Energiedosis. Der Praxispodcast für Energieversorger.

Die Netzwerkpartner

#35: Spezialfolge zum Preisbremsengesetz – Ingo Rausch, Die Netzwerkpartner

17.03.2023 27 min

Zusammenfassung & Show Notes

Was passiert, wenn die Preisbremsengesetze (StromPBG und EWPBG) nicht fristgerecht umgesetzt werden können? Mit unserem Experten und Juristen Ingo Rausch klären wir diese Frage, sprechen über weitere Umsetzungsprobleme und das Reparaturgesetz.

Seit Anfang des Jahres greifen die Preisbremsengesetze zur Entlastung von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Für Energieversorger heißt das IT-Systeme umstellen, Abschläge neu berechnen, Sonderfälle beachten und Kunden informieren. Ein Unterfangen, das kaum fristgerecht zu bewältigen ist. Ingo Rausch gibt uns einen rechtlichen Überblick zu den aktuellen Herausforderungen der Preisbremsengesetze und erklärt verständlich, mit welchen Ansprüchen Energieversorger zu rechnen haben. 

Dabei gehen wir auf folgende Aspekte ein:
  • Mögliche Ansprüche durch Letztverbraucher
  • Auswirkung eigener Entlastungsansprüche gegenüber dem Staat
  • Berechnung Entlastungskontingent bei RLM und SLP-Kunden
  • Entwurf Reparaturgesetz 
Wichtiger Hinweis: Aktuell gibt es fast täglich neue Kenntnisse und Informationen. Diese Folge wurde am 10.03 aufgenommen. Alle getätigten Aussagen basieren auf dem Wissensstand zu diesem Zeitpunkt.

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Transkript

Intro: Ingo Rausch
00:00:01
Auf der einen Seite sagt der Gesetzgeber, du musst das erfüllen bis zum 01.03.2023 und auf der anderen Seite sagt mir mal ein IT-Dienstleister, ist schön, kann ich aber nicht. Music.
Hannah Simon
00:00:43
Willkommen bei Energiedosis, dem Praxis-Podcast der Netzwerkpartner. Ich bin Hanna Simon und habe heute wieder ein aktuelles Thema für euch mit dabei, gemeinsam mit meinem Kollegen Ingo Rausch, der bei uns Leiter Recht ist bei den Netzwerkpartnern, beantworten wir für euch die dringendsten Fragen rund um die Preisbremse, Gesetze zu Strom, Gas und Wärme. Schön, dass du da bist, Ingo.
Ingo Rausch
00:01:06
Hallo Hannah.
Hannah Simon
00:01:08
Ja, wir zeichnen diese Folge heute für euch am 10. März auf, Und bevor wir in die Fragen reinstarten, Ingo, vielleicht kannst du uns einmal abholen wie gerade die aktuelle Situation aus deiner Sicht bei unseren Mitgliedern bei Stadtwerken und Energieversorgern.
Ingo Rausch
00:01:21
Genau, wir hatten ja darüber nachgedacht, was unseren Kunden vielleicht helfen kann und was für sie interessant ist. Im Moment ist es tatsächlich so, dass die Preisbremsengesetze Erdgas, Wärme und Strom, fast 50 Prozent aller Fragen ausmachen, die bei uns aufschlagen, das hat sich ja damit zu tun, dass diese Preisbremse gesetzechte Kopfschmerzgesetze ist. Ich würde mal subjektiv und ungeschminkt sagen, sie sind technisch einfach schlecht gemacht. Es gibt viele Unklarheiten, Widersprüche, Überschneidungen, und abgesehen davon, dass diese Gesetze ohnehin schon komplex sind, führt das einfach dazu, dass es viele Fragen, Zweifelsfragen, Erläuterungsbedarf gibt. Von dem, was bei uns so in den letzten Wochen aufgeschlagen ist, habe ich Mal zwei, drei Punkte rausgegriffen, über die wir heute vielleicht sprechen können und zum Schluss könnten wir uns dann über den eventuellen Lichtblick, nämlich das Reparaturgesetz unterhalten.
