59: Abhilfeklage: Neues Instrument für Verbraucherklagen – Ingo Rausch, Die Netzwerkpartner (Spezialfolge)
16.05.2024 29 min
Zusammenfassung & Show Notes
Welche Schlagkraft hat die Abhilfeklage und worauf müssen sich Energieversorger jetzt einstellen? Mit unserem Experten und Juristen Ingo Rausch klären wir diese Frage und sprechen über mögliche Auswirkungen.
Am 13. Oktober 2023 ist das Verbraucherrechtsdurchsetzungsgesetz (VDuG) in Kraft getreten, das als zentrales Element die Abhilfeklage einführt. Die neue Klageform ermöglicht es Verbänden, im Namen einer Vielzahl von Verbrauchern Zahlungen, insbesondere Schadensersatz, geltend zu machen. Erste Klagen der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen Energieversorger zeigen bereits die Tragweite dieser Entwicklung. Sie zielen darauf ab, Preiserhöhungen rückgängig zu machen und Rückzahlungen für betroffene Kunden zu erwirken.
Gemeinsam mit Ingo Rausch beleuchten wir die Bedeutung der Abhilfeklage, sprechen über die Grundvoraussetzungen für Klagen, Klageberechtigte und geschützte Unternehmen. Wir klären die Mechanismen, die greifen und wie Energieversorger sich jetzt schützen können.
dienetzwerkpartner.com
linkedin.com/company/dienetzwerkpartner
xing.com/companies/dienetzwerkpartner
dienetzwerkpartner.com
linkedin.com/company/dienetzwerkpartner
xing.com/companies/dienetzwerkpartner
Transkript
Musik.
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Energiedosis, dem Praxis-Podcast der Netzwerkpartner. Mein Name ist Hannah Simon und ich freue mich sehr, dass heute mein Kollege Ingo Rausch, Leiter Recht bei den Netzwerkpartnern, mal wieder bei uns im Podcast zu Gast ist. Wir thematisieren immer mal wieder aktuelle Gesetze und deren Auswirkungen insbesondere für Energieversorger.
Und auch heute haben wir wieder ein spannendes Thema mitgebracht, nämlich das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz. Der eine oder andere wird sich jetzt vielleicht fragen, habe ich was verpasst. Davon habe ich noch gar nichts gehört. Es wurde still und heimlich im Oktober 2023 eingeführt und ist in Kraft getreten. Wir wollen das Gesetz heute einmal ein bisschen genauer beleuchten.
Was verbirgt sich eigentlich dahinter? Und natürlich auch darüber sprechen, welche Auswirkungen es für Versorger haben könnte. Denn wir sehen da schon eine gewisse Sprengkraft. Damit sage ich herzlich willkommen, Ingo. Ich freue mich sehr, dass du heute wieder bei uns im Podcast zu Gast bist.
Hallo Hannah, die Freude ist ganz auf meiner Seite.
7
00:01:34.000 --> 00:01:47.000
<v Hannah Simon>Ja, lass uns direkt rein starten ins Gesetz. Du wirst uns in den nächsten Minuten hier wieder so durchführen, dass auch Nicht-Juristen und Laien das Gesetz hoffentlich gut verstehen werden. Woher kommt es überhaupt, das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz?
Ja, wie in vielen anderen Bereichen ist es auch hier so, dass das Ganze seinen Ursprung in der Europäischen Union genommen hat. Es ging der Europäischen Union, wie auch in vielen anderen Fällen um die Stärkung von Verbraucherrechten. Und zwar... für die Konstellation, dass nicht ein einzelner Verbraucher betroffen ist, sondern dass eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen ist.
Stichwort VW-Dieselskandal. Da hatte die EU das Ziel, diese Kollektivinteressen von Verbrauchern zu stärken in solchen Fällen, wo Geschäftspraktiken von Unternehmen nicht nur einen, sondern eben ganz viele Verbraucher betreffen. Dazu wollte die EU ein Instrument schaffen, mit der solche Geschäftspraktiken, die eben viele Verbraucher schädigen können, mit denen solche Geschäftspraktiken flächendeckend unterbunden werden können.
Der Weg, den die EU hier gewählt hat, ist, dass sie Verbänden ermöglicht, eine sogenannte Abhilfeklage anzustrengen, mit der, jetzt mal vereinfacht gesagt, ganz viele Verbraucher eingesammelt werden können und deren Ansprüche dann durchgesetzt werden können.
