Energiedosis

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09: LoRaWAN in der Praxis – Dennis Betzinger, Stadtwerke Iserlohn

21.09.2021 28 min

Zusammenfassung & Show Notes

Prozesse innerhalb der Stadt vernetzen und zeitgleich wichtige Daten sammeln – mit Dennis Betzinger von den Stadtwerken Iserlohn sprechen wir über den Praxiseinsatz der Funktechnologie LoRaWAN.

Von der Temperatur- und Feuchtigkeitsüberwachung zwecks Schimmelvermeidung bis zum flächendeckenden Einsatz von LoRaWAN waren es ungefähr 2,5 Jahre bei den Stadtwerken Iserlohn. Heute setzen die Stadtwerke die Funktechnologie gewinnbringend ein, um Zählerdaten auszulesen, ihre Fernwärmenetze zu überwachen und zu optimieren oder auch für das digitale Management von kommunalen Gebäuden. 

Dennis Betzinger berichtet von den Potenzialen der Technologie, mögliche Business Cases und die Zukunft von Smart Cities. Außerdem werfen wir ein Blick auf aktuelle Projekte der Stadtwerke zum Thema Wasserstoff und Power Sharing.

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Transkript

Dennis Betzinger
00:00:00
Und das hat schon eine Menge eingespart. Gerade bei den Gasleistungsspitzen, die wir vermieden haben, ist es ein sehr hoher sechsstelliger Betrag gewesen. Und natürlich durch das smarte Fahren des Fernwärmenetzes entstehen auch langfristig weniger Rohrbrüche. Das Netz wird nicht so belastet. Druckschläge werden vermieden. Das sind so Sachen, die quasi echt helfen, ein Netz langfristig zu verhindern. Vielleicht auch wirtschaftlicher zu fahren.
Intro: Hannah Simon
00:00:32
Willkommen bei Energiedosis, dem Praxis-Podcast für Energieversorger. Hier verraten euch spannende Macherinnen und Macher, wie sie die Energiewelt von heute und morgen ganz konkret gestalten. Unsere Gäste teilen ganz offen und ehrlich ihre Praxiserfahrung, berichten über Erfolge, aber auch Herausforderungen und wie sie diese in Chancen umwandeln. Schön, dass du heute mit dabei bist. Musik.
Heiner Lütjen
00:01:04
Herzlich willkommen zu einer neuen Podcast-Folge der Netzwerkpartner. Mein Name ist Heiner Lütjen und heute spreche ich mit Dennis Betzinger von den Stadtwerken Iserlohn. Dennis ist im technischen Management der Stadtwerke Iserlohn als Innovations- und Produktmanager tätig. Seit über zehn Jahren ist er in der Energiewirtschaft tätig und sicherlich aus meiner Sicht ein Mastermind und Vordenker für diverse Themen in der Energiewirtschaft, wie beispielsweise LoRaWAN, virtuelle Kraftwerke oder die Fernwärmeoptimierung. Wir kennen uns mittlerweile seit fast zwei Jahren, Dennis. Und wenn ich dich zu technischen Themen anrufe, hat Dennis meistens sich schon mit dem Thema beschäftigt und für mich auch eine fundierte Antwort parat. Wir werden heute über diverse Innovationsprojekte der Stadtwerke Iserlohn sprechen, unter anderem über die bisherigen Projekte und Erfahrungen im Bereich LoRaWAN. Über die Vision, und die finde ich besonders spannend, einer voll automatisierten Steuerung des Fernwärmenetzes und der Erzeugungsanlagen durch überwachte KI-Algorithmen. Später wird Dennis sicherlich mehr dazu sagen, was tatsächlich in diesem Projekt passiert. Und wir werden auch über ein Wasserstoffforschungsprojekt mit den Stadtwerken Iserlohn und der belgischen Universität Wuppertal sprechen. Von daher, Dennis, schön, dass du heute da bist und dass du dir die Zeit nimmst, mit uns zu diesen Themen zu diskutieren.
Dennis Betzinger
00:02:15
Ja, danke erst mal, dass ich überhaupt hier sein darf und dass ich an diesem Podcast mitwirken darf. Ich freue mich wirklich daran teilzunehmen und freue mich auch auf die kommende halbe Stunde.
