Energiedosis

Die Netzwerkpartner

73: Bundestagswahl 2025 – Dr. Tobias Brocke, Westenergie

13.03.2025 33 min

Zusammenfassung & Show Notes

Deutschland hat gewählt – doch was bedeutet das für die Energiebranche? Mit Dr. Tobias Brocke von der Westenergie sprechen wir über die möglichen Auswirkungen der neuen Regierung auf die Energiepolitik.
 
Nach der Bundestagswahl im Februar 2025 beginnt die politische Neuordnung. Welche energiepolitischen Vorhaben sind mit der neuen Koalition realistisch? Wie könnten sich die regulatorischen Rahmenbedingungen ändern? Und was bedeutet das für Stadtwerke, Versorger und die Energiewirtschaft insgesamt? Dr. Tobias Brocke ordnet das Wahlergebnis ein und gibt eine erste Einschätzung zu möglichen Entwicklungen, politischen Strategien und den Herausforderungen für die Branche.
 
Wichtiger Hinweis: Diese Folge wurde am 7. März 2025 aufgenommen. Alle getätigten Aussagen basieren auf dem Wissensstand zu diesem Zeitpunkt.

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Transkript

Musik.
Intro: Hannah Simon
00:00:33
Hallo, ich bin Hannah Simon und begrüße euch ganz herzlich zu einer neuen Folge von Energiedosis, dem Praxis-Podcast der Netzwerkpartner. Ja, Deutschland hat gewählt - am 23. Februar haben wir einen neuen Bundestag gewählt und nun liegt es an den Parteien eine Koalition und Regierung zu bilden. Und welche Auswirkungen der Politikkurs der vermutlich schwarz-roten Regierung auf die Energiebranche haben wird, welche Gesetzesvorhaben die Ampelregierung noch in der Schublade liegen hat - und die dann auch vielleicht noch mal rausgekramt werden - das bespreche ich mit meinem heutigen Gast, Doktor Tobias Brocke. Tobias ist Leiter Public Affairs bei der Westenergie und navigiert uns mit seinem branchen- und politischen Know-how heute einmal durch die politische Gemengelage in Deutschland. Herzlich willkommen, Tobias.
Dr. Tobias Brocke
00:01:19
Hallo Hannah, schön, dass wir uns mal wiedersehen.
Hannah Simon
00:01:22
Ja, finde ich auch. Ich bin schon ganz gespannt, wie du das Wahlergebnis einordnest. Lass uns gerne mal direkt damit starten. Wie blickst du auf die Wahlergebnisse, was was gibt es da zu diskutieren.
Dr. Tobias Brocke
00:01:36
Tja um vielleicht mal etwas Positives vorwegzuschicken, die Wahlbeteiligung lag mit 82,5 Prozent oder so auf dem historischen Höchststand seit der Wiedervereinigung. Das ist ja erstmal gut. Es kann zumindest niemand behaupten, das Wahlergebnis spiegelt den Bevölkerungswillen nicht wieder, insbesondere auf einer hohen Anzahl an Nichtwählern, die wir in der Vergangenheit hatten. Was allerdings bezeichnend ist und anders als bei früheren Wahlen, ist das, sag ich mal, nur rund 61 % bei dieser Wahl im traditionellen bürgerlichen Lager gewählt haben - also das, was früher gewählt wurde, CDU, SPD, Grüne, FDP. Also das, was der Politikwissenschaftler Karl Rudolf Korte mal als verlässliche Langeweile bezeichnet hat. Das ist jetzt nicht mehr in dem Maße gegeben, wie es bei früheren Wahlen war. Dafür haben wir, das ist auch sehr bezeichnend, fast 21 %, also ein Fünftel aller Wählerinnen und Wähler, die eine Partei am rechten Rand gewählt hat - eine nicht mehr zu ignorierende Größenordnung. Und durchaus auch mit Blick auf das nächste Parlament eine bemerkenswerte Angelegenheit. Dann haben wir die FDP - zum zweiten Mal nicht mehr im Bundestag vertreten, auch ein Resultat dieser Wahl. Insoweit eine interessante Gemengelage - eine herausfordernde Gemengelage für diejenigen, die die neue Regierung bilden werden.
