Energiedosis

Die Netzwerkpartner

62: Energiewende im Familienunternehmen – Andrea von Haniel, E-Werke Haniel Haimhausen

27.06.2024 29 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wie reagiert und agiert ein Familienunternehmen auf die großen Herausforderungen der Energiewende? Mit Andrea von Haniel tauchen wir ein in die Welt der E-Werke Haniel Haimhausen und erfahren, wie sie die Transformation der Branche meistern.

Bereits in vierter Generation versorgt das Familienunternehmen E-Werke Haniel Haimhausen rund 3.000 Kunden mit Ökostrom. Mit Andrea sprechen wir über die Geschichte, Stärken und Herausforderungen kleiner Energieversorger. Dabei beleuchten wir die spezifischen Herausforderungen, denen sich das Unternehmen angesichts der Transformationsprozesse in der Energiebranche und der aktuellen politischen Rahmenbedingungen stellen muss.

Andrea von Haniel erzählt uns, wie die E-Werke Haniel Haimhausen als reiner Ökostromanbieter ihre Vision von 100 % nachhaltiger Energie umsetzen und welche Strategien sie entwickelt haben, um trotz der vielschichtigen Herausforderungen erfolgreich zu bleiben. Sie teilt mit uns ihre Gedanken und reflektiert darüber, was viele Energieversorger bewegt.

100% Ökostrom aus Bayern - Imagefilm 2020  |  E-Werke Haniel Haimhausen

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Transkript

Intro: Hannah Simon
00:00:00
Willkommen bei Energiedosis, dem Praxis-Podcast für Energieversorger. Hier verraten euch spannende Macherinnen und Macher, wie sie die Energiewelt von heute und morgen ganz konkret gestalten. Unsere Gäste teilen ganz offen und ehrlich ihre Praxiserfahrung, berichten über Erfolge, aber auch Herausforderungen und wie sie diese in Chancen umwandeln. Schön, dass du heute mit dabei bist.
Andrea von Haniel
00:00:17
Herzlich willkommen, Hannah und danke für die Einladung. Musik.
Hannah Simon
00:00:33
Hallo und herzlich willkommen bei Energiedosis, dem Praxis-Podcast der Netzwerkpartner. Ich bin Hannah Simon und freue mich sehr auf das Gespräch heute mit meiner Gästin Andrea von Haniel. Andrea ist Geschäftsführerin der E-Werke Haniel Haimhausen, einem Versorger und echten Familienunternehmen. Ja, ihr habt richtig gehört, ein Familienunternehmen. Total spannend und mit Andrea möchte ich heute (sprechen) über dieses besondere Unternehmenskonstrukt der E-Werke sprechen und auch wie Andrea auf die Energiewende und viele weitere Themen blickt und auf welchen Platz die E-Werke Haniel Haimhausen in diesem großen Transformationsprozess, den unsere Branche und auch unsere Gesellschaft durchläuft, eben blickt. Und damit sage ich herzlich willkommen Andrea, sehr schön, dass du heute mit dabei bist.
Hannah Simon
00:01:19
Sehr gerne. Ja, deine Reise bei den E-Werken Haniel-Haimhausen, die werden wir uns gleich noch ein bisschen genauer anschauen. Und zum Einstieg habe ich ein paar kurze knackige Fragen für dich. Meine erste Frage ist, wie lange machst du diesen Job schon?
Andrea von Haniel
00:01:33
Seit geschlagenen 26 Jahren.
Hannah Simon
00:01:35
Wow, das ist schon mal eine Hausnummer. Was hast du vorher gemacht?
Andrea von Haniel
00:01:40
Vorher war ich in einer ganz anderen Branche tätig. Ich war Fotografin. Bin ich irgendwo immer noch im Herzen, aber das war mein Hauptberuf.
Hannah Simon
00:01:48
Da könnte man wahrscheinlich jetzt auch einen eigenen Podcast noch mal drüber machen. Dritte kurze Frage zum Anfang. Was gefällt dir an deinem Job als Geschäftsführerin, von den E-Werken, am allermeisten?
Andrea von Haniel
00:01:58
Mir gefällt am allermeisten, dass ich Unternehmerin bin, dass ich etwas unternehmen kann, dass ich etwas gestalten kann.
Hannah Simon
00:02:05
Sehr gut nachvollziehbar. Ja, gibt es noch was Privates von dir, was du teilen würdest mit den Zuhörerinnen und Zuhörern, wo du Energie tanken kannst, was dich bewegt, begeistert abseits dieser Branche und unserer Energiewelt?