Heiner Lütjen
00:02:24
Bevor wir jetzt in die inhaltlichen fachlichen Themen einsteigen, Dennis, wäre mein Vorschlag, dass wir mal ein bisschen mehr über dich noch erfahren. Du bist schon ein alter Hase bei den Stadtwerken Iserlohn und schon lange tätig dort. Du warst Elektroniker in der Ausbildung, warst Netzmonteur, bist jetzt im technischen Management. Uns würde es sicherlich auch interessieren und die Zuhörerinnen und Zuhörer auch, was macht dich so persönlich aus und wie war so dein Werdegang in den letzten Jahren bei den Stadtwerken Iserlohn?
Daniel Betzinger
00:02:49
Ja, tatsächlich bin ich doch noch nicht so alt. Ich bin gerade erst 34 geworden. Allerdings bin ich seit wirklich 15 Jahren bei den Stadtwerken Iserlohn. Ich bin ein absolutes Iserlohner Kind. Ich fühle mich dort heimisch, bin in Iserlohn geboren und habe, wie du eingangs erwähnt hast, bei den Stadtwerken Iserlohn gelernt, quasi von der Pike auf. Ich habe einen technischen Beruf erlernt, bin also Elektroniker – Fachrichtung Betriebstechnik. Habe dann zwei Jahre bei uns im Netz gearbeitet als Netzmonteur, bin dann irgendwann in die Leitwarte gewechselt, bei uns. Habe dort das Leitsystem so ein bisschen mitgestaltet. Habe dort das Störungsmanagement mit meinen Kollegen bedient und den Elektromeister gemacht und habe die Chance ergriffen bin ins technische Management, was jetzt bei uns die Technik allgemein ist, gewechselt zum Herrn Amonait. Und ja, habe mich so ein bisschen zum großen Spielkind der Stadtwerke Iserlohn entwickelt und darf ganz viele spannende Themen, wie du eingangs erwähnt hast, bearbeiten und fühle mich da gut aufgehoben. Ich bin so ein bisschen der Freigeist der Stadtwerke Iserlohn, glaube ich.
Heiner Lütjen
00:03:58
Super. Das hört sich total spannend an. Wenn man sich so einen konkreten Tag von dir vorstellen kann bei den Stadtwerken Iserlohn, was sind so die Themen, die du gerade aktuell sehr schwerpunktmäßig treibst. Sind es die Themen LoRaWAN, virtuelle Kraftwerke und Fernwärmeoptimierung oder gibt es weitere, wo du sagst, das ist eigentlich ein total brennendes Thema, über das wir heute sprechen sollten?
Daniel Betzinger
00:04:17
Ich würde tatsächlich sagen, es ist momentan wirklich LoRaWAN – das brennende Thema und natürlich die Fernwärmeoptimierung, das sind bei uns zwei gewachsene Themen, die halt sehr viel Potenzial mit sich gebracht haben. Allerdings kommen auch immer wieder neue Themen dazu, so wie zum Beispiel, Erstellung von Wasserstoff in Zukunft oder wie sieht eigentlich die Energiebranche in Zukunft aus. Wo gibt es Optimierungsbedarf bei uns in der Firma allgemein? Oder dann kommt mal so ein Thema wie Redispatch 2.0 angeflogen, wo man sich doch allgemein bei uns als Energieversorger doch ein wenig schwertut. Das sind so Themen, die ich dann halt mit begleite. Daher ist das Portfolio doch recht groß.
Heiner Lütjen
00:04:57
Wenn wir mal anfangen jetzt mit dem Thema LoRaWAN. Ich gehe davon aus, dass nicht jeder Zuhörer und Zuhörer sich mit dem Thema intensiver schon auseinandergesetzt haben. Deswegen, vielleicht gehen wir mal ganz kurz darauf ein. Das du kurz beschreibst, was ist eigentlich LoRaWAN? Was nutzen oder wieso bringt es eigentlich als Stadtwerk oder wieso macht es Sinn als Stadtwerk, sich mit diesem Thema zu beschäftigen?
Daniel Betzinger
00:05:17
Was ist eigentlich LoRaWAN? LoRaWAN – ist Long Range Wide Area Network – ist ein weltweit anerkanntes Funknetzwerk, das für lange Übertragungsreichweiten ausgelegt ist. Wir können mit LoRaWAN viele Technologien auslesen sowie Zähler, Sensorik etc.. Wir setzen uns bei den Stadtwerken sehr damit auseinander in Sachen Wärmemengenzähler, die wir auslesen, die wir dann benötigen, um mehr Daten über unser Fernwärmenetz zu bekommen. Rüsten aber auch viele Wasserschächte damit aus, bekommen Stromdaten oder sammeln mal so typische Feuchtigkeitsmessungen ein, für ein paar Partner von uns.
