Energiedosis

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74: Wasserpreise gestalten – Siegfried Gendries, LebensraumWasser Consulting

27.03.2025 43 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wie lassen sich Wasserpreise wirtschaftlich tragfähig, sozial gerecht und transparent gestalten? Mit Siegfried Gendries, Experte für Wasserwirtschaft, diskutieren wir die Entwicklungen in der Wasserwirtschaft aus der Perspektive von Wasserversorger, Politik und Verbraucher.
 
Die Preisgestaltung in der Wasserwirtschaft ist komplex: Kostendeckung, Investitionen in die Infrastruktur und soziale Gerechtigkeit müssen unter regulatorischen Vorgaben in Einklang gebracht werden. Gleichzeitig fehlt vielen Verbrauchern das Bewusstsein für die tatsächlichen Kosten der Wasserversorgung. Wir sprechen mit Siegfried Gendries über wirtschaftliche und regulatorische Rahmenbedingungen, aktuelle Entwicklungen und die Bedeutung transparenter Kommunikation.
 
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Blog LebensraumWasser: lebensraumwasser.com

Transkript

Music.
Intro: Hannah Simon
00:00:32
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Energiedosis, dem Praxis-Podcast der Netzwerkpartner. Ich bin Hannah Simon und freue mich, dass wir heute mal wieder das Thema Wasser auf die Agenda rücken. Die Commodities geraten zunehmend unter Preisdruck und das Thema Wasser rückt immer mehr in den Fokus. Ich habe Siegfried Gendries eingeladen, um da heute einmal drüber zu sprechen. Sigi begleitet die RWW rund um Wasserpreise und war auch lange Zeit für die RWW, das ist der Wasserversorger in Mühlheim an der Ruhr, selbst auch tätig. Und seit vielen Jahren, nämlich seit 2016, berät er Versorger bei den Themen Wasserpreispolitik und Wasserpreiskommunikation und er betreibt den Wasserblock: LebensraumWasser.com. Da müsst ihr auf jeden Fall auch mal draufschauen, aber jetzt erstmal noch dran bleiben und ich sage ganz herzlich willkommen, Siggi. Ich freue mich sehr, dass du heute unser Gast bist im Podcast.
Siegfried Gendries
00:01:29
Ja Hannah, das ist fein, dankeschön. Danke für die Einladung. Bin gespannt. Ich fange vielleicht mal an und normalerweise wäre das Interview andersrum oder das Gespräch andersrum. Kennst du eigentlich deinen Wasserpreis? Oder anders gefragt, interessierst du dich dafür?
Hannah Simon
00:01:43
Da erwischt du mich jetzt natürlich voll in der Kalten. Nein, also ich kenne meinen Wasserpreis nicht. Ich habe mich einmal sehr intensiv mit meinem Wasserpreis auseinandergesetzt vor ein paar Jahren, als ich meine falschen Nebenkostenabrechnung hatte. Da ich so den ein oder anderen Wasserpreis mal in meinen Taschenrechner eingeworfen, um da mal nachzurechnen. Aber das war ehrlich gesagt so mein einziger richtiger Berührungspunkt. Ansonsten könnte ich da gar nicht so viel sagen und mein Interesse, würde ich behaupten, ist überschaubar.
Siegfried Gendries
00:02:15
Ja, das ist nicht überraschend. Also du bist die Regel, nicht die Ausnahme. Weißt du, ich analysiere seit 15 Jahren Wasserpreise und befasse mich auch damit - wie die Menschen - wie die Verbraucherinnen und Verbraucher mit den Wasserpreisen umgehen oder ob sie sich überhaupt dafür interessieren. Ich schreibe auch nun regelmäßig in meinem Blog darüber, weil ich eben festgestellt habe, dass das Interesse an an an diesem Preis, anders als an allen anderen Preisen, die es so gibt, extrem gering ist. Und du hast auch genau schon die richtige Einstiegskurve gefunden, indem du sagst, die Nebenkostenabrechnung habe ich nicht verstanden und genau da ist das Problem. Die Wasserversorger können sich noch nur sehr anstrengen über Preise zu kommunizieren und das tun sie - das müssen sie auch tun. Aber wenn es dann so, ich hab es mal genannt "Wahrnehmungsbarriere" geben, dann kommt das bei den Verbrauchern, bei den Haushalten am Ende des Tages gar nicht an.
Hannah Simon
00:03:14
Also denkst du, dass das vornehmlich was damit zu tun hat, dass man nicht so eine direkte Kundenbeziehung dann hat und dass der Kontaktpunkt dann über die Nebenkostenabrechnung erfolgt, wo es auch nur eine Position in einem meist so zwölfseitigen Papier, irgendwie je nach Nebenkostenabrechnung ist, dass es dann einfach untergeht und noch komplexer vielleicht auch wirkt, als es vielleicht auch wäre, wenn man das einzeln betrachtet?
Siegfried Gendries
00:03:37
Ja, genau das ist der Punkt und ich sage mal, da können auch die Versorger gar nicht zu, weil viele Haushalte können gar nicht die Brücke schlagen von dem Wasserpreis, der im Internet steht hin zu dem, was auf der Nebenkostenabrechnung am Ende des Tages stehen wird. Sie sind also unverständlich. Wir machen regelmäßig Kundenbefragungen, sowohl der VKU, als auch der BDEW machen Befragungen eben auch in Bezug auf die Wahrnehmung der Wasserpreise. Und da stellen wir also immer wieder fest, dass Mieter die Preise nicht kennen. Die sich auch nicht dafür interessieren, was in dem Fall natürlich auch verständlich ist, weil es eben auch häufig pauschale Nebenkostenabrechnungen gibt und in diesen Befragungen wird immer gesagt, "Wir sind daran nicht interessiert", auch weil sie unverständlich sind. Also genau das, was du gesagt hast ist eigentlich das Paradebeispiel dafür. Und wenn wir befragen, dann ist es eben so, dass jede fünfte Person angibt den Wasserpreis zu kennen. Also die anderen kennen ihn nicht. Und auch das ist interessant - wenn ein Preis dann angegeben wird auf Nachfrage - ch habe jetzt nicht gefragt, was was was du glaubst zu zu zahlen, weil ich nicht kontrollieren kann, wo du wohnst und ich den Preis sagen kann - aber die Preise werden in der Regel sehr deutlich überschätzt. Also will ich sagen, wir landen dann irgendwo manchmal bei 15 Euro für 1000 Liter für einen Kubikmeter. Auch jetzt gerade in einer ganz aktuellen Befragung kam das zum Vorschein. Also es gibt kein Verständnis dafür.