Hannah Simon
00:03:08
Wie schätzt du das grundsätzlich ein? Zwei Parteien haben den Weg jetzt nicht ins Parlament gefunden. Du hast es grad schon angesprochen, die FDP und auch das BSW. Das heißt grundsätzlich Mengenverschiebungen, was die Sitze natürlich angeht. Du hast gerade auch schon angesprochen, AFD mit deutlich mehr Plätzen jetzt im Parlament, genauso auch wie die Linke, aber in Summe weniger Parteien. Wie würdest du das einschätzen? Kann das grundsätzlich eine Chance sein, da weniger politische Lager in die Abstimmung gehen müssen oder kann es dadurch noch komplizierter werden in der nächsten Legislaturperiode?
Dr. Tobias Brocke
00:03:44
Also ganz pragmatisch muss man sagen, das Wahlergebnis gibt es her, dass zwei Parteien - nämlich Union und SPD - eine Koalition mit Mehrheit bilden können, wenn sie sich einigen. Und danach sieht es auch aus. Und wenn sie zwei sich einigen müssen, ist das immer einfacher, als wenn drei sich einigen müssen. Das kann man vielleicht vorm Zug sagen. Man muss natürlich auch sagen, dass diese zwei Parteien, die dann eine Regierung mutmaßlich bilden werden vor enormen Herausforderungen stehen. Sowohl geopolitischer Natur, als auch innenpolitischer Natur. Also man darf nicht glauben, dass nur weil wir uns alle mit Energiepolitik beschäftigen und mit Energiewirtschaft, dass das auch der zentrale Fokus derjenigen ist, die jetzt eine Regierung bilden. Es wird nur ein Thema unter vielen sein und mit Blick auf das, was in den USA gerade passiert, mit Blick auf das, was wir im Osten erleben, sind ganz andere Fragen gerade virulent, die diese neue Koalition auch lösen muss und darauf ein starkes Augenmerk haben wird.
Hannah Simon
00:04:53
Ja, wir wollen auch gemeinsam noch mal einen Blick in den Rückspiegel werfen. Die Ampelregierung war auch nicht untätig in den letzten Wochen ihrer Regierung und hat nochmal einiges auf den Weg gebracht im politischen Kontext, wir haben dazu auch vor kurzem noch eine Folge mit meinem Kollegen Ingo Rausch veröffentlicht - also wer da nochmal ins Detail gehen möchte, der kann auch gerne da nochmal reinhören. Genau, aber da möchte ich auch gerne noch mal grad mit dir draufschauen - wie würdest du das einmal zusammenfassen, was die Ampelregierung noch auf den Weg gebracht hat für unsere Branche?
Dr. Tobias Brocke
00:05:26
Ja, vielleicht da auch mal positiv gewendet - es war nicht unbedingt damit zu rechnen, dass es vor der Bundestagswahl noch Einigung auf einige Rest Sachverhalte geben würde. Und das hat aber die Restampel, zusammen mit der Union, dann doch auf den Weg gebracht. Am 14.02. war das glaube ich, als das Ganze dann durch den Bundestag ging. Und wir haben für die Energiewirtschaft insgesamt fünf wichtige Sachverhalte, die da eingebracht worden sind. Das sind einmal Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz, Stichwort PV-Spitzenkappung, Messstellenbetriebsgesetz auch noch. Dann haben wir im Erneuerbaren-Energien-Gesetz das Thema Flexibilisierung von Biogasanlagen gehabt. Wir hatten eine Änderung im Bundesemissionsschutzgesetz. Es kursierte in den Medien unter dem Begriff Lex Sauerland. Da ging es halt um das Thema Windenergieausbau. Das Kraftwärmekopplungsgesetz wurde nochmal angefasst und das Treibhausgasemissionshandelsgesetz. Das sind schon eine ganze Menge Sachen. Natürlich muss man sagen, man hat sich da auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt und nur auf Dinge, die absolut dringend waren. Aber damit für unsere Branche tatsächlich auch nochmal Luft gegeben haben zum Weiterarbeiten. Also in dem Energiewirtschaftsgesetz - in dem energiewirtschaftlichen Rahmen - da war, zum Beispiel, das Thema Direktvermarktung. Also diese Pflicht zur Direktvermarktung, die sollte auf 25 KW abgesenkt werden, das bleibt aber jetzt bei 100 KW, das macht es natürlich operativ für uns erstmal einfacher. Oder die Steuerbarkeit von EE-Anlagen, die bleibt jetzt bei 7 KW Leistung, die sollte abgesenkt werden. Auch das ist natürlich eine ganze Menge, was uns erstmal Luft gibt weiterzuarbeiten und wo die neue Koalition dann Lösungen finden wird, die dann mehr ins Detail gehen. Wir könnten jetzt ganz viele Dinge durchsprechen, die da verändert worden sind, aber ich glaube mit Blick auf den vorherigen Podcast von Ingo Rausch erübrigt sich das hier an dieser Stelle.