Daniel Betzinger
00:06:10
Ich glaube, tatsächlich beschäftigen wir uns seit zweieinhalb Jahren damit. Das Ganze ist so ein bisschen zufällig gekommen. Wir hatten damals ein gemeinsames Projekt mit der Wohnungswirtschaft in Iserlohn. Da ging es darum, dass Gebäude Probleme mit Schimmel hatten und dann gab es so ein bisschen diesen Zwist zwischen Bewohnern. Und ja quasi dem Träger, dem Besitzer der Gebäude, da hieß es, es wird zu wenig gelüftet und auf der anderen Seite hieß es, nö, ich lüfte doch genug, es liegt an der Gebäudestruktur. Wir konnten mit einfachen Messungen quasi beweisen, dass es tatsächlich an der Gebäudestruktur lag. Mittlerweile sind diese Gebäude alle mit einer Lüftungsanlage nachgerüstet worden. Das war so unser erster wirklicher Anwendungsfall, den wir gefunden haben. Das haben wir mit einer lokalen Lösung geschafft. Das heißt, wir hatten ein Indoor-Gateway, was nur 200 Meter circa strahlt. Wenn wir natürlich mit Outdoor-Gateways arbeiten und die Punkte dementsprechend hoch sind, dann kommen wir natürlich auf Reichweiten bis zu 5 Kilometer, was wir auch in vielen Fällen schon bewiesen haben.
Heiner Lütjen
00:07:16
Wie viele Gateways habt ihr mittlerweile in Betrieb jetzt? Also in den vergangenen zweieinhalb Jahren, die ihr jetzt aufgebaut habt?
Daniel Betzinger
00:07:22
Also wir haben jetzt drei Indoor-Gateways, die wir nur für kleine Anwendungsfälle haben. Wir haben jetzt rund 25 Outdoor-Gateways, sind aber dabei, noch das Netz nachzuverdichten. Ich denke, um das komplette Iserlohner-Netz aufzubauen – vollkommen abzubürden – brauchen wir vielleicht noch mal 10 bis weitere 20.
Heiner Lütjen
00:07:38
Du bist auch sehr viel auf Stadtwerke-Veranstaltungen unterwegs, wirst häufig gebucht als Experte für das Thema LoRaWAN. Wenn du mit anderen Stadtwerken auch diskutierst, wo siehst du aktuell am meisten Potenzial auch bei LoRaWAN Use Cases? Vielleicht kannst du auch noch mal berichten, was habt ihr für Erfahrungen, positive als auch negative, gemacht in der Vergangenheit, wo siehst du Schwerpunkte der Zukunft?
Daniel Betzinger
00:08:01
Ich glaube, wenn man ein LoRaWAN-Netzwerk aufbauen möchte, dann sollte man nicht so viel diskutieren intern, sondern man sollte es einfach machen. Das ist so eine typische Empfehlung, die ich eigentlich jedem gebe, wenn wir über das Thema LoRaWAN sprechen. Erstmal machen und ausprobieren und dann schauen, was eigentlich geht. Nicht vorher schon in Business Cases denken, denn das führt oft zu Problematiken oder das es irgendwann eingestampft wird, weil man merkt, es ist doch nicht ganz so wirtschaftlich. Wenn man bei LoRaWAN ganz am Anfang so ein bisschen auf sich selber guckt und man guckt sich seine Netze an, das Gas-, Wasser-, Strom- und Fernwärmenetz oder das Nahwärmenetz meinetwegen. Und überlegt, was wissen wir eigentlich über unsere Netze und man fängt an, in Richtung der Netze Business Cases zu entwickeln, dann kann sowas durchaus lohnenswert sein. Also da hat man wahrscheinlich das wirtschaftliche Potenzial. Wenn man natürlich auf andere Kunden fixiert ist. Man denkt, man baut so ein Netz auf für den öffentlichen Träger oder tatsächlich für die Industrie, dann wird man sehr schnell auf Granit beißen. Bei der Industrie muss man erst mal den Industriepartner dazu bringen auch da mit einzusteigen, Geld mitzubringen und da muss auch erst mal ein wirtschaftlicher Vorteil erkennbar sein.
Heiner Lütjen
00:09:11
Sprich, sozusagen unterschiedliche Use Cases, einmal in Richtung der Optimierung innerbetrieblicher Abläufe und auf der anderen Seite der Smart City Anwendung. Wie ist das Thema bei euch bei der Stadt aufgehängt? Wie wird das Thema dort aufgenommen? Ist das wohlwollend aufgenommen worden, dass ihr euch mit dem Thema LoRaWAN auch beschäftigt?
