Digital Kompass

Sascha Lang
Since 03/2023 13 Episoden

Partizipation, Demokratie und Digitalität

Ein Gespräch mit Juliane Harms und Dr. Angela Jain

29.11.2024 45 min

Zusammenfassung & Show Notes

In der 12. Folge des Digital Kompass Podcasts diskutieren wir mit Juliane Harms (BIFOS – Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter) und Dr. Angela Jain (Bertelsmann Stiftung) die Schnittpunkte von Partizipation, Demokratie und Digitalität.
Themen der Folge:
  • Was bedeutet erfolgreiche Partizipation in der Demokratie?
  • Wie können Menschen mit Behinderungen stärker in politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden?
  • Chancen und Herausforderungen digitaler Räume für den gesellschaftlichen Dialog.
  • Die Rolle von Barrierefreiheit: Warum Audiodeskription, Gebärdensprache und leichte Sprache essenziell sind.
  • Hybride Formate als Schlüssel für eine inklusive Partizipation.
  • Bedrohungen für die Demokratie durch Fragmentierung und fehlende Regeln im digitalen Raum.
  • Empowerment: Warum Menschen mit Behinderungen nicht nur in eigener Sache Experten sind.
Unsere Gäste teilen inspirierende Einblicke aus ihrer Arbeit und diskutieren, wie digitale Tools und echter Dialog Hand in Hand gehen können, um die Demokratie zu stärken.
Mehr Infos zum Projekt Digital Kompass unter www.digital-kompass.de.
Feedback? Wir freuen uns über eure Rückmeldungen!
Links:
Projekt bifos empowerment-zur-selbstvertretung.de <https://empowerment-zur-selbstvertretung.de/
 
Projekt Forum gegen Fakes forum-gegen-fakes.de <https://forum-gegen-fakes.de/de/start>  
 
 
Workshopreihe  Digitale Barrieren melden <https://www.bifos.de/digitale-barrieren-melden/>  
 

Transkript

Juliane
00:00:00
Ja, erfolgreiche Partizipation funktioniert für mich, wenn eben alle mitbestimmen dürfen, wenn nicht nur eine bestimmte Gruppe über das Leben, über die Alltagsrealitäten einer großen Gruppe bestimmt, sondern wenn alle beteiligt sind, wenn es total selbstverständlich ist, dass es verschiedene Lebensrealitäten gibt und Unterschiedlichkeit in der Gesellschaft.
Angela
00:00:20
Was wir uns vor allen Dingen angucken in meinem Arbeitsfeld, aber auch in unserem Projektkontext, ist vor allen Dingen die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in politische Planungs-, Entscheidungs- und gegebenenfalls auch in Umsetzungsprozesse. Wir sehen hier Bürgerinnen in einer beratenden und nicht in einer entscheidenden Rolle.
voice
00:00:48
Digital Kompass Podcast Der Podcast, um gemeinsam digitale Barrieren zu überwinden Präsentation Präsentiert vom Digitalkompass. Moderator, euer Inklusator Sascha Lang.
Sascha
00:01:06
Der Digitalkompass-Podcast. Wir sind in der Folge Nummer 12. Herzlich willkommen. Mein Name ist Sascha Lang. Ich bin euer Moderator. Und heute sprechen wir über das Thema Partizipation. Und beteiligt an dieser Ausgabe sind Juliana Harms. Herzlich willkommen. Und Dr. Angela Jane. Moin Moin.
Angela
00:01:23
Vielen Dank. Dankeschön.
Juliane
00:01:25
Schön, dass wir dabei sein dürfen.
Sascha
00:01:27
Sehr schön. Wir machen zuerst mal eine Vorstellungsrunde, damit wir wissen, mit wem wir zu tun haben. Und in diesem Podcast haben wir uns auf das Du geeinigt. Ich fange trotzdem an. Dr. Angela Jayne, wer bist du eigentlich?
Angela
00:01:38
Ja, ich bin Senior Project Managerin bei der Bertelsmann Stiftung im Programm Demokratie und Zusammenhalt. Dort bin ich seit einem guten Jahr beschäftigt, vor allen Dingen im Themenbereich Partizipation und Bürgerbeteiligung. und in diesem Themenbereich arbeite ich auch schon sehr lange. Bevor ich bei der Bertelsmann Stiftung war, hatte ich einen kleinen Exkurs in die Senatsverwaltung von Berlin. Dort habe ich in der Senatskanzlei im Bereich digitale Transformation und Smart City gearbeitet und davor lange Zeit in der Wissenschaft, in der anwendungsorientierten Forschung, aber mein Schwerpunkt war immer, Und das Thema Beteiligung, wie bekommen wir eigentlich die Bürgerperspektive, die Perspektive von Bürgerinnen in Entscheidungsprozesse, in Planungsprozesse hinein, das hat mich schon immer interessiert.
Sascha
00:02:37
Juliane, erzähl mal was über dich.
Juliane
00:02:39
Ja, also mein Name ist Juliane Harms. Ich arbeite bei BIFOS. Das ist das Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter, kurz BIFOS. Dort bin ich Projektleitung eines Projektes, auch seit knapp einem Jahr. Und zwar das Projekt Empowerment zur Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung. Da geht es eben auch um die Beteiligung von Menschen, aber eben ganz explizit Menschen mit Behinderung. Ich möchte, dass wir mehr in die Gremien gehen, dass wir mehr in die Politik gehen, in die Selbstvertretung. Und eben mitbestimmen, dass das nicht über uns bestimmt wird, sondern wir zusammen mit allen anderen an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Vorher habe ich auch schon in der Politik gearbeitet, in einer politischen Transformationsberatung. Da war ich jahrelang die Personalentwicklerin. Ich mag es also, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Und ja, bin auch im Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderung hier in Berlin und möchte hier in Berlin also ganz aktiv auch mitgestalten. Von daher, Partizipation ist bei mir ein großes Thema auch.
Sascha
00:03:45
Was bedeutet für euch beide Partizipation in eurem Projektkontext? Also nochmal, was bedeutet für euch beide Partizipation in euren Projektkontexten? Und wie funktioniert denn erfolgreiche Partizipation? Fangen wir mal bei dir, Juliane, an.
