Sehbehinderung – Mythen, Hilfsmittel & persönliche Einblicke
Ein Gespräch mit Iris Timmer und Christian Heinz von PRO RETINA.
26.08.2025 43 min
Zusammenfassung & Show Notes
In der 19. Episode des Digital-Kompass Podcasts sprechen Iris Timmer und Christian Heinz von der Selbsthilfeorganisation PRO RETINA über ihre persönlichen Erfahrungen mit Sehbehinderung, den Unterschied zur Blindheit und den gesellschaftlichen Umgang mit Sehbeeinträchtigungen.
Konkret geht es in dieser Podcast-Folge um folgende Fragen:
- Was unterscheidet eine Sehbehinderung von Blindheit – und wie wird das gesetzlich definiert?
- Welche Mythen und Missverständnisse begegnen sehbehinderten Menschen im Alltag?
- Wie erleben Betroffene den Spagat zwischen Selbstständigkeit und notwendiger Unterstützung?
- Welche Technologien und Hilfsmittel erleichtern den Alltag?
- Was wünschen sich Betroffene von der Gesellschaft im Umgang mit Sehbehinderung?
- Wo kann Aufklärung ansetzen – sowohl bei Betroffenen als auch in der breiten Öffentlichkeit?
- Wie steht es um Barrierefreiheit im Alltag?
- Welche skurrilen oder humorvollen Erlebnisse haben Iris und Christian in Zusammenhang mit ihrer Sehbehinderung erlebt?
- Welche ersten Schritte sind hilfreich, wenn man selbst oder im Umfeld mit Sehbehinderung konfrontiert wird?
Weitere Informationen findet ihr unter www.digital-kompass.de
Feedback: info@digital-kompass.de
Genannte Angebote und Links aus dem Podcast:
Transkript
Aber was für mich immer, immer, immer noch das allerwichtigste Hilfsmittel ist,
das sind meine Mitmenschen.
Also wenn ich wirklich auch mit meiner Technik nicht mehr weiterkomme,
dann gehe ich freundlich auf meine Mitmenschen zu und frage,
Mensch, können Sie mir mal helfen?
Das ist für mich eigentlich das wichtigste
Hilfsmittel, auch offen damit umzugehen, wenn ich was nicht kann.
Einfach zu sagen, hey, hier gerate ich jetzt an meine Grenzen,
vielleicht auch mit meiner Technik und dann meine Mitmenschen mit ins Boot zu holen.
Digital Kompass Podcast Der Podcast, um gemeinsam digitale Barrieren zu überwinden.
Präsentiert vom Digital Kompass,
Moderator, euer Inklusator Sascha Lang Der Digital Kompass Podcast,
das ist die Episode Nummer 19. In der 18.
Episode haben wir uns mit einem Thema beschäftigt, nämlich mit dem Thema Hörschädigung
und wie Hörgeräte eventuell Menschen mit Hörschädigungen helfen können.
Und in diesem Monat beschäftigen wir uns mit dem Thema Sehbehinderung.
Es ist ein Unterschied zwischen sehbehindert und blind.
Und ja, wen kann man da am besten fragen, wie die Leute von ProRetina?
Zwei habe ich bei mir, Iris und Christian. Herzlich willkommen, ihr beiden.
Hallo Sascha. Hallo Sascha, vielen Dank für die Einladung. Fangen wir mal vorne
an. Wer ist eigentlich ProRetina?
Pro Retina ist eine Vereinigung für Menschen mit Netzhauterkrankungen,
ursprünglich mal gegründet als deutsche Retinitis Pigmentosa Vereinigung.
Uns gibt es seit 1977, also schon seit 48 Jahren.
Genauso alt wie ich ist der Verein. Das ist ganz cool, kann ich mir immer sehr, sehr gut merken.
Und ja, wie gesagt, ursprünglich Retinitis-Pigmentosa-Vereinigung.
Mittlerweile sind aber ganz, ganz viele unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen
Netzhauterkrankungen unter unserem Dach beheimatet.
So die ganzen juvenilen Netzhauterkrankungen wie Morbus Stargardt,
Morbus Best, Lohn und so weiter.
Also wenn ich sie jetzt alle aufzähle, dann haben wir hier eine ganze Menge Zeit schon verschenkt.
Und nicht zu vergessen, die Menschen mit AMD befinden sich auch mit unserem
Dach. Also die altersbedingte Makuladegeneration, was ja mittlerweile auch eine
sehr, sehr große Gruppe darstellt.
Ich habe gesagt, zwei Gäste bei mir, Christian und Iris. Iris hat jetzt kurz
ProRetina vorgestellt.
Christian, stell du dich mal kurz selber vor, bevor dann Iris sich natürlich
auch kurz vorstellen. Und wer ist denn Christian Heinz eigentlich?
Ja, ich bin Mitglied in der ProRetina und bin selber Betroffener mit RP.
Und moderiere mit Iris zusammen den Podcast Blind Verstehen,
den Proetina-Podcast. Und jetzt bist du dran, Iris.
Wir haben schon ein Merkmal von dir rausgehört. Du bist Moderatorin des eigenen Podcasts von euch.
Ja, ganz genau. Also ich mache das mit dem Christian zusammen.
Blind Verstehen ist unser Podcast.
Ich selber bin natürlich auch betroffen von einer Seheinschränkung.
Ich habe selber Moritz Dagart.
Bei mir ist das Zentrum des schärfsten Sehens verloren oder der Punkt des schärfsten
Sehens verloren gegangen.
Das heißt, ich habe einen großen zentralen Gesichtsfeltausfall und sehe im Zentrum
so gut wie gar nichts mehr, kann aber die Randbereiche sehr gut wahrnehmen,
wodurch ich mich sehr, sehr gut noch orientieren kann.
Im Gegensatz zu euch bin ich ja voll blind. Jetzt stelle ich mir natürlich immer
die Frage, was bedeutet denn eigentlich sehbehindert und wo findet man oder
wo darf man, kann man eine Grenze ziehen zwischen sehbehindert und blind?
Naja, letzten Endes macht man es ja eigentlich an Zahlen fest.
Also offiziell ist man ja,
blind ab einem Visus von zwei Prozent, dann gilt man als gesetzlich blind.
Auch das Gesichtsfeld spielt dabei eine Rolle. Da bin ich jetzt nicht so ganz im Thema.
Christian, das Gesichtsfeld ist, glaube ich, eher so dein Thema,
weil Retinitis pigmentosa, da kommt es ja ganz viel aufs Gesichtsfeld an.
Wie groß darf das Gesichtsfeld noch sein, bevor man als gesetzlich blind gilt?