Andrea von Haniel
00:02:18
Ja, gerne. Ich bin verheiratet seit vielen, vielen Jahren, glücklich und das ist auch immer wieder eine Quelle der Kraft. Ich habe zwei wunderbare Kinder. Meine Tochter ist auch seit ein paar Jahren mit im Unternehmen und das ist auch immer wieder eine Quelle der Freude. Das nächste große Thema für mich ist, dass ich seit vielen Jahren auch so ein bisschen auf der Reise zu mir selbst bin, dass ich mich hinterfrage und das ist eine sehr spannende Reise und ist immer wieder auch sehr, sehr interessant zu sehen, wie letztendlich meine inneren Werte, meine Überzeugungen und natürlich auch meine Ängste mein Leben gestalten und dass ich aber dadurch auch den Schlüssel in der Hand habe, etwas zu verändern.
Hannah Simon
00:03:05
Sehr schön, danke für diesen Einblick schon mal in dich und deine Gedankenwelt. Wenn wir einmal zu den E-Werken gucken, gibt es bestimmt auch so ein paar Key-Facts, die du mit uns, den Zuhörerinnen und Zuhörern teilen kannst, dass wir schon mal so einen kleinen Vorgeschmack bekommen, wo wir euch verorten dürfen, was ihr macht, wie groß ihr seid. Hol uns doch da gerne mal mit rein.
Andrea von Haniel
00:03:26
Ja, sehr gerne. Also wir sind im schönen Bayern, ganz woanders als die meisten Netzwerkpartner und Mitgliedsunternehmen, 20 Kilometer nördlich von München. Das kennt jetzt wiederum jeder, denke ich, der zuhört. Wir haben 3000 Kunden im Vertrieb, ungefähr 2500 Netzkunden. Elf Mitarbeitende. Die Geschäftsfelder, die wir besetzen, sind die klassischen Geschäftsfelder eines integrierten Unternehmens, nämlich Erzeugung. Unsere Wurzeln liegen in der Wasserkraft, das Netz, der Vertrieb und seit ein paar Jahren natürlich auch der grundzuständige Messstellenbetrieb. Was wir seit zwei Jahren auch mit viel Freude betreiben, ist, dass wir klimaneutral geworden sind. Das darf man ja gar nicht mehr sagen – klimaneutral – habe ich gelernt, aber den Begriff kennen die meisten. Sprich, wir können natürlich nicht alle unsere CO2-Emissionen ersetzen und vermeiden, aber das, was wir nicht vermeiden oder ersetzen können, das können wir mit guten Projekten ausgleichen.
Hannah Simon
00:04:30
Sehr gut, absolut vorbildlich. Ich habe das eingangs im Intro schon einmal gesagt, ihr seid ein Familienunternehmen und ich würde mal sagen, den eigenen Nachnamen im Unternehmensnamen, das können nicht viele Geschäftsführende von sich behaupten. Bei dir ist das der Fall. Ihr seid ein Familienunternehmen seit über 130 Jahren, mittlerweile in der vierten Generation mit dir. Ich würde gerne einmal mit dir eine Zeitreise machen in das Jahr 1893. Das war nämlich eure Geburtsstunde. Was ist da passiert?
Andrea von Haniel
00:05:02
Also ich stelle mir das immer so vor. Möchte ich eine kleine Zeitreise anbieten für unsere Zuhörer und Zuhörerinnen. Mein Urgroßonkel kam damals 1892 nach Haimhausen. Er kam aus dem Ruhrgebiet und hatte schon immer davon geträumt, ein Schloss zu haben und hat hier in Haimhausen dann das gefunden, was er gesucht hat, nämlich ein Schloss, was zum Verkauf stand, samt Brauerei, Gutsbetrieb und allem, was dazugehörte. Dann saß mein lieber Urgroßonkel in seinem schönen Schloss nachts, wollte ein Buch lesen und hatte nur eine flackernde Kerze zur Verfügung. Kannte aus dem Ruhrgebiet aber schon die Errungenschaften der Elektrizität und einer Glühbirne. Das hatte ihm nicht so gut gefallen, sitzt er grübelnd in seinem Lehnstuhl, schaut aus dem Fenster, sieht die Amper und den Mühlbach und denkt sich - ah, Wasser, Wasserkraft, Strom. Und schon ein Jahr später hat er das erste Wasserkraftwerk in Haimhausen gebaut, damals noch ein kleiner Ort. Es war mehr Strom, als er für seinen privaten Gebrauch und für seine Firmen und Betriebe gebraucht hat. Also hat er die umliegenden Häuser und Höfe angeschlossen. Das war die Geburtsstunde auch von unserem Stromnetz und natürlich auch die Geburtsstunde des Vertriebs. Und dann ging es peu à peu immer weiter. Mein Vater hat dann in den 50er-Jahren zwei weitere Wasserkraftwerke gebaut und was wirklich das Bemerkenswerte ist, dass bis dahin, bis in die 50er-Jahre, Haimhausen mit einem Wasserkraftwerk versorgt werden konnte. Von daher waren wir also über 50 Jahre ein komplettes Ökostromdorf, ohne dass das damals noch irgendjemanden groß interessiert hätte.