Hannah Simon
00:02:20
Sehr gut, ja, dann lass uns mal schauen, ob wir heute die Kopfschmerztablette für Stadtwerke und Energieversorger sein können und starten mal direkt in die vielleicht dringendste Frage rein, und zwar was passiert, wenn ich die Ansprüche von Letztverbrauchern nach den Preisbremsegesetzen nicht rechtzeitig erfülle? Es ist ja momentan so, dass jetzt Verbraucher nach den Preisbremsegesetzen bestimmte Ansprüche haben. Das ist einmal gerichtet auf den Erhalt von Informationen und, das ist für viele wahrscheinlich sogar noch ein Stück weit wichtiger, auf den Erhalt von Entlastungsbeträgen. Viele Ansprüche hätten ja bis zum bereits zum 01.03.2023 bereits erfüllt werden müssen, aber aufgrund, diverser Probleme, insbesondere im IT-Bereich, also Abrechnungssysteme und Co hinter der Theke konnten viele Stadtwerke, Energieversorger diese Ansprüche bisher nicht erfüllen. Welche Konsequenzen hat das denn?
Ingo Rausch
00:03:13
Ja, das ist in der Tat ein Thema, das uns in den letzten Wochen viel umgetrieben hat und auch noch umtreibt. Wir sprechen jede Woche mit unseren Kunden über das, was so in der letzten Woche passiert ist. Unser Wochenbriefing und da ist, glaube ich, so vor drei Wochen mal die Frage aufgetaucht beziehungsweise die Erklärung aufgetaucht, dass ein Mitglied gesagt hat, wir sind gerade in Kontakt mit unserem IT-Dienstleister und der hat gesagt, Preisbremse, Gesetze, alles super aber wir schaffen das nicht. Tut uns leid, geht nicht. Also wir können zum Beispiel die Informationsschreiben, die ihr rausschicken müsst, nicht rechtzeitig zu den geforderten Terminen generieren und aus dem System verschicken und was wir halt auch nicht schaffen, ist, dass das mit den Entlastungen und den Neuberichten der Abschläge und Sonstiges. Hier bis zum Termin 01.03.2023 funktioniert. So und dann stehe ich als Versorgungsunternehmen ja so ein bisschen im kurzen Hemd da. Auf der einen Seite sagt der Gesetzgeber "Du musst das Erfüllen zum 01.03" und auf der anderen Seite sagt mir mein IT-Dienstleister ist schön, kann ich aber nicht. So, das hat natürlich zu Bedenken, Stirnrunzeln, Sorgen geführt und war für uns Anlass, das Ganze mal zu untersuchen. Jetzt haben sich dabei im Wesentlichen drei Bereiche rausgebildet, die wohl relevant sind. Bereich Nummer eins, das ist die Frage, Was passiert denn gegenüber dem Letztverbraucher? Wenn ich jetzt diese Entlastungsansprüche nicht rechtzeitig erfülle, hat er vielleicht Zinsansprüche, kann er vor Gericht gehen, was auch immer. So und der Bereich zwei war, was passiert mit mir als Versorgungsunternehmen im Verhältnis zum Staat? Ich bekomme ja Entlastungen vom Staat. Da gibt es im, Gas und Wärmebereich, diese Quartalsmäßigen Vorauszahlungen und im Strombereich ist das monatlich. Was passiert denn damit, wenn ich jetzt meine Entlastungsansprüche dem Netzverbraucher gegenüber nicht rechtzeitig erfüllen kann. Sind die dann weg oder bekomme ich weniger oder wie auch immer. Und der letzte Bereich, über den wir uns Gedanken gemacht haben, können wir vielleicht jemand anders auf die Füße treten. Also kann dann Letztverbraucher zur Verbraucherzentrale gehen, kann Wettbewerber kommen, kann die Behörde kommen, was auch immer. Im Ergebnis ist das, was dabei rausgekommen ist, deutlich weniger besorgniserregend, als wir uns eigentlich dachten, Im Ergebnis ist es nämlich so, was zum Beispiel den Punkt eins