Ich meine unter fünf Grad.
Genau, so war mein Kenntnisstand auch. Also der größte Unterschied ist natürlich,
dass sowohl der Christian als auch ich noch einen kleinen Sehrest haben, sage ich mal.
Das heißt, ihr geltet als sehbehindert, nicht als blind?
Doch, ich bin gesetzlich blind und die Iris auch.
Ich gelte eigentlich auch als gesetzlich blind, aber ich sage ja immer,
ich habe einen sehr, sehr guten Sehrest und ich kann mich sehr, sehr gut orientieren.
Also ich denke, da ist die Grenze auch so ein bisschen schwimmend.
Also ich sage gerade, zwei Prozent ist die Marke, bis fünf Prozent ist man ja
auf jeden Fall sehbehindert.
Und das ist natürlich ganz, ganz schwimmend. Es ist natürlich auch manchmal tagesformabhängig.
Ich finde aber auch, also bei dem Begriff sehbehindert,
macht man da immer diesen, also ja gesetzlich schon, aber so im Alltag finde
ich das gar nicht so schlimm, wenn man dann zu einem Blinden sagt, der ist sehbehindert.
Das ist ja eine Behinderung letztendlich trotzdem auch.
Und deswegen finde ich, muss da nicht unbedingt immer so eine klare Grenze gezogen werden.
Und ich persönlich bin da auch nicht beleidigt, wenn jemand sagt,
du bist sehbehindert und nicht sagt, du bist halt gesetzlich blind.
Ich finde ja auch, wie gesagt, ab zwei Prozent ist man gesetzlich blind,
bis dahin ist man sehbehindert.
Also wie groß ist der Unterschied vom Seheindruck von drei Prozent und von zwei
Prozent? Also wenn man das jetzt an den Zahlen festmacht.
Also wenn du mich fragst, ich bin...
Ich bin offiziell zwar gesetzlich blind, aber eigentlich habe ich eine Sehbehinderung.
Also ich bin eingeschränkt wie eine sehbehinderte Person durch diesen riesengroßen
zentralen Gesichtsfeldausfall, was ich ja aber vorhin schon sagte,
ich kann mich immer noch gut orientieren dadurch, dass meine Randbereiche ja noch funktionieren.
Und da haben wir ja schon eines der, wir haben jetzt ganz viel darüber gesprochen,
wo ist die Definition, wo ist die Grenze?
Und das ist ja wahrscheinlich auch das, was so ein bisschen eine Problematik
bei den Betroffenen ausmacht,
weil es sehr schwierig ist, es erstens mal zu definieren und zweitens natürlich
dann auch einer Gesellschaft klarzumachen, was ist sehbehindert,
was ist blind, wo brauche ich Hilfe, was sieht man, was sieht man nicht?
Also was sieht man jetzt als Externer und was sieht man als.
Also das ist ja eine unsichtbare Behinderung.
Wenn man komplett blind ist, dann sieht man das ja ganz klar und deutlich.
Wenn man sehbehindert ist, dann fällt es manchmal vielleicht auch gar nicht auf.
Was begegnet ihr denn da im Alltag auch für Mythen oder für Stereotypen,
wenn ihr euch wirklich mal so daran überlegt, was die Menschen so dann sich
auch vorstellen unter Sehbehinderung?
Also so aus der eigenen Erfahrung finde ich, für die Menschen gibt es eigentlich
bei dem Begriff blind nur schwarz oder weiß.
Also entweder siehst du was oder du siehst nichts.
Man kann ganz schlecht oder viele können ganz schlecht damit umgehen,
dass man gewisse Dinge sieht und dann wieder andere nicht.
Und das führt auch innerhalb der Familie schon öfter mal zu Problemen,
dass da einfach, ja, das siehst du jetzt wieder.
Ja, und dann sagt irgendjemand irgendwas nicht, dass irgendwas im Weg steht oder auf dem Tisch.
Und dann wird das umgehauen und dann komme ich eigentlich von meiner Seite aus
und sage, wieso hast du denn nichts gesagt?
Also es ist wahnsinnig schwierig für Außenstehende, immer so diese Grenze zu ziehen.
Was heißt das eigentlich, wenn man nicht richtig sieht?
Weil ein Vollsehender sich das gar nicht so vorstellen kann,
ohne das Böse zu meinen, dass er sich das nicht vorstellen kann.
Naja, also ich musste gerade an so eine Begebenheit im Zug denken.
Also ich war mit meinem Hund unterwegs und hatte meinen Langstock aber im Rucksack stecken.
Habe mit meiner Tochter im Zug gesessen und habe auf meinem Handy was geguckt.
Ich habe meine Schrift sehr, sehr groß eingestellt. Und mir gegenüber saß ein
Ehepaar und die guckten mich die ganze Zeit so an.
Und irgendwann haben sie sich dann getraut und meinten so, sagen Sie mal,
ist das Ihr Blindenführhund?
Und ich sage, ja, aber Sie sind
doch gar nicht blind, Sie können doch ganz normal auf Ihr Handy gucken.
Und dann sage ich, ja, ich habe die Schrift sehr, sehr groß eingestellt,
aber ich habe auch einen Kopfhörer im Ohr. Ich lasse mir hier gerade alles vorlesen.
Also es ist wirklich auch dieser Mythos, wenn jetzt jemand blind ist,
der kann kein Smartphone zum Beispiel bedienen oder die digitalen Medien nicht nutzen oder so.
Also in der Bevölkerung herrscht halt einfach dieses Bild. Das funktioniert
dann nicht. Du hast gerade Hilfsmittel angesprochen.
Welche Hilfsmittel kann man denn so erwähnen, helfen sehbehinderten Menschen?
Denn das Leben zu erleichtern, klingt so blöd, aber klingt doch trotzdem so.
Was sind denn da neben dem Mobilfone, neben dem Handy, was sind denn da auch
vor allem vielleicht tragbare, bewegbare Möglichkeiten, wo ihr sagt,
das erleichtert schon einiges.
Du sagst jetzt mit der großen Schrift und dem Ton zusammen, also beides hilft dir.
Was habt ihr da so alle beide an Ideen? Was ist sehr individuell,
ich weiß, aber was würdet ihr so als Ideen geben, was man als Hilfsmittel nutzen
kann? Also ich sage mal so, früher war es tatsächlich so, dass ich immer auf
der Suche war, oh, was ist denn jetzt das beste Hilfsmittel für mich?
Also es gab ja die OrCam zum Beispiel oder gibt es ja auch immer noch,
um sich mal ein Buch oder einen Text vorlesen zu lassen oder um es als Einkaufshilfe mitzunehmen.