Daniel Betzinger
00:09:29
Die Stadt findet dieses Thema natürlich total geil und möchte natürlich sehr viel mit uns machen. Hat da auch die eine oder andere Idee und auch das eine oder andere Fördermittel zur Verfügung. Wir unterstützen natürlich so gut es geht, aber es ist natürlich kein andauernder Business Case, wo wir als Stadtwerk viel Geld mitverdienen. Sondern wir bringen natürlich unser Engagement, unser Wille, unsere Arbeitskraft, Arbeitszeit und natürlich auch Geld mit. Und wir können froh sein, wenn am Ende irgendwie so ein paar Euros rausspringen. Aber das ist dann auch schon mehr Glück.
Heiner Lütjen
00:10:04
Es gibt viele Beispiele in der Energieversorgung, wo Stadtwerke so Smart City Dashboards entwickeln. Ich glaube in Bad Hersfeld, Darmstadt – die Digitalstadt Darmstadt macht es. Ist so was bei euch auch geplant, dass ihr Umweltdaten, Smart Parking, Smart School und CO2-Messungen versucht, in einem Dashboard zusammenzubringen? Oder ist das etwas, was ihr sagt, das bringt ihr mehr oder weniger am Ende des Tages so nicht?
Daniel Betzinger
00:10:26
Tatsächlich haben wir selber einige Dashboards, sowohl für Industriepartner, die halt mit uns Probetestprojekte gemacht haben, als auch schon für die Stadt. Bei uns ist die Stadt schon ein größerer Kunde. Unsere kommunale Immobiliengesellschaft möchte natürlich am liebsten alle städtischen Gebäude vollkommen ausgelesen haben. Das heißt, wir verbauen dort LoRaWAN, Strom-, Wärme und Wasserzähler. Das hat natürlich schon einen Mehrwert. Wir haben dort natürlich die Möglichkeit Wasserrohrbrüche frühzeitig zu erkennen, was glücklicherweise auch schon öfter geklappt hat. Ich erinnere mich ganz gerne an die Anfangszeiten, wo wir die ersten Wasserzähler verbaut haben. Wir haben tatsächlich am ersten Tag nach dem Einbau einen großen Rohrbruch, bei einem Fußballstadion, bei uns gefunden. Wir haben Mengenzähler, helfen natürlich auch in Zukunft, das eine oder andere Rohrbruch visuell darzustellen zu schauen, ob die Heizungsanlagen richtig funktionieren. Wir können es optimieren. Wir können auch Energiemanagement ordentlich betreiben, können helfen, auch der Stadt Energiekosten einzusparen. Da ist das natürlich dann schon ein ziemlich interessantes Thema.
Heiner Lütjen
00:11:38
Wenn wir noch mal auf die Technologien eingehen würden, die sozusagen in der Energiewirtschaft vielfältig sind. Wir haben auf der einen Seite das Thema LoRaWAN. Wir haben jetzt das Thema 450 Megahertz, was sehr, sehr präsent bei vielen Stadtwerken ist. Wir haben das Thema 5G, was aufgrund der Lizenzvergabe sicherlich auch zukünftig ein Thema sein wird. Häufig jetzt von der Mioty-Technologie gehört, die das Fraunhofer entwickelt hat und auch die ersten Stadtwerke wie beispielsweise die Stadtwerke Garbsen jetzt angewendet haben. Wenn man sich die Technologie mal anschaut, wo siehst du eigentlich da Möglichkeiten, bei LoRaWAN auch zu überzeugend zu sein und zu sagen, okay, das ist eine Technologie, die hat da gewisse Vorteile die muss eigentlich weiter vorangetrieben werden. Oder sagst du, LoRaWAN ist etwas, was zukünftig vielleicht keine große Rolle mehr spielen wird, wenn die anderen Technologien schon ausgereift sind?