angeht, die Zinsansprüche, derartige Zinsansprüche nur in ganz wenigen Ausnahmefällen entstehen. Es ist ja so, dass die Preisbremsegesetze dafür, wie ich diese Gestattung entwehre, Ganzen bunten Strauß von Möglichkeiten aufzählen. Ich kann das mit dem Abschlag verrechnen. Ich kann den Betrag des Kunden nicht einziehen. Ich kann eine Rückzahlung leisten, was auch immer, Und bei all diesen Varianten, die mir die Gesetze geben, gibt's nur ganz wenige, bei denen ein sogenannter Zahlungsanspruch des Letztverbrauchers entsteht, bei dem man vielleicht eine Rechnung gestellt wird und dann kommen Zinsansprüche infrage. Aber das sind wie gesagt nur wenige Fälle und es sind nicht die Regelfälle. Im Regelfall hat der Kunde rein technisch gesehen, keinen Zahlungsanspruch, sondern ich nenn's mal, untechnischer Erstattungsanspruch und dann gibt es das nicht mit diesen Zinsansprüchen, also Punkt eins, die Versorgungsunternehmen müssen sich zumindest nach unserer ersten Einschätzung keine Sorgen machen, dass da große nennenswerte Zinsansprüche auf sie zukommen. Punkt zwei war ja die Frage, was passiert denn im Verhältnis zwischen mir als Versorgungsunternehmen und dem Staat? Wenn ich den jetzt als Versorgungsunternehmen meine Erstattungsansprüche geltend machen möchte und sage, ich habe das und das an Entlastung ausgekehrt, das hätte ich jetzt gerne zurück. Auch da ist es im Ergebnis so, dass diese Erstattungsansprüche nicht gefährdet sind. Es kann so unsere Auslegung also nicht passieren, dass dieser Erstattungsanspruch entfällt. Wenn ich das, was ich hier tun muss, nicht rechtzeitig schaffe, dann wird es wohl so sein, dass ich meinen Erstattungsanspruch dem Staat gegenüber auch verzögert also nicht sofort diese vorläufige Entlastung, sondern eher später. Aber das ist halt nur, ich sage mal, ein Hinausschieben, aber kein Wegfallen. Es geht nicht um das ob, es geht um das Wann. Das heißt also auch zu Punkt zwei würden wir vorsichtig Entwarnung signalisieren. Was den dritten Punkt angeht, wie also andere agieren, das ist was, was man nicht so richtig einschätzen kann. Ausgeschlossen ist es nicht, dass Verbraucherzentralen hier eine sogenannte Verbraucherschutzklage erheben oder dass Sie vielleicht Unterlassungen verlangen oder dass Abmahnungen von Wettbewerbern angestrebt werden. Möglich ist das alles, aber wir würden so ganz vorsichtig vermuten, dass auch das erst mal eine nicht so große Rolle spielen wird. Wenn das tatsächlich bei einem unserer Mitglieder aufschlagen sollte, dann würden wir dieses bitten, sich am besten direkt und sofort bei uns zu melden, muss man teilweise auch schnell reagieren vielleicht einen Anwalt für die Vertretung vor Gericht bekommen und dann würden wir gucken, dass wir individuell helfen.
Hannah Simon
00:08:46
Sehr gut, also wir stehen bereit, aber das sind ja erstmal drei vielleicht ganz gute Nachrichten, was die Konsequenzen jetzt angeht, dass das doch im Moment zu mindestens scheinbar noch überschaubar ist, was jetzt die fristgerechte Umsetzung angeht. Jetzt ist es so, dass viele Stadtwerke momentan von ihren Kunden angesprochen werden, die im Jahr 2021 zum Beispiel wegen coronabedingten Schließungen wenig Energie verbraucht haben und Kunden fragen ihren Versorger dann jetzt eben, ob und welche Auswirkungen das auf die Entlassungsansprüche nach den Preisbremsegesetzen hat. Wie verhält sich das denn hier in diesem Kontext?