Was ich aber in meinem Alltag einfach gemerkt habe, mittlerweile vereint das
Smartphone wirklich so viele Dinge in sich, dass wirklich mein wichtigstes Hilfsmittel,
mein Smartphone und mein Ladekabel ist.
Also ich habe immer eine Powerbank dabei, ich habe immer ein Ladekabel dabei,
weil ich einfach ohne mein Smartphone aufgeschmissen bin. Also ich kann mir
mal eben was abfotografieren, kann mir das Foto in Text umwandeln lassen und
es mir vorlesen lassen mittels Voice-Over.
Ich bin so unabhängig dadurch geworden, das ist der Hammer. Also das konnte
mir bis jetzt noch keine Technik irgendwie so bieten.
Aber was für mich immer, immer, immer noch das allerwichtigste Hilfsmittel ist,
das sind meine Mitmenschen.
Also wenn ich wirklich auch mit meiner Technik nicht mehr weiterkomme,
dann gehe ich freundlich auf meine Mitmenschen zu und frage,
Mensch, können Sie mir mal helfen?
Hatte ich gerade gestern wieder. Ich habe getrocknete Tomaten zum Beispiel gesucht.
Und wir kennen das alle in so einem riesen Supermarkt.
Es ist das Antipasti-Regal voll und da stehen ganz viele kleine Pöttchen und
es sieht alles gleich aus für mich.
Und es stand eine Frau neben mir und ich sage, sagen Sie mal,
können Sie mir mal ganz kurz helfen, finden Sie hier getrocknete Tomaten.
Und das war überhaupt gar kein Thema. Die hat mir dann geholfen und hat mir das dann rausgesucht.
Also das ist für mich eigentlich das wichtigste Hilfsmittel,
auch offen damit umzugehen, wenn ich was nicht kann.
Einfach zu sagen, hey, hier gerate ich jetzt an meine Grenzen,
vielleicht auch mit meiner Technik und dann meine Mitmenschen mit ins Boot zu holen.
Und was noch ein wichtiges Hilfsmittel ist, wenn ich im Straßenverkehr unterwegs
bin, ist natürlich entweder, mittlerweile habe ich einen langen Stock,
aber früher war es ein Kennzeichnungsstock, damit auch andere Mitmenschen sehen,
dass ich nicht gut sehen kann.
Also damit gerade die Autofahrer, Fahrradfahrer, entgegenkommende Fußgänger
aufmerksam werden, ich laufe jetzt nicht absichtlich in die hinein,
sondern ich kann sie wirklich nicht wahrnehmen zum Beispiel.
Ja, da ist der Stock meiner Meinung
nach auch das primäre, wichtigste Hilfsmittel, was ganz vorne steht.
Einmal, um sowas zu vermeiden, wie du gerade sagst, Iris, dass man Leute anrempelt,
dass sie sofort sehen, okay, da liegt ein Problem vor.
Ja, als weitere Hilfsmittel kann ich das nur bestätigen. Da ist so das Telefon
mit den dazugehörigen Apps, das Hilfsmittel der Wahl, auch für mich.
Ich habe so im heimischen Bereich auch noch eine Lupe.
Beziehungsweise ein Lesegerät, aber nur, um mal wirklich ein Wort zu lesen oder
sowas, weil das viel zu anstrengend ist.
Und das ist, glaube ich, dann auch nur noch dieser Wille, ich kann das noch.
Ja, aber Christian, wegdenken darf man sich das auch nicht. Also gerade wenn
wir jetzt hier, also der Digitalkompass ist ja ein Podcast von der BAXO,
Bundesarbeitsgemeinschaft für Senioren, wenn ich richtig informiert bin.
Dann reden wir auch von den älteren Menschen
und für die ist natürlich das Bildschirm-Lesegerät nicht wegzudenken.
Ich habe auch eins in meiner Küche stehen, das habe ich eben unterschlagen.
Ich will das auch nicht wegdenken.
Auf gar keinen Fall. Ich nutze es ja auch noch. Aber dadurch,
dass ich ja nur mit der Technik auch eben so vertraut bin und das auch mag und bevorzugt,
ist es wirklich wahrscheinlich, dann wäre ich genauso schnell,
wenn ich dann über mein Telefon mir was ansagen lasse.
Aber das geht wirklich noch, das möchte ich mir irgendwie selber, keine Ahnung.
Aber für alle Menschen ist das schon sehr wichtig. Genau, lass mich nochmal dazwischen.
Du kannst dir ja nicht alles unbedingt immer ansagen lassen.
Manchmal bekommst du Formulare, die man ausfüllen muss.
Ich musste jetzt gerade wieder Bestätigung für den Landkreis ausfüllen.
Da ging es um Gelder, die bewilligt werden.
Und das funktioniert, das kommt per Papier. Und das muss ich ja in Papierform
auch ausfüllen. Und das funktioniert unter so einem Lesegerät natürlich super, super gut.
Also klar, es ist mühsamer, als wenn das ein Sehender machen würde,
weil ich sehe auch tatsächlich, wenn, dann maximal die eine Zeile und die eine
Frage und muss mich dann da durchhangeln und mit meiner superschönen Schrift
das Formular ausfüllen.
Aber immerhin kann ich es noch alleine, weil darum geht es ja auch noch,
selbstbestimmt und selbstständig Sachen machen zu können.
Die Kunst, die wir ja haben derzeit, ist, wir sind in einem Wandel.
Wir sind in einem Wandel von analog zum digital, dürfen die Menschen nicht vergessen,
die immer noch analog sind und nicht auf digital umsteigen können, aus vielen Gründen.
Und auf der anderen Seite dürfen wir das Digitale, also die Barrierefreiheit
nicht vernachlässigen, damit die, die schon digital affin sind,
mitkommen. Das ist ja eine Kunst, die wir haben.
In der Familie oder bei Freunden ist es ja teilweise so sehr unterschiedlich.
Auf der anderen Seite sagen sie, ach wie, du kannst mit dem Handy umgehen?
Und auf der anderen Seite hört man so ein bisschen die Aussage,
ach du hast ja jetzt deine eilelegende Wollmilchsau, das geht doch alles jetzt,
du brauchst doch keine Unterstützung mehr.
Ist das so etwas, was euch auch begegnet, so diesen Zwischball zwischen,
ach ihr könnt das überhaupt, Farberkennung oder Barcode lesen oder auf der anderen
Seite, ihr könnt doch alles, ihr braucht doch keine Unterstützung mehr?