Juliane
00:04:01
Ja, erfolgreiche Partizipation funktioniert für mich, wenn eben alle mitbestimmen dürfen. Wenn nicht nur eine bestimmte Gruppe über das Leben, über die Alltagsrealitäten einer großen Gruppe bestimmt, sondern wenn alle beteiligt sind, wenn es total selbstverständlich ist, dass es verschiedene Lebensrealitäten gibt und Unterschiedlichkeit in der Gesellschaft, dass halt verschiedene Menschen in dieser Gesellschaft leben und dann halt auch verschieden mitbestimmt werden darf. Ja, also Partizipation heißt für mich das Einbeziehen aller. Und in meinem Projektkontext ganz allgemein würde ich sagen, hat Partizipation zwei Punkte. Erstens möchte ich befeuern, dass Menschen mit Behinderung mehr partizipieren, dass sie mehr beteiligt werden am politischen Geschehen. Und dass sie auch teilhaben möchten. Und auf der anderen Seite ist es mir wichtig, dass in meinem Projekt, wo ich halt mit Menschen mit Behinderung zusammenarbeite, selbst als Mensch mit Behinderung, ich bin hochgradig sehbehindert, da möchte ich, dass so viele Behinderungsgruppen wie möglich zusammenarbeiten, damit wir eben realisieren, ach guck mal, wir haben alle nicht die gleichen Belange, so wie es halt auch in der Gesellschaft ist. Nicht jeder hat die gleichen Belange und Bedarfe. Und da möchte ich, dass so viele Menschen wie möglich zusammenkommen, um auch voneinander innerhalb der Gruppe von Menschen mit Behinderung zu lernen. Das ist wichtig und deswegen unter anderem, mache ich mal kurz Werbung für meinen Kurs nächstes Jahr, möchte ich denen auch digital anbieten, unseren Kurs, damit eben so viele Menschen wie möglich teilhaben können. Die letzten beiden Jahre hatten wir Veranstaltungen auch in Präsenz. Das können einige Menschen aus finanziellen Gründen, aus Mobilitätsgründen oder ganz schlicht aus Zeitgründen nicht realisieren. und deswegen möchten wir auch im digitalen Raum aktiv sein und den Kurs voranbringen, dass so viele Menschen wie möglich teilhaben können.
Sascha
00:05:45
Zum Teilnehmen gibt es den Link in den Shownotes. Angela, für dich ist ja Partizipation wahrscheinlich eine andere Definition wie für Juliane oder vielleicht auch gleich, beziehungsweise aber dann, wenn es um dein Projekt geht, ist es doch anders angesiedelt, oder?
Angela
00:05:59
Ja, genau. Also ich glaube, es gibt Überschneidungen, aber was wir uns vor allen Dingen angucken in meinem Arbeitsfeld, aber auch in unserem Projektkontext ist vor allen Dingen die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in politische Planungs-, Entscheidungs- und gegebenenfalls auch in Umsetzungsprozesse. Wir sehen hier Bürgerinnen in einer beratenden und nicht in einer entscheidenden Rolle. Da gibt es oft ein bisschen Missverständnisse, wenn wir Partizipation propagieren. Die Entscheidung am Ende und damit auch natürlich die Verantwortungsübernahme für diese Entscheidung ist selbstverständlich der Politik vorbehalten. Bürgerinnen und Bürger bringen ihre Perspektiven ein aus ihrem Alltagsleben heraus, testen vielleicht politische Lösungsvorschläge sozusagen auf Alltagstauglichkeit, Zeigen auf, wo vielleicht Hürden sind oder wo es noch Defizite gibt und bereichern vorhandene Lösungen oder auch noch nicht vorhandene Lösungen mit ihren Ideen und Anregungen. So, das ist das, wie ich die Partizipation in meinem Arbeitsumfeld definiere. Und ein wichtiges Element der Partizipationsarbeit ist es eben, und das hat Juliane ja auch gesagt, einen fairen und respektvollen Austausch hinzubekommen, in unserem Fall meistens zu einer sehr bestimmten Fragestellung, die sich eben aus einer manchmal politischen Fragestellung ergibt, um eben eine möglichst große Vielfalt an Stimmen einzufangen und eben zu dem Thema auch zu sensibilisieren und eben zu einem Thema in einen Diskurs zu kommen. Ganz konkret in unserem jüngsten Projekt, was ich auch geleitet habe, dem Forum gegen Fakes, haben wir beispielsweise zu der Frage, wie sollten wir uns und unsere Demokratie vor Desinformation schützen, einerseits eine breite Online-Beteiligung angelegt, wo sich im Prinzip jeder und jede beteiligen konnte über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Und wir haben andererseits 120 zufällig ausgewählte Bürgerinnen in einem Bürgerrat zusammengebracht und zu dem Thema Desinformation verschiedene Facetten beleuchtet und hier kamen wir wirklich auch mit Input von Experten in die Tiefe der verschiedenen Themen hinein und haben hier diskutiert.
voice
00:08:39
Sehr spannend auch.
Angela
00:08:41
Ja, also vielleicht nur ganz kurz. Und am Ende ist Partizipation aus unserer Sicht meistens kein Selbstzweck, sondern es geht wirklich auch darum, in dem Projekt zu Empfehlungen zu kommen, die sich dann auch an Politik, aber auch jetzt in dem konkreten Fall an Medienwirtschaft und Zivilgesellschaft richten und die dann auch gemeinsam dorthin transportiert werden.
Sascha
00:09:09
Zum Thema Fake News geht es übrigens die Folge 10 vom Digital Kompass Podcast auch mal reinhören. Desinformation und Fake News, was ist überhaupt der Unterschied dazwischen? Also auch eine sehr spannende Frage, gerade in heutigen Zeiten, wo man sehr viel mit Fehlinformationen überschüttet wird und gerade wenn es so politisch turbulent ist, sind ja Fake News und Fehlinformationen so teilweise ein bisschen auch an der Tagesordnung und das auseinanderzuhalten. Darüber haben wir gesprochen in der Folge 10. Bisschen Werbung für unseren eigenen Podcast. Ja, das Thema Partizipation und Demokratie hängen ganz eng miteinander. Ich höre seit den letzten zwei, drei Jahren viel mehr vom Thema Partizipation. Demokratie ist ja schon länger ein Begriff. Aber um die Demokratie zu verstärken, braucht man mehr Partizipation. Das ist so das, was man allgemein hört. Wie seht ihr denn den Zusammenhang zwischen der Partizipation und der Demokratie, Juliane?