Gut, also wir verstehen, das ist ein Gesetz, was auf EU-Ebene entstanden ist. Dann kennen wir auch als Nicht-Juristen mittlerweile den klassischen Weg, nämlich das muss dann auch in deutsches Recht übersetzt werden. Und genau das ist ja passiert. Also hol uns doch dazu einmal ab, wie das jetzt den Weg in das deutsche Gesetz gefunden hat.
Gerne. Da hat die Regierung so eine Art Obergesetz erlassen. Das ist das Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz. Das sind alles ganz einfache und kurze Worte. In dem Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz ist so kleines Sammelsurium drin. Da ist nämlich einmal das Gesetz drin, über das wir uns heute unterhalten. Das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz. Das ist neu erlassen worden. Das ist heute unser Thema.
Daneben steht in diesem Obergesetz noch was anderes drin. Unter anderem ist da das BGB geändert worden, die Zivilprozessordnung und andere Dinge. Das ist rechtlich gesprochen ein sogenanntes Artikelgesetz, also ein Gesetz, was verschiedene andere Gesetze ändert oder neue Gesetze erlässt. Lange Rede, kurzer Sinn, in diesem ganzen Paket ist das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz enthalten. Das ist im Oktober 2023 in Kraft getreten und darüber würden wir heute miteinander reden.
Ja, und wir stecken auch schon mittendrin. Die Abkürzung für das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz ist übrigens das VDuG für den einen oder anderen, dem das dann vielleicht öfters mal über den Weg laufen wird. Dann könnt ihr das auch direkt einordnen. So, jetzt ist natürlich interessant, was steht da genau drin? Was sind jetzt die neuen Inhalte? Was ändert sich durch das Gesetz?
Ich habe also nicht mehr Dutzende oder wie viel auch immer Einzelverfahren, sondern ich bündle das hier in dieser Abhilfeklage und was dann tatsächlich neu und entscheidend ist, dass ich mit dieser Abhilfeklage direkt die Ansprüche der Verbraucher durchsetzen kann. Wir haben bislang schon so etwas Ähnliches im deutschen Recht.
Die Musterfeststellungsklage – ohne da jetzt weiter ins Detail zu gehen – aber auch die Musterfeststellungsklage war eine Klage, wo ich mehrere Verfahren zusammenfassen konnte. Aber das war immer nur Schritt eins und als Schritt zwei musste dann jeder einzelne Verbraucher – der in dieser Musterfeststellungsklage drin war – musste noch mal separat vor Gericht gehen und seinen Anspruch individuell durchsetzen.
Und der entscheidende Unterschied der Abhilfeklage ist, dass dieser zweite Schritt nicht nötig ist. Das heißt also, hier werden die Ansprüche der Verbraucher gebündelt und direkt durchgesetzt. Also als Ergebnis dieser Abhilfeklage hat dann jeder einzelne Verbraucher einen Anspruch, der direkt vom Gericht festgelegt worden ist. Der Verbraucher muss nicht mehr individuell vor Gericht ziehen.
Und das ist dann schon ein recht machtvolles Instrument. Ich hatte gerade den Dieselskandal angesprochen. Da war es eben noch so, dass jeder einzelne Verbraucher, der dann einen solchen Wagen hatte – wo diese Abschalteinrichtungen drin waren – der musste gesondert und einzeln gegen VW vor Gericht ziehen. Und das ist dann mit einer solchen Abhilfeklage nicht mehr erforderlich.
Verstehe. Also so zusammengefasst für die Verbraucher auf jeden Fall eine enorme Erleichterung oder auch eine höhere Zugänglichkeit jetzt eben, wenn man Geschädigter – vermeintlich Geschädigter ist – dass man sich dort anschließen kann. Jetzt wird uns natürlich auch interessieren, wer ist denn genau klageberechtigt und wer ist geschützt? Also Verbraucher haben wir gerade auch schon genannt, aber da steckt auch noch ein bisschen mehr hinter. Lass uns doch da noch mal eintauchen.
Klageberechtigt sind verschiedene Verbraucherschutzverbände. Da gibt es eine Liste, wo die dann aufgeführt sind. Was aber, glaube ich, für unsere Mitglieder am wichtigsten ist, dass Verbraucherzentralen per se nach dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz berechtigt sind. Das hat es auch schon früher das ein oder andere Mal gegeben, dass Verbraucherzentralen Vertragsbedingungen von EVU, also von Versorgungsunternehmen aufgegriffen haben.