Ja, in einem gewissen Rahmen, gebe ich dir da recht, Sascha,
das ist tatsächlich so, dass man das immer wieder erlebt, aber unterm Strich, finde ich,
ist so die Äußerung dann doch, also wie wahnsinnig weit die Technik,
es ist doch super, dass es das gibt und das damit weiterkommt oder dass du damit weiterkommst.
Also dass da so ganz krass gesagt wird, wie das kannst du, das finde ich ist
äußerst selten geworden.
Aber dass dann schon mal tatsächlich, das kannst du ja jetzt,
da muss ich dir recht geben, das erlebt man doch sehr viel.
Ja, man erlebt das schon. Also ich erlebe eigentlich eher die Faszination der
Umwelt, was alles so geht, also mit den Apps, mit den unterschiedlichen.
Dass die Menschen sagen, das hätte ich jetzt gar nicht gedacht. Wie cool ist das denn?
Manchmal, wenn ein Foto reinkommt, dann lasse ich es mir beschreiben mit einer
App. Und dann heißt es so, das ist ja mal cool.
Und wenn ich dann möchte, kann ich noch Hintergrundinformationen kriegen.
Und viele Sehende informieren sich dann ja auch und laden sich ja auch dann
diese Apps. Wie heißt die, wie heißt die?
Ja, habe auch schon im Büro mich amüsiert mit der Seeing Eye App damals,
wo wir dann Fotos gemacht haben voneinander und uns kaputt gelacht haben über
die Beschreibungen oder wie alt oder jung die App einen mal ist.
Das lässt schon auch ein bisschen Lockerheit aufkommen. Ja, genau.
Was ich aber auch erlebe, ist, dass dann die Leute auch mal sagen,
ich vergesse das immer, wie schlecht du sehen kannst.
Und einerseits denkt man dann so, ja, also in manchen Situationen wäre es jetzt
ganz gut, du würdest es noch im Kopf haben.
Aber andererseits finde ich, ist es auch ganz schön, Weil in dem Moment,
wo es in den Hintergrund tritt, die Seheinschränkung, bin ich ja einfach ein
ganz normaler Teil der Gesellschaft und dann ist es ja für meine Umgebung auch normal.
Du gibst mir eine wunderbare Vorlage, Thema Gesellschaft. Was wünscht ihr euch
oder was wünscht ihr euch von der Gesellschaft im Umgang mit Sehbehinderung?
Und ist es aus eurer Sicht, ihr kennt ja jetzt auch viele ganz Blinde,
sage ich jetzt mal so, also die nicht noch einen Sehrest haben,
sondern wirklich komplett blind sind.
Gibt es einen Unterschied im Umgang von der Gesellschaft mit Sehbehinderten und mit Blinden?
Also die Frage in zwei geteilt. Fangen wir bei der ersten Frage nochmal an.
Was wünscht ihr euch von der Gesellschaft im Umgang mit Sehbehinderung?
Das ist tatsächlich eine schwierige Frage. Natürlich wünsche ich mir persönlich
einen ganz, ganz normalen Umgang mit mir.
Also ich wünsche mir zum Beispiel, wenn ich jetzt, ich habe jetzt einen Blindenführhund,
ja, ich wünsche mir, dass ich mit meinem Blindenführhund in die Geschäfte komme
und dass das für die Betreiber der Geschäfte und auch für die Kunden in den
Geschäften ganz, ganz normal ist,
was es hier bei mir vor Ort zum Glück ist.
Aber das geht ja jetzt schon viel weiter. Nicht jeder Sehbehinderte hat ja einen Hund.
Also ich würde mir wünschen, dass es einfach, dass die Leute wissen,
was ist eine Sehbehinderung und wo kann ich vielleicht unterstützen und wie
mache ich es vielleicht auch richtig.
Also ich hatte gestern gerade eine Situation, dass hier eine neue Baustelle
aufgebaut wurde und ich habe dann gefragt, wo muss ich jetzt hier runter auf die Straße.
Und ich habe es tatsächlich, ich habe es gestern dem Christian schon erzählt,
ich habe es noch nie erlebt, dass mich irgendjemand am Oberarm gepackt hat und
mich irgendwo hingezerrt hat.
Und dann kam ein Bauarbeiter, packte mich am Oberarm.
Der Hacken-Porsche, der hing hinten dran und ich wurde dann durch diese Baustelle
gezerrt. Der meinte es sicherlich gut, ja.
Aber es war in dem Moment ziemlich blöde, weil ich musste dann halt auf die
Straße. Er hat dann auch nicht zur Straße hin abgesichert und so.
Also da würde ich mir schon wünschen, dass gerade in solchen Bereichen vielleicht
auch ein bisschen sensibilisiert wird.
Oder dass auch beim Einkaufen nicht immer gesagt wird, ja, wieso, es steht doch da.
Also wenn ich jetzt schon frage und mir den Mut fasse zu fragen und sage,
ich kann sehr schlecht gucken, könnten Sie mir vielleicht bitte helfen,
dass da nicht kommt, ja, wieso, es steht doch da, können Sie doch eben lesen.
Sondern dass da dann manchmal die Bereitschaft einfach doch so da wäre,
einfach zu sagen, hier, das ist das und das, es ist Väter und der läuft dann
und dann ab oder so. wenn ich danach gefragt habe.
Bei mir wäre das Verständnis schon eher, oder mein Wunsch wäre,
dass das Verständnis oder die, ja, das Verständnis für Sehübungen
Trotz Sehrest gehen Dinge nicht mehr. Dass das irgendwie eine Akzeptanz kriegt.
Dass man in gewissen Situationen ist es auch so, dass ich einfach diese Diskussion und diese.
Ich nenne das mal in Anführungsstrichen, abwertenden Meinungen hier,
der Schauspieler, der kann ja doch gucken,
dass ich dann in gewissen Situationen tatsächlich die Leute draußen dann auch
bediene und einfach keinen Sehrest mehr habe. Das ist total bescheuert.
Aber weil ich einfach die Leute nicht in diese Situation bringen möchte,
einmal zu denken, kann der nur oder kann der nicht sehen? Was ist da nun los?
Und ich diese Diskussion dann auch manchmal einfach scheue, weil ich darüber
jetzt nicht sprechen möchte oder das nicht ausdiskutieren will.
Dass da einfach das Verständnis, die Aufklärung irgendwie doch größer ist,
dass das einfach sehr vielfältig sein kann und dass man großgestellte Wörter
auf dem Handy schon sehen kann, aber nicht in der Lage ist, Leute zu erkennen oder die...
Fahrplan anzeigen, an der Bushaltestelle oder sowas zu erkennen.