Hannah Simon
00:07:45
Genau, dann setzen wir dahinter einen Haken. Dankeschön. Üblicherweise ist so eine Regierung vier Jahre im Amt. Jetzt haben wir in der letzten Regierung mal ein bisschen abgekürzt und es waren nur ungefähr dreieinhalb. Das heißt, aber gleichzeitig auch, dass das ein oder andere noch in der Pipeline liegt - vorbereitet - und jetzt natürlich erstmal in der Schublade verschwunden ist. Du hast gerade aber auch angesprochen, die Dringlichkeit bei dem einen oder anderen Thema ist auch gegeben. Was hältst du denn da für realistisch, was aus der Schublade wieder hervorgekramt wird, sobald sich eine Regierung gebildet hat - was wir vielleicht sogar noch vor der Sommerpause inhaltlich da wiedersehen werden, was die Energiewirtschaft betreffen wird?
Dr. Tobias Brocke
00:08:24
Ja in der Tat gab es eine ganze Menge an Gesetzen, die in den Ministerien vorbereitet waren und auch teilweise schon zwischen den Ministerien abgestimmt. Also mehr oder weniger beschlussreif, bei dem einen oder anderen gab es keine politische Einigung. Dann gab es wieder Sachen, die sollten eigentlich verabschiedet werden und sind dann der Neuwahl zum Opfer gefallen. Also, da ist eine ganze Menge, viele hundert Seiten an Gesetzgebung, die auf uns warten. Und bei denen wir damit rechnen dürfen, dass sie in der ein oder anderen Form und auch unter dem ein oder anderen Namen wieder auftauchen - jedenfalls die Kernregelungen, die die Ministerien vorbereitet haben. Die neue Regierung wird Schwerpunkte setzen, die anders sind. Da werden Dinge wieder rauskommen, die wir schon mal gesehen haben. Dafür werden andere reinkommen, aber im Großen und Ganzen können und erwarten wir auch, dass zum Beispiel das Thema KRITIS Dachgesetz endlich abgeschlossen wird. Also das Gesetz der Rahmenbedingungen für kritische Infrastrukturen. Das Kraftwerkssicherheitsgesetz, eine ganz wichtige Sache oder eben ein Gesetz, dass sich mit dieser Thematik befasst. Ein Wasserstoffbeschleunigungsgesetz war in der Pipeline. v >Das Thema "Umsetzung EU Gas Binnenmarktrichtlinie" ist ein Thema. Das Thema "Kohlendioxidspeicherung und Transport" ist ein ganz wichtiges Thema, insbesondere dann, wenn wir erwarten, dass zum Beispiel im großen Stile erstmal Gaskraftwerke betrieben werden, die dann potenziell auf Wasserstoff umgestellt werden. Dann muss man natürlich auch gucken, was mache ich denn mit den dabei entstehenden Emissionen. Dann steht immer noch im Haus die große ENWG-Novelle. Stichwort Stromsteuergesetz, Netzausbaubeschleunigungsgesetz und so weiter und so weiter. Das Wind auf See gesetzt, war auch noch in der Pipeline. Und jenseits der Gesetzgebung ist für uns als Netzbetreiber, als Branche, die Energieinfrastrukturen betreibt, dann auch noch das regulatorische. Das geht zwar weiter, weil es in der Bundesnetzagentur verortet ist, aber gerade dieses Stichwort Nestprozess. Das ist ein ganz großes Thema, was die grundlegenden Rahmenbedingungen für unsere Branche und für unser Tun neu justieren wird. Also da ist eine ganze Menge im Gange. Und wenn wir jetzt vielleicht auf das Thema "Kraftwerk Sicherheitsgesetz" blicken - das ist ein Teil von vielen. Wenn wir unsere Energiewirtschaftliche Transformation anschauen, stellen wir fest, egal ob jetzt beschleunigt oder verlangsamt, wir haben eine Tendenz zu stärkeren Nutzung von Elektrizität, weil eben Teile aus der Mobilität drüberwandern, Teile aus der Wärme rüberwandern. Wir brauchen einfach mehr Strom. Wir schließen erneuerbare Anlagen ohne Ende an. Gesicherte Kraftwerkskapazitäten gehen aus dem Netz raus. Das Ganze bedeutet Netzausbau, Netzumbau, im großen Stile. Das eine, was man dafür braucht, ist, dass der erneuerbare