Juliane
00:10:00
Ja, ich würde sagen, ich glaube, ich habe in der Schule mal gelernt, Demokratie ist die Herrschaftsform des Volkes. Also die Herrschaft des Volkes. Ja, von daher ist es wichtig, dass so viele Bevölkerungsgruppen wie möglich an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Dass sie mitsprechen dürfen. Partizipieren heißt halt Mitsprache einmischen, mitbestimmen. Das Volk soll mitbestimmen, sich einmischen. Also Partizipation bedingt Demokratie, würde ich sagen. Du hast es schon gut gesagt.
Sascha
00:10:32
Angela?
Angela
00:10:33
Ja, ich würde vielleicht da absolut zustimmen. Partizipation ist Teilhabe des Souveräns an der Politikgestaltung. Und aus meiner Sicht reicht eben alle vier Jahre zur Wahl gehen nicht, Dazu leben wir auch mittlerweile in einer viel zu schnelllebigen und eben auch sehr, sehr vielfältigen Welt. Menschen möchten sich einbringen, auch ohne gleich in eine Partei eintreten zu müssen. Und andere wiederum sind politisch überhaupt nicht interessiert, gehen vielleicht nicht einmal wählen. und auch für die soll ja auch Politik gestaltet werden. Die sind ja Teil der Bevölkerung. Und diese zu erreichen und in den Dialog einzuladen und zu fragen, wie erlebst du denn beispielsweise Desinformationen, was wäre dir denn im Umgang damit wichtig, bereichert eben auch politische Lösungen und politische Antworten. Und aus meiner Sicht als Nebeneffekt haben wir eben auch, dass die Menschen, die teilhaben können, die gefragt werden, die sich einbringen können, die sind einfach auch besser informiert, weil sie sich aktiv informieren. Sie haben auch, das merken wir immer wieder in unseren Beteiligungsformaten, viel mehr Verständnis dafür, wie schwierig es auch für Politiker ist, zu guten gemeinwohlorientierten Lösungen zu kommen. Und ganz nebenbei erleben sie eben auch eine große Selbstwirksamkeit im Austausch mit anderen und das ist auch wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Sascha
00:12:13
Ich füge jetzt eine Frage hinzu, die nicht in unserem Skript hier steht. Wenn wir aber von Partizipation sprechen, oft wird ja gesagt, dass die Lautesten, auch wenn sie in der Minderheit sind, die sind, die dann am besten durchkommen. Ist das nicht eine Gefahr, die die Partizipation bieten könnte, jetzt gerade in Bezug auf Demokratien, die doch etwas wackeln, Angela?
Angela
00:12:35
Ja, absolut. Also die Gefahr, die besteht und die sehe ich im Moment auch. Die Gefahr wird noch bestärkt, zum Teil durch Social Media. Und ich finde auch, Umfragen tun nicht immer ein Gutes. Das ist jetzt meine persönliche Meinung. Aber genau aus diesem Grund ist es für uns eben auch so wichtig, wirklich zu schauen, dass wir eine Vielfalt von Menschen erreichen. Also wir sagen eigentlich nie, dass wir irgendwie repräsentativ beteiligen, aber womit wir gerne arbeiten, ist eben mit dem Zufallsprinzip, dass wir eben zufällig ausgewählte Menschen einbinden in unsere Partizipationsverfahren, wo wir dann eben sagen, wir haben Männer und Frauen, verschiedene Altersgruppen, verschiedene Bildungshintergründe, mit und ohne Migrationshintergrund, mit Behinderung und ohne und Also dass wir wirklich ein vielfältiges Abbild der Gesellschaft einbinden, das ist auf jeden Fall aus unserer Sicht sehr, sehr wichtig und dass dann der Austausch, der Dialog auch nach fairen und respektvollen Regeln abläuft.
Sascha
00:13:54
Siehst du auch da eine Gefahr, Juliane?
Juliane
00:13:56
Ja, absolut. Ich finde auch gerade das Thema Medienkompetenz. Wann weiß ich denn, was eine Meinung ist und was ein Fakt ist? Wie kann ich mich informieren? Wie kann ich mich richtig informieren? Wo gibt es Verschwörungsreden? Wie kann ich mich informieren? Das ist ein großes Thema. Das ist auch gerade bei Menschen mit Behinderung ein großes Thema. Es gibt viele Informationen, aber eben nicht für alle gut aufgearbeitet. Da rede ich nicht nur bei Videos im Audio für die Audiodeskription. Ich rede nicht nur über Gebärdensprache, sondern rede ich auch über die leichte Sprache, was ja zum Beispiel auch nicht nur für Menschen mit Behinderung wichtig ist, sondern auch vielleicht für Menschen, die Deutsch nicht als Muttersprache reden. Also ja, da muss
voice
00:14:44
Noch viel mehr
Juliane
00:14:45
Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Angela
00:14:48
Absolut.
Sascha
00:14:49
Angela, welche Chancen bieten digitale Räume? Welche und vor allem welche Räume entwickelt ihr in eurem Projekt, Angela?