Hannah Simon
00:05:10
Und da können wir jetzt direkt den Faktencheck machen, wie hoch liegt denn der Preis eigentlich so ungefähr für 1000 Liter? Hast du da die Preisspanne direkt im Kopf?
Siegfried Gendries
00:05:18
Wir haben in Nordrhein-Westfalen - ich habe immer so eine Referenzgröße - die 30 Metropolen, also die Städte größer oder um die 100.000 Einwohner. Das sind 30 Städte. Und da liegt der Bruttopreis bei 1,92 € je Kubikmeter. Also der reine Mengenpreis, weil das ist das, was die Verbraucher interessiert. Auf die anderen Preise haben sie - auch durch Wasser sparen, da kommen wir gleich noch drauf zu sprechen - keinen Einfluss und diese Preisspanne liegt hier, bei diesen großstädtischen Versorgern Nordrhein-Westfalen, für 1000 Liter in einer Größenordnung von ein 1,20 € bis 3,30 €. Also mit 3,30 €, wenn man das sagen würde, okay, da ist man dann bei einem Versorger - der im übrigen auch Grundpreis erhebt - aber der 15, 10 €, das ist weit darüber hinaus. Also es mal auf die Spitze zu treiben: für einen Cent bekommst du dann in der Größenordnung fünf Liter Trinkwasser und trotzdem fordern manche noch kostenlose Wasserversorgung. Auch solche Extreme gibt es. Also da ist viel Emotion im Spiel.
Hannah Simon
00:06:19
Ja, auf die Forderung, zum Beispiel, auch aus der Politik wollen wir auf jeden Fall später auch noch mal zu sprechen kommen. Also Interesse und Preiswahrnehmung ist eher gering und Preiseinschätzung quasi völlig falsch. Hast du Erkenntnisse dazu, wie die Menschen dann generell so auf diese Ressource Wasser schauen? Also, was das für einen für einen Blick darauf gibt?
Siegfried Gendries
00:06:41
Ja, das ist so ein Stück weit auch mein Steckenpferd zu schauen, wie sprechen Menschen über Wasser, wie schreiben sie darüber, und insbesondere wie denken sie darüber und das können wir uns halt dann eben nur durch Gespräche oder auch durch Befragungen erschließen. Also wir wissen aus der Befragung, dass es eine sehr hohe Wasserwertschätzung gibt. Das ist auch etwas, was wir in der nationalen Wasserstrategie als Punkt adressiert haben, die Wertschätzung des Wassers zu erhöhen. Und die steigt natürlich insbesondere immer dann, wenn es ganz bestimmte Ereignisse gibt, die das Wasser auch in die Wahrnehmung nach oben treiben. Und das wird dann von den Medien auch unterstützt. Ich sage immer, Wasser ist ein eruptives Thema. Wenn es viel regnet, dann wird Wasser höchstens wahrgenommen als potenzielle Bedrohung bei Hochwasser in Extremfällen. Und wenn es eben sehr lange trocken ist, dann wird Wasser wahrgenommen als knappe Ressource. Das ist auch gut so. Also beide Extreme sind wichtig, nur wir brauchen mehr Kontinuität eigentlich. Und das ist ein Problem, was wir haben, in der in der Medienberichterstattung auch, das immer sehr stark auf eben solche Extreme abgestellt werden. Also wir brauchen also eine stärkere zielgerichtete Kommunikation, dauerhafte Kommunikation. Also ich berate auch Versorger dabei über Wasser zu kommunizieren. So war ich gerade - jetzt in dieser Woche noch - in einem norddeutschen Projekt, in dem ich seit einigen Jahren mitarbeite, wo einige Versorger, Behörden und Verbände eben versuchen, die Verbraucher über den sorgsamen Umgang mit Wasser aufzuklären, um eben, wie gesagt, auch da eine gewisse Kontinuität reinzubringen in dieses Thema. Also nicht nur im Sommer dann extrem zu sparen, sondern eben ein höher Gleichlaufenden sorgsamen Umgang mit Wasser, was übrigens nicht nur die Menge bedeutet, sondern eben auch Qualität. Weil wir haben natürlich fast eher ein großes Qualitätsproblem beim Wasser und zwar bei den Gewässern will ich sagen, als ein quantitatives Problem, nicht wahr?
Hannah Simon
00:08:42
Wenn wir auf das Thema Wasser sparen so auf Gesamtbundesebene schauen, kann man dort auch sowas wie eine demografische Entwicklung mit einrechnen. Also grundsätzlich, wenn wir auf die Altersstruktur in Deutschland schauen werden wir generell weniger und älter. Das heißt eigentlich mit sinkender Bevölkerungsgröße brauchen wir auch weniger Wasser, was wir verbrauchen möchten oder gebrauchen möchten. Das ist in Richtung Preise für die Verbraucher eigentlich eine gute Nachricht oder?