Und die Verbraucherzentralen sind eben auch jetzt nach dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz klageberechtigt und können dann solche Abhilfeklagen anstrengen, viele Verbraucher einsammeln und damit eine hohe Durchschlagskraft erzielen. Geschützt sind Verbraucherinnen. Das ist im BGB noch mal gesondert definiert. Vereinfacht gesagt sind das Privatpersonen. Was hier noch mal neu und gesondert ist – geschützt sind auch kleine Unternehmen – Unternehmen bis zu zehn Beschäftigte und mit einem Jahresumsatz von weniger als zwei Millionen.
Wir haben als EVU, unsere Mitglieder haben ja nicht nur Privathaushalte als Kunden, sondern auch Groß- und Kleingewerbe und die können dann eventuell auch über eine solche Abhilfeklage mit abgeholt werden und mit in den Prozess gehen.
Das Stichwort ist vielleicht schablonenhaft. Das steht so in der Gesetzesbegründung drin und damit wollte der Gesetzgeber verdeutlichen, worum es ihm hier geht. Also es sollen im wesentlichen gleichartige Verbraucheransprüche vorliegen und davon eine Vielzahl. Die Gesetzesbegründung gibt dafür auch Beispiele. Beispiel Nummer eins: Ein Flug wird von einer Fluggesellschaft annulliert.
So und dann sitzen da jetzt die 150 Fluggäste im Flughafen, warten auf die nächste Gelegenheit, trinken Kaffee, was auch immer, müssen ins Hotel. Und möchten dann gegen die Fluggesellschaft Ansprüche durchsetzen. Mussten sie bislang jeder einzeln. Die Annullierung eines solchen Fluges wird eben als Beispiel genannt. Hier ist es dann so, dass die Ansprüche aller dieser 150, oder wie viel auch immer, Fluggäste gleichartig sind.
Im Sinne des Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetzes. Dazu könnte dann eben eine Abhilfeklage vorliegen. Ein weiteres Beispiel, was in der Gesetzesbegründung genannt wird, sind zum Beispiel AGBs einer Bank, von denen eine Vielzahl von Kunden betroffen ist. Also ich habe in den AGBs eine Bank, eine rechtswidrige Bestimmung. Dadurch entsteht dem betroffenen Kunden ein Nachteil und die AGBs gelten dann natürlich für eine Vielzahl von Kunden.
Die sind alle gleich betroffen und das ist dann auch in Anführungszeichen im Wesentlichen gleichartig nach dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz und kann über eine Abhilfeklage gebündelt werden. Und das ist bei unseren Mitgliedern genauso. Die haben auch Lieferverträge mit allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die haben zum Beispiel auch ergänzende Bedingungen zur Strom-GVV oder ähnliches.
So und auch da werde ich dann davon ausgehen müssen, das sind Fälle, die im Wesentlichen gleichartig sind und wo dann die Verbraucherzentrale die betroffenen Verbraucher einsammeln kann.
Wie viele Menschen müssen da so zusammenkommen, dass man sagen kann, okay, das ist jetzt wirklich eine Gruppe und da ist ein Schema erkennbar. Wo liegt hier die Mindestteilnehmerzahl quasi?
50. 50 ist die entscheidende Zahl. Es ist allerdings nur so, also die Schwelle ist hier ziemlich gering, dass dann, ich sage mal, die Verbraucherzentrale, die eine solche Abhilfeklage anstrengen möchte, die müssen eigentlich nur erläutern oder darlegen, dass 50 Verbraucher betroffen sein können. Die müssen also nicht namentlich genannt werden.
Das würde eigentlich ausreichen, jetzt mal so ins Blaue formuliert, dass die Verbraucherzentrale sagt, ich habe hier den Stadtwerk XY, den Liefervertrag Family Green, wie auch immer, und der ist jetzt von wahrscheinlich 300/ 2.000 Verbrauchern im Versorgungsgebiet abgeschlossen worden. Damit hätte die Verbraucherzentrale gesagt, okay, wir haben hier mehr als 50 Verbraucher, die betroffen sein können. Das reicht dann schon, um die Klage anstrengen zu können.
Also ohne, dass sich jetzt diese betroffenen Verbraucher sich irgendwie hätten, vorab schon einmal melden müssen. Also diese reine Darlegung reicht dann schon, dass man sagt, die Zahl ist über 50.