Angela
00:14:59
Also digitale Räume bieten aus meiner Sicht sehr, sehr große Chancen, aber natürlich, und das schang ja eben auch schon ein bisschen an, auch Ja, bergen schon auch ein paar Fallstricke und vielleicht sogar Gefahren, aber ich sehe eben schon große Chancen, weil digitale Räume einfach einen niedrigschwelligen Zugang bieten zu einem Partizipationsangebot. Sie sind zeitlich und räumlich unabhängig erreichbar und schon allein daraus kann potenziell sozusagen eine große Menge an Menschen erreicht werden. Und mit wenig Aufmannt können sich Menschen beteiligen, ihre Ideen und Meinungen einbringen. Was wir aber relativ klar sehen, dass eben in digitalen Räumen, außer man trifft sich eben wie wir hier in einem kleinen digitalen Raum, wo wir uns gegebenenfalls auch in die Augen schauen, aber zumindest uns sozusagen auch direkt hören und aufeinander reagieren können. In Social Media beispielsweise oder wir sehen es auch auf Partizipationsplattformen ist ein Dialog oder gar eine Deliberation, also ein Meinungsbildungsprozess wirklich schwierig. Und ich glaube schon, dass das verbessert werden kann, dass man auch digitale Räume fair und respektvoll gestalten kann. Aber es ist eben hier insbesondere wichtig, dass wir nochmal besser und intensiver über die Spielregeln nachdenken, die in digitalen Räumen eben herrschen. Und dass es eben gelingt, einen fairen und respektvollen Austausch, einen sachbezogenen Austausch hinzubekommen. Und hier sehe ich tatsächlich die Geschäftsmodelle als ein großes Problem, wenn wir uns Social Media angucken. Und eben, du hast es eben angesprochen, dass vor allen Dingen die Lauten und die, ja, wie soll ich sagen, auch nicht nur laut, sondern auch extrem, ja, extrem, ja, danke, eben besonders Gehör finden. Und da spielen natürlich nicht zuletzt auch die Algorithmen, aber eben auch die menschliche Psyche eine Rolle. Und da muss man einfach, glaube ich, noch ein bisschen arbeiten an den sozusagen partizipativen digitalen Räumen.
Sascha
00:17:33
Juliane, nichts über uns ohne uns ist ein Begriff, der schon seit langem in der Behindertenszene genannt wird und der vor allem daraus resultiert, dass wir früher sehr stark in dem Fürsorgesystem gelebt haben, wo Partizipation ja überhaupt nicht am Platz war. Was bedeutet dieses Motto für dein Projekt?
Juliane
00:17:52
Ja, eben. Also wir haben uns das Motto der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung genommen, weil das in dem Bereich der Partizipation eben super wichtig ist. Es soll nicht über uns, ohne uns bestimmt werden. Wir sollen von Anfang an mitgedacht werden in den Entscheidungsprozessen. Wir sollen bei der Ideenfindung mit dabei sein. Das sehe ich im Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderung in Berlin ganz oft. Uns werden Entscheidungen vorgelegt, wo ich dann denke, wann ist denn diese Idee entstanden und wir werden nicht von Anfang an mitgedacht. Wir sollen eben dabei sein bei der Entwicklung der Ideen, der Entscheidungsprozesse bis zum Ende, bis zur Dokumentation des Ergebnisses. Es ist gut, wenn wir eben Veto mit einnehmen könnten, wenn wir eine Meinung abgeben könnten, die dann auch einen Wert hat. Das ist ganz oft noch nicht der Fall. Es gibt viele Positivbeispiele, wo wir aktiv mitgestalten konnten. Aber in vielen Bereichen ist das noch nicht so. Wenn wir unser Lieblingsthema nehmen, räumliche Barrierefreiheit, da gibt es noch viel zu oft Menschen, die über uns bestimmen, wo wir nicht mitgefragt werden. Es gibt Initiativen, wo mittlerweile Menschen mit Behinderung durchaus ihr Wort erheben dürfen. Aber es ist noch ganz oft dürfen und nicht selbstverständlich. Wir sind ein Teil der inklusiven Gesellschaft und wir müssen halt unsere Finger mit im Spiel haben. Ja, das möchten wir gerne propagieren, nicht über uns, sondern mit uns.
Sascha
00:19:21
Wir haben eine Digitalität festgestellt. Welche Veränderungen hat diese Digitalität für die Partizipation? Und vor allem, was bedeutet sie für die Demokratie in Deutschland, Angela?
Angela
00:19:34
Ja, also als, ich sag mal, die digitale Welt sich entwickelt hat, also mit der Verbreitung des Internets, gab es ja zu Beginn wirklich große Hoffnungen, dass wir jetzt mit dem Internet einen ganz großen demokratischen Diskursraum haben. Theoretisch konnten alle mit allen in Kontakt treten und nicht zu unterschiedlichsten Themen austauschen. Das ist jetzt, wenn wir heute drauf gucken, so nicht eingetreten. Aus meiner Sicht wurden da zum einen die banalen Triebkräfte des Lebens unterschätzt und zum anderen eben vor allen Dingen auch die kommerziellen Interessen nicht gesehen. Aber ja, auch im Bereich Partizipation gab es zu Beginn große Hoffnungen. Wir können jetzt einfach ganz einfach alle einbinden, ganz viele erreichen. Es wurden Beteiligungsplattformen aufgesetzt. Das Problem war, von der Nutzung her erinnerten sehr viele daran an Verwaltungsformulare. Das hat also eher gar keinen Spaß gemacht, sich daran zu beteiligen, waren auch überhaupt nicht niedrigschwellig. So Stichwort leichte Sprache kam da nicht vor oder einfache Sprache. Und was eben total unterschätzt wurde, war eben das Thema Kommunikation. Also wie komme ich überhaupt an die Leute ran? Wo erreiche ich die? Wie spreche ich sie an? Sodass die Leute auch davon erfahren und mitmachen. Heute gibt es bessere Plattformen, es gibt auch bessere Kommunikationsstrategien, sage ich mal. Und trotzdem haben wir eben gesehen, ein wirklicher Dialog, fundierter, fairer, respektvoller Austausch funktioniert im digitalen Raum nicht so besonders gut. Gut, viele Leute sind auf Social Media unterwegs. Hier kann jetzt natürlich jeder selbst beurteilen, welche Qualität das hat. Aber aus meiner Sicht steckt hier sehr viel Potenzial auch noch drin. Denn Leute äußern sich ja zu politischen Themen und diskutieren oder tauschen sich auch aus zu politischen Themen. Und da sozusagen herauszufiltern, was ist denn für jetzt das Thema, was ich mir angucken will, eigentlich relevant, das wäre schon, glaube ich, noch interessant und wäre es wert, da noch tiefer reinzugucken. Was wir aber jetzt für uns festgestellt haben, dass es wichtig ist, zwar einen breiten Zugang zu ermöglichen, einen niedrigschwelligen Zugang über Online-Formate, aber es gleichzeitig wichtig ist nach wie vor, dass Menschen sich von Angesicht zu Angesicht begegnen, in einen Austausch kommen, in die Tiefe gehen, sich vorher auch informieren können und eben so im Grunde ein Diskurs. Kurs anstoßen, Der dann am Ende nicht die individualen Interessen der Einzelnen widerspiegelt, sondern wirklich eine gemeinwohlorientierte Lösung zutage bringt. Und das sehen wir im Moment noch nicht, dass das im digitalen Raum möglich ist. Also die Verbindung von digitalem und direktem persönlichen Dialog, das ist für uns im Moment das, wir weiter darüber nachdenken wollen, wie man das noch besser machen kann.