Siegfried Gendries
00:09:14
Oh, das ist eine spannende Frage, weil da gibt es durchaus eine Reihe von Erwartungen, die möglicherweise zumindest auf der preislichen Ebene so nicht erfüllt werden können. Wir müssen wissen, die Wasserversorgungsinfrastruktur, wie alle Infrastrukturen sind sehr Fixkostenlastig, das heißt man braucht sich die Gebäude nur ansehen, die Rohre und Netze, die kann man natürlich nicht verändern, wenn der Verbrauch reduziert wird. Also beispielsweise, wenn jetzt sehr trockene Sommer sind, dann verbrauchen die Menschen natürlich tendenziell mehr Wasser. Wobei man auch wissen muss, dass ein Großteil des Wassers was mehr verbraucht wird, also jetzt - ich sage mal - im Wohnbereich, in erster Linie für die Außennutzung genutzt wird, sprich zur Gartenbewässerung und hier und da zur Poolbefüllung. Deswegen auch die Verbindung eben zum Wetter. Allerdings ist es dann so, wenn der Wasserverbrauch wieder rückläufig ist und ich sag mal, es wird jetzt gespart, dann hat das natürlich Folgen für die Wirtschaftlichkeit der Wasserversorger. Rund 80 % der Kosten, auf Ebene der Wasserversorger, sind fix, sprich unveränderbar mit der Menge. Und bei den Preisen ist es in der Regel so, die verhalten sich genau spiegelbildlich. Also die Mehrzahl der Wasserpreissysteme in Deutschland haben eben einen hohen Mengenpreisanteil. Da, wenn man dann jetzt genau hinschaut, dann stellt man fest, wenn also angesichts dieses hohen Mengenpreisanteils die Nachfrage dann zurückgeht, weil wir weniger Menschen sind oder weil weniger Wasser verbraucht wird, dann hat der Wasserversorger ein Problem mit seiner Fixkostendeckung. Dem kann er sich eigentlich nur dadurch entziehen, dass er entweder weniger investiert oder indem er die Preise anhebt. Die Bildzeitung hat es mal 2012/2013 auf den Punkt gebracht mit einer Schlagzeile: "Sind wir denn bekloppt? Wir sparen Wasser und zahlen dafür mehr". Ne, wir sind nicht bekloppt - das funktioniert so. Und es meinte ich eben mit falschen Erwartungen. Wir müssen an der Stelle uns einfach drauf vorbereiten, dass wenn die Infrastruktur von weniger Menschen bezahlt werden muss, dass sie dann für jeden Einzelnen teurer wird. Es sei denn natürlich auch - die Lösung möge es geben - der Staat tritt dafür ein und macht eine Co-Finanzierung der Infrastruktur. Wir haben diese Diskussion gerade im Zusammenhang mit den Finanzierungsüberlegungen in Bezug auf die Infrastruktur, die kritische Infrastruktur, die ganz aktuell diskutiert wird, ob der Staat da auch für die Wasserversorgung mit eintritt. Das ist sicherlich ein anderes Thema und gehören nicht in diesen Podcast.
Hannah Simon
00:11:56
Ja, Politik ist ein gutes Stichwort. Also wenn wir das mal auf die lokale oder regionale Ebene heben oder da mal runtergehen, stellt die Politik grundsätzlich an die Wasserversorger immer wieder eine ganz klare Anforderung. Also die Wasserpreise müssen sozial gerecht sein. Du hast das jetzt auch grad schon angesprochen, die Herausforderung, dass dann tendenziell die Preise eigentlich eher steigen müssten in Zukunft. Gleichzeitig sind Wasserversorger natürlich Wirtschaftsbetriebe und keine soziale Einrichtung oder Ähnliches. Wie passt das zusammen? Wie blickst du da drauf, auf diese Forderung der Politik an die Wasserversorger hinsichtlich der Preisgestaltung?
Siegfried Gendries
00:12:40
Ja, ich sagte schon, Wasser oder auch Wasserpreise sind ein dann doch emotionales Thema. Immer dann, wenn Wasserpreise angehoben werden, gibt es natürlich zahlreiche Akteure, die sich aufgerufen fühlen trotz der eigentlich geringen, breiten öffentlichen Wahrnehmung dann ihre eigene Betroffenheit auch zum Anlass zu nehmen, eine gewisse Ungerechtigkeit aufzuzeigen. Also das liest man immer wieder, ich beobachte auch die Medienberichterstattung halt über Wasserpreiserhöhung. Zum Teil sind auch die Versorger selber in Schuld, weil sie an der Stelle schlecht ihre Maßnahmen kommunizieren. Da kann man Fehler vermeiden. Aber in der Tat sprichst du ein heikles Thema an. Ich war also selber viele Jahre in der Kommunalpolitik tätig und kenne daher den guten Willen vieler Politiker. Aber ich sage immer gut gewollt ist, nicht immer gut gemacht. Wasserversorger ist eben ein sehr spezielles Thema und damit befassen sich eben nicht alle Kommunalpolitiker regelmäßig, müssen sie auch nicht. Sie haben dafür ihre Fachbetriebe, sei es der Eigenbetrieb der Kommune oder sie haben ein eigenes Stadtwerk, an dem sie zwar beteiligt sind. Aber Wasserpreise ist eben auch etwas, was viele Versorger vergleichsweise selten adressieren in der Politik, weil sie auch ungerne über diese Notwendigkeit sprechen. Es ist überraschend, weil sie brauchen die Einnahmen. Und versuchen es eben zu vermeiden, um die Diskussion nicht zu haben. Und deswegen sind nicht wenige Politiker auch überfordert, schlicht und ergreifend, weil sie damit nicht vertraut sind. Dennoch fühlen sie sich aufgerufen eben bei Wasserpreisen starken Einfluss auszuüben weil sie glauben, dass die Bürger die Wasserpreissteigerung nicht verkraften würden. Das ist in Deutschland anders als in den USA oder in England - hier überhaupt kein Thema. Also ich sage mal selbst für sozial - und wir kommen mal auf den Punkt soziale Gerechtigkeit - selbst für sozial schwache Gruppen, also sprich Bürgergeldempfänger:innen oder dergleichen ist es so, dass der Staat diese Kosten übernimmt. Also die werden im Prinzip abgesichert und auch ansonsten ist der Anteil der der Wasserkosten für einen Haushalt im Vergleich zu allen anderen Haushaltskosten. Vergleichsweise kriegen auf einen deutlich geringeren Niveau beispielsweise, als in England oder oder wie ich schon sagte in den USA, wo es also durchaus brodeln könnte in nächster Zeit. Kommen wir zum Stichwort soziale Gerechtigkeit. Es wird dann mal gesagt, du hast das das Stichwort eben schon gebracht, ein Wasserversorger ist sein Wirtschaftsbetrieb und muss auf seine Wirtschaftlichkeit achten. Er muss darauf achten, dass genügend investiert wird, sodass er die gesetzlichen Leistungen, die erbringen muss, hinsichtlich Qualität und Versorgungssicherheit auch erbringen kann. Das bedeutet gerade in diesen Zeiten - deswegen ist das dramatisch schlimm, aber auch gleichzeitig ein sehr gutes Beispiel, was auch jeder verstehen kann - wir können es uns natürlich überhaupt nicht erlauben, dass die kritische Infrastruktur Wasserversorgung -, weil es auch ein Lebensmittel ist, ist eigentlich die essentielle Infrastruktur -, dass die darunter leidet, dass ein Wasserversorger eben nicht über die notwendige Finanzierungsbasis verfügt. Und von daher sage ich mal kann ich auch gerne eine Kartellreferentin zitieren, die mir mal gesagt hat, "Herr Gendries ihr Unternehmen muss auch Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Daseinsvorsorge achten nicht auf soziale Gerechtigkeit, das ist Aufgabe der Politik". Ich mach mal ein Beispiel: Ich sprach eben über die Mengenpreise und die Belastung von Haushalten eben, wenn sie viel verbrauchen. Wir müssen mal sehen, was ist mit einer Familie von drei und vier Kindern, die keinen Pool hat oder keinen Garten, den sie bewässert, sondern das Wasser wirklich für den Haushalt braucht. Die zahlt ja viel für Wasser. Die zahlt aber viel für Wasser, weil das Preissystem so gestaltet ist, dass eben viel der Erlöse an den Mengenpreisen hängt. Also man könnte diese Familien entlasten, wenn man auf soziale Gerechtigkeit abzielt, was man wie gesagt nicht tun soll. Aber da kann die Politik natürlich etwas tun und kann sagen, wir müssen Wasserpreise auch ein Stück weit anders gestalten. Und das das ist eben nicht nicht der Fall, dieses Verständnis findet man zum einen nicht. Dann wird gesagt, nein, nicht die Wasserpreise erhöhen. Dann wird auf die Nachbarschaft geschaut, die haben geringere Wasserpreise und und und.