Das wäre, glaube ich, so mein größter Wunsch, das da in den Köpfen mehr.
Aber ich glaube tatsächlich, Christian, wenn ich da reingrätschen darf,
da ist auch ganz viel Offenheit von unserer Seite aus gefragt.
Auf jeden Fall. Wie sollen die Leute das wissen?
Ich grüße auch nicht jeden und dann heißt es manchmal, oh, die Arrogante.
Aber ich erkenne die Leute einfach nicht. Und was ich mache,
ist, ich gehe damit sehr, sehr offensiv um.
Also ich gehe zum Beispiel zum Sport mit ganz, also ins ganz normale Fitnessstudio
mit ganz normal sehenden Menschen.
Und ich habe gesagt, hey Leute, ich habe einen Sehrest von zwei Prozent.
Es wäre super, wenn ich den Platz hier vorne kriegen könnte,
damit ich die Trainerin, also ich habe eine Blickwendung, wo ich noch sehr,
sehr gut das erkennen kann, was die Trainerin macht.
So, und ich mache mit und es merkt mir keiner an. Und dadurch glauben mir die
Leute das im Fitnessstudio nicht.
Und ich habe gemerkt, dass die Leute mich dann aber auch testen.
Also wenn ich dann unterwegs bin im Ort, dann kann das schon mal passieren,
dass ich jemanden aus dem Fitnessstudio treffe und ich grüße diejenigen nicht.
Und dann wird gerufen, hey Iris, ich bin's doch.
Und dann kommt man mit denen ins Gespräch und dann sagen die,
ich habe dir das nicht geglaubt, als du das im Studio erzählt hast,
dass du uns hier in dem Rahmen erkennst und dass du uns aber im Ort nicht erkennst.
Also das hatte ich jetzt schon ganz oft. Das ist ja immer diese Krux an der Sache mit dem Sehrest.
Ich meine, du weißt auch, wir tanzen ja. Ich tanze ja mit meiner Frau und Standard und sowas.
Und die Leute haben das anfangs auch nicht mitgekriegt, dass ich nichts sehe.
Wir kommunizieren halt. Meine Frau sagt mir, Achtung, und dann weiß ich Bescheid.
Dann gibt sie mir eine Richtungsvorgabe. Dann bremse ich ab oder sowas.
Aber manchmal klappt es halt nicht. Und es ist halt wie so ein Autoscooter-Rums rein ins nächste Paar.
Und anfangs waren da auch einige sauer drüber, bis die dann mitgekriegt haben.
Oh, der konnte das gar nicht sehen.
Aber dann habe ich auch gedacht, man kam ins Gespräch, dann wurde das aufgeklärt.
Ich habe denen das erklärt.
Aber ich habe dann angefangen tatsächlich, wenn ich weiß, das sind so Tanzabende,
dann trage ich auch zumindest so einen Button mit den drei Punkten.
Ja, aber wenn es da dunkel ist, fällt der ja auch nicht wirklich auf.
Der ist ja so klein. Nee, wahrscheinlich nicht. Ich weiß es nicht.
Aber das ist für meinen Kopf auch besser. Ich habe mich nochmal zusätzlich markiert.
Aber es ist tatsächlich so. Ich komme nochmal auf den zweiten Teil meiner Frage zurück.
Gibt es einen Unterschied? Fühlt ihr oder kriegt ihr das mit?
Das ist vielleicht ein bisschen provokativ jetzt die Frage, dass es Blinde da
etwas leichter haben, weil es klarer ist?
Ich glaube, sie haben es leichter, in die Kommunikation zu gehen,
weil da ist es wirklich klar, wenn ich die Augen zumache, sehe ich nichts.
Also es ist natürlich immer schwierig zu sagen, was sehe ich jetzt, was sehe ich nicht.
Weil unser Gehirn ist ja auch ein Wunderwerk. Also ich kann zum Beispiel bei
uns in der Straße die ganze Straße überblicken, aber ich sehe nicht,
was ist am Ende der Straße.
Und das Gehirn bastelt es aber so hin, dass ich das Gartentor von den Nachbarn,
die ganz hinten wohnen, noch sehe.
Und hatte ich auch schon eine Situation, dass ich Stein und Bein behauptet habe,
meine Familie steht da nicht, obwohl meine sehende Freundin gesagt hat,
deine ganze Familie steht da hinten und winkt.
Und ich habe gesagt, das kann nicht sein. Und ich bin hingelaufen und habe es kontrolliert.
Und sie sagte nur, warum glaubst du mir denn nicht so? Also wie will man sowas
hier mal klar machen, den man jetzt gerade erst im Ort kennenlernt.
Also das muss ja viel früher anfangen. Und da gibt es dann auch noch wieder
diese Vielfältigkeit unter all den verschiedenen Sehbehinderungen.
Ich habe noch ein bisschen zentral, wobei das Zentrum halt auch nur noch Seerestinseln
hat. Du bist peripher gut.
Das soll mal einer verstehen. Und deswegen glaube ich auch, Sascha,
ja, die Blinden haben es da einfacher, aber die haben dann wieder andere Baustellen
und Probleme, wo es schwierig und komplizierter wird.
Du hast gesagt, Iris, wir müssen früher anfangen. Wo würden wir denn anfangen
können, um Aufklärung zu leisten?
Es gibt ja für mich immer zwei Wege der Aufklärung. Das eine ist die Aufklärung
der Gesellschaft über die unterschiedlichen Wahrnehmungen des Sehens.
Und dann gibt es aber auch die andere Seite, die Aufklärung der Betroffenen,
in die offene Kommunikation zu gehen, was du bereits angesprochen hast.
Wo würde man denn da ansetzen können?
Naja, ich denke tatsächlich, dass man schon ganz früh ansetzen kann.
Also alle Kinder gehen mittlerweile in die Schule und in den Kindergarten,
nicht mittlerweile in die Schule, sondern gehen in die Schule.
Ja, das sollten zumindest alle tun.
Und viele gehen in den Kindergarten. Und ich denke, dass man ganz früh in diesen
Bereichen schon ansetzen kann, um den Kindern das auch zu vermitteln,
dass es Blindheit und Sehbehinderung gibt.
Und da setzt ja auch die Pro Retina an. Es gibt zum Beispiel das wunderbare
Schulprojekt von uns, Schule im Blick.
Und da gehen tatsächlich Betroffene in die Schulen und auch in die Kindergärten
und bringen den Kindern spielerisch bei, was es heißt, sehbehindert zu sein.