Sascha
00:22:56
Wie siehst du das mit der Digitalität, der Partizipation und der Demokratie, Juliane?
Juliane
00:23:02
Also ich muss erst mal Angela recht geben, dass es einfacher ist, im digitalen Raum sich anzugreifen, dass sehr oft vergessen wird, dass man da auf der anderen Seite einen Menschen hat, dass der Austausch viel aggressiver gestaltet werden kann. Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass der digitale Raum in Sachen Partizipation von Menschen mit Behinderung einen enormen Schub gegeben hat. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, sich auszutauschen. Man kommt aus seiner eigenen Bubble raus. Man kann ein größeres Netzwerk schaffen. Man merkt, ah ja, das bin ja nicht nur ich, für die ich einstehe. Es gibt ja sehr viele andere Menschen, die ähnlichen Gedankengang haben und ähnliche Herausforderungen, Bedarfe haben, Belange erfüllt werden müssen. Ja, es gibt einen viel größeren Informationsfluss, der natürlich kritisch zu sehen ist. Da stimme ich Angela auch wirklich zu. was sind Fake News, was nicht. Aber Menschen können sich mehr beteiligen, die sonst nicht in der Lage wären, sich zu beteiligen durch Petitionen, die in den Online-Raum geschalten werden, durch Studien, an denen man überregional teilnehmen kann, aber auch Proteste, die in den sozialen Medien beworben werden können oder eben ganz im digitalen Raum stattfinden, wie zum Die Koalition hatte mal beschlossen, dass das Behindertengleichstellungsgesetz angefasst werden soll in dieser Legislaturperiode,
Angela
00:24:28
Haben sie relativ wenig gemacht.
Juliane
00:24:29
Und jetzt im Sommer hat die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung digital viele Aktionen gestartet, was dann auch bei den Ministerien angekommen ist und was dann ein bisschen Bewegung in die Sache gebracht hat. Das wäre ohne den digitalen Raum so in der Schnelligkeit nicht passiert. Also da gibt es einen großen Schub, noch ein großes Plus. Aber ich sehe in Sachen Demokratie und Digitalität, ja, man hat Möglichkeiten, an aktuellen News schneller und besser teilzuhaben. Pressekonferenzen, weil irgendein Vorstand aus irgendeiner Partei zurückgetreten ist, das war vorher auch nicht der Fall, dass man da so sehr ad hoc die News empfängt. Die Parteien können schneller Stellung nehmen zu aktuellen Debatten. Ja, aber es können auch sehr schnell Meinungen und halt Verschwörungserzählungen geteilt werden. Siehe Trump und alle Menschen essen Hunde und Katzen. Also die einen wissen, das kritisch einzuschätzen und die anderen werden da angesprochen, die das sonst nicht so erfahren hätten. Also es ist eine Medaille mit zwei Seiten, würde ich sagen.
Sascha
00:25:34
Wichtiger Aspekt bei der Digitalisierung oder bei der Digitalität ist ja auch der Zugang und der Datenschutz. Welche Herausforderungen gibt es da, die wir noch bewältigen müssen, Angela?
Angela
00:25:44
Ach, also ich finde eigentlich, also meine Grundeinstellung, Datenschutz sollte kein Hinderungsgrund sein für irgendwas. Man muss ihn halt nur von Anfang an mitdenken, wenn man irgendwelche Prozesse aufsetzt. Also viel mehr will ich eigentlich, glaube ich, zum Thema Datenschutz gar nicht sagen, weil Datenschutz ist natürlich total wichtig. Das geht in Richtung Schutz von Persönlichkeitsrechten und, und, und und und bietet ja auch gerade in Europa auch viel Schutz vor, ich sag mal, kommerzieller Ausbeutung, wenn man so will. Und es sollte eigentlich nicht als Grund angeführt werden, irgendetwas nicht zu tun. Man muss es halt berücksichtigen. Zum Beispiel hatten wir in unserer Online-Beteiligung, konnten Leute bei solchen Votings einfach ohne sich irgendwo anzumelden mitmachen. Also sie konnten Statements, die andere schon formuliert hatten, konnten sie mit einem Daumen hoch, einem neutralen Daumen oder Daumen runter bewerten. Das ging ohne jegliche Anmeldung. Und wenn sie aber selber ein Statement schreiben wollten oder eine Idee aufschreiben wollten und eben auch einspeisen wollten in die Online-Beteiligung, mussten sie sich anmelden. Und wir haben hier mit einer Plattform zusammengearbeitet, die eben schlauerweise das schon mit berücksichtigt hatte, dass es eben möglich sein muss, die Leute auch sozusagen hinterher, nachdem sie sich beteiligt haben, auch noch mal kontaktieren zu können. Ja, also viele haben dann irgendwas geschrieben und dann war beispielsweise der Satz nicht ganz klar, was wollen sie damit oder es steckten zwei Argumente in einem Satz drin und dann konnten wir, Weil es eben in den Datenschutzrichtlinien so aufgeschrieben war, konnten wir die Leute eben kontaktieren und nachfragen. Und mein persönliches Highlight, und das hat natürlich letztendlich auch der Datenschutz oder ein Mitdenken des Datenschutzes ermöglicht, wir hatten bei unserer Abschlussveranstaltung, wo die Bürgerempfehlungen an die Innenministerin übergeben wurden, Hatten wir auch Menschen aus der Online-Beteiligung dabei. Und das war eben auch nur möglich, weil wir die anschreiben durften und weil wir sie fragen konnten, Habt ihr denn Lust mitzumachen? Wollt ihr dazukommen zu dieser Übergabeveranstaltung? Es war ganz toll, auch diese Perspektive da drin zu haben. Also ich glaube, das sollte, wie gesagt, kein Hinderungsgrund sein. Ja, ich beteilige mich irgendwo und dann darf mich nie wieder jemand kontaktieren, sondern man muss halt eben diese Möglichkeit, wenn man es denn möchte, eben auch eröffnen. Das Allerwichtigste ist aus meiner Sicht eben, dass man da transparent ist und eben das auch, ja, wie soll ich sagen, möglichst niedrigschwellig auch vermittelt. Was steht denn eigentlich dahinter? Welches Datenschutzkonzept haben wir denn hier?