Hannah Simon
00:17:04
Auf die verschiedenen Preismodelle würde ich gern gleich auf jeden Fall auch noch mal mit dir eingehen. Zwei Fragen noch zu der Betrachtung der generellen Wasserpreise - Frage eins: Würdest du sagen, generell das Wasser in Deutschland dann zu günstig ist? Oder liegt es einfach an dem Preismodell wie und wer quasi belastet wird?
Siegfried Gendries
00:17:24
Ich würde sagen, Wasserpreise sind angemessen in Deutschland. Sie sind nicht zu günstig. Sie sind definitiv nicht zu hoch. Das zeigt auch der internationale Vergleich in Europa, wobei der immer ein Stück weit hinkt. Man muss natürlich auch sehen, Wasserpreise setzen sich nicht nur aus dem zusammen,was der Versorger letzten Endes erhält. Sondern, ich sage mal, für einige Leistungen ist der Wasserversorger auch das Inkassobüro anderer Institutionen. Also was meine ich damit? Es gibt beispielsweise Konzessionsabgaben, die der Kommune zufließen. Die hören natürlich, je nach Größe der Kommune fallen sie unterschiedlich hoch aus. Die werden dann natürlich im Preis mit verarbeitet. Es gibt eine Umsatzsteuer, die wird mit dem Preis verarbeitet. Manche Versorger müssen auch Gewinne abliefern an die Stadt, da wird dann auch drauf behaart. Die werden auch im Preis mit berücksichtigt. Und in fast allen Bundesländern in Deutschland gibt es Wasserentnahmeentgelte, auch die sind im Preis am Ende des Tages berücksichtigt und die müssen die Verbraucher:innen dann zahlen und da gibt es eben große Unterschiede. Hessen erlaubt es sich; darauf zu verzichten. Bayern ist sich noch nicht so ganz schlüssig. Also Wasserentnahmeentgelte sind zum Beispiel ein Anreiz, den man theoretisch nutzen könnte, um eben auch sorgsamer mit Wasser umzugehen, aber auch da gibt es große Unterschiede. Bei Landwirten beispielsweise in Nordrhein-Westfalen verzichtet man darauf. Bei Haushalten werden Wasserentnahmeentgelte erhoben. Also will sagen, sehr komplexes Thema. Aber, wenn man dann aufgrund der höheren Wasserpreise auf den Versorger schimpft, dann ist das nicht unbedingt immer gerechtfertigt. Dann mögen auch Gründe darin liegen, nicht wahr? Ja, aber dennoch halte ich es für angemessen, wenn man schaut und auch die Entwicklung der letzten Jahre. Wir haben nun, in den vergangenen vier/fünf Jahren sehr starke Entwicklungen gehabt durch den Ukrainekrieg, durch die starke Inflation, durch die Energiepreisexplosion, das hat sich in den Wasserpreisen niedergeschlagen und wird glücklicherweise jetzt auch sukzessive von vielen Versorgern aufgeholt, sodass wir also keine Unterfinanzierung zu befürchten haben.
Hannah Simon
00:19:39
Okay, das sind schon mal grundsätzlich gute Nachrichten. Und zweite Frage, die ich noch dazu habe: Kannst du dir das aufgrund der Historie oder ähnliches irgendwie ableiten, warum das so ist, dass vielleicht auf das Thema Wasserpreise irgendwie noch mal ganz anders geschaut wird, vielleicht auch auf die, anderen Commodities oder gibt es da jetzt auf Seiten der Politik in Richtung Strom und Gas, aus deiner Sicht eigentlich genau ähnliche Forderungen? Und da hat quasi jede Commodity mitzukämpfen, mit den Anforderungen aus der Politik, da irgendwie ein sozial gerechtes Preissystem in irgendeiner Form darzustellen. Oder gibt es im Wasser nochmal eine andere Geschichte oder Vergangenheit, warum da noch mal besonders draufgeschaut wird?