Also da haben die Kinder dann auch alle die Möglichkeit, die Fragen zu stellen,
die sie rund um das Thema haben.
Die haben mal die Möglichkeit, mit einer Augenbinde oder mit einer Brille zu
laufen, die eine Sehbeeinträchtigung simuliert. und auf dem Wege das zu verstehen, sage ich mal.
Und dann kann man natürlich sagen, man setzt auch in den höheren Klassen nochmal
an, weil da werden ja auch die Sinnesorgane unterrichtet.
Und ich finde, es gehört nicht nur dazu, zu verstehen, wie funktioniert ein
Auge, sondern es gehört auch dazu, was gibt es denn für Erkrankungen an dem
Auge und dass es nicht nur die Blindheit gibt, sondern auch die Sehbehinderung, die so funktioniert.
Bunt gefüllt ist wie die Farben eines Regenbogens, sag ich mal.
Also so breit ist die Palette von den Einschränkungen.
Christian, haben wir uns noch was dazu sagen? Ja, ich finde auch,
dass, also ja, da gehören immer zwei Seiten zu, um da in den Dialog zu kommen.
Aber ich glaube auch, dass einfach die Betroffenen da in den Dialog starten
sollten und einen offenen Austausch und nicht fordernden Austausch anstoßen sollten.
Also wie dieses Schulprojekt, wie diese Informationen, wie dieses Aufklären,
wie verschiedenes sein kann.
Vielleicht sogar tatsächlich, was ja dann auch oftmals in einem Schulprojekt
ist, dass man mit einem blinden Stock mal geht,
Simulationsbrillen trägt und versucht, das ein bisschen nachzustellen,
um da so eine Idee von zu kriegen.
Und je früher, desto besser. Weil auch dann kommen einem ja schon junge Menschen
entgegen und können ihren Eltern, das kriegt man ja auch schon mal mit,
das glaube ich kennt ja auch jeder von uns, guck mal Mama, guck mal Papa,
der Mann, die Frau, da ist blind und manchmal können die auch noch ein bisschen
sehen, aber ja, trotzdem brauchen die das, weil die über Dinge fallen können.
Hören ja immer mal so mit. Und das sind dann natürlich schon die Momente,
wo man sagt, da ist es echt gut gelaufen.
Ja, und das, was auch ganz wichtig ist, ist das, was wir hier jetzt gerade machen,
Öffentlichkeitsarbeit, auf allen Plattformen, sage ich mal.
Also dazu gehören natürlich auch die sozialen Medien, Instagram,
TikTok, Facebook und so weiter.
Also ich glaube, gerade darüber werden natürlich auch gerade die jungen Menschen
mit ins Boot geholt. Ich bringe jetzt einen Namen ins Spiel,
den kennt wahrscheinlich jeder.
Das ist Mr. Blind Life, also jeder von den jungen Leuten. Ich war sehr erstaunt,
als meine Tochter mir irgendwann sagte, Mama, Leitstreifen muss man immer freihalten.
Also das predige ich ihr nicht.
Ich sage, woher hast du denn den Spruch? Und dann sagt sie, ja, Mr.
Blind Life sagt das immer, Leitstreifen freihalten. Und das ist natürlich das
Beste, was passieren kann, dass gerade die Kinder und Jugendlichen eben durch
coole Influencer darauf aufmerksam gemacht werden.
Ey, hier, es gibt Menschen mit Bedarfen und ihr könnt uns unterstützen,
indem ihr zum Beispiel den Leitstreifen frei haltet.
Großartige Arbeit, die er denen da liefert. Sollte man sich mal gucken.
TikTok und YouTube, glaube ich, und Instagram überall ist ja zu finden. Mr. Blind Life.
Christian, du bist ja so der Technik-Freak, habe ich so rausgehört aus unserem Gespräch jetzt.
Barrierefreiheit. Wir haben jetzt
ja seit 28. Juni auch das großartige Barrierefreiheitsstärkungsgesetz,
was ja ziemlich verwässert wurde beim Umsetzen in die deutsche Gesetzgebung.
Aber trotzdem, wie sieht es denn aus mit der Barrierefreiheit für sehbehinderte Menschen?
Ist da schon einiges da? Bist du zufrieden? Könnte es noch mehr sein?
Mehr kann es immer sein, aber wie ist so deine Einschätzung dazu?
Ich bin eigentlich, grundsätzlich bin ich immer ganz zufrieden.
Ich bin dankbar, dass wir mittlerweile einfach so in der Zeit sind,
wo drüber nachgedacht wird, baulich und bei Städtemaßnahmen,
Haltestellen, dass das immer mehr wird, dass drüber gesprochen wird,
es wird drüber nachgedacht und vieles versucht wird.
Da bin ich wahnsinnig dankbar drüber und ich versuche dann mit vielem tatsächlich
dann auch umzugehen und das einzubinden.
Aber wenn es mal irgendwo nicht barrierefrei ist, kann das verschiedene Gründe haben.
Auch zum Beispiel bauliche Voraussetzungen,
die dann mit Sicherheitstechnischen Aspekten zu tun haben.
Da gibt es auch vielfältige Gründe. Da versuche ich mich dann auch ein bisschen anzupassen.
Und wenn es dann irgendwie nicht geht, dann kann man immer noch überlegen,
könnte man da was machen oder nicht.
Also ich bin da sehr, ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll.
Aber ja, ich bin einfach dankbar, dass es viele Dinge gibt, dass wir da im Wandel
sind, dass viel gemacht wird und viel daran gedacht wird.
Und ich freue mich über alles, was geht und alles, was mehr wird.
Ich möchte aber nicht da irgendwie in so eine Schiene kommen und dann da stehen
und den Finger heben. Und das muss aber und hier muss aber.
Und es gibt viele verschiedene Behinderungen, also ja auch nicht nur Sehbehinderungen,
sondern auch Gehbehinderungen und sonstige Dinge, die auch bestimmte Anforderungen
an die Umwelt haben, damit sie da besser durchkommen.
Und deswegen finde ich, ist das ein schmaler Grad, wenn man sich da hinstellt,
ich brauche das aber so und ich will das so und ich habe Anspruch darauf.
Und ja, deswegen, ich freue mich, dass die Technik soweit ist und mit der kann
man schon viel machen und ich versuche das auch damit zu regeln und also ich
möchte da nicht rumstöhnen.
Lasst uns mal noch zum Schluss die letzten zwei Fragen angehen.
Eine davon ist, was sind denn so oder was waren so eure schönsten oder überraschendsten
Momente in Bezug auf eure Sehbehinderung?