Daniel Betzinger
00:12:34
Also ich persönlich denke, es ist immer eine Mischung von Technologien, die wir einsetzen werden, um natürlich mehr über unsere Netze zu erfahren und den ein oder anderen Kunden quasi glücklich zu machen. Mioty hat sicherlich die ein oder anderen Vorteile gegenüber LoRaWAN und ist eine spannende Idee, hat aber auch die ein oder anderen Nachteile. Ein großer Nachteil ist sicherlich, dass LoRaWAN viel früher auf dem Markt war und schon viel älter, gereifter ist und dementsprechend viele Hersteller von Zähler, Sensorik etc. schon auf dem Markt agieren und natürlich Produkte diesbezüglich anbieten. Da hat natürlich Mioty noch ein bisschen Aufholbedarf und ich habe irgendwie die Bedenken, dass das aufzuholen ist. Das 450 MHz Netz, das halte ich für eine gute Sache. Wir haben uns alle die Frequenz gesichert und ich glaube, das könnte irgendwann so eine Geschichte Richtung Smart Meter Gateway Anbindung sein. Das wir vielleicht nicht in jedem Haus irgendwie ein Gateway verbauen müssen, sondern dass wir das irgendwo auch fokussiert haben und vielleicht auch über das 450 MHz Netz auslesen und die Daten diesbezüglich transportiert werden. Aber das ist alles Wunschgedanke. Richtung Zählerwesen möchte ich gar nicht so viel sagen. Da könnten wir viel, viel erzählen und das ist auch nicht unbedingt immer das Beste, gerade wenn es in Richtung IMSES geht.
Heiner Lütjen
00:13:59
Wenn wir das Thema LoRaWAN noch mal vertiefen auch in Richtung der Fernwärmeerzeugung, habe ich sozusagen von dir auch in den Vorgesprächen und auch auf einer Veranstaltung gehört, dass eure Vision ist, die Fernwärmeerzeugung voll automatisiert zukünftig zu steuern und das Ganze dann auch durch überwachte KI-Algorithmen. Wenn du jetzt unseren Zuhörerinnen und Zuhörern mal erklären würdest, was bedeutet das dann eigentlich in der Praxis? Wie würdest du das beschreiben? Wie seid ihr da vorgegangen und was für einen Mehrwert hat dieses Projekt auch bei euch?
Daniel Betzinger
00:14:27
Gerade Richtung Wärmenetze oder Fernwärmenetze wissen wir nicht unbedingt immer das meiste. Die wurden damals konzipiert und gebaut und dann wurden sie einfach betrieben. Ob das immer so richtig war, diese Frage hat man sich sehr lange nicht gestellt. Das heißt, laufen meine Kraftwerke überhaupt richtig? Ist meine Fernwärme-Einspeisung, das Optimale? Ist die Vorlauf-, ist die Rücklauftemperatur richtig angepasst? Dann fängt man sich an Gedanken zu machen, wie kriege ich eigentlich Daten raus? Das LoRaWAN-Netz hat uns dabei eigentlich ziemlich einfach geholfen. Wir haben bei uns in Iserlohn Landes- und Geigerzähler im Einsatz. Diese haben wir umgerüstet gerade bei den Schlechtpunkten in unserem Fernwärmenetz und haben dann angefangen die Daten zu sammeln und uns diese Daten anzuschauen. Mit dem Fazit, dass viele Anschlüsse gar nicht optimal laufen, dass teilweise auch Leistungsverstöße dokumentiert werden können, dass die Vorlauf- und Rücklauftemperaturen nicht ganz so optimal sind. Und haben dann angefangen einen Partner zu suchen, der mit uns ein System entwickelt hat, was heißt „Grid-Inside-Heat“. Das haben wir zusammen mit der Firma „Items“ entwickelt. Dieses System „Grid-Inside-Heat“ hilft uns in Iserlohn quasi ein Reporting über unser System zu machen, Echtzeitmonitoring darzustellen, eine komplette Netzanalyse zu fahren und vor allem für die nächsten Tage eine Nachfrageprognose zu erstellen. Wir werden größtenteils über die Abfallgesellschaft des Märkischen Kreises mit Wärme versorgt. Wir haben dann zur eigenen Besicherung noch ein großes Gaskraftwerk am Löbbecke-Kopf stehen, mehrere kleine BRKWs und noch ein großes Kraftwerk mit drei großen BRKWs 2,7 MW elektrisch, 3 MW thermisch und einem riesigen Gaskessel mit 21 MW. Diese großen Anlagen laufen meistens nicht und stehen eigentlich nur zur Besicherung der Müllwärme zur Verfügung. Trotzdem muss man immer mal so ein bisschen schauen, wie wird es geplant, was ist am sinnvollsten, wo kann man die Gasleistungsspitzen reduzieren, wenn man irgendwo Gaskessel in Betrieb nehmen muss. Und was ist eigentlich die optimale Fernwärmeauslastung? Dazu hat uns dieses Tool oder dieses Programm „Grid Inside Heat“ weitergebracht und es ist eigentlich auch öffentlich zugänglich für alle Stadtwerke, die an sowas interessiert sind.