Ausbau synchronisiert wird mit dem Netzausbau und dass der Netzausbau da hinterherkommt - beziehungsweise, dass man das daran ausrichtet. Das andere Thema ist aber, wie kriege ich bei zunehmender fluktuierender Erzeugung, eine gewisse Absicherung da rein? Was braucht man dazu? Worüber redet die Politik? Sie redet über einen Kapazitätsmarkt und dann eben über den Bau neuer Kraftwerke, die Kohle und Kernenergie, die rausgegangen sind und rausgehen, kompensieren sollen und ersetzen sollen. Also ich habe gelesen - CDU-Chef Friedrich Merz sagte kürzlich, wir brauchen so schnell wie möglich 50 Gaskraftwerke in Deutschland, die gebaut werden und ans Netz gehen müssen. Das Kraftwerkssicherheitsgesetz hat in einem ersten Aufschlag so round about 12,5 Gigawatt wasserstofffähige und reine Gaskraftwerke vorgesehen. Also, Kraftwerke, die sollen gebaut werden, mit Erdgas betrieben werden und dann auf Wasserstoff umsteigen. 12,5 Gigawatt, wird aber wahrscheinlich die Stromlücke, die wir erwarten, gar nicht kompensieren können. Sondern das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es gibt unterschiedlichste Studien dazu - heute habe ich gelesen, also dass das Magazin "Energy Policy" da wieder berichtet hat - also das ist jetzt ein bisschen Glaskugelleserei, wie viel Kraftwerke man braucht und wie viel Gigawatt man braucht. Wir können aber alle uns darauf einstellen, dass es von größter Bedeutung ist, hier möglichst schnell eine Regelung zu kriegen, die den Bau neuer Kraftwerke ermöglicht und anreizt und Strukturen schafft, in denen solche Kraftwerke betrieben werden können, um eben das Gegenstück zur fluktuierenden Erzeugung zu haben.
Hannah Simon
00:13:27
Wenn wir jetzt auf die sichformierende Regierung einmal schauen, die vermutlich schwarz rot sein wird, also wir nehmen heute am 07. März 2025 auf. Wir wissen natürlich nicht, was in den Tagen der Veröffentlichung unseres Podcasts hier passiert. Aber was siehst du hier so ein bisschen auf unserer Branche zukommen? Also ich würde gerne mit dir noch mal auf die Gemeinsamkeiten und Differenzen der Parteien schauen, die jetzt an der Regierung beteiligt sind und natürlich auch gerne nochmal so ein bisschen in die Wahlprogramme einmal eintauchen - was wir hier so zu erwarten haben in der energiepolitischen Richtung. Also ein Punkt hast du grad sicherlich schon angesprochen. Vermutlich gibt es auch noch weitere Bereiche, in denen wir Änderungen - vielleicht auch Richtungswechsel oder Tempoveränderungen - vielleicht erwarten können.
Dr. Tobias Brocke
00:14:13
Ja, gerne. Wenn wenn wir uns mal die Wahlprogramme von CDU/CSU anschauen und das Wahlprogramm von der SPD, sieht man zum Beispiel - also, ich rede jetzt nur von energiepolitischen Schwerpunkten - wir hatten das gerade schon, wir sind nicht das Zentrum der Welt der Energiewirtschaft. Aber wenn man die energiepolitischen Schwerpunkte anguckt, dann sieht man, dass das Thema Bezahlbarkeit von Energie bei der Union eine große Rolle spielt. Dass das Thema Netzausbau und Umbau eine große Rolle spielt, das ist für unsere Branche natürlich erfreulich. Insbesondere deswegen, weil da auch steht, dass die Synchronisation von erneuerbarem Ausbau und Netz gegeben sein musste, dass das halt nicht irgendwie entkoppelt voneinander laufen darf. Dann findet man da zum Beispiel einen Schwerpunkt Hochlauf von grünen Molekülen, also Stichwort Grüne Gase, grüne Treibstoffe und so weiter über Quotenregelung. Das ist eine Idee - die Union macht sich für eine Einführung eines Kapazitätsmarkts stark. Das ist das, was wir gerade hatten. Andere Dinge, die vielleicht auch in den Schlagzeilen der Medien zu finden waren, war, zum Beispiel, die Forderung