschiedlich sind, Da fällt es mir jetzt schwer, da eins herauszugreifen, Spezifisches. Ich kann da ein bisschen Eigenwerbung machen, denn die Aktion Mensch bietet auf ihrer Seite inklusion.de immer wieder auch Infos zu barrierefreien Apps aus allen Lebensbereichen. Bekannt, relativ bekannt ist vielleicht Be My Eyes. Das ist eine App, mit der man sich quasi übers Netz, wenn man eine Sehbeeinträchtigung hat, Hilfe in einer konkreten Situation, Hilfe von einem Menschen holen kann, der sehen kann. Das funktioniert dann über diese App. Es gibt die Glücklich-App der Lebenshilfe Hamburg zu Gesundheitsfragen in leichter Sprache. Die wurde von unserer Stiftung, Aktion Mensch Stiftung, gefördert. Also es sind jetzt nur mal so zwei Beispiele. Wir verbreitern dieses Angebot, was wir auf inklusion.de haben, auch ständig. Da kann man immer reingucken, da kann man auch Bewertungen abgeben über Apps. Also da gibt es schon einiges. Und wir haben auch, die Aktie Mensch hat auch eine E-Learning-Plattform selber, wo man auch kostenfrei und auch sehr barrierefrei an Online-Kursen teilnehmen kann. Auch das Angebot werden wir noch weiter ausbauen. Im Moment ist am interessantesten, glaube ich, hier für die Zuhörerinnen, dass wir da auch einen Kurs zum Thema Arbeit und inklusive Arbeitsmarkt anbieten.
Speaker2
00:33:16
Und das findet man wo?
Speaker1
00:33:18
Das findet man alles auf inklusion.de.
Speaker2
00:33:23
Frau Ullrich, Be My Eyes haben Sie gerade angesprochen. Für Blinde und Sehbehinderte ein absolutes Must-Have. Definitiv sehr, sehr spannend. Und auch wie die Kooperationen da sind. Ich habe gerade gelesen, dass Be My Eyes in Zukunft auch mit Meta arbeiten will, um auch auf Facebook und Instagram die Bilder besser beschreiben zu können. Die Beschreibungen sind faszinierend und sehr genau. Eine sehr großartige Hilfsmittel. Jetzt haben Sie ja schon bereits angedeutet, oder inklusion.de gibt es Bildungsmöglichkeiten oder Bildungsangebote. Haben Sie sonst noch eine Empfehlung für uns, wo Menschen mit Behinderung ihre digitalen Kompetenzen erwerben könnten?
Speaker1
00:33:58
Mhm. Also es gibt eigentlich eine ganze Reihe von Angeboten, zum Beispiel von Wohlfahrtsverbänden. Ein Beispiel, lokales Beispiel, das wäre jetzt das bei Hefata, ist die große Einrichtung Mönchengladbach, die haben ein Social Media Team. Es gibt von der AWO ein ganz tolles Projekt, das heißt Digi-Teilhabe. Die bieten ganz viel Information zur Medienkompetenz, die bieten auch Online-Seminare an. Es gibt die Pixel-Labore, die vielleicht einige schon kennen. Das wurde ursprünglich von der Diakonie initiiert. Das sind offene Orte, an denen man hingehen kann und wo man sich informieren kann über soziale und technische Innovationen und sozusagen im gemeinsamen Tun sich mit digitalen Medien beschäftigen kann. Es gibt, was ich auch sehr gut finde, die Plattform Barrierefrei Kommunizieren. Die haben auch kostenfreie Workshops zur Nutzung von digitalen Medien. Die bieten aber auch ganz viel Informationen über digitale Tools an. Und es gibt weitere Angebote auch im Jugendbereich, zum Beispiel eins der NIM-Akademie NRW zur digitalen Teilhabe von Jugendlichen in sozialen Medien. Man kann auch mal bei den Medienanstalten der Länder gucken. Die haben auch viele Angebote, gerade auch für Kinder und Jugendliche. Ja, und zu guter Letzt natürlich noch der Digitalkompass als Angebot für ältere Menschen, wo man sich ja auch sozusagen im Austausch Medienkompetenz erwerben kann. Also man muss ein bisschen rumschauen tatsächlich im Netz, aber man findet sowohl online als auch vor Ort schon inzwischen eigentlich ganz gute Angebote, die auch kostengünstig oder sogar kostenfrei sind.
Speaker2
00:35:52
Soziale Initiativen und Institutionen versuchen ja auch immer kostenfreie Möglichkeiten oder Teilhabe zu bieten. Die Aktion Mensch hat unter anderem das Programm Digitale Teilhabe für alle aufgerufen. Ein Programm, was ziemlich gut ankommt, muss man so sagen. Die Töpfe sind fast leer, wenn man das so sagen darf. Also es läuft sehr gut. Welche andere Förderprogramme gibt es denn noch bei der Aktion Mensch, die interessant sein könnten?