Heiner Lütjen
00:16:52
Das ist noch mal ein gutes Stichwort. Ihr wollt dieses Thema hier auch als B2B-Leistung vermarkten an andere Stadtwerke. Was ist da aus deiner Sicht so die Rahmenbedingungen? Was muss ein Stadtwerk dafür mitbringen, damit ihr sozusagen auch unterstützen könnt?
Daniel Betzinger
00:17:07
Wenn man so ein Projekt angeht, dann sollte man schon ein bisschen digital unterwegs sein. Wir haben unser System damals mit unserem Leitsystem und mit ganz vielen Archivdaten zusammengebracht. Das heißt, wir hatten schon mal eine gute Datengrundlage. Die sollte man auf jeden Fall mitbringen. Das haben wir dann natürlich gepaart mit den LoRaWAN-Daten durch die Schlechtpunktmessung. Das hat das Ganze natürlich ziemlich einfach gemacht, da einen vernünftigen Algorithmus hinter zupacken und quasi die Fernwärmeoptimierung ein bisschen in die richtige Richtung laufen zu lassen. Mittlerweile läuft dieses System ziemlich autark und automatisch und gibt uns natürlich täglich Prognosen ab, die wir auch mit der AMK, also der Müllverbrennungsanlage, teilen. Die dann natürlich auch besser planen können. Aus Müll kann man natürlich Wärme und auch Strom machen.
Heiner Lütjen
00:17:50
Wenn wir so ein bisschen in Richtung der Wirtschaftlichkeit noch mal sprechen können, also aus den Gesprächen, die wir jetzt auch in anderen Stadtwerken hatten, wo du auch dabei warst und das Ganze vorgestellt hast, sind da schon wirklich große Summen gefallen, was ihr da an Potenzial habt. Magst du da noch mal kurz drüber sprechen, was so eure Aussage in diese Richtung ist? Was können Stadtwerke wirklich einsparen bei eurem System?
Daniel Betzinger
00:18:11
Ja, sehr gerne. Es ist halt wirklich so, wenn man genauer hinschaut und nicht immer das macht, was man seit x Jahren tut, dann fallen einem doch ziemlich viele Sachen auf. Bei uns war es zum Beispiel Wartungen. Da mussten dann drei BRKWs laufen. Was im Endeffekt gar nicht so ist. Teilweise liefen Kraftwerke, ohne dass man sie brauchte, weil von der Wärmeversorgung eigentlich alles gesichert wurde. Bei Störungen wurde sehr schnell eingegriffen statt erst mal das Netz als Puffer zu benutzen und zu gucken, ob vielleicht ein anderes Kraftwerk sinnvoller ist als das Kraftwerk, was man jetzt einschalten wollte. Das hat schon eine Menge eingespart. Gerade bei den Gasleistungsspitzen, die wir vermieden haben, ist es ein sehr hoher sechsstelliger Betrag gewesen. Und natürlich durch das smarte Fahren des Fernwärmenetzes entstehen auch langfristig weniger Rohrbrüche, das Netz wird nicht so belastet, Druckschläge werden vermieden. Das sind so Sachen, die quasi echt helfen, ein Netz langfristig – vielleicht auch wirtschaftlicher – zu fahren.
Heiner Lütjen
00:19:15
Du hattest vorhin das Thema Wasserstoff auch noch mal als ein zentrales Thema bei euch betrachtet, wo ich auch gerne mit dir noch mal drüber sprechen möchte. Du hast das Thema, bei dir gerade aktuell auf dem Tisch, beziehungsweise eurer Abteilung .Ihr habt auch ein Projekt mit der Bergischen Universität in Wuppertal gestartet, wie ich erfahren habe, um zu ermitteln in welchem Maße eigentlich Wasserstoff sozusagen durch Strom auch in der Müllheizanlage sich produzieren lässt. Von daher ein superspannendes Projekt, ist gerade in aller Munde, glaube ich, das Thema Wasserstoff, ob grün oder blau oder grau ist da sicherlich auch von euch betrachtet worden. Wie schätzt du an der Stelle das Thema Wasserstoff ein, auch für Potenziale bei euch in Iserlohn? Vielleicht kannst du auch noch ein bisschen aus dem Projekt, das ihr mit der Universität habt, berichten.