Das ist tatsächlich ein entscheidender Punkt. Wie viele Verbraucher sich dann später tatsächlich melden, ist hier für den ersten Schritt, dass ich die Klage überhaupt anstrengen kann, gar nicht entscheidend. Hier muss – ich sage jetzt immer Verbraucherzentrale als klageberechtigte Stelle – hier muss die Verbraucherzentrale nur darlegen, der Vertrag ist so und so viele Mal abgeschlossen worden. Die Preiserhöhung betrifft wahrscheinlich so und so viele Kunden und das reicht dann aus.
Jetzt ist auch immer so die Frage der Finanzierung offen. Auch in der Vergangenheit war es auch für viele Verbraucher so die Frage, wenn ich da selber Geschädigter bin und etwas geltend machen möchte, dann ist das auch mit einem gewissen finanziellen Mittelaufwand verbunden, bis ich Recht bekomme auf jeden Fall. Wie ist das denn gelöst?
Ist ja, denke ich, jetzt auch noch mal ein wichtiger Haltepunkt, weil so was hatten wir in der Vergangenheit auch immer mal wieder beobachtet, dass es im Wettbewerb untereinander auch Abmahnwellen und ähnliches gab. Also das ist noch mal eine wichtige Einordnung, dass das aus dem Wettbewerb heraus nicht entstehen kann.
Also was ich gerade sagte, diese Niedrigschwelligkeit, die ich schon bei der Klagerhebung habe und bei der Nachweispflicht für die Verbraucherzentrale, die setzt sich fort. Auch für Verbraucher/ Verbraucherinnen, die hier teilnehmen möchten, ist das wirklich super einfach. Es gibt ein Verbandsklageregister, da müssen dann solche Klagen gemeldet werden. Die Verbraucher brauchen im Prinzip nur eine Mail dahin zu schicken und sagen, hallo ich bin dabei.
Andersrum formuliert, sie brauchen keinen Anwalt. Sie können einfach so dahin gehen. Nochmal andersrum formuliert, das kostet Sie kein Geld. Aus, allein den Brief, die Mail, was auch immer, an die betreffende Stelle zu schicken, die für das Verbandsklageregister zuständig ist. Damit bin ich in der Abhilfeklage drin. Es ist auch zeitlich sehr weit gespreizt. Ich kann mich noch bis zu drei Wochen nach Abschluss der mündlichen Verhandlungen zu diesem Verbandsklageregister und zu der betreffenden Abhilfeklage melden.
Das ist zum Beispiel denkbar, dass ein Verbraucher jetzt von einer bestimmten Klage erfährt und sagt, okay, ich gucke mir erst mal an, wie läuft das denn? Wenn sich aus der mündlichen Verhandlung ergibt oder ich sage mal, ablesen lässt, dass das Unternehmen verurteilt wird, dann kann der Verbraucher immer noch sagen, okay, ich melde mich jetzt. Ich habe mir das Ganze angeguckt, scheint gut zu laufen, ich melde mich jetzt.
Das Ganze muss über das Internet bekannt gemacht werden. Das heißt also Verbraucherzentralen andere klageberechtigte Stellen, die müssen im Internet darüber informieren, dass sie Abhilfeklagen erheben möchten, damit ich mich als Verbraucher darauf einstellen kann. Auch wenn Klagen bereits erhoben sind, muss auch das im Internet veröffentlicht werden. Da habe ich dann also als Verbraucher eine Informationsquelle, eine Übersicht, wo ich feststellen kann, welche Abhilfeklagen gerade laufen.
Können wir das einmal so durchspielen, wie die einzelnen Phasen sind bei einem Verfahren? Wie läuft das ab, welche Schritte gibt es?
Ja, das sind insgesamt vier Phasen. Den Aufschlag macht die klageberechtigte Stelle, also vereinfacht gesagt die Verbraucherzentrale. Machen wir einen rein fiktiven Fall. Das Versorgungsunternehmen XY führt eine Preiserhöhung durch. Eine Verbraucherzentrale guckt sich das an und sagt, das kommt mir nicht geheuer vor, ich glaube, das war nicht rechtmäßig, was das Versorgungsunternehmen gemacht hat.