Hannah Simon
00:06:43
Wart ihr der Zeit voraus quasi?
Andrea von Haniel
00:06:45
Genau. Erst in den 50er-Jahren kam die Anbindung an die Isar-Amper-Werke an den vorgelagerten Netzbetreiber. Es kamen zwei weitere Wasserkraftwerke, wie gesagt, dazu. Da wollte ich mich dann auch nicht lumpen lassen, dachte ich jetzt – die vierte Generation – was können wir noch bauen? Die Amper ist ein bisschen ausgereizt, aber der Schwebel Bach hatte noch die Möglichkeit, dass wir an einem Abschlagswehr eine Wasserkraftschnecke bauen konnten, um das Restwasser zu nutzen dort und gleichzeitig auch einen wunderbaren Fischabstieg zu schaffen. Das habe ich dann noch vollzogen. Das ist unser viertes Wasserkraftwerk, klein, aber fein. Versorgt auch ungefähr 22 bis 23 Haushalte und ist auch in dem Fall von allen Behörden und allen Verbänden gerne gesehen gewesen.
Simon Hannah
00:07:31
Ja, Wasserkraft ist bei euch in Bayern sowieso ein großes Thema. Die Versorgerlandschaft in Bayern und auch in Baden-Württemberg, die sieht ein bisschen anders aus als im Rest der Republik. Und ich könnte mir vorstellen, ein paar Menschen, die bei uns heute zuhören, denen ist das gar nicht so bewusst. Kannst du uns da auch noch so ein bisschen Kontext geben, was vielleicht das Besondere in eurer Versorgerwelt so ist in Süddeutschland?
Andrea von Haniel
00:07:56
Gerne. Bayern ist ein Land, das nach wie vor die meisten Netzbetreiber und Stromversorger hat. Wir haben über 250 Unternehmen und die meisten davon sind klein- und mittelständisch. Sie sind immer gegründet worden um die vorletzte Jahrhundertwende, also um 1900, genossenschaftlich oder privat, um eben die Flüsse dort zu nutzen für die Wasserkrafterzeugung. Diese kleinteilige Struktur ist bis heute weitgehend erhalten.
Hannah Simon
00:08:28
Echt spannend. Wir haben auch gesagt, wir wollen heute so ein bisschen über das Thema Energiewende, Erneuerbaren, sprechen. Wasserkraft ist da für euch auf jeden Fall ein sehr elementarer Bestandteil. Jetzt würde mich interessieren, was bedeutet denn Energiewende eigentlich für dich heute?
Andrea von Haniel
00:08:49
Für mich heute ist die Energiewende Alltag. Das ist etwas, was wir seit vielen Jahrzehnten tagtäglich betreiben, allein schon durch unsere Wasserkraft. Seit 2011 sind wir auch ein reiner Ökostromanbieter auf der Vertriebsseite. Bei uns gibt es nur Ökostrom, nicht nur als Produkt, sondern 100 Prozent Ökostrom. Das haben unsere Kunden auch alle mitgemacht. Wir haben deswegen seinerzeit keinen einzigen verloren, was mich sehr gefreut hat und auch überrascht hat. Natürlich ist es für den Netzbetreiber heute eine Herausforderung. Wir haben sehr viele Photovoltaikanlagen, hier in Haimhausen, in den letzten Jahren mit ans Netz genommen und natürlich dann irgendwann gedacht – dieses Geschäftsfeld – sollen wir das wirklich nur Fremdfirmen überlassen? Nein, das wollen wir auch selbst besetzen und inzwischen kann man auch bei den E-Werken Haniel PV-Anlagen kaufen.