Daniel Betzinger
00:20:04
Ja, unsere Müllverbrennungsanlage sucht natürlich Potenziale und gerade bei der Stromversorgung haben sie die. Es gibt eine gewisse Flexibilität in der Stromerzeugung oder in der Strom- und Wärmeerzeugung und wir haben natürlich auch sehr, sehr schwankende Marktpreise und dementsprechend beschäftigt sich die ganze Müllindustrie schon etwas länger mit dem ganzen Thema und so sind wir zusammengekommen. Da wir ja eh schon sehr viele Projekte auch mit der Uni Wuppertal, mit dem Herrn Dr. Stralek, angegangen sind, war das natürlich ein kleines zusammenzukommen und wir sind das Ganze dann auch angegangen. Das hat natürlich eine Menge Potenzial, ist aber natürlich alles Forschungscharakter. Wir wissen noch nicht, wie sich das Ganze mit dem Wasserstoff in Zukunft entwickelt. Es hat natürlich einen sehr hohen Preis, die momentane Produktion des Wasserstoffes, aber ich denke wir sollten uns alle damit beschäftigen, weil das ist natürlich so ein Stück weit unsere Zukunft.
Heiner Lütjen
00:21:04
Wofür wird denn der Wasserstoff am Ende verwendet? Wird das für die Müllfahrzeuge sein, für die Wasserstoffbusse? Vielleicht kannst du da auch ein bisschen was zu sagen, wofür ihr denn die Verwendung eigentlich seht?
Daniel Betzinger
00:21:14
Tatsächlich ist das die erste Idee, dass man so ein bisschen die Müllfahrzeuge auf Wasserstoff umrüstet aber auch die märkische Vertriebsgesellschaft, die bei uns ansässig ist, dass dort Busse auf Wasserstoff umgerüstet werden. Das wir dort vielleicht eine eigene Tankstelle bauen. Das ist natürlich die erste Idee, um auch ein Stück weit wirtschaftlich zu denken. Und inwieweit irgendwann so was möglich ist, dass man Wasserstoff zu kleinen Teilen ins Gasnetz einspeist oder dass man tatsächlich auch eine Wasserstoffbelieferung an einen BRKW bei einem Industriepartner schickt, um dort Stromlastspitzen zu senken, das ist natürlich dann noch mal ein anderes Thema, was noch weit in Zukunft ist.
Heiner Lütjen
00:21:57
Ein weiteres Projekt, was ich am Anfang auch einmal schon angedeutet habe – was ich auch extrem spannend finde – ist das Projekt des Powersharings, was mehr oder weniger als virtuelles Kraftwerk auch bezeichnet werden kann. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es eine Plattform oder ein virtuelles Kraftwerk, das digitale Technologien nutzt, um Verbraucher, Einspeiser und Speicher in der Region in Iserlohn in einer gemeinsamen Plattform zu vereinen. Gestartet habt ihr im Jahr 2019. Vielleicht berichtest du da mal ein bisschen davon. Was waren eigentlich eure Erwartungshaltungen und Zielstellungen für dieses Projekt, was ihr da initiiert habt?
Daniel Betzinger
00:22:34
Ja, tatsächlich war das eines der ersten Projekte, wo ich mit eintauchen durfte. Das virtuelle Kraftwerk ist sowieso ein Ding, was immer in aller Munde ist. Es sollte in Iserlohn möglichst alle Erzeuger und Abnehmer vereinen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Es ist natürlich eine Vision. Wir haben mittlerweile unsere eigenen Anlagen da mit drin, haben Wind-Biomasse-Anlagen und PV-Anlagen mit drin, gerade auch größere.
Heiner Lütjen
00:23:03
Wie viele habt ihr da jetzt, wenn ich mal so zwischenfragen darf?
Daniel Betzinger
00:23:06
Das müssten jetzt an die 20 sein. Das sind halt die Anlagen, die auch jetzt unter Redispatch 2.0 fallen, also alle größer gleich 100 Kilowatt Peak. Tendenz ist steigend. Es liegt einfach momentan daran, wie jeder Versorger das kennt, wir haben alle die schönen Schreiben bezüglich Redispatch 2.0 rausgeschickt und jetzt melden sich natürlich die Industriepartner mit ihren Blockheizkraftwerken oder mit ihren größeren Solaranlagen und fragen natürlich, was sollen wir jetzt machen? Größtenteils haben auch einige noch keinen Direktvermarkter, weil die Anlage gerade gebaut wurde und dementsprechend können dann Versorger wie wir es halt tun, helfen.
Heiner Lütjen
00:23:49
Kann ich als Bürger oder Bürgerin der Stadt in Iserlohn auch an diesem Projekt teilhaben? Welche Möglichkeit besteht da?