Sascha
00:28:51
Juliane, welche Herausforderungen siehst du, insbesondere bei der Digitalität, wenn es um Zugang und Datenschutz geht? Angela hat sich doch jetzt sehr am Datenschutz festgebissen. Du wirst dich vielleicht mehr am Zugang festbeißen.
Juliane
00:29:05
Ja, gerne.
Sascha
00:29:06
Alles gut, alles gut.
Juliane
00:29:08
Also ich muss sagen, zum Thema Datenschutz nur ganz kurz. Ich sehe mich als Person, die sich sehr gerne informiert, aber ich fühle mich da wirklich, also es ist so schwammig, dieses Feld Datenschutz. Ich habe heute gerade im Radio jemanden aus dem Innenministerium reden hören, der gesagt hat, das Thema Vorratsdatenspeicherung, Datenschutz, das ist so schwammig, das fällt mir. Da dachte ich, oh mein Gott, also wenn du das jetzt schon als schwierig ansiehst, wie soll ich denn da durchsehen? Und wie sollen dann andere Bevölkerungsgruppen, die da jetzt nicht den ganzen Tag nach Information lächzen wie ich, wie sollen die dann da durchsehen? Ja, also Datenschutz und auch gerade, wie wird mit meinen persönlichen Daten umgegangen? Was ist mit der KI? Also wie kommt es, dass auf einmal irgendeine Stimme sich anhört wie meine Oma? Und da gibt es dann so kriminelle Machenschaften. Das ist ein super großes Thema, was auf jeden Fall noch sehr viel Arbeit bedarf. Zugang ist mehr mein Thema. Ja, auf der einen Seite ist mit der digitalen Welt, also da ist nochmal mehr zum Thema Barrieren aufgekommen, nochmal andere Barrieren. Es gibt diese digitale Welt, wo dieser ganze Informationsfluss ist. Momentan geht der Trend zur visuellen Informationenweitergabe, zu sehr vielen Fakten auf einmal, die geliefert werden. Und jetzt gerade, ja nicht nur für Menschen mit Behinderung, aber speziell für Menschen mit Behinderung gibt es da so viele Barrieren. Es gibt ganz wenig Audiodeskription zu Videos. Es gibt wenig Gebärdensprachdolmetschung. Es gibt wenig Untertitel. Auf Netflix tue ich KI jetzt schon mehr. Da gibt es auch mehr Audiodeskription. Aber ja, im Bereich der Politik und der Informationsweitergabe da sehr wenig. Viele Videos mit Texten, die siehbehinderte Blinde nicht erfassen können. Leichte Sprache, nicht nur wichtig für Menschen mit Behinderung, auch für eben keine Muttersprachler. Es gibt da sehr viel mehr Barrieren, die jetzt auftreten. Ich bin ganz gespannt auf nächstes Jahr. Nächstes Jahr gibt es durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz die Pflicht, dass verschiedene Anbieter den Zugang zu ihren Dienstleistungen und Produkten barrierefrei gestalten müssen. Da freue ich mich sehr. Ich bin auch sehr interessiert, wie das dann ablaufen wird, ob es dann auch wirklich so ablaufen wird, wie viele Schlupflöcher es geben wird. Obwohl das schon sehr lange bekannt ist, dass nächstes Jahr im Sommer die Deadline ist. Also da gibt es nochmal eine neue Form der Barrierefreiheit, die geschaffen werden muss. Nochmal kurz Werbung für BIFOS. Wir bieten ab November einen Kurs an, wo es darum geht, dass man Barrieren erkennt, dass man Barrieren meldet und dass man auch Barrieren melden darf. Eben weil es wichtig ist, dass alle Menschen Zugang haben zu den Inhalten in der digitalen Welt. Ja, also auf der einen Seite da der Zugang, dass es einen gerechten Zugang für alle gibt, aber auch, dass es die Möglichkeit für alle Menschen gibt, einen Zugang zu haben. Institutionen wie, sagen wir jetzt mal, Altersheime oder Werkstätten für Menschen mit Behinderung, da wird es nicht für jeden Zugang geben. Also es ist gut, dass es die digitale Welt gibt, aber dann bitte auch für jeden. Und so aufbereitet, dass viele Menschen da eben mitmachen können.
Sascha
00:32:23
Angela, hast du noch was zum Zugang hinzuzufügen?