Speaker1
00:36:18
Also das ist insofern ein bisschen schwierig, weil wir sehr, sehr viele Förderprogramme haben. Wir haben aber auf der Seite der Aktion Mensch, also in dem Bereich Förderung, einen Förderfinder. Da kann man sich erstmal informieren, kann man erstmal sich navigieren lassen, so ein bisschen durch den Dschungel und für sein Anliegen dann hoffentlich das passende Programm finden. Vorweg schicken muss ich tatsächlich, wir fördern nur Träger der sozialen Arbeit, also keine Einzelpersonen. Und zwar im digitalen Bereich, würde ich sagen, sind das so Themen wie Barrierefreiheit, Medienkompetenz, Nutzungskompetenz und Zugang. Das sind so die Schwerpunkte, die wir fördern, wobei wir da sehr bedarfsorientiert rangehen. Wir fördern Projekte, die mit Menschen arbeiten, die einen partizipativen Ansatz haben, die gemeinschaftlich entwickeln. Die Technik spielt nur als Voraussetzung eine Rolle in dem Bereich. Es soll aber nicht im Fokus stehen, sondern es ist wirklich die partizipative gemeinschaftliche Arbeit. Wir haben, das habe ich eben schon kurz gesagt, dann noch die Aktion Mensch Stiftung. Die kennen viele gar nicht. Da ist es etwas anders. Also die hat einen Schwerpunkt auf innovativen digitalen Technologieprojekten und dort fördern wir auch zum Beispiel innovative Apps. Also da liegt der Schwerpunkt etwas mehr auf der Technologie, natürlich auch bedarfsorientiert. Da sind die Fördersummen auch noch mal deutlich höher als beim Verein, beim Aktion Mensch Verein. Wobei die Spanne der Fördersummen ist wirklich sehr weit, von wenigen tausend Euro bis zu mehreren hunderttausend Euro. Aber ich muss halt nochmal sagen, wir finanzieren keine Einzelpersonen, auch keine Hilfsmittel für Einzelpersonen. Das ist Aufgabe der Krankenkassen, weil wir wollen, dass von unserem Projekt möglichst viele Menschen profitieren. Und deshalb fördern wir solche Projekte wie von der AWO oder PIXEL, die wir auch schon gefördert haben, die eben digital und vor Ort Medienkompetenz vermitteln.
Speaker2
00:38:32
Letzte Frage, Frau Ullrich. Sie beschäftigen sich mit der digitalen Teilhabe für Menschen mit Behinderung. Was wünschen Sie sich in Zukunft oder was wäre Ihr Appell?
Speaker1
00:38:43
Ja, digitale Teilhabe ist wichtig. Aber was eigentlich noch wichtiger ist, das haben es auch die Menschen in der Studie damals gesagt, ist eigentlich Wertschätzung und Anerkennung von Menschen mit Behinderung als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Denn wenn die Inklusion auf der realen, analogen Ebene nicht funktioniert, dann funktioniert sie auch im virtuellen Raum nicht. Und dann werden Menschen mit Beeinträchtigungen immer benachteiligt sein. Also wir sehen das jetzt gerade an diesem Thema künstliche Intelligenz. Wir beschäftigen uns gerade ganz stark mit Sprachmodellen wie Chat-GPT, Die einfach wirklich die Diskriminierung, die im realen Raum stattfindet, eins zu eins in den digitalen Raum übernimmt. Und nicht auf oberflächlicher Ebene, da sind die Sprachmodelle ethisch natürlich korrekt, aber wenn man mal ein bisschen tiefer geht, dann kommen noch genau diese Stigmatisierung und Unwissen genauso auch in diesen Sprachmodellen raus, wie sie halt leider vorhanden sind. Weil einfach die entsprechenden Datensätze, die inklusiven Datensätze fehlen oder einfach genau diese Vorurteile da rein projiziert werden. Und das wünsche ich mir, dass sich die Gesellschaft da viel bewusster wird, was zu tun ist und dass Menschen mit Behinderung einfach einen ganz anderen Stellenwert in dieser Gesellschaft bekommen müssen.
Speaker2
00:40:19
Diese Ausgabe enthielt also zwei getrennte Gespräche. Einmal einen herzlichen Dank an Frau Schabram und einmal einen herzlichen Dank an Frau Ulrich. Die wichtigsten Links gibt es in unseren Shownotes.
Speaker1
00:40:31
Bis dann! Digital Kompass Podcast. Der Podcast, um gemeinsam digitale Barrieren zu überwinden. Herausgeber Deutschland sicher im Netz e.V. Der Digital Kompass Podcast wird ermöglicht durch das Bundesverbraucherschutzministerium. Der Digital Kompass ist ein Verbundprojekt der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und von Deutschland sicher im Netz. Weitere Informationen findet ihr unter www.digital-kompass.de. Über Feedback zu diesem Podcast freuen wir uns. Kontakt zu uns und dem Moderator Sascha Lang