Siegfried Gendries
00:20:24
Ich meine, wir hatten mal vor einigen Jahren die Diskussion um "Right to Water", also das Recht auf Wasser, was in vielen Regionen der Welt auch sicherlich angebracht ist. Das wurde dann hier auch in in Deutschland genutzt. Es gab die erste und die größte europäische Bürgerinitiative, die sich für diese Frage des Rechts auf Wasser eingesetzt hat. Und da kam dann eben auch die Frage, inwieweit die Privatisierung von Wasserleistungen überhaupt zulässig sein soll. Das war eine Zeit, wo sogenannte öffentlich-private Partnerschaften in der Wasserversorgung auch durchaus ein Stück weit unter Druck gerieten. Ein großes Beispiel ist Berlin - Berliner Wasserbetriebe -, die damals eben von Veolia und RWW gekauft worden waren. Natürlich weiter unter Beteiligung der der Stadt, des Land Berlins. Und da hat es dann im Nachhinein sehr, sehr große Emotionen gegeben wegen Ineffizienzen und wegen zu hoher Preise. Und das ist dann übergeschwappt in andere Regionen. Und gerade diese Privatisierung, diese Wasserprivatisierung waren dann der Auslöser dafür. Und dazu kam es, dass so um 2008/2009, eben ein Kartellverfahren in Hessen wegen überhöhter Wasserpreise - eben auch noch so für viel öffentliche Wahrnehmung gesorgt haben. Und diese Gemengelage, die hat eigentlich dazu geführt, dass man das Thema Wasser auch anders in den Blick nahm, als es zu früheren Zeiten der Fall war. Das lässt jetzt nach, weil man einfach, wie ich eben schon sagte, die Wertschätzung der Wasserversorgungsleistung gestiegen ist. Insofern gibt es da eigentlich von der großen Politik, sage ich mal, weniger Einflussnahme. Ganz im Gegenteil, auch da - das bringt auch die nationale Wasserstrategie mit oder auch die Landeswasserstrategien die es in vielen Bundesländern gibt. Auch in Nordrhein-Westfalen wird es hoffentlich bald eine geben, wir arbeiten gerade daran. Insofern glaube ich, es ist diese Preisemotion auf größerer Ebene eher rückläufig, aber auf kommunaler Ebene kommt das natürlich immer wieder zum Vorschein, wenn also Preisanpassung notwendig sind. Ich kenne das aus meiner Zeit eben auch als Berater, wenn ich dann eingeladen werde von Wasserversorgern in dem Fall oder Kommunen natürlich, um darüber zu referieren, dann gibt es immer einige Akteure die sagen, "Ja wir wissen doch, größere Anreiz zum Wassersparen geben" und wir brauchen doch dies und wir brauchen doch das. Da wird die Erwartungshaltung überladen. Und wie gesagt, sie findet bei den Verbrauchern in der Form gar nicht die Wahrnehmung, die manche sich davon erhoffen.
Hannah Simon
00:23:12
Hast du schon eine gewisse Diskrepanz. Gibt es aus deiner Sicht sonst noch was so aus der Perspektive der Politik zu sagen, was wir jetzt gerade noch ausgelassen haben, wie die Kommunalpolitik auf die Wasserversorgung schaut und welche Anforderungen sie da stellt?
Siegfried Gendries
00:23:31
Sie muss sich - und das ist in Nordrhein-Westfalen eigentlich sehr gut gelöst worden - sie muss sich eben stärker in die Wasserversorgung einbringen. Aber in die Leistung, in die Dargebotssicherung und eben auch in die Finanzierungsfähigkeit der Leistung, die benötigt werden. Nordrhein-Westfalen hat eine Vorgabe im Landeswassergesetz Wasserversorgungskonzepte zu erstellen. Die also jetzt, sage ich mal, nicht an die Versorger abgetreten werden. Also bitte Versorger macht mal ein Wasserversorgungskonzept für die versorgte Region. Sondern das ist Aufgabe der Kommune, das ist Aufgabe des Stadt oder Gemeinderates eben ein solches Wasserversorgungskonzept auch letztendlich zu beschließen. Das war damals eben auch ein, wie ich meine, sehr erfolgreicher Versuch der Landesregierung, die Kommune stärker mit zu involvieren - nicht zu sagen "Das macht unser Stadtwerk, wir reden da nur mit, wenn es um, zum Beispiel, Wasserpreise geht. Nein, das ist schon gut gewählt worden. Finden auch gerade in Hessen seine Verbreitung und auch in Niedersachsen, also kommunale Wasserversorgungskonzepte. Das heißt wir brauchen eine stärkere Verzahnung an der Stelle zwischen der Politik und den Unternehmen - an den richtigen Stellen, wie gesagt. Da wo es Eigen oder Regiebetriebe sind, da ist die Politik sowieso stark drin. Man muss dazu sagen, wir haben eine sehr stark fragmentierte Wasserwirtschaft in Deutschland mit rund sechseinhalbtausend Unternehmen oder Betrieben. Und hier gibt es eben zunehmend Stimmen, die darauf hinwirken, dass diese Fragmentierung aufgelöst wird und dass die Unternehmen stärker in Zusammenschlüssen zu erarbeiten. Das heißt, die Strukturen also verdichtet werden, um eben hier auch stärkere Effizienzen zu heben, auf der einen Seite und auch die Versorgungssicherheit durch Verbundsysteme zu gewährleisten. Das brauchen wir eben, wir brauchen also ich an der Stelle sicherlich eine Konsolidierung, das wird möglicherweise auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Das ist zumindest so gewollt. Ich kenne die Untersuchung jetzt nicht im Detail. Aber hier muss also sicherlich noch einiges in Zukunft geschehen.
Hannah Simon
00:25:51
Jetzt haben wir so auf die Perspektive der Politik geschaut und eingangs auf die der Kunden, wie die so auf das Thema Wasserversorgung schauen. Ich würde jetzt gerne nochmal mit dir hinter die Theke des Wasserversorgers blicken. Da gab es natürlich jetzt auch schon ein paar Schnittmengen, die wir gerade diskutiert haben. Ich habe so rausgehört, es ist eigentlich so eine Zwickmühle, in der sich der Wasserversorger befindet. Denn er will, auf der einen Seite die Wasserpreise irgendwie möglichst stabil halten, braucht aber auf der anderen Seite auch einen gewissen finanziellen Ausblick oder Sicherheit, um eben auch das bestehende Netz intakt zu halten - um da auch rein zu investieren, was es einfach braucht. Weil wir kennen das aus vielen anderen Bereichen der Infrastruktur in Deutschland, sonst ergeben sich Investitionsstaus und dann ist irgendwann alles marode. Und beim Wasser sieht man es sogar nicht so schnell, weil das quasi unter der Erde liegt und nicht irgendwie wir mit dem Auto drüberfahren, wie auf einer Brücke oder Ähnlichem. Da würde mich jetzt auf jeden Fall auch deine Perspektive interessieren, inwiefern sich die Versorger mit Wasserpreismodellen auseinandersetzen sollten? In welchem Kontext sie das tun sollten? Wie werde ich jetzt als Wasserversorger bestmöglich tätig, um mich hier zukunftssicher aufzustellen? Was sind da was sind da deine Gedanken?