Was habt ihr da erlebt, wo ihr gesagt habt, ui, ja, lustig oder speziell oder
wo ihr euch auch köstlich darüber amüsiert habt?
Also es gibt ja auch Momente, wo man einfach so mal richtig herzhaft loslachen
kann, weil eine Situation so lustig war, dass man ein gutes Gefühl dabei hatte.
Ich fange mal bei Iris an.
Mir fallen spontan zwei Erlebnisse ein. Eins ist schon ein bisschen länger her.
Da war ich bei einem Seminar. Das war ein Eltern-Kind-Seminar.
Und es stand ganz viel auf dem Tisch. Unter anderem Pommes und Salat und keine Ahnung. was.
Und ich wollte nach einem Mayonaise-Tütchen angeln und habe meine Finger im
Salat meiner Freundin gebadet.
Weil ich dachte, das ist die Mayonnaise.
Und dann habe ich nur gesagt, oh, Dani, ich hatte jetzt gerade meine Finger
in deinem Salat und sie guckte mich an, sie ist auch sehbehindert,
und sagt dann, naja, du hast sie doch wohl hoffentlich vorher gewaschen.
Also das ist eine Geschichte, da lachen wir heute immer noch drüber.
Also es war in dem Moment, hört sich jetzt nicht lustig an, Aber in dem Moment
war es echt, erst war es total peinlich und dann war es richtig, richtig lustig.
Wenn mir das im Rahmen von Sehenden passiert, dann wäre ich,
glaube ich, im Erdboden versunken. In dem Rahmen war es in Ordnung.
Und eine richtig, richtig schöne Geschichte ist mir jetzt gerade erst vor kurzem passiert.
Ich war im Urlaub und wollte da aufs Laufband gehen. Und das war so ein mega
Hightech-Teil, überhaupt nicht gut für mich bedienbar.
Und dann bin ich an den Tresen gegangen. Da stand dann ein Mitarbeiter in diesem
Fitnessstudio. und ich habe ihn gefragt, ob er mir das Laufband erklären könne.
Ich könne nicht gut gucken.
Und dann ist er mit mir mitgekommen und beobachtete mich so und dann sagt er,
ja, ich erkläre dir mal das Laufband und dann kam raus, dass er als,
Personal Trainer arbeitet und dass er einen sehbehinderten Kumpen hat,
der genau die gleiche Augenerkrankung hat wie ich.
Und daraufhin hat er mir dieses Laufband so mega, mega gut erklärt,
weil er sich da so gut drauf einstellen konnte und das war richtig schön,
weil ich musste nicht viel erklären, sondern er hat das dann einfach von sich
aus so mega cool gemacht.
Also das waren zwei richtig tolle Erlebnisse. Also eins lustig, eins toll. Christian?
Es gibt so viele, die auch erst im Nachhinein wirklich lustig werden.
Ich fand eine Situation oder eine Sache war sehr schön von einem befreundeten
Pärchen, die beide gut sehen können und wir spielen halt gerne zusammen und ja.
Je weniger man sehen kann, desto schwieriger wird das ja irgendwelche Gesellschaftsspiele zu spielen.
Und die haben sich echt Gedanken gemacht, die fragen viel und die denken echt
viel mit und Und da hat er sich dann hingesetzt, ich bin so ein Riesenfan von
Hits da, diesem Musikspiel,
Musik erraten und in welchem Jahr ist das erschienen und so weiter.
Und hat sich dann hingesetzt und die Karten kopiert und dupliziert und eine
Memory daraus gebastelt.
Dass man also statt über Bilder das klassische Memory über Hören macht,
dass man halt ein Lied angespielt kriegt und jetzt die Karte finden muss,
wo liegt die mit dem gleichen Lied. Das fand ich sehr schön.
Das war einfach ein total netter Moment und das fand ich gut.
Und ein sehr lustiger, im Nachhinein lustiger Moment war während der Corona-Zeit,
da stand man ja doch schon mal beim Arzt draußen Schlange und dann stand ich
da mit meinem Langstock und dann dreht sich eine ältere Frau um und fragte, was das denn sei.
Und dann habe ich schon gedacht, ja, in dem Alter kann man das aber wissen.
Naja, und sie fragte dann direkt weiter und sagt, ist das ein Abstandhalter für Corona?
Und den fand ich in dem Moment, da bin ich zusammengebrochen,
weil ich gedacht habe, das gibt es nicht. Das kann es nicht geben.
Aber nachher, als ich dann in Ruhe war und so, fand ich den irre lustig.
Und diese Frage, was hast du denn da, was ist das denn, was du dabei hast,
kommt das doch schon mal.
Und dann sage ich eigentlich mittlerweile direkt, das ist ein Abstandhalter für Corona.
So erstmal scherzhaft, kläre natürlich dann doch auf, aber weil ich den doch
im Nachhinein sehr lustig fand.
Golfschläger. Ja, das haben wir auch schon gehört. Ja, erzähl dir das.
Die gibt nämlich ganz gut wieder blind und sehbehindert. Ich war mit einem Vollblinden
unterwegs, also wir waren bei einem Freund und haben außerhalb gefeiert
und dann hat unser Freund uns den Nachhauseweg beschrieben und dann hat er immer
gesagt, ihr müsst gerade, gerade, gerade gerade, dann einmal links unter der
Unterführung durch und dann lauft ihr so und so.
So, und wir sind immer gerade ausgelaufen und dann sagte der vollblinde Freund
zu mir, Iris, hier ist die Unterführung,
ich gucke, nein, hier ist keine Unterführung, hier sind nur Bäume.
Dann sind wir immer weiter gerade ausgelaufen, standen irgendwann auf dem Bauernhof.
Den hatte ja nun unser Kumpel gar nicht erwähnt, sind wir also wieder zurück.
Und dann sagte er wieder an einer Stelle, hier ist die Unterführung.
Und ich so, nein, ich würde doch die Unterführung wohl sehen.
Wir sind ungelogen fünfmal an dieser blöden Unterführung vorbeigelaufen.
Er hat sie jedes Mal gehört, ich habe sie nie gesehen.
Auch gut. Also Vertrauen. Genau.
Sehr gut. Nicht immer denken, die Blinden können das nicht. Richtig,
ganz wichtig. Nicht immer denken, die Blinden können das nicht. Letzte Frage.
Was würdet ihr den Menschen empfehlen, so als erste Schritte in der Begegnung,
sowohl als Betroffener, aber auch als Nichtbetroffener im Umgang mit Sehbehinderung?
Was wäre da, wo ihr sagen würdet, probiert mal so auf diesen Weg dahin zu gehen?