Angela
00:32:26
Ja, ich kann dem nur zustimmen. Also gerade so dieses Thema Sprache, leichte Sprache. Also zum einen ist natürlich potenziell, kann die Digitalisierung hier helfen? Die KI kann sozusagen aus einer komplizierten Sprache eine leichte Sprache machen. Ob das gut ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Habe ich noch nicht so ausprobiert. Kann auch in andere Sprachen übersetzen und, und, und. Es muss halt auch hier viel, viel stärker mitgedacht werden. Und ich sehe das auch bei unseren Bürgerbeteiligungsverfahren. Wir hatten jetzt in unserem Forum gegen Fakes, hatten wir tatsächlich ein Drittel der Personen, hatten einen niedrigeren Schulabschluss als Realschule. Und da gab es ganz andere Dialoge. Wir brauchten auch Zeit, um Informationen so zu vermitteln, dass auch alle irgendwie ein gleiches Verständnis davon haben, von wie wir eigentlich gerade sprechen. Also das finde ich, ist sehr, sehr wichtig und darauf muss unbedingt Rücksicht genommen werden, dass einfach nicht alle die gleichen Fähigkeiten und die auch die gleiche Geschwindigkeit haben, wenn es darum geht, Informationen zu verarbeiten oder auch sich selbst zu äußern. Ja, also da muss man den Menschen einfach auch Zeit geben oder auch verschiedene Mittel an die Hand geben. Da kann man natürlich auch noch spannende Dinge entwickeln. Muss ja nicht immer das geschriebene oder gesprochene Wort sein. Ja, also da kann man, glaube ich, noch viel kreativer werden, um eben auch Zugang zu ermöglichen, aber eben auch es zu klichen, dass sich alle auch äußern können.
Juliane
00:34:13
Und ich finde, dass es halt diese Unterschiede gibt, das sollte ganz wertfrei betrachtet werden und ganz selbstverständlich, dass es halt erstmal Raum geben muss, um alle abzuholen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir alle die gleiche Masse an Informationen jeden Tag aufnehmen.
Angela
00:34:30
Absolut.
Sascha
00:34:31
Sehr spannend. Angela, ich will natürlich nicht gerne jetzt so mit den letzten zwei Fragen in die Negativität reingehen, aber trotzdem ist ein Thema, was wir ansprechen müssen. Was sind denn die Bedrohungen, die es gibt für die Demokratie derzeit? Mit welchen Bedrohungen denkst du, dass wir uns demnächst auseinandersetzen müssen oder jetzt schon auseinandersetzen?
Angela
00:34:52
Also darüber denken wir natürlich gerade sehr viel nach und haben natürlich auch keine Antwort darauf. Sonst würden wir, glaube ich, oder sonst würden viele schon viel aktiver dagegen arbeiten. Also ich glaube tatsächlich, was jetzt letztendlich über viele Jahre hinweg zu keiner Stärkung der Demokratie beigetragen hat, sondern eben eher zur Bedrohung der Demokratie beigetragen hat, ist eben diese sehr starke Vereinzelung und Fragmentierung der Gesellschaft. Also wir sehen schon irgendwie, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht mehr so stark ist. Ja, verstehen wir uns überhaupt noch als ein Teil der Gesellschaft? Was ist denn für jetzt alle Menschen, die in Deutschland leben? Was ist denn die Gesellschaft? Gibt es die überhaupt? Also das, denke ich, ist auf jeden Fall ein Thema. Was aus meiner Sicht eben auch wichtig ist, dass sich viel gesellschaftlicher Dialog oder auch Dialog zwischen Menschen in den digitalen Raum bewegt hat und dass es dort eben sozusagen Wildwuchs gibt, keine Regeln. Jeder kann das machen, was er will und das geht halt nicht. Wir haben in unserem realen Raum furchtbar viele Regeln. Es kann nicht jeder auf der Straße machen, wozu er lustig ist und eigentlich brauchen wir das auch im digitalen Raum. Das, glaube ich, ist ganz wichtig, weil da werden viele Leute bedroht und das schafft eine Atmosphäre der Bedrohung an vielen Stellen im digitalen Raum. Und das trägt eben dazu bei, dass Menschen sich dort nicht mehr äußern oder vielleicht sogar sich nicht mal mehr draußen auf der Straße äußern, weil einfach bestimmt, ja, Arten und Weisen sich zu äußern, gegen jemanden zu gehen, dass das irgendwie, also es hat so eine gewisse Verrohung stattgefunden. Und das ist der Gesellschaft und der Demokratie natürlich nicht zuträglich. Was für uns jetzt als, ich sage mal, Verfechter der Partizipation ein bisschen schade ist, dass gerade in der Politik viele Vorbehalte existieren gegen Bürgerbeteiligung und gegen Partizipation, Weil eben gesagt wird, ja, aber die Politik, wir sind doch die gewählten Vertreter, wir brauchen doch nicht die Bürgerinnen und Bürger, die jetzt irgendwie entscheiden, sondern wir wurden doch gewählt, um zu entscheiden. Und eben die Chance oftmals nicht sehen, dass sie eben durch die Ideen, durch die Perspektiven von Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie zuhören, Entscheidungen, ihre eigenen Entscheidungen viel besser werden können und viel fundierter im Sinne von, ja, das ist eben wirklich tauglich für einen Großteil der Gesellschaft. Also hier wird sozusagen das, was als Bedrohung auf der einen Seite da ist, leider nicht so wirklich aufgegriffen als Potenzial, die Demokratie eben auch zu stärken. Und hier hoffen wir einfach sehr, dass sich hier noch ein bisschen was tut und eben in der Politik auch eine größere Offenheit für Partizipation erwächst.
Sascha
00:38:32
Was für ein gutes Stichwort, liebe Angela. Und das ist nämlich das Stichwort für Juliane. Du bist mit deinem Projekt des Empowerments sehr aktiv dabei, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmter auch aktiv werden in der Politik, in der Gesellschaft, aber vor allem in der Politik. Wie wichtig ist es denn, dass wir Menschen mit Behinderung in die Politik kommen? Es gibt ja mittlerweile schon ein bisschen mehr als noch vor ein paar Jahren, aber nicht alle beschäftigen sich auch gerne mit dem Thema Behinderung. Aber trotzdem, wie wichtig ist es, dass wir in der Politik sichtbarer und aktiver werden als Menschen mit Behinderung?