Siegfried Gendries
00:27:10
Also zunächst mal gibt es keine Blaupause, weil ein Wasserversorger sich, wie ich eben schon gesagt habe, sehr stark unterscheiden, aufgrund der äußeren Rahmenbedingungen und auch, wie du schon gesagt hast, Bevölkerungsstruktur, Industriestruktur etc.. Also das kann man sicherlich nicht sagen. Aber den Einstieg, den du eben gewählt hast beim Thema Wassersparen - Stichwort Bevölkerung - den hatten wir damals als gewissermaßen Impuls, für RWW, ich war an der Zeit bei RWW Marketingleiter und es war damals die Frage, wie können wir eigentlich mit dem bevorstehenden demografischen Wandel - es war so 2006/2007/2008 - wie müssen wir eigentlich damit umgehen? Und wir haben festgestellt, wir hatten damals in der RWE-Gruppe eine Studie gemacht - Folgen des demographischen Wandels für die Netz gebundene Infrastruktur bei Strom, Gas, Wasser und Wärme, an der ich auch maßgeblich beteiligt war. Wir waren dann natürlich vor die Frage gestellt, wenn denn die Menschen weniger werden, wenn sie älter werden und, ich sag mal, bunter und einsamer, um diese Bilder fortzusetzen. Also auch mehr Singularisierung der Haushalte, ältere Menschen, die dann alleine leben, die Infrastruktur aber im gleichen Maße brauchen, auch wenn sie weniger Wasser nutzen, auch wenn weniger Menschen da sind. Also gerade in Ostdeutschland oder in einigen Ruhrgebietsstädten, wo die Bevölkerung stark zurückging in der Prognose - bis dann natürlich die 2015/2016 die Flüchtlingsströme einsetzten. Aber so etwas steht wieder bevor. Da haben wir gesagt, wir können technisch eigentlich nichts machen. Wir können die Netze nicht wieder zurückbauen oder wir können die Rohre nicht verkleinern. Und wir müssen auch, zum Beispiel, für den Löschwasserfall ausreichend große Netze vorhalten, die brauchen eben auch eine entsprechende Infrastruktur dafür. Sodass wir gesagt haben. Wir können eigentlich nur auf der ökonomischen Ebene etwas tun, was damals eben auch mit meinem - noch jetzigen - Kollegen Mark Ölmann, auch dann dazu gebracht haben, dass wir gesagt haben, wir müssen eigentlich die Preissysteme ändern. Lasst uns doch mal schauen, was können wir eigentlich anders machen. Und wir haben dann gesagt, damit wir wegkommen von dieser hohen Belastung der Verbraucher auch mit den Mengenpreisen, damit wir auch die Kostendeckung besser darstellen können. Wie gesagt, 80 % Fixkosten - haben wir gesagt, wir müssen eigentlich die fixen Preiselemente anheben, im Gegenzug zur Absenkung der Mengenpreise und haben gesagt, gut, vielleicht müssten wir uns auch mal anschauen, ob der Zähler wirklich das geeignete Instrument ist, um eine Grundpreisbemessung vorzunehmen vom DVGW. Sagte damals mal einer, wir haben den Zähler eigentlich dafür geschaffen, damit wir Wasser messen, nicht damit wir Preise daran festmachen. Das haben wir mal zur Grundlage genommen und gesagt, stimmt auch. Das war keine neue Erfindung, sondern wir haben die Wohneinheiten genommen. Gab es in Ostdeutschland schon, in einigen Teilen in Westdeutschland. Und dann bin ich durch Ostdeutschland mit zu verschiedenen Versorgern gefahren, zum Beispiel zu den Wasserwerken Zwickau, Jürgen Schleier dem Geschäftsführer bin ich dafür heute noch dankbar - gerade jetzt in der Woche noch ein Telefonat zu diesem Thema - wo wir gesagt haben, wir bemessen mal den, wir haben ihn dann Systempreis genannt. Weil wir auch gesagt haben, wofür zahlen wir eigentlich einen Grundpreis? Was sagt das eigentlich? Der Preis, der gilt für das System. Da sind die Systemkosten, die ist die Systemnutzung. Also habe ich gesagt, dann lass uns doch mal einfach das Ding Systempreis nennen. Daraus ist das Systempreismodell entstanden. Also, wir machen fest, die Systempreise, die etwas höheren festen Erlöse machen wir fest an der Anzahl der Wohneinheiten. Haben das degressiv ausgestaltet. Details erspare ich uns jetzt hier mal. Aber das hat tatsächlich dazu geführt, dass die Wasserversorger eine höhere Erlöskonstanz haben erzielen können. Unabhängig jetzt von Nachfrage, Senkungen oder Schwankungen. Wir liegen da in einer Größenordnung von 50 % Systempreisanteil, 50 % Mengenpreisanteil bei den Erlösen. Und das war im Nachhinein ein toller Erfolg. Hatte aber auch letzten Endes zur Voraussetzung, dass wir darüber sehr transparent informieren. Wir haben also alle mitgenommen, die Politik, die Bürger, die Kartellbehörden, insbesondere auch. Wir konnten sie mit den Argumenten überzeugen und sie haben mitgezogen. Ich war alleine als Projektleiter im letzten Jahr, vor der Umstellung 2012, in der über 30 Gremiumsitzung in unserem Versorgungsgebiet, das eben aus zehn Kommunen damals bestand bei RWW. Und mittlerweile habe ich mit den Kollegen von MOcons, Christoph Czichy und Mark Ölmann schon über 20 Versorger bei Preisumstellungen - das sind etwa 4,2 Millionen Einwohner, die ein Systempreis mittlerweile zahlen - begleitet. Und dann sind Großstädte dabei wie Köln, Dortmund, Krefeld oder jüngst auch Dresden und stehen noch einige bevor. Auch kleinere Versorger, gerade im Aachener Raum und in der Region des Ruhrgebiets. Also von daher sind diese Systempreismodelle genau dazu geeignet, eben eine resilientere Infrastruktur finanziell abzusichern und trotzdem immer noch mit einem 50 % Mengenpreisanteil in einem gewissen Maße auch den Verbraucher:innen Anreize zu geben, wenn denn gewollt - mit Wassersparen auch die Kosten zu reduzieren. Also das hat sich eigentlich bewährt.