Ich gucke mir jetzt mal an, ob ich da eine Abhilfeklage anstrenge. Da muss die Verbraucherzentrale eben darlegen, dass da mehr als 50 Leute betroffen sein können und wenn das der Fall ist, dann wird eine Abhilfeklage angestrengt. Das heißt, die Verbraucherzentrale verklagt dann das Stadtwerk, das Energieversorgungsunternehmen in Form einer Abhilfeklage.
Dann kommt das Gericht zum Zug. Das Gericht prüft dann, ob die Ansprüche dem Grunde nach berechtigt sind. Also es prüft nicht, welche Höhe oder wie hoch die Summe ist, die einem einzelnen Verbraucher zusteht, sondern guckt erst mal, ist das dem Grunde nach überhaupt berechtigt. Also ist die Klausel in den AGBs tatsächlich unwirksam? Oder war die Preiserhöhung tatsächlich nicht rechtmäßig?
48
00:17:47.000 --> 00:18:09.000
<v >Und dann erlässt das Gericht ein sogenanntes Abhilfegrundurteil. Damit ist die Phase eins abgeschlossen. Also geht los mit Verbraucherzentrale, gucken in die AGB, sagen, ist rechtswidrig, gehen zu Gericht, legen dar, 50 Leute sind betroffen, strengen die Abhilfeklage an. Gericht sagt, ja, stimmt, du hast recht, die Klausel ist rechtswidrig, erlässt das Grundurteil.
Dann kommen wir zu Phase zwei. Dann regt das Gericht nämlich an, dass Kläger und Beklagte, also Verbraucherzentrale und hier bei uns in diesem Fall Stadtwerk, das Dienstvergleich abschließen. Der wirkt dann gegen alle Verbraucher, die sich in das Verbandsklageregister haben eintragen lassen. Also wenn ich das als Unternehmen mache, als Stadtwerk, dann habe ich damit alles erledigt, alles abgefrühstückt.
Sollte ein solcher Vergleich nicht zustande kommen, muss das Gericht ein weiteres Urteil erlassen, ein sogenanntes Abhilfeendurteil. Soweit das schon geht, setzt das Gericht einen sogenannten kollektiven Gesamtbetrag fest. Also es sagt, welche Summe das beklagte Unternehmen, hier unser Stadtwerk, insgesamt an alle Verbraucher auszahlen muss.
Dieser kollektive Gesamtbetrag dient dann eben dazu, dass diese Zahlungen erfolgen können. Wenn das dann so ist – also wir haben das Abhilfeendurteil, wir sind nicht bereits über Vergleiche ausgegangen, sondern wir haben das Abhilfeendurteil – dann wird ein sogenannter Sachwalter eingesetzt. Auch das ist neu, auch das gab es bislang nicht.
Der Sachwalter hat das Abhilfe-Endurteil, wo das Gericht gesagt hat, Stadtwerk XY hat fehlerhafte AGBs verwendet. Im Verbandsklageregister stehen 100 Verbraucher eingetragen. Wir legen fest, dass das Unternehmen einen Betrag von 200.000 Euro zahlen muss. So, und dann kommt dieser Sachwalter ins Spiel. Der prüft dann noch mal nach, ob tatsächlich jeder Verbraucher, der im Register steht, individuell berechtigt ist.
Und wenn das der Fall ist, dann zahlt dieser Sachwalter den einzelnen Betrag aus, der ihm zusteht und den ja das Unternehmen als kollektiven Gesamtbetrag erstmal leisten musste. Das geht dann in einen Umsetzungsfond, da ist das drin, was das Unternehmen hat zahlen müssen und aus diesem Umsetzungsfond zahlt dann der Sachwalter die Beträge an die einzelnen Verbraucher.
Also um das noch mal zu verdeutlichen, weil es eben komplett neu ist. Das Gericht fällt das Urteil, da kann dann drinstehen, wie viel das Unternehmen insgesamt bezahlen muss und dann tritt der Sachwalter auf den Plan, der macht einen Fond und entscheidet dann, welche Verbraucher berechtigt sind und zahlt die Beträge tatsächlich aus. Und damit ist das Geld dann beim Verbraucher, der muss eben nicht nochmal gesondert zum Gericht marschieren.
Jetzt würde mich auf jeden Fall noch mal deine Einschätzung interessieren, welche Konsequenzen du jetzt letztlich für EVO siehst. Also ich glaube, wir haben das Konstrukt jetzt ganz gut beleuchtet. Wir hatten jetzt auch schon so erste Fälle, wie rechtswidrige AGBs benannt. Wie würdest du das jetzt so abschließend noch mal einschätzen? Welche Konsequenzen wirst du für Versorger im Besonderen jetzt noch mal sehen durch dieses Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz?