Juliane
00:39:05
Also das Thema Bedrohung, das sehen wir Menschen mit Behinderung sehr aktiv. Wir sehen das sehr nah an unserer Realität und so ist es eben wichtig, dass wir mitbestimmen, dass wir ein Teil derer sind, die mitbestimmen, sodass diese Unterschiedlichkeit nicht als Manko gesehen wird, sondern einfach als wertfreier Fakt. Wir sind halt alle unterschiedlich und verschiedene Meinungen müssen halt eingebracht werden. Wir sind noch zu wenig vertreten. Ich finde, es könnten durchaus noch mehr Menschen mit Behinderungen in die Politik, in die Gremien, in die Selbstvertretung hineingehen. Da müssten dann auch die Bedingungen dafür geschaffen werden. Ja, und ich weiß nicht, jetzt im Moment, Sascha, korrigiere mich, wenn ich falsch liege. Ich glaube, es sind drei Menschen im Europaparlament, die gerade öffentlich Menschen mit Behinderungen sind.
voice
00:39:58
Die ganze Zahl habe ich nicht genau,
Sascha
00:39:59
Aber im Europaparlament sind es glaube ich drei. Im Bundestag sind es mittlerweile ein bisschen mehr. Da war ja auch eine gehörlose Politik, die jetzt zum ersten Mal aufgetreten ist. Was ich da sehr spannend fand, dass das Thema Behinderung bei ihr jetzt gar nicht auf der Tagesordnung stand, sondern wirklich zu einem anderen Thema. Fand ich aber auch sehr wichtig, dass man auch diese Breite nochmal zeigt, dass wir Menschen mit Behinderung nicht, wir hatten vorhin im Off-Gespräch über die Berufsbehinderung gesprochen, dass man nicht jeden Tag sich nur mit der Behinderung beschäftigt, sondern dass auch noch andere Themen uns interessieren.
Juliane
00:40:25
Absolut. Ja, das ist mir auch wichtig, dass wir halt nicht nur die ExpertInnen in eigener Sache sind, dass wir halt nicht nur den ganzen Tag darüber reden, hey, das ist meine Lebensrealität, sondern ich kann durchaus auch über Personalwirtschaft und Personalentwicklung mit anderen Leuten reden. Also es gibt auch andere Expertisen, die wir abbilden und wo wir auf jeden Fall Teil der Gesellschaft sein sollten. Also was ich vorhin mit den drei Personen sagen wollte, es sind halt noch relativ wenig Leute, die im Europaparlament im Vergleich zur echten Realität, das sind 27 Prozent, glaube ich, in Europa, die Menschen mit Behinderung sind, also mehr als jeder Vierte. Es wäre also gut, wenn wir mehr vertreten sind, unsere Realitäten mehr dargestellt werden, aber auch anerkannt wird, dass wir halt ExpertInnen auch in anderen Angelegenheiten sind. Ja, dementsprechend, damit halt die Gesellschaft, die inklusive Gesellschaft abgebildet wird, ist es wichtig, dass wir aktiv sind, dann aber auch aktiv sind und aktiv mitgestalten. Es ist eben wichtig, dass wir nicht nur sagen, hier läuft einiges falsch, sondern okay, und jetzt gehe ich mal dahin und sage, so, ich mache mit.
Sascha
00:41:26
Sehr gut. Eine allerletzte Frage an euch beide, um diesen Podcast hier abzuschließen, ist die, was sind eure Wünsche oder eure Zukunftsperspektiven? Wo seht ihr Digitalität, Partizipation und Demokratie, diese drei Begriffe in der Zukunft? Ich würde bei Angela anfangen.
Angela
00:41:46
Digitalität, Demokratie und Partizipation. Also ich glaube, wir sind mit dem, was wir im Moment so tun, auf einem ganz guten Weg. Wir nutzen die Chancen digitaler Tools, sage ich mal, um Partizipation zu ermöglichen, bemühen uns da eben, niedrigschwellige Zugänge zu bieten und möglichst viele, eine Vielfalt von Menschen einzubinden. Das, glaube ich, stärkt in jedem Fall die Demokratie, wenn Menschen eingebunden werden, wenn sie sich für politische Themen interessieren, wenn sie verstehen, wie politische Prozesse laufen und das trägt alles dazu bei. Und aus meiner Sicht ist es eben aber schon auch wichtig, den echten Dialog zu fördern und eben, ich sage mal, Orte, Räume, Gelegenheiten, vielfältigste Art zu kreieren, wo Menschen zusammenkommen und sich zu verschiedenen Themen austauschen, in den Diskurs gehen und auf diese Weise letztendlich zu einer gut gestalteten Demokratie beitragen. Das ist dann sowohl im digitalen Raum als auch im echten Raum, im echten Leben.
Sascha
00:43:09
Und du, Juliane?
Juliane
00:43:11
Da kann ich mich nur anschließen. Auf jeden Fall braucht der Austausch im digitalen Raum ja noch mehr Regeln, wie wir schon gesagt haben. Würde ich mir wünschen, wenn es da noch mehr Aufklärungsarbeit gibt. Und der digitale Raum sollte nicht als alleiniger Raum gesehen werden zum Austausch, sondern halt als eine Möglichkeit. Schön finde ich, dass viele Konferenzen jetzt hybrid veranstaltet werden, sodass viele Menschen teilnehmen können. Aber ich sehe das genauso wie Angela. Wir müssen halt auch den Austausch face to face beibehalten.
voice
00:43:45
Ja, also ich wünsche mir einen geregelten,
Juliane
00:43:48
Guten, fairen Austausch im digitalen Raum, aber auch im richtigen Raum.
Sascha
00:43:54
Dr. Angela Jane, Juliana Harms, euch beiden herzlichen Dank für diesen sehr interessanten Austausch. Und dann hoffen wir, dass wir diesen Weg, den ihr hier als letzte Perspektive genannt habt, auch zusammen gehen können. Dankeschön.
Angela
00:44:09
Ja, vielen Dank. Hat Spaß gemacht. Digital Kompass Podcast. Der Podcast, um gemeinsam digitale Barrieren zu überwinden. Herausgeber Deutschland sicher im Netz e.V. Der Digital Kompass Podcast wird ermöglicht durch das Bundesverbraucherschutzministerium. Der Digital Kompass ist ein Verbundprojekt der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und von Deutschland sicher im Netz. Weitere Informationen findet ihr unter www.digital-kompass.de Über Feedback zu diesem Podcast freuen wir uns.