Also vielleicht zuerst mal als Betroffener.
Also ich erfahre jetzt Sehbehinderung und so weiter.
Was wären da die ersten Schritte, die ihr empfehlen würdet, um auch damit umzugehen
vielleicht und so weiter? Christian?
Da gibt es ja auch verschiedene. und jeder reagiert ja auch anders.
Also unbedingt informieren und Hilfe holen bei Selbsthilfevereinen wie der ProRetina oder sowas.
Mit Betroffenen sprechen und auf gar keinen Fall den Kopf in den Sand stecken.
Es geht weiter und es geht auch gut weiter.
Ja, wirklich ins Gespräch gehen, informieren.
Ja, anders kann ich das gar nicht sagen. Iris?
Ja, ich schließe mich damit an. Also tatsächlich auch, wenn man sich dazu bereit
fühlt, das muss natürlich immer
von einem selber auskommen, sich einer Selbsthilfevereinigung anschließen.
Das kann ganz, ganz viel helfen, um zu sehen, wie gehen andere Menschen mit der Situation um.
Also so bin ich zum Beispiel zu ProRetina gekommen. Ich bin zum ersten Regionalgruppentreffen
gegangen, weil ich wollte mir das einfach mal angucken.
Wie kann denn mein Leben einfach so weitergehen? Ich habe damit gerechnet,
ich komme in einen ganz traurigen Verein, weil die können ja alle nicht gut
gucken. Die müssen ja traurig sein. Und was habe ich erlebt?
Ich habe super positiv gestimmte Menschen erlebt, die mir super tolle Tipps
mit auf den Weg gegeben haben, die mir mein Leben erleichtert haben,
die mir meinen Sehverlust erleichtert haben und die mit mir Schritt für Schritt
einfach durch diese Zeit gegangen sind, durch die Zeit des Sehverlustes.
Da sind super Freundschaften daraus entstanden.
Und natürlich besteht das Leben nicht nur aus Selbsthilfvereinigungen,
das besteht aus normal sehenden Menschen.
Wirklich diese Offenheit, also sich zu trauen, sich zu outen,
ich kann nicht gut gucken und wirklich in dieses Gespräch zu gehen,
was kann ich, was kann ich nicht, wobei kann ich Unterstützung gebrauchen,
das erleichtert auch unheimlich das Leben.
Dann natürlich noch die Frage, was wäre der erste Tipp für Menschen,
die sehend sind und auf eine sehbehinderte Person treffen?
Worauf kommt es da an, um, ich nenne das immer so ganz sympathisch,
Fettnäpfchen zu vermeiden?
Einfach Fragen stellen, einfach mit einem reden.
Oftmals empfinde ich das als das große Problem, dass die Leute helfen wollen
und dann einfach machen.
Und dann kommen so Situationen, wie Iris jetzt hatte mit dem Bauarbeiter.
Da plötzlich wird man da durch die Gegend gezogen und hängt da an irgendeinem
Arm wie eine Fahne am Stock und weht da rum.
Ja, also wirklich Fragen stellen. Es gibt da keine doofen Fragen oder Fragen,
die einem unangenehm sein müssen.
Ich glaube einfach, diese Unsicherheit von vielen, wie geht man jetzt damit
um, das ist auch völlig in Ordnung.
Aber einfach Fragen. Also ich finde das immer den besten Moment,
Wenn Leute frage, darf ich mal fragen und wie können wir jetzt am besten mit
der Situation umgehen, dass man da einfach denjenigen drüber aufklärt,
mit dem man drüber spricht, wie das am besten jetzt laufen kann.
Und ich erlebe das so oft auf der Straße, wenn Kinder fragen ja oft,
Mama, Papa, was hat der Mann da, den Langstock?
Und manche Eltern sagen dann, die wollen das irgendwie ja unterdrücken.
Da denke ich immer, da bleibe ich dann auch schon mal stehen und drehe mich um und erzähle das dann.
Und ich finde die Fragen völlig in Ordnung. Und damit kommt man auch im weitesten.
Ich denke auch, einfach mutig sein. Keiner von uns wird beißen und wird auch
die Fragen im besten Falle so beantworten, dass es für jeden verständlich ist.
Weil das ist ja auch in unserem Interesse, muss ich ganz ehrlich sagen.
Je mehr Leute wissen, dass es verschiedene Augenerkrankungen gibt und wie unterschiedliche
Menschen unterschiedlich sehen, desto größer wird natürlich das Verständnis in der Bevölkerung.
Öffentlichkeitsarbeit ist sehr wichtig. Ihr habt es bereits ganz am Anfang angedeutet.
Ihr seid auch die zwei Moderatoren von eurem Podcast Blind Verstehen von ProRitina.
Dann machen wir jetzt mal so eine kleine Minute noch auf.
Was passiert in diesem Podcast? Was können wir da erfahren? Was macht Blind Verstehen?
Ja, wir sprechen über alle Themen rund um Blindheit und Sehbehinderung.
Ganz vielfältig. Mal geht es darum, wie lebe ich damit? Dann geht es darum, wie mache ich Sport?
Was kann ich im Urlaub tun? Ich glaube, da spoilere ich jetzt gerade ein bisschen.
In die nächste Folge geht, darum, wie plane ich meinen Urlaub.
Und ja, also ganz, ganz vielfältige Sachen, Hilfsmittel. Jetzt geht ja gerade
die Metabrille durch die Decke in unseren Kreisen.
Über solche Sachen reden wir. Christian, habe ich was vergessen?
Nein, nö, eigentlich nicht. Wir sind breit aufgestellt, sprechen über alles.
Und das wirklich so, ja, von Blinde, für Blinde und Sehbehinderte.
Und versuchen das auch so ein bisschen wirklich immer so alltagsgerecht zu machen,
so aus der Praxis für die Praxis. Genau.
Iris Thiemer, Christian Heinz von ProRetina. Herzlichen Dank für diese wunderbaren
und interessanten Erklärungen zum Thema Sehbehinderung.
Das war der Digitalkompass. Mein Name ist Herr Schallang. Vielen Dank.
Tschüss. Tschüss. Tschüss.
Digitalkompass Podcast. Der Podcast, um gemeinsam digitale Barrieren zu überwinden.
Herausgeber Deutschland sicher im Netz e.V.
Der Digital Kompass Podcast wird ermöglicht durch das Bundesverbraucherschutzministerium.
Der Digital Kompass ist ein Verbundprojekt der Bundesarbeitsgemeinschaft der
Seniorenorganisationen und von Deutschland sicher im Netz.
Weitere Informationen findet ihr unter www.digital-kompass.de.
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