Hannah Simon
00:32:47
Okay, also so 5 % der Deutschen leben schon im Systempreismodell für das Thema Wasser, dann so grob überschlagen. Welche anderen Modelle gibt es denn sonst noch um seinen Wasserpreis zu kalkulieren oder zu strukturieren?
Siegfried Gendries
00:33:04
Also aus Sicht der Versorger gibt es natürlich noch viele andere Modelle. Ich will vielleicht mal auf ein extremes, das immer wieder ein Gespräch ist, verweisen, das sind sogenannte dynamische Preise, ihr kennt das aus der Energiewirtschaft. Das Thema Politik hatten wir schon, aber ich will es trotzdem an dieser Stelle mal aufgreifen, weil sich unlängst der niedersächsische Umweltminister aufgerufen fühlte, eben das als Lösung zu propagieren - wir brauchen dynamische Wasserpreise. Im Grundsatz ist es vielleicht nicht verkehrt, wenn es zum Beispiel um Nachfragespitzen geht, die man damit dämpfen will. Weil das ist ein Problem der Versorger, dass eben, ich sage mal, zur Pipi-Pause bei einem Fußballspiel - da kennen wir das - alle gleichzeitig zur Toilette rennen und dann geht der Verbrauch in die Höhe. In Sommermonaten morgens und abends die Duschen oder den Garten bewässern, Poolbefüllung etc.. Das kann man dadurch gegebenenfalls dämpfen. Aber ich meine, wir sprechen hier im energiewirtschaftlichen Sektor mal darüber. Ich glaube über Smart Meter in der Versorgungswirtschaft und der Erfolg der Rollouts, da brauchen wir hier nicht viele Worte zu verlieren. Und die Wasserwirtschaft läuft, was diese Themen anbelangt, immer mit gehörigen Respekt hinter der Energiewirtschaft her. Da würden wir sie wahrscheinlich überfordern, gerade die IT- und Abrechnungsinfrastruktur, an denen sich schon die Energiewirtschaft seit Jahren die Zähne ausbeißt. Das müssen wir für Tarifkunden erstmal in die Schublade legen, dass man das für Industrie oder gewerbliche Kunden mal in Betracht zieht - d'accord. Das wird ein Thema werden, da arbeiten wir auch dran. Da haben wir auch unlängst ein Gutachten mit begleitet, ein rechtliches Gutachten. Insofern, da gibt es einiges. Aber auch da muss man natürlich sagen, da muss der Verbraucher wissen, an der Zapfstelle, was denn jetzt der Preis überhaupt ist in diesem Moment. Worauf soll ich reagieren, also kommt das Thema Wahrnehmungsbarriere wieder zum Zuge. Es gibt auch saisonale Preise. Auch das ist etwas, allerdings nicht hier in Deutschland - zumindest nach meinem Kenntnisstand - in Frankreich gibt es das beispielsweise in Toulouse. Die haben das jüngst eingeführt. Da kostet das Wasser im Sommer, in den Sommermonaten, 40 % mehr, als normal. Und im Winter wird dafür ein Ausgleich, das heißt, der Preis wird dann wieder entsprechend gesenkt. Aber auch dafür braucht man die Wohneinheiten. Man braucht Intelligenzzähler. Auch da gibt es gewisse Klumpeneffekte. Das heißt, je mehr verbraucht wird in Familien, desto stärker die Belastung, eben im Sommer wegen der höheren Preise. Also diese, ich nenne sie mal soziale Klumpeneffekte, die sind immer kontraproduktiv für - hier nutze ich mal den Begriff - soziale Gerechtigkeit. Auch da muss man wieder sehen, die Einnahmen im Sommer und Winter müssen sich gegenseitig ausgleichen, sonst macht der Versorger entweder Gewinne oder Verluste, beides ist nicht gewollt. Es gibt auch Staffelpreise, die gibt es allerdings auch in Deutschland in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Das heißt, da liegt eine gewisse Progression in dem Preissystem drin - sprich je mehr verbraucht wird, desto höher wird der durchschnittliche Preis ansteigen oder eben auch der Mengenpreis oder der Grundpreis - ganz unterschiedliche Formen. Aber auch da wiederum gibt es ein Damoklesschwert, denn die können auch sozial ungerecht sein. Wiederum der Klumpeneffekt der Mehrverbräuche, die dazu führen, Familien stärker zu belasten. Das sind alles Ausprägungen, die in unterschiedlichen Fällen erfolgreich sind oder auch nicht erfolgreich sind. In Frankreich, beispielsweise, entfernt man sich gerade in einigen Städten wieder von den progressiven Preissystemen, die tatsächlich sogar der französische Präsident gehypt hat, noch im März letzten Jahres. In England ist sowieso gerade alles Land unter, da wird auch experimentiert mit Preissystem. Also insofern: Es gibt viel, man muss es eben an die Besonderheiten der lokalen Begebenheiten anpassen, was man wirklich braucht und was man tun soll. Und das dann offen kommunizieren.
Hannah Simon
00:37:16
Letzter Bereich, auf den ich noch einmal mit dir schauen will, obwohl wir wahrscheinlich einen eigenen Podcast so aufnehmen könnten, aber ist das Thema Kommunikation. Also ich habe ein Preismodell entwickelt, von dem ich glaube, dass es mich wirtschaftlich trägt und auch für meine Kunden zu verkraften ist und bezahlbar ist. Jetzt möchte ich das kommunizieren. Gut die Frage, wie wichtig die Kommunikation ist, die muss ich dir glaube ich schon fast nicht stellen - das hast du auch an paar Stellen jetzt schon raushängen lassen, dass du die Kommunikation für äußerst wichtig hältst. Also Betroffenen Stakeholdern da auch mitzunehmen oder Shareholder. Wie blickst du auf die Kommunikation? Hast du da Best Practice oder Erfolgsfaktoren für dich so identifiziert, wo du sagst, darauf sollte ein Versorger auf jeden Fall achten, wenn er sein Preismodell umstellt oder auch generell die Kommunikation intensivieren werden möchte zu den Kunden?