danach, dass sogenannte Heizungsgesetz - das Gebäudeenergiegesetz - wieder abzuschaffen. Ob das jetzt in Toto erfolgen wird - es ist ein Gesetz, das gibt es schon länger und das hat sehr viele Regelungen, die da drin zu finden sind - also, ob das jetzt in Toto abgeschafft wird oder ob dann die unliebsamen Regelungen modifiziert werden und dann vielleicht das Gesetz einen anderen Namen bekommt, das sei dahingestellt. Das wird sich in der nächsten Zeit zeigen, aber das Signal ist, man will da drangehen - und man will das, was in der vergangenen Regierung vielleicht als Kritik würdig erachtet wurde seitens der Union - will da dran gehen und es modifizieren. Dann hat die Union das Thema Kernenergie nochmal in ihrem Wahlprogramm aufgerufen. Da bleibt dann auch abzuwarten, was sich daraus entwickeln wird. Bei der SPD ist das Thema Bezahlbarkeit von Energie, erwartbarerweise ebenfalls ein großes Thema, und sozialpolitische Aspekte der Energiewende insgesamt. Da ist auch Beteiligung und Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern. Dann gibt es einen zweiten Strang, der industriepolitische Aspekte aufgreift und natürlich ganz stark darauf abzielt Arbeitsplätze - gute Arbeitsplätze - in Deutschland zu sichern. Das ist zum Beispiel die Forderung nach der Einführung grüner Leitmärkte zum Schutz der einheimischen Industrieproduktion, Stichwort made in Germany - also made in Germany Bonus einzuführen. Im Gegensatz zu Union, hält die SPD in ihrem Wahlprogramm am Thema Atomausstieg fest und sagt: ne, da rütteln wir nicht dran. Und die SPD hat schon in ihrem Wahlprogramm signalisiert, sie wollen die Schuldenbremse reformieren. Also sie wollen das Thema, was in der letzten Legislatur noch hochgehalten wurde, dass man die Schuldenbremse, wie sie verfassungsseitig vorgegebenes halten will, sagen die, da wir müssen das reformieren. Wir sehen hier Bedarfe, natürlich auch sicherheitspolitische Bedarfe, Stichwort Wehretat. Aber auch Infrastrukturelle Bedarfe und deswegen muss die modifiziert werden und die haben ein Begriff in den Raum gestellt, "Deutschlandfond", indem sie halt eben öffentliches Kapital und privates Kapital zu Finanzierung der Energiewende mobilisieren wollen. Ja und in diesem Spannungsfeld müssen die beiden, wenn sie eine Koalition bilden wollen, sich jetzt finden. Und die Gemeinsamkeiten - ich habe gerade ein paar halt schon genannt - also Senkung der Stromkosten, insbesondere auch für energieintensive Branchen, Senkung der Netzentgelte, Netz und erneuerbaren Ausbau, Ausbau der Wasserstoffwirtschaft, einer Wasserstoffinfrastruktur, Aufbau von Speicherkapazitäten, die Förderung von Zukunftstechnologien. Das sind alles Dinge, wo man sich einigen können wird, auch bei der Reform des Gebäudeenergiegesetzes sicherlich, wird man dann einen Weg finden. Also das sind alles Sachen - auch an dem Klimaneutralitätsziel 2045 rütteln beide erstmal nicht grundsätzlich - vielleicht eine Frage, wie man dahinkommt. Unterschiede - also, das Thema Kernenergie, habe ich gerade schon genannt, das Thema Schuldenbremse - wird ein Thema sein, aber da lesen wir gerade wieder was da wohl passieren wird, um den gordischen Knoten zu lösen.
Hannah Simon
00:19:26
Können wir gleich noch mal kurz drauf eingehen, genau.
Dr. Tobias Brocke
00:19:29
Gerne. Ja und ansonsten das Tempo beim Kohleausstieg wird unterschiedlich gesehen. Es gibt durchaus Punkte, wo noch Aushandlungs- und Streitpotenzial besteht und man darf dann auch da nicht wieder vergessen, Energiepolitik ist nicht das Zentrum bei einer Koalitionsbildung und möglicherweise an der ein oder anderen Stelle dann auch Verhandlungsmasse für andere Herzensangelegenheiten der beiden Parteien.