Also ich würde sagen, für unsere Mitglieder ist entscheidend die Bündelungswirkung, die mit einer solchen Abhilfeklage entstehen kann und die dadurch entstehende Durchschlagskraft. Bislang musste eben jeder Verbraucher – wir hatten ja am Anfang schon darüber gesprochen – für sich allein zum Gericht marschieren. Und sagen, ich habe hier einen Anspruch gegen das Stadtwerk XY, weil die Preiserhöhung nicht rechtmäßig war.
Und wenn dann der Nachbar genauso gut davon betroffen war, dann musste der auch zum Gericht marschieren. Ich hatte es anfangs schon gesagt, bisher waren die Klagequoten da nicht so gigantisch. Da sind jetzt keine Massen von Verbrauchern jeweils einzeln zum Gericht marschiert und haben gesagt, ich habe da einen Anspruch.
Ja, es war einfach zu aufwendig und damit unattraktiv für viele Menschen.
Ganz genau, das ist dann doch eine nicht unerhebliche Hürde, ein Rechtsanwalt zu beauftragen, zu Gericht zu gehen, das durchzufechten. Das habe ich hier alles nicht. Die Verbraucher können sich ganz einfach beteiligen, müssen halt nur diese Mail schicken, es kostet sie nichts. Sie müssen keinen Anwalt beauftragen.
Damit kriege ich unter Umständen schnell viele Verbraucher zusammen und die werden dann eben in dieser Abhilfeklage gebündelt und dann wird in einem Rutsch über alle Ansprüche entschieden. Da können dann halt schon mal größere Summen zusammenkommen. Das kann vielleicht auch für Rückstellungen eine Konsequenz haben.
Ich muss, wenn solche Sachen im Raum stehen – unklare Rechtsfragen, ich werde vielleicht verklagt – muss ich eventuell Rückstellungen bilden für den Fall, dass ein Gericht mich zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Da muss man dann vielleicht nachdenken, ob diese Rückstellungen künftig höher ausfallen müssen, weil über die Abhilfeklage dann vielleicht direkt 150 oder wie viele Verbraucher vor der Tür stehen.
Ich kann jetzt als EVU daraus nicht direkt Folgen ableiten oder konkrete Maßnahmen ergreifen. Ich muss halt im Hinterkopf haben, dass dieses Ding – diese Abhilfeklage – über mir schwebt.
Das Risiko steigt jetzt einfach. Wenn ich was falsch gemacht habe, dass es wirklich dann auch eine Konsequenz für mich hat, dass ich das als Versorger jetzt im Hinterkopf behalte.
Das ist genau der Punkt. Wenn was passiert, dann können die finanziellen, die wirtschaftlichen Konsequenzen deutlich größer sein als bisher. Das heißt also, man sollte sich vielleicht noch mehr als vorher darauf konzentrieren, dass AGBs, Verträge und sonstiges sauber sind. Denn wenn was passiert, kann es jetzt teurer werden als vorher. Auf einen Punkt würde ich noch ganz gerne eingehen.
Ich hatte gerade schon gesagt, dass nach diesem ersten Urteil des Gerichts nach dem Grundurteil, wo erstmal gesagt wird, ja, die Ansprüche sind grundsätzlich berechtigt, die AGBs sind in dem Punkt rechtswidrig, dass nach diesem Urteil ein Vergleich angestrengt werden kann. Und dieser Vergleich bietet dem EVU, dem Stadtwerk, durchaus einige Möglichkeiten.
Ich kann damit so ein bisschen Einfluss darauf nehmen, wie das Urteil umgesetzt wird. Ich kann zum Beispiel Einfluss darauf nehmen, wie die einzelnen Ansprüche der Verbraucher die individuellen Ansprüche geprüft werden. Ich kann auch Dritte heranziehen, die mir bei der Umsetzung helfen. Und habe da so ein paar Stellschrauben. Wenn ich keinen Vergleich abschließe, dann geht das in Phase vier.
Das heißt, der Sachwalter kommt ins Spiel, der macht diesen Umsetzungsfond. Der Sachwalter muss bezahlt werden, dafür entstehen Kosten. Und all das kann ich vermeiden, wenn ich einem Vergleich zustimme. Das ist jetzt ein bisschen weit nach vorne gedacht, aber wenn tatsächlich eines unserer Mitglieder mal mit einer solchen Abhilfeklage konfrontiert wird, sollte es sich genau überlegen, ob es nicht einen Vergleich abschließen will.