Siegfried Gendries
00:38:06
Erfahrung und auch die Vorstellung hat sich auch bewährt, nämlich bei RWW. Ich treffe häufig auf eine Situation, wo es heißt, bloß nicht zu laut über Wasserpreise sprechen. Es könnte sie jemand merken. Und die Wasserpreisanpassung, in dem Fall Erhöhungen, möglichst so kommunizieren, dass es keiner hört. Weil das könnte durchaus den ein oder anderen aufschrecken. Wenn es dann allerdings jemanden aufschreckt und wenn derjenige dann an die Medien geht, dann ist allerdings der Krach groß. Und das trifft dann gerade insbesondere Stadtwerke, die gerade in ihrem Wettbewerbs-Energiegeschäft sehr stark auf die Kundenzufriedenheit achten müssen. Also von daher, ist das ein ganz, ganz wichtiger Erfolgsfaktor. Und tatsächlich hat sich das bei uns, auch in der Beratung, der von mir eben schon erwähnten Wasserversorger, die wir bei der Umstellung begleitet haben, bewährt. Eben sehr frühzeitig auch aufzuklären - erst mal überhaupt für das Thema Wasser zu sensibilisieren, also eine Awareness schaffen - eine Wahrnehmung - gewissermaßen diese Barrieren zu überwinden und zu sagen, schaut mal hier, das wird geleistet. Das ist das System, das ist die Leistung der öffentlichen Wasserversorgung, der Wasserwirtschaft insgesamt. Sodass den Verbrauchern überhaupt erst mal bewusst ist, was sie da an Leistung bekommen und dass daraus dann auch eine gewisse Wertschätzung erwächst. Und wenn man das dann in Verbindung bringt mit den Preisen und sagt, vergleich doch mal das Preis-Leistungs-Verhältnis - was auch in Befragung hinterfragt wird, wo wir immer glänzende Werte bekommen in der Wasserwirtschaft - dann ist das eine gute Basis, auf der man dann eben auch solche Preisanpassungen kommunizieren kann. Eben in Relation zu dem, was die Verbraucher wahrnehmen. Und ich sage ganz ehrlich, die überwiegende Mengen der Menschen, die man so anspricht, die hat Verständnis dafür und sagt "Ja, was gut ist, muss auch was kosten". Die Bereitschaft ist da und dann sparen die Leute auch tatsächlich eher, an anderen Dingen des täglichen Lebens, als an den essenziellen Dingen, die sie für ihr Leben brauchen. Deswegen muss man diese Dinge auch, in einem ganzheitlichen Format kommunizieren und sich nicht einfach nur auf einzelne Elemente fokussieren. Also von daher, geht offen damit um und kommuniziert es wirklich transparent und dauerhaft transparent. Das ist das ist meine Botschaft.
Hannah Simon
00:40:37
Ja, Botschaft ist noch eine gute Überleitung, denn zum Abschluss des Gesprächs bitten wir unsere Gäste immer noch mal so um drei Learnings oder drei Botschaften, die sie noch an unsere Zuhörerinnen und Zuhörer richten möchten. Was sind deine drei Botschaften, Appelle, Learnings, die du uns noch mal mit auf den Weg geben möchtest.
Siegfried Gnedries
00:40:59
Ich glaube, eine Botschaft, das gilt auch an die Adresse der Wasserversorger, die Wasserpreise sollten solide kalkuliert werden. Also auch das findet man nicht regelmäßig. Eine solide Kalkulation - es gibt genügend Hilfsinstrumente und es gibt auch Berater dafür - und Anpassungen sollten dann erfolgen, wenn sie nötig sind. So macht es RWW seit vielen Jahren und das auch mit Erfolg. Der zweite Punkt ist, die Politik sollte dem Wasserfachleuten vertrauen. Sie haben allen Grund dazu und sie müssen es auch, weil es ist eine Daseinsvorsorge. Und da kommen wir zum dritten Punkt, in den unsicheren Zeiten, die wir heute haben, müssen wir uns auf die Wasserversorgung verlassen können. Und das, - auch das muss man ganz klar sagen - gelingt nur mit einer soliden Finanzierung und da, wo es passt, möglicherweise auch mit neuen Preissystemen. Also nicht durch den Tunnel durchmarschieren und gucken, was hinten rauskommt, sondern ab und zu mal Licht anmachen und schauen, wie es andere tun. Und da kommt da möglicherweise auch Hilfe. Das ist, glaube ich, etwas, was die Wasserversorgung in die Zukunft bringt, auch in diesen unsicheren Zeiten.
Hannah Simon
00:42:04
Das ist doch ein gutes Schlusswort. Siggi, ich danke dir ganz herzlich für das Gespräch. Ich habe viel über die Wasserversorgung in Deutschland heute gelernt und ich hoffe, unsere Zuhörerinnen und Zuhörern geht es genauso. Wer jetzt ganz angefixt ist und mehr über dich und deine Arbeit und über das Thema Wasser erfahren möchte, der sollte doch spätestens jetzt mal deinen Blog aufsuchen, LebensraumWasser.com. Kann ich sehr empfehlen, sehr lebenswert deine Beiträge. Genau und wer mit dir ins Gespräch kommen möchte, der kann sich auch sehr gerne direkt an dich über den Blog wenden oder über uns. Wir arbeiten auch schon seit vielen Jahren mit dir sehr gerne und erfolgreich zusammen in Themen wie Strategie-Workshops und ähnlichem. Also jeder, der jetzt sagt, das Thema Wasserpreise setzen wir auf die Agenda und Wasserkommunikation, der möge sich doch gerne bei dir oder bei uns melden. Vielen Dank für das Gespräch. Euch da draußen lege ich noch ans Herz uns zu abonnieren, den Podcast, wenn ihr das noch nicht getan habt, damit ihr solche spannenden Folgen wie heute nicht verpasst. Und ansonsten sage ich, wir hören uns in zwei Wochen wieder. Ich danke dir, Siggi und euch da draußen, bleibt uns gewogen und bis zum nächsten Mal, tschüss. Music.