Ingo Rausch
00:09:23
Genau, das ist einer der weiteren Punkte, die im Moment fast jeden Tag bei uns aufschlagen. Es ist so, dass diese Preisbremse-Gesetze so ganz grob gesagt funktionieren nach der Methode, Menge mal Preis. Ich lege einen bestimmten, Differenzbetrag fest, der ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem gesetzlich festgelegten Referenzpreis. Um dieser Differenzbetrag wird angewendet auf eine Menge. Eine Gas, Wärme- oder Strommenge. Das ist das sogenannte Entlastungskontingent. Und um dieses Entlastungskontingent zu bestimmen, um diese Energiemenge zu bestimmen, enthalten die Preisbremse-Gesetze bestimmte Vorschriften. Die sind unterschiedlich, einmal für Gas und Wärme und auf der anderen Seite für Strom. Das ist die Differenzierung Nummer eins und die sind zudem unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um Standard-Last-Profilkunden handelt oder ob es sich um Kunden handelt, die eine registrierende Leistungsmessung haben. Das sind ja in der Regel die Größeren. Also die sogenannten RLM-Kunden. Gucken wir uns das Ganze erstmal an für Erdgaswärme, also für das EWPBG. Da ist, wie ich gerade gesagt hatte, zum einen danach zu differenzieren, ob es sich um Standard-Lastprofil oder zum anderen um RLM-Kunden handelt. So bei den Standardlastprofilkunden ist für die Ermittlungen dieses Entlastungskontingentes, eine Jahresverbrauchsprognose relevant. Das heißt also, bei Standard-Lastprofilkunden kommt es nicht auf eine gemessene Menge an, sondern auf eine prognostizierte Menge, und zwar so, wie sie eben in dieser Jahresverbrauchsprognose enthalten ist und hier sagt das Gesetz, dass auf die Jahresverbrauchsprognose abzustellen ist, die dem Lieferanten im September 2022 vorgelegen hat. Das ist dann in der Regel die Jahresverbrauchsprognose für das Jahr 2021. So weit, so gut. Das Gesetz ist an dieser Stelle leider relativ starr. Das sieht also vom Grundsatz her nicht vor, dass das irgendwie anders gehandhabt werden kann, dass ich auf einen tatsächlichen Verbrauch abstelle oder Schätzungen oder Sonstiges, was unter Umständen unangenehme Konsequenzen haben kann. Wir hatten ja zwei traurige Umstände, nämlich zum einen die Coronapandemie und zum anderen auch die Flutkatastrophe im Ahrtal und in anderen Regionen. Beide Umstände können dazu geführt haben, dass die Verbräuche zum Beispiel im Jahr 2020 oder im Jahr 20021 außergewöhnlich niedrig gewesen sind. Den Betriebsschließungen oder ähnlichen Aspekten die halt mit diesen beiden Krisen verbunden waren. So und das kann dann dazu führen, dass die Jahresverbrauchsprognose, die im September 20022 vorgelegen hat, die außergewöhnlich niedrig war. Die ist viel niedriger als in den Jahren davor oder auch viel niedriger als in Jahren danach. Das hat dann wieder die blöde Konsequenz, dass für den Entlastungsbetrag auf diese niedrige Jahresverbrauchsprognose abgestellt wird und die Menge, die dann entlastet wird, die ist dementsprechend viel, viel geringer, als im Jahr davor oder im Jahr danach gewesen wäre und damit ist natürlich auch das Geld, was ich erhalte, der Geldbetrag ist viel, viel geringer. Das ist blöd und ungerecht aber das Gesetz sieht hier leider keine Härtefallregelung, Umwege oder Sonstiges vor. So und ähnlich ist es denn auch bei den Kunden mit registrierender Lastgangmessung. Bei denen wird nämlich auf die im Jahr 2021 gemessene Netzentnahme abgestellt. Da kann es eben genauso sein, dass diese Netzentnahme atypisch niedrig gewesen ist, weil mein Betrieb drei Monate unter Wasser gestanden hat und die restlichen oder die nächsten drei Monate habe ich gebraucht erstmal wieder zu renovieren, aber auch da ist es leider so, dass das Erdgaswärmepreisbremsegesetz