Hannah Simon
00:09:41
Wenn du so nach vorne schaust, was würdest du dir wünschen, wie das Thema Erneuerbaren bei euch jetzt auch weitergelebt wird? Hast du da so eine Vision, so ein großes Bild, was du dir für euch gut vorstellen könntest?
Andrea von Haniel
00:09:56
Mein Zielbild wäre, dass wir irgendwann den Strom, den wir für unsere Kunden benötigen, zu 100 Prozent selbst aus eigenen Anlagen beziehen können. Da sind wir heute schon relativ weit mit über 50 Prozent, die kommen nicht nur aus den eigenen Wasserkraftanlagen, sondern auch aus Wind- und PV-Anlagen, die teilweise uns gehören. Teilweise sind es auch Beteiligungen an Windparks.
Hannah Simon
00:10:20
Jetzt stelle ich mir das als so ein bisschen kleinerer Versorger, der ihr letztendlich auch seid, manchmal ein bisschen schwer vor Schritt zu halten. Also du hast geschrieben, ihr seid ja eigentlich schon seit Geburtsstunde (seid ihr teilweise total) ein totales Ökostromdorf gewesen und habt auch durch die Wasserkraft und so natürlich superviel Erneuerbare schon gehabt. (Aber wie), was stimmt dich zuversichtlich, dass ihr auch weiterhin gut Schritt halten könnt. Wie begegnet ihr dem? Den ganzen Herausforderungen auch aus der Politik, wo wir natürlich gleich noch mal drauf zu sprechen kommen?
Andrea von Haniel
00:10:54
Ich glaube, unser großer Vorteil ist, dass wir diese Wertschöpfungsstufen wirklich alle tagtäglich leben, kennen und verstehen. Das Netz, die Erzeugung, den Vertrieb. Wir haben einen ganzheitlichen Blick. Und fast alle Mitarbeiter haben Grundwissen in allen Bereichen. Dadurch können wir unsere Prozesse sehr schlank aufstellen. Wir sind sehr, sehr schnell in den meisten Prozessen. Und das verschafft uns einen großen Vorteil im Vergleich zu großen Unternehmen.
Hannah Simon
00:11:32
Finde ich sehr spannend, deine Aussage zu dem, dass ihr (eigentlich durch diese) durch euer kleineres Unternehmen am Ende handlungsfähiger seid, weil wenn man das in der öffentlichen Diskussion heutzutage verfolgt, immer mehr Stadtwerke fusionieren auch. Man sagt mittlerweile, auf die Größe kommt es an, man muss groß sein und auch um den Widrigkeiten und den Herausforderungen begegnen zu können. Deswegen ist es sehr schön, dass du sagst, wir ziehen eigentlich die Energie daraus, dass wir eben vielleicht nicht so groß sind und dass ihr vielleicht nicht in diesen Spezialthemen supertief drin seid und das Spezialwissen habt, aber halt in der Breite und in der Schnelligkeit einfach dann auch punkten könnt.
Andrea von Haniel
00:12:06
Ja, denn das Spezialwissen, das kann man sich ja immer von den Experten holen, ob das jetzt die Netzwerkpartner sind oder andere Verbände, da finden wir Spezialwissen. Wichtig ist für das Tagtägliche, den Blick über den Tellerrand hinaus zu haben und nicht nur den Vertrieb oder nur das Netz oder nur die Erzeugung zu sehen, sondern eben das große Ganze.
Hannah Simon
00:12:27
Sehr gut. Das ist schon mal ein wichtiger Haltepunkt, so gedanklich für mich gerade hier in dem Gespräch. Jetzt hast du eben erzählt, vor mittlerweile auch schon über zehn Jahren habt ihr komplett auf Ökostrom umgestellt. Ihr habt keinen einzigen Kunden verloren. Das heißt, die Kunden scheinen diesem Thema grundsätzlich ganz positiv gegenüber gestellt zu sein. Was würdest du sagen, wie schauen eure Kunden auf das Thema Energiewende? Wie erleben die das? Wie beurteilen die das? Es ist schon ein Thema mittlerweile, was auch polarisiert, bei dem einen oder anderen vielleicht irgendwie auch spaltet, positive wie negative Gefühle hervorhebt oder hervorholt. Wie würdest du das einschätzen?