Und damit die Möglichkeiten, diese Stellschrauben, die sich ihm dann bieten, wahrnimmt. Das wäre so im Wesentlichen, was man abstrakt zu den Konsequenzen für unsere Mitglieder sagen kann.
70
00:26:12.000 --> 00:26:34.000
<v Hannah Simon>Jetzt ist natürlich noch mal der Blick nach links und rechts interessant oder natürlich auch gerne in die Branche. Hast du da Beispiele aus der Praxis, wo das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz jetzt schon Anwendung gefunden hat, wo es schon Abhilfeklagen gab? Das wäre doch jetzt zum Abschluss auch noch mal spannend, um vielleicht die eigene Gefahr einzuschätzen.
Genau, ich hatte tatsächlich mal so ein bisschen rumgeguckt. Vodafone ist von der Verbraucherzentrale Bundesverband verklagt worden. Das ist der Verband, also die Verbraucherzentralen sind in den Ländern organisiert und es gibt dann noch eine Organisation, die da drüber sitzt. Das ist die Verbraucherzentrale Bundesverband und die haben sich Vodafone ausgeguckt.
Vodafone hat nämlich einseitig Preise für Kabel-TV und anderes erhöht im Jahre 2023 und da hat dann die Verbraucherzentrale Bundesverband eine Abhilfeklage angestrengt. Ergebnis gibt es, soweit ich weiß, noch nicht. Aber daran sieht man, das Ganze ist jetzt kein theoretisches Gebilde.
Ja, es wird jetzt so nach und nach in die Praxis überführt. Danke, Ingo, dass du uns hier einmal durchgeführt hast durch das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz. Ja, der eine oder andere, der wird sich jetzt vielleicht denken, habe ich jetzt ein Problem weniger oder mehr, nachdem ich diesen Podcast gehört habe?
Unser Ziel heute war es, euch vor allen Dingen einmal dazu informieren, dass ihr dieses Gesetz kennt und auch welche Auswirkungen es hat. Vielleicht unterstützt es bei der Gewissenhaftigkeit an der einen oder anderen Stelle im Unternehmen dann doch noch mal, weil einfach das Risiko aus unternehmerischer Sicht jetzt steigt, dass entsprechende Ansprüche geltend gemacht werden.
Sollte mal was schiefgelaufen sein. Ja, Ingo, noch mal vielen Dank, dass du heute mit dabei warst und uns mal wieder in die Welt der aktuellen Gesetze und Herausforderungen mitgenommen hast. Wenn ihr Rückfragen habt zum Gesetz oder auch andere juristische Fragestellungen, dann sind wir bei den Netzwerkpartnern, insbesondere das Team rund um Ingo, – das Rechtsteam – gerne für euch da und stehen da mit Rat und Tat zur Seite.
Also alle Netzwerkpartner, die heute wieder zuhören, meldet euch gerne bei uns. Wir versuchen, in jeder Lebenslage zu helfen. Ansonsten danke ich euch fürs Reinhören. Ich hoffe, ihr konntet heute wieder etwas für euch mitnehmen. Schaltet gerne in zwei Wochen wieder ein, dann kommt die nächste Folge Energiedosis. Und bis dahin bleibt uns gewogen. Bis zum nächsten Mal. Tschüss!
Tschö!
Musik.
Hannah Simon
00:00:32
Ingo Rausch
00:01:31
Hannah Simon
00:03:00
Ingo Rausch
00:03:17
Hannah Simon
00:04:16
Hannah Simon
00:06:42
Ingo Rausch
00:07:08
Ingo Rausch
00:08:41
Hannah Simon
00:10:38
Ingo Rausch
00:10:49
Hannah Simon
00:11:44
Ingo Rausch
00:11:57
Hannah Simon
00:12:23
Ingo Rausch
00:14:08
Hannah Simon
00:16:11
Ingo Rausch
00:16:19
Hannah Simon
00:21:19
Ingo Rausch
00:21:48
Hannah Simon
00:22:38
Ingo Rausch
00:22:41
Hannah Simon
00:24:06
Ingo Rausch
00:24:16
Ingo Rausch
00:26:34
Hannah Simon
00:27:17
Ingo Rausch
00:28:47