Hannah Simon
00:19:55
Ja und das heißt, wir können aber grundsätzlich attestieren, dass diese beiden Parteien, die vermutlich eine gemeinsame Regierung bilden werden, dass sie grundsätzlich schon in dieselbe Richtung laufen. Die Frage wird dann wie so oft in demokratischen oder in Demokratie - in geführte Diskussion oder die Suche nach Kompromissen dann irgendwie sein - über das Wie. Wie man dann den entsprechenden Weg auch bestreiten kann.
Dr. Tobias Brocke
00:20:20
Ja, in gewisser Weise ist man da auch zum Erfolg verdammt, muss man sagen. Denn diese Koalition muss jetzt wirklich drängende internationale und nationale Probleme lösen und das werden sie wahrscheinlich auch tun. Nein, Sie werden sich darum bemühen, so. Ob Sie es tun werden kann ich gar nicht beurteilen.
Hannah Simon
00:20:44
Das bleibt zu hoffen. Es ziehen aber nicht nur SPD und die Union in den Bundestag ein, sondern auch noch ein paar andere Parteien. Gibt es da auch nochmal Besonderheiten, interessante Richtungen, Vorschläge hinsichtlich der Energiepolitik, die vielleicht den Weg in die Diskussion finden könnten in den nächsten Jahren?
Dr. Tobias Brocke
00:21:07
Ja, also interessant ist, dass das Thema "Deutschlandfond" auch bei den Grünen zu finden ist und dass das Thema "Bezahlbarkeit der Energiewende" auch bei den Grünen zu finden ist, sodass da Anschlussfähigkeit bestünde. So bei den Grünen liest sich das Wahlprogramm dann anders als bei der Union. Der Netzausbau muss dem erneuerbaren Zubau folgen und nicht umgekehrt. Aber die Union ist eben in der Position, dass der erneuerbare Zubau dem Netzausbau folgen muss. Das ist ein grundlegender Unterschied. Wir als Branche und auch mit unseren Branchenverbänden werben ganz stark dafür, dass dieser Netzausbau eigentlich das zentrale Thema ist und nicht ein unregulierter und ungesteuerter erneuerbaren Zubau, den man dann nicht vernünftig ins Netz integrieren kann. Dann das Thema Wärmepumpen fördern, das leitet sich natürlich aus der Wärmewendepolitik der vergangenen Regierung ab. Das heißt, man will genau da weitermachen wie bisher und sieht sich da auf dem richtigen Weg. Beim Thema Wärmenetze - Das wäre dann auch noch so ein lokales Thema - Ausbau der Wärmenetze, wollen die Grünen fördern, wollen aber auch ganz klar eine Preisaufsicht einführen. Das ist sicherlich auch noch mal ein sehr spannendes Thema, wenn man da in die Tiefe geht. Darüber hinaus haben wir noch das Thema Modernisierung der Schuldenbremse. Das sehen die halt auch so - also, das wollen die auch, wie die SPD. Bei der AfD könnte man dann vielleicht noch sagen, da ist sehr, sehr viel Ablehnung des herkömmlichen. Da haben wir die Forderung danach, alle Subventionen und sämtliche Förderprogramme für Klimaschutzmaßnahmen, zu streichen - das Thema EEG-Förderung zu streichen. Da sagt man erneuerbare "Ja", aber ohne jedwede Subvention, nur wenn es sich wirklich rechnet. Generell Ablehnung des weiteren Ausbaus von Wind und PV-Anlagen, so ungesteuert. Also dann wieder in die Kernenergie einsteigen, Kohlekraftwerke erhalten, liest man da in dem Wahlprogramm. Das Thema Klimapolitik und Klimaziele im Rahmen des Pariser Abkommens - es wird halt grundsätzlich kritisch gesehen. Die Schuldenbremse soll eingehalten werden und das Heizungsgesetz soll abgeschafft werden, das Verbot von Gas- und Ölheizung soll zurückgenommen werden und so weiter und so weiter. Sind sehr, sehr stark polarisierende Position, wie es auch zu erwarten war.
Hannah Simon
00:23:50
Vielleicht können wir noch mal kurz auf das Thema Wärmeplane, was grad eben auch ganz kurz angeschnitten wurde, eingehen. Da gibt es grundsätzlich einen gewissen Handlungsdruck für viele Versorger, ihre Planung entsprechend aufzusetzen. Wenn sie sie nicht sogar schon fertig haben je nach Bundesland. Ein paar waren da schon ein bisschen eher dran. Wir nehmen teilweise wahr, dass da jetzt auch eine gewisse abwartende Haltung auch gegangen wird. Hast du da auch eine Einschätzung zu dem Thema oder etwas, was sich ableiten lässt jetzt aus den Wahlprogramm oder bisherigen Diskussionen, ob es hier vielleicht, sozusagen, einen Aufschub oder Ähnliches geben könnte. Oder ist das nicht abzusehen und eher erwartbar, das an dem bisherigen Zeitplan dort auch festgehalten wird.
Dr. Tobias Brocke
00:24:31
Zunächst mal muss man sagen, die Union hat sich immer stark gemacht für Technologieoffenheit in der Wärmewende und nicht ein per se festlegen auf eine Energieform. Also, als Stromkonzern ist es natürlich interessant, wenn man sieht, dass die Elektrifizierung eine Option ist, die dann eben zur Wärmeversorgung beitragen soll. Ungelöst ist nach wie vor das Problem, was ist denn mit der mittelständischen Industrie, die ebenfalls über unsere Gasnetze versorgt wird. Und wenn man halt kein Gas mehr für die Gebäudeheizung braucht, aber noch Gas für die Industrie, wie sich das dann einpendeln wird. Aber das ist jetzt nicht das Thema bei der Wärmewende im engeren Sinne. Ich vermute, aber das ist reine Glaskugel-Leserei, dass wir tatsächlich Lockerungen in der Gesetzgebung kriegen, so dass mehr Zeit gegeben wird für einen Umstieg oder für einen Umbau. Wir werden sicherlich nur da, wo es sich wirklich anbietet, den Bau weiterer Wärmenetze sehen. Da wo sich das anbietet, da wo man die Abnahmedichten hat und so weiter, ist das eine Option. Aber das wird nicht so einen großen Teil ausmachen, dass das irgendwie eine alleinige Lösung ist. Mit dem Thema Elektrifizierung und Wärmepumpen, das wird für viele eine Option sein. Dann wird sich zeigen, was mit dem Rest ist. Aber die Übergangszeit ist, glaube ich, ganz wichtig, um auch zu sehen, was kommt eigentlich an neuer Technologie auf den Markt und was bilden sich für Märkte, für bestimmte Energiearten und Energieformen. Das ist alles noch nicht ausgemacht. Die Frage, die man sich natürlich als Gasnetzbetreiber stellt, ist, was bedeutet das denn für den Plan, den ich mir eigentlich vielleicht gelegt habe in Bezug auf meine Abschreibung - die Abschreibung meiner Netze. Es gibt über diese Kanu Festlegungen, die Möglichkeit, Gasnetze frühzeitig abzuschreiben, wenn man weiß, dass man sie nicht mehr benötigt. Wenn man aber jetzt doch diese Gasnetze länger als vorgesehen betreiben wird, dann ist ein vorzeitiges Abschreiben natürlich dann auch mit einem Fragezeichen zu versehen. Jedenfalls muss das neu bewertet werden. Insoweit blicken wir dann natürlich mit Spannung drauf.
Hannah Simon
00:27:00
Ja, wir wollen auch nicht zu sehr in die Glaskugel gucken. Das will ich dir auch gar nicht abverlangen. Die Zeit wird es in vielen Themen sicherlich zeigen, welches Tempo wir unter anderem im Thema Energie und Wärmewende weitergehen werden. Ich glaube, die Richtung, dass wir diesen Weg weiterverfolgen werden als Branche - das zeichnet sich auf jeden Fall auch mit einer neuen Regierung ab, dass der Weg weiter beschritten wird. Tempo und Art bleiben offen. Wenn wir noch mal total in die Realität schauen und die Glaskugel zur Seite schieben, konnten wir diese Woche lesen, dass die neue Regierung - vermutliche Regierung - ein Sondervermögen Infrastruktur plant in Höhe von 500 Milliarden Euro, um eben in Straßenschienen, Energienetze, in Deutschland zu investieren. 500 Milliarden Euro, das ist ungefähr das, was Deutschland insgesamt jedes Jahr ausgibt - also echt eine gewaltige Summe, die die Politik dort auf den Weg bringen möchte. Hundert Milliarden Euro davon sollen auch direkt den Ländern und Kommunen zufließen, nach aktueller Aussage und Vorhaben. Da würde ich auch gerne einmal mit dir draufschauen, wie du auf dieses geplante Sondervermögen schaust und uns eine erste Einordnung geben kannst.
Dr. Tobias Brocke
00:28:19
Ja zunächst mal muss man ohne das irgendwie bewerten zu wollen, feststellen, dass so ein Sondervermögen für Energie - für Infrastruktur - geschaffen werden soll und das ist angesichts der riesigen Herausforderungen, die wir beim Netzumbau und Netzausbau haben, grundsätzlich natürlich zu begrüßen. Die Frage ist halt, was kriegen wir davon ab als Branche, welche Brücken und sonstigen Themen sind ebenfalls wichtig. Wir werden da sicherlich als Branche uns in verschiedensten Formen zu Wort melden und darauf hinweisen, was wirklich wichtig ist, um die Energieversorgung unseres Landes sicherzustellen und eben auch zukunftsfest zu machen. Das ist ein ganz, ganz wichtiges Thema. Wir können froh sein, dass es adressiert ist und dass es als Begriff hier in diesem Frühstadium der Sondierung schon eingeflossen ist.
Hannah Simon
00:29:19
Dann werden wir das auf jeden Fall positiv - auch losgelöst von der Frage der Finanzierung, die natürlich auch Gesellschaft und Politik dann wieder in großen Teilen auch - beschäftigen wird. Denn Sondervermögen ist üblicherweise auch gleichzusetzen mit dem Begriff "neue Schulden". Das heißt, da bleibt es spannend. Wir haben jetzt einmal auf die Wahlergebnisse geschaut, wir haben zurückgeschaut was die Ampel noch auf den Weg gebracht hat und was vielleicht noch in der Schublade liegt und wir demnächst wiedersehen werden im Jahresverlauf und was uns vielleicht energiepolitisch blüht, sobald sich die neue Regierung gefunden hat. Gibt es noch einen Themenbereich oder Aspekte, die wir noch nicht angesprochen haben, wo du aber sagst, da wäre der Blick doch eigentlich nochmal interessant draufzuschauen heute in unserem Gespräch.
Dr. Tobias Brocke
00:30:05
Ich glaube, ganz wichtig ist in den nächsten Wochen und Monaten über die verschiedensten Kanäle darauf hinzuwirken, dass die Koalition - wenn sie über Energiepolitik spricht und sich auf gemeinsame Wege verständigen -, dass eben die für uns relevanten Themen zumindest schlagwortartig untergebracht werden, damit man in der Legislatur darauf aufbauen kann. Dass wir tatsächlich dahin kommen, die Grundlagen zu schaffen, dass wir so ein resilientes Energiesystem mit technologieoffenem Energiemix und einem konsistenten Rechtsrahmen sicherstellen. Da sind dann meistens so Buzzwords. Aber der konsistente Rechtsrahmen ist wichtig, eine saubere Regulierung ist richtig. Investitionsrahmen ist total wichtig. Das ist auch wieder die Frage der Regulierung, dass da überhaupt Kapitalgeber Interesse daran haben, die immensen Herausforderungen, die wir hier haben auch mit zu finanzieren. Ja, dass das Thema "Ausbau der Erneuerbaren" mit den Netzkapazitäten synchronisiert wird, dass wir die Kraftwerkstrategie oder eine Kraftwerkenwerksstrategie haben, die uns in den richtigen Bereich führen, dass wir einen Ausbau haben bei der gesicherten Erzeugung. Das sind, glaube ich, alles sehr wichtige Themen.
Hannah Simon
00:31:24
Dankeschön Tobias, dass du da heute mit mir einmal durchgeflogen bist und wir schon das eine oder andere Thema besprechen konnten. Ich glaube, wir bleiben gespannt, welche Themen die Regierung am Ende auf ihre Agenda setzen wird, die natürlich - und das hast du auch völlig zurecht genannt- die auch ein paar weitere geopolitische und innerpolitische deutsche Themen natürlich auch noch lösen muss, neben dem für uns sehr wichtigen Thema Energiepolitik. Vielen Dank, dass du heute hier zu Gast warst und uns an deine Einschätzung und Wissen hast teilhaben lassen.
Dr. Tobias Brocke
00:31:59
Gerne gerne, Hannah.
Hannah Simon
00:32:01
Wenn euch die Folge gefallen hat, dann lasst uns doch gerne eine Bewertung da, wenn ihr uns auf einem Portal hört, wo eine Bewertungsfunktion ist. Das hilft uns total den Podcast noch bekannter zu machen und weiterhin so interessante Gäste, wie den Tobias hier einzuladen. Von daher freuen wir uns da und wir hören uns in zwei Wochen wieder. Vielen Dank fürs Reinhören. Bis zum nächsten Mal. Musik.