Andrea von Haniel
00:13:05
Was ich von unseren Kunden erlebe, ich bin jetzt nicht direkt immer die Erste am Telefon, aber wir haben viele interessante Diskussionen und Gespräche mit unseren Kunden – wenn wir Tag der offenen Tür machen oder wenn wir eine Veranstaltung machen. Dann sehen wir, dass das Interesse da ist, an dem großen Ganzen meistens auch. Das Interesse am Detail vielleicht nicht immer so. Allerdings das Interesse an der Energiewende im eigenen Haus dann wieder schon und da können wir die Kunden dann gut beraten und unterstützen in Richtung Eigenerzeugung. Am besten kombiniert mit Speicher. Für die Zukunft dann noch kombiniert mit Wärmepumpe, Wallbox und einem intelligenten In-Ed-Daten-Management. Und diese Themen, die interessieren durchaus. Ich denke, unsere Kunden können sich ja auch in gewisser Hinsicht entspannt zurücklehnen, denn sie haben schon einen Ökostromversorger. Sie haben schon mal einen großen Schritt gemacht. Und nehmen automatisch Teil an der Energiewende, dadurch, dass sie 100 % Ökostrom verbrauchen. Das ist ein Riesenplus, gerade für unsere Gewerbekunden ist das ein ganz großes Plus in der heutigen Zeit.
Hannah Simon
00:14:17
Da sind Sie vielleicht schon ein paar Schritte gegangen, die der ein oder andere jetzt noch gehen möchte oder auch gehen muss. Ein großes bestimmtes Thema ist auch die kommunale Wärmeplanung. Haben wir schon einige Podcasts jetzt zugemacht, ist auch ein sehr bestimmtes Thema in den Gesprächen mit unseren Mitgliedern. Welche Rolle spielt das bei euch vor Ort?
Andrea von Haniel
00:14:36
Unsere Gemeinde, die hat jetzt 6000 Einwohner – ist also eine kleine Gemeinde - (Die Gemeinde selbst) macht gerade die Wärmeplanung zusammen mit dem Ingenieurbüro. Da sind wir immer wieder im Austausch, weil es natürlich wichtig ist für uns zu wissen, wird es einmal ein Nahwärme-Fernwärmenetz in Haimhausen geben oder nicht. Denn wenn es sich herausstellt, dass es unwirtschaftlich ist und dass es keinen Investor geben wird, der dieses Nah- oder Fernwärmenetz baut, heißt das natürlich für uns noch mal Netzausbau, um all die Wärmepunkten anschließen zu können, die dann höchstwahrscheinlich kommen.
Hannah Simon
00:15:12
Da baust du mir eigentlich gerade eine gute Brücke zur Politik. Da können wir da auch noch mal einen gemeinsamen Blick drauf werfen. Die Politik hat ein klares Ziel, Klimaneutralität bis 2045, ihr in Bayern, da sind wir wieder an dem Punkt, seid der Zeit voraus. Ihr wollt es sogar schon bis 2040 schaffen oder zumindest die bayerische Landesregierung. Bei der Umsetzung sind momentan noch bei vielen Versorgern echt viele Fragezeichen. Wie soll das gelingen? Wer soll das bezahlen? Wie kann das funktionieren? Wie schaust du denn auf den Fahrplan der Politik?
Andrea von Haniel
00:15:43
Mit ein paar großen Fragezeichen, schlicht und einfach. Manchmal wäre ich ganz gerne da mit dabei, wenn diese Gesetze geschrieben werden und diese Diskussionen stattfinden. Und ich befürchte, dass da oft zu wenig Praktiker am Tisch sitzen und zu viele Idealisten. Wenn wir uns das in Bayern anschauen – unser Verband hat da eine sehr interessante Studie in Auftrag gegeben. Die haben mal die Energiewende in Bayern mit dem Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein, runtergebrochen. Was wäre pro Woche in Bayern zu tun, damit wir dieses Ziel erreichen? Und da kann ich dir mal ein paar Zahlen nennen, zum Beispiel Photovoltaikausbau. Wir müssten in Bayern jede Woche 86 Fußballfelder mit Freiflächen-Photovoltaik zubauen oder bestücken, sagen wir es mal ganz positiv und zusätzlich natürlich noch Hausdächer mit Photovoltaikanlagen bestücken, und zwar 3.250 10-KW-Peak-Anlagen pro Woche. Wir müssten drei Windräder pro Woche aufbauen in Bayern. Ich glaube, dieses Jahr haben wir gerade mal zehn geschafft bisher. Wir müssten 1.100 Wohngebäude energetisch sanieren pro Woche. Wir müssten 7.150 PKWs, die jetzt noch einen fossilen Antrieb haben, umstellen auf Elektroantrieb. Und so weiter und so fort. Und wenn man sich diese Zahlen mal, die pro Woche sind, durch den Kopf gehen lässt, dann beschleicht mich doch das Gefühl, dass das nicht realisierbar ist, nicht in der Zeit. Also für mich sind diese ehrgeizigen Ziele, die sich immer sehr gut anhören, wenn man sie auf dem Podium hinaus posaunt in die Welt, zu wenig durchdacht, wie es in der Praxis ist. Wir belasten die Netze mit diesem extrem schnellen Ausbau der Erzeugungsanlagen über die Maßen und wir gefährden damit unsere Versorgungssicherheit, meiner Meinung nach. Wir haben in Bayern inzwischen auch schon an relativ trüben Tagen immer wieder vom vorgelagerten Netzbetreiber die Aufforderung, Anlagen zu reduzieren. Tagtäglich inzwischen. (Und wir sind) auch in Gesamtdeutschland kommen wir immer wieder an die Grenzen dessen, was noch machbar ist. Ich denke immer, es ist so ungefähr, wie wenn jemand sagen würde – Bäcker, wir glauben, dass der Semmelverbrauch steigt. Und wir wollen, dass ihr jetzt schon mal mehr Semmeln backt, als wir ihr verkaufen könnt. Den Überschuss, den nehmen wir euch ab, den frieren wir ein. Oder vielleicht vernichten wir ihn auch, aber backt schon mal die Semmeln. Da würde jeder sagen, für was? Da werden Ressourcen vernichtet, die wir anderswo gut brauchen könnten und bei der Energiewende stimmt, meines Erachtens, das Tempo nicht und der Zeitplan, Speicher und Netze hinken hinterher und die Erzeugung wird ausgebaut ohne Ende. Ich bin gespannt, wo das noch hingeht.
Hannah Simon
00:19:00
Danke für deine klare und auch ehrliche Einschätzung. Das weiß ich sehr zu schätzen, dass du das mal so zusammenfasst, wie du darauf blickst. Wenn du jetzt einmal auf die Politik schaust und dir ein bisschen was wünschen dürftest. Vielleicht hört heute hier jemand zu aus der Politik, der sagt, okay, das verändert hier heute alles. Wer weiß, wen wir alles erreichen. Wenn du deine Wünsche formulieren kannst, welche wären das?
Andrea von Haniel
00:19:26
Da wären vor allem zwei Wünsche. Einmal würde ich mir wünschen, dass ... die Politiker zu uns kommen oder die Ministerialbeamten, die die Gesetze schreiben, dass dieser Praxischeck, der eigentlich jetzt für jedes Gesetz durchgeführt werden soll, mal vor Ort bei denen stattfindet, die das Know-how haben aus der Praxis. Sprich der Ministerialbeamte, der Politiker kommt in den Maschinenraum und schaut sich mal die Maschinen und die Leute an, die die Maschinen bedienen und redet mit denen. Wir Kleinunternehmen, wir können keinen Mitarbeiter abstellen, der wöchentlich nach Berlin fährt und dort berichtet, ganz mal abgesehen davon, dass er wahrscheinlich nicht unbedingt gehört werden würde. Andersrum fände ich es sehr spannend. Praxischeck vor Ort. Das wäre der eine Wunsch. Der andere Wunsch wäre mehr Ehrlichkeit und Transparenz vonseiten der Politik. Wir Versorger und Netzbetreiber werden immer geschimpft, wenn der Strom teurer wird. Aber letztendlich ist es der Markt, der den Strom teurer werden lässt und vor allem auch der Netzausbau und das Umlagesystem, was den Strom teurer werden lässt. Auch wenn es heißt, die Sonne scheint umsonst und Sonnenenergie wird mal zum Nulltarif zur Verfügung stehen. Es stimmt nicht, weil die Systemkosten, die wir verursachen, dadurch, dass wir diese fluktuierenden Energiemengen irgendwo regeln müssen, speichern müssen - die sind immens. Und das muss irgendwer bezahlen, am letzten Ende auch der Kunde. Und hier sollte ja aufgeklärt werden, auch mal vernünftige Prognosen für die Zukunft schon bekannt gegeben werden, damit nicht, wenn die nächste Preiserhöhung kommt, wieder ein großer Aufschrei durchs Land geht – die Versorger, die wollen wieder so viel Geld haben. Auch wenn jetzt die Preise vielleicht nächstes Jahr noch mal nach unten gehen, dadurch, dass sich der Markt entspannt hat, langfristig sehe ich die Netzentgelte als treibende Kraft für die Preiserhöhungen und da werden wir in den nächsten zehn Jahren erleben, dass der Strom teurer wird.
Hannah Simon
00:21:35
Ja, dann würde ich sagen, deine Einladung steht. Also wenn Politiker, Politikschaffende, mal zu euch nach Haimhausen kommen wollen, dann steht deine Tür auf jeden Fall offen, so höre ich raus. Das wäre natürlich ein spannender Ansatz, wenn sich... da… wenn das Gehör findet und man da vielleicht den Spieß mal umdrehen könnte und die Politiker mal zu euch kommen, um die Praxis dann am Ende auch zu erleben, das schafft oft doch ein größeres Verständnis. Kann ich gut nachvollziehen, diesen Wunsch. Ich würde gerne noch mal mit dir auf die E-Werke schauen. Wie geht es für euch weiter in den nächsten Jahren? Was sind so für euch die Themen, die jetzt anstehen werden? Was habt ihr vor oder was hast du vor, auch mit den E-Werken jetzt in den nächsten Jahren?
Andrea von Haniel
00:22:20
Wir werden vor allem unser Dienstleistungsangebot weiter ausbauen. Denn was der Kunde sich wünscht, das wird der, ob man ihn jetzt Versorger nennt oder Fürsorger sein, der ihm von dieser komplexen Welt, die die Energiewende nun mal mit sich bringt, ein Stück entlastet und sagt, hier hast du einen kompetenten Ansprechpartner vor Ort. Da kannst du einen Menschen anrufen. Da kannst du sogar vorbeikommen und da wird dir geholfen. Rund um das Thema Strom, ob das jetzt auch die Wärmepumpe ist, die Photovoltaikanlage, der Speicher, das Energiedatenmanagement, der Tarif. Was immer er braucht, wir kümmern uns drum. Wir sind für ihn da. Dann steht natürlich irgendwann bei uns auch der Generationswechsel in der Geschäftsführung ins Haus. Das ist noch nicht hundertprozentig entschieden, wer wann welche Rolle übernimmt. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auch in der fünften Generation dann noch ein Familienunternehmen sein werden. Das ist ein sehr spannender Prozess, den ich jetzt von langer Hand vorbereite. Damit wir ganz entspannt zusammengehen können, diesen Weg. Thema Digitalisierung ist natürlich immer ein Thema. Da habe ich in der letzten Zeit oder in den letzten Jahren eine, sagen wir mal, Ernüchterung erlebt. Wir haben einige Prozesse digitalisiert mit großen Erwartungen und diese Erwartungen sind letztendlich nur zu einem kleinen Teil eingetroffen – haben sich bewahrheitet. Ich denke, Digitalisierung ist wichtig. Es kann helfen, aber es ist ganz wichtig, sich die Prozesse anzuschauen und die Technik dazu anzuschauen und dann die Entscheidung mit den Mitarbeitern zusammen zu besprechen – braucht ihr das? Wollt ihr das? Macht das wirklich das Leben einfacher? Oder ist dann tatsächlich auch der analoge Weg noch der einfachere und schnellere. Das haben wir jetzt gerade im letzten Jahr erlebt, als wir auch bei uns im Netz die fünffache Menge an Photovoltaikanlagen ans Netz angeschlossen haben, als in einem normalen Jahr. Fünffache Menge ist viel und ich hatte in dem Jahr ausgerechnet statt drei technische Mitarbeiter, nur zwei. Bei uns hat letztendlich kein Kunde, wenn alle Unterlagen da waren, länger als vier Wochen gewartet, dann hatte er seinen Netzanschluss. Dann war er am Netz. Und es gibt die Statistiken und die Werte auch aus großen Unternehmen. Dort hat der Kunde oft Monate, halbes Jahr und länger gewartet, bis sein Netzanschluss wirklich fertig war. Ja, das war oft, weil wir nicht digital waren, sondern weil das analog ging, und zwar schnell. Ein Mitarbeiter, der das bearbeitet, der weiß genau, welcher Prozess wo steht. Das geht nicht durch zehn Abteilungen bei uns, das geht durch eine Abteilung. Und meistens ist es ein Mitarbeiter, der diese Anlage betreut und der packt die an und macht sie fertig. Und der Kunde ist glücklich.
Hannah Simon
00:25:21
Ja, verstehe. Jetzt so zum Abschluss geben wir jedem Gast noch mal die Möglichkeit, noch mal so drei Learnings oder Botschaften noch mal rauszusenden an die Zuhörerinnen und Zuhörer. Was sind deine drei, die du gerne noch teilen möchtest, was dir wichtig ist, was gehört werden sollte?
Andrea von Haniel
00:25:40
Das Erste, was mir wichtig ist, dass diese Veränderungen, die wir zurzeit in einer sehr schnellen Taktung erleben, dass die nötig sind. Und wenn man sie mit einem guten Team angeht, dann können die viel Spaß machen. Dann ist es ein Weg, der neue – Welten – ist vielleicht etwas übertrieben, aber auf jeden Fall ganz neue Geschäftsfelder und ein neues Miteinander ermöglicht. Also Mut zur Veränderung. Generell, das Zweite ist, wir brauchen viel Mut. Alle Unternehmer brauchen Mut und auch Vertrauen. Vertrauen in die Kraft des Unternehmens, in die Fähigkeiten der Mitarbeiter und Vertrauen in die Zukunft. Und das Dritte ist das, was quasi jetzt gerade in Gesprächen mit jüngeren Mitarbeitern oder Bewerbern immer wieder ein Thema ist. Dieser Begriff der Work-Life-Balance. Wo ich dann immer wieder denke, wer glaubt einen Ausgleich zwischen Arbeit und Leben herstellen zu müssen, sagt doch gleichzeitig, dass die Arbeit nicht Teil seines Lebens ist. Und ich glaube, dieser Ansatz ist ungesund, ist gefährlich. Da würde ich mir wünschen, dass wieder mehr Menschen Freude an der Arbeit haben. Das sie ihren Platz finden im richtigen Unternehmen und an der richtigen Stelle und feststellen, wow, Arbeit kann so viel Spaß machen, wenn sie sinnerfüllend ist, in einem guten Team, mit guten Randbedingungen, dann ist die Arbeit ein willkommener Teil meines Lebens. So wie es bei mir ist und wie ich es eigentlich immer erlebt habe.
Hannah Simon
00:27:23
Ja, vielen Dank Andrea. Jetzt haben wir gerade noch mal so einen richtigen Full Circle Moment, finde ich. Mit dem, was du jetzt zum Schluss noch mal gesagt hast, weil du hast eingangs ja erzählt, dass sich das Thema persönliche Weiterentwicklung und auch Selbstreflexion sehr interessiert und du dich immer wieder damit auseinandersetzt. Das hat man gerade nochmal sehr zu spüren bekommen. Ich danke dir sehr für das Gespräch. Mir hat das total Spaß gemacht, dir heute zuzuhören, mehr über euch und euer Unternehmen zu erfahren und auch vor allen Dingen dein Blick, der an vielen Stellen, finde ich, echt das challenged, was man sonst so in der breiten Kommunikation oder Berichterstattung und ähnliches hört, fand ich superehrlich und authentisch. Vielen Dank dafür. Mir ist es auch noch ein Anliegen zuletzt auf einen Film hinzuweisen, nämlich euren Film über die E-Werke. Den werden wir in die Shownotes packen. Ist auf YouTube abrufbar, da wird man dich auch noch mal, dich und auch deine anderen Familienmitglieder zu Gesicht bekommen, kann noch mal vor Ort so ein bisschen reinschauen, wie es bei euch ausschaut, was ihr zu erzählen habt. Würde ich sagen, ist eine klare Anschauempfehlung von uns noch mal. Und passt auch gut, nämlich meine letzte Info ist, dass wir jetzt in die Sommerpause gehen. Wir werden uns ein paar Wochen Pause gönnen und natürlich schon wieder fleißig neue Folgen aufnehmen. Wir werden dann ab September zurück sein mit Energiedosis und jeder Menge fresher Energie. In der Zwischenzeit schaut also gerne mal den Film an oder hört nochmal in ein paar andere Folgen rein, die ihr vielleicht in der Vergangenheit verpasst habt. Wir freuen uns, wenn ihr dann ab September wieder mit dabei seid. Und dann zum Abschluss noch mal Andrea, vielen Dank. Alles Gute. Wir bleiben im Gespräch. Vielen Dank, dass du heute mit dabei warst.
Andrea von Haniel
00:28:57
Danke auch an dich, Hannah und ans ganze Team von den Netzwerkpartnern.
Hannah Simon
00:29:01
Bis bald ihr draußen. Bleibt uns gewogen. Musik.