Daniel Betzinger
00:23:57
Natürlich. Also jeder, der teilnehmen möchte, der auch mit in das Portfolio rein möchte, kann damit rein. Vielleicht ist es irgendwann noch mal eine Möglichkeit, wenn wir mal größere Solarflächen haben, dass man auch eine Bürgerbeteiligung mit reinbringt, um dieses ganze virtuelle Kraftwerk noch mal oder das ganze Thema Powersharing noch mal voranzubringen. Natürlich ist es auch eine Plattform, die größtenteils informieren soll, die den Bürger abholen soll und so ein bisschen Richtung Energiewende treiben und motivieren soll.
Heiner Lütjen
00:24:26
Spannende Projekte, die du bei den Stadtwerken Iserlohn gerade begleiten kannst. Ich glaube, einen Einblick haben wir heute schon bekommen. Das war natürlich nur ein kleiner Ausschnitt. Deswegen würde ich einfach noch mal sagen, dass wir vielleicht noch mal so ein bisschen in die Lessons Learned auch einsteigen, die du als technischer Innovationsmanager jeden Tag so mitnimmst, dass du die vielleicht mal auch anderen Stadtwerken mit auf den Weg gibst. Bei diesen ganzen Projekten, die du da jeden Tag mit begleitest, was sind so deine Erfahrungswerte die du anderen Stadtwerken mit auf den Weg geben kannst?
Daniel Betzinger
00:24:58
Ganz kurz könnte ich das, eigentlich fast mit einem Wort: machen. Bei uns Energieversorgern ist es oftmals so, dass wir alle viel zu viel darüber diskutieren, darüber nachdenken und am Ende diese Ideen verwerfen. Wenn von zehn Ideen vielleicht eine oder zwei zünden und diese dann auch noch wirtschaftlich sind, dann bringt es uns das viel mehr, als den ganzen Tag einfach nur darüber zu quatschen. Einfach ausprobieren, so wie wir das damals bei LoRaWAN gemacht haben und vielleicht findet man das richtige Werkzeug, um irgendwo ein Stück weit erfolgreich zu sein.
Heiner Lütjen
00:25:31
Fast schon ein gutes Schlusswort. Dennoch hätte ich noch eine Frage an dich, Dennis. Wenn du jetzt mal in Richtung der Stadtwerk Iserlohn in fünf bis zehn Jahren schaust, was sind so deine großen Schwerpunktthemen, die ihr noch habt, die ihr angehen wollt? Sicherlich wird das Thema Klimaschutz ganz große Bedeutung haben, auch bei euch das Thema Digitalisierung. Wo siehst du da die zukünftigen Ankerpunkte, die ihr angehen wollt?
Daniel Betzinger
00:25:56
Ich glaube, mich persönlich wird das Thema Digitalisierung jeden Tag weiter begleiten. Irgendwo möchten wir eine komplett vernetzte Stadt haben. Wir möchten am liebsten von jedem Kunden alle möglichen Daten haben. Wir möchten jeden Stromzähler, Gaszähler, Wasserzähler, Fernwärmezähler, am liebsten auch jeden Sensor mit eingebunden haben, möchten alles wissen. Das ist ein Thema, was mich persönlich und die Stadtwerke extrem begleiten wird. Das Thema virtuelles Kraftwerk ist natürlich eine Geschichte, die uns alle betrifft. Am Ende des Tages ist es eine Vernetzung von allen Anlagen in ganz Deutschland und allen Erzeugern und Verbrauchern. Ich denke, das sind so Sachen, wo nicht wir uns nur mit beschäftigen müssen, sondern auch alle anderen. Natürlich kommt das Thema Wasserstoff auch immer weiter und ich denke, das wird uns auch, ich denke mal, vielleicht erst in fünf bis zehn Jahren noch intensiver beschäftigen als es uns heute tut, aber es wird natürlich extrem kommen.
Heiner Lütjen
00:26:50
Vielen Dank, Dennis, für das heutige Gespräch. Ich glaube, das hat uns noch mal wieder viele Themen auf den Tisch gebracht und da auch noch mal einen Einblick bekommen, was ihr tatsächlich bei den Stadtwerken Iserlohn alles so an Projekten vorantreibt. Von daher vielen, vielen Dank an dich, aber auch an alle Zuhörerinnen und Zuhörer. Das war unser Podcast der Netzwerkpartner. Wenn ihr mit uns diskutieren wollt, schreibt mir oder diskutiert gerne mit uns auch auf LinkedIn oder Xing. Musik.