sehr unflexibel ist. Es gibt zwar die Möglichkeit zu schätzen, aber die gilt nur dann, wenn ich quasi eine neue Entnahmestelle eingerichtet habe. Wenn also diese Entnahmestelle nicht im kompletten Jahr 2021 bezogen hat, sondern erst ab Mai 2021 oder Sonstiges. Dann darf ich schätzen. Aber der Anwendungsbereich ist leider ganz eng formuliert. So beim Strom ist es einen Tick anders, aber nicht viel besser. Also auch beim Strom muss ich differenzieren zwischen Standard-Lastprofil und Kunden mit registrierender Leistungsmessung. Bei den Standard-Lastprofilkunden muss ich wie im Bereich Gas und Wärme auf eine Jahresverbrauchsprognose abstellen, aber und das ist der große Unterschied, es wird nicht abgestellt auf die Jahresverbrauchsprognose für den September 2022, sondern auf eine aktuelle Jahresverbrauchsprognose. Was ich hier quasi als Exkurs vor die Klammer setzen muss zu der Frage, was das bedeutet, aktuelle Jahresverbrauchsprognose, Streiten sich die Juristen trefflich ausnahmsweise und hier ist es so, dass zum Beispiel der BDEW eine andere Meinung vertritt als wie es denn tun. Das ist leider ein Aspekt, mit dem man sich im Moment abfinden muss, weil die Gesetze eben ganz neu sind. Es gibt dazu noch keine, Literatur keine zwanzig BGH-Urteile oder Sonstiges und deswegen sind halt bei diesen vielen unklaren Stellen auch durchaus Meinungsverschiedenheiten, die sich noch nicht glattgeschliffen haben. Das ist also einer dieser Punkte, deswegen möchte ich schon darauf hinweisen, dass es auch Leute gibt, die das anders sehen als wir. Wir sehen es eben so, dass dieser Begriff aktuelle Jahresverbrauchsprognose im Strompreisbremsegesetz bedeutet, Prognose, die im März 2023 vorliegt. So und aktuell heißt weiter, wenn sich denn im Laufe des Jahres was tut, habe ich im Strombereich die Möglichkeit, diese Prognose anzupassen an die tatsächlichen Verhältnisse. Also der Kunde hat, Wärmepumpe eingerichtet, was auch immer, dann kann ich darauf reagieren und die Jahresverbrauchsprognose ändern. Das heißt im Strombereich ist es nicht ganz so unflexibel wie im Gasbereich.
Hannah Simon
00:15:37
Jetzt sind wir richtig drin in den Kopfschmerzen, von außen betrachtet, führt dieses starre Festhalten an der Jahresverbrauchsprognose oder der im Jahr 2021, gemessene Menge irgendwie zu Ungerechtigkeiten, können die Kunden sich dagegen wehren und verlangen, dass eine neue Jahresverbrauchsprognose erstellt wird, damit sich das Entlastungskontingent ändert?
Ingo Rausch
00:16:00
Ja, also wie man grade vielleicht schon zwischen den Zeilen gelesen hat oder auch deutlich mitbekommen hat, es ist tatsächlich so, dass hier Ungerechtigkeiten auftreten. Einer unserer Berater hat mal den Weisen und prägnanten Satz gesagt, die Strompreisbremsegesetze sind nicht auf Einzelfallgerechtigkeit ausgelegt. Das hat tatsächlich zur Konsequenz, dass im Einzelfall, Herbe Ungerechtigkeiten auftreten. Wenn ich eben diese also in dem relevanten Zeitraum grade diese atypisch niedrigen Verbräuche habe und dadurch mein Entlassungskontingent in den Keller rauscht und damit auch der Entlassungsbetrag. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass der Kunde die Möglichkeit hat, das zu ändern und hier etwas durchzusetzen. Im Gas und Wärmebereich ist es ohnehin so, dass auf die Jahresverbrauchsprognose, September 2022 abgestellt wird und da beißt der Wortlaut des Gesetzes sowieso keinen Faden ab. Der sieht da keine anderen Möglichkeiten vor. Im Strombereich habe ich ja diesen Passus aktuelle Jahresverbrauchsprognose, der zumindest nach unserer Lesart beinhaltet, dass die geändert werden kann. Aber auch hier gehen wir nicht davon aus, dass der Kunde eine solche Änderung erzwingen kann. Dazu muss man einen kleinen Schlenker machen, nämlich in die Zugangsverordnungen. Da steht drin, wie Jahresverbrauchsprognosen zustande kommen. Hier gibt es ein Abstimmungsprozess zwischen dem Netzbetreiber und dem Lieferanten. Da kann also der Lieferant durchaus sagen "hallo, hier hat sich irgendwas getan. Ich bin der Auffassung, dass die Jahresverbrauchsprognose geändert werden muss." Letztendlich hat aber der Netzbetreiber das Entscheidungsrecht. Wenn der also sagt, tut mir leid, sehe ich nicht, die bleibt so wie sie ist. Dann habe ich als Lieferant keine Möglichkeit das zu erzwingen. Also Entscheidungen, Netzbetreiber sticht, Entscheidung, Lieferant und der Kunde, der Letztverbraucher, der taucht da überhaupt gar nicht auf. Das ist ein Duo, aber kein Trio. Und dementsprechend, sieht die Netzzugangsverordnung auch keinerlei Rechte des Letztverbrauchers vor, hier eine bestimmte Jahresverbrauchsprognose einzufordern. Das Problem an der Stelle ist, dass zwei Gesetze aufeinander treffen, die ich sage mal aus unterschiedlichen Zeiten kommen, als die die jetzt Zugangsverordnung gemacht worden sind. Als man da diesen Abstimmungsprozess, festgelegt hat, da gab's keine Ukrainkrise, da gab's keine Preisbremse gesetzt und Sonstiges. Von daher hatte die Frage, wie die Jahresverbrauchsprognose ist, kaum Relevanz. Deswegen hat man auch nicht darüber nachgedacht, den Letztverbraucher irgendwie in diesem Prozess mit einzubeziehen. Auf diese Situation trifft jetzt halt die aktuelle Krise, die plötzlich ganz große Bedeutung, die eine solche Jahresverbrauchsprognose haben kann. Aber es ist leider nach wie vor so, dass der Letztverbraucher hier nicht vorkommt und zumindest unserer Auffassung nach, nichts zwangsweise durchsetzen kann. Heißt dann aber für unsere Mitglieder, wenn denn im Strombereich ein Letztverbraucher kommt und sagt, ich will, dass die Prognose geändert wird, kann man darauf reagieren, man muss es nicht. Wenn man damit zum Netzbetreiber läuft, also wenn man sagt, okay, ich nehme mir das Ganze zu Herzen. Ich versuche die zu ändern. Wenn man damit zum Netzbetreiber geht und der sagt: "nö, mache ich aber nicht." Dann sind mir als Energielieferant auch die Hände gebunden, egal wie groß mein guter Wille ist.
Hannah Simon
00:19:48
Kommen wir vielleicht abschließend noch so ein bisschen nochmal zu einem Hoffnungsschimmer am Horizont. Du hast es eingangs schon erwähnt. Es gibt ja momentan erste Meldungen über ein Reparaturgesetz. Fehler und Unklarheiten des Dezember Soforthilfegesetzes und der Preisbremsegesetze ausgemerzt werden sollen. Nun hilft das den Stadtwerken weiter bei der Umsetzung dieser Gesetze. Wie ist hier deine Einschätzung und dein aktueller Stand?
Ingo Rausch
00:20:13
Also ich würde sagen nein bis jein, Klassische Antwort. "Ja" würde ich hier an dieser Stelle nicht setzen. Aber ja, vielleicht ganz kurz, was da überhaupt drinsteht. Es ist also so, dass im Bereich für das Erdgaswärmepreisbremsegesetz der Kreis der berechtigten erweitert wird. Vielleicht ganz kurz zur Repetition. Es gibt ja im Erdgas Wärme Preisbremse gesetzt, die Kunden unter 1,5 Millionen, die sind immer privilegiert und es gibt die Kunden, die über 1,5 Millionen Jahresverbrauch haben. Die können nach Paragraph 3 privilegiert sein, das betrifft ein hohes Entlastungskontingent oder sie können nach Paragraf 6 entlastungsberechtigt sein, das ist dann niedrigeres Entlastungskontingent und auch ein anderer Referenzpreis. Das heißt also, wenn ich mehr als 1,5 Millionen im Jahr verbrauche und sage: "ich bin aber privilegiert, weil ich hier einer solchen Gruppe angehöre", dann muss ich irgendwie den Finger heben und das dann darlegen, beziehungsweise es muss vom Lieferanten festgestellt werden. Die Gruppen, die hier privilegiert sind, sind im Wesentlichen Pflege, Reha oder sonstige Einrichtungen aus dem medizinischen Bereich und bislang war es so, dass die quasi blütenrein sein mussten. Also es musste nur hundertprozentige Pflegeeinrichtung sein. Was sich hier geändert hat ist, dass künftig auch, wir sind ja bislang noch im Entwurf-Stadion, gemischte Einrichtungen berechtigt sein sollen, diesen Entlastungsbetrag nach Paragraph drei in Anspruch zu nehmen. Das heißt, wenn ich jetzt zu 80 Prozent Pflegeeinrichtung bin und 20 Prozent Krankenhausbetrieb habe, kann ich künftig auch berechtigt sein, das ist bislang nicht der Fall. Gut, das ist eine Änderung, eine Änderung ist tatsächlich ein Gewinn und eine Klarstellung. Hier geht's um Verträge mit Spotmarkt-Preisen. Ich hatte anfangs gesagt, dass die Preisbremsegesetze so funktionieren, dass man einen Preis bildet und den auf eine Menge anwendet und der Preis, den man bildet, ist ja die Differenz, zwischen Vertragspreis und Referenzpreis. Das muss ich jeweils am ersten des Monats machen und den dann für den kommenden Monat festlegen. Jetzt haben wir im Erdgas und auch im Strombereich sogenannte Spot-Markt-Verträge. Das heißt, bei denen bildet sich der Erdgas oder der Strompreis nach der Entwicklung auf dem Spot-Markt. Das weiß ich aber erst am Ende des Monats. Das beißt sich damit, mit dem, was in den Preisbremsegesetzen drinsteht, weil da muss ich am ersten des Monats halt diesen Differenzbetrag festlegen. Da weiß ich aber noch gar nicht, was der Vertragspreis ist. So und das, ist quasi eine echte Reparatur, weil der Gesetzgeber gesagt hat, wenn ich am ersten des Monats noch gar nicht weiß, wie der gewichtete durchschnittliche Preis ist, dann darf ich auch den Vormonat abstellen. Also für Spot-Markt-Verträge rettet mir diese Ergänzung, auf den Vormonat abstellen, dann die Bestimmung des Differenzbetrages. So und der dritte Punkt, der vielleicht von Bedeutung ist, das sind die Höchstgrenzen. Wir haben ja sogenannte Höchstgrenzen in den Preisbremsegesetzen. Das heißt, bestimmte Unternehmen, das ist super ausdifferenziert und, hier an der Stelle sicher zu tiefgehend. Aber bei diesen Höchstgrenzen ist es eben so, dass Unternehmen dann nicht über diese Höchstgrenzen entlastet werden dürfen und was dann an der Stelle neu in die Gesetze eingefügt worden ist, dass die Prüfbehörde, die nach den Preisbremse-Gesetzen unter anderem auf diese Höchstgrenzen zu gucken hat, von sich aus untersuchen darf, ob da auch alles richtig ist. Die haben jetzt ein sogenanntes aufgreifermessen. Das spielt sich nur bilateral im Verhältnis zwischen dem Unternehmen und der Prüfbehörde ab. Das heißt, ist für unsere Mitglieder nicht so wichtig, aber was wichtig ist, dass unsere Mitglieder, also die Energielieferanten, hier eine neue Informationspflicht haben. Wenn die nämlich klare Anhaltspunkte dafür haben, dass da was nicht stimmen kann mit der Höchstgrenze, also wenn Sie glauben, dass das Unternehmen eine zu hohe Höchstgrenze mitgeteilt hat, dann sind Sie jetzt verpflichtet, der Prüfbehörde Bescheid zu sagen. Und darüber hinaus gibt's noch eine andere Prüfpflicht. Das ist ein bisschen vertrackt, da geht's darum, dass die Prüfbehörde dann eine neue Höchstgrenze festlegen kann per Verwaltungsakt, dann muss das Unternehmen eine neue Selbsterklärung abgeben. Wenn es das nicht rechtzeitig tut, dann müssen unsere Mitglieder in ihrer Rolle als Lieferant die Entlassung komplett einstellen. Ohne jetzt auf das Ganze einzugehen. Für unsere Mitglieder sind zwei Punkte relevant, nämlich zum einen diese Mitteilungspflicht und zum anderen die Pflicht, die Entlastung einzustellen, wenn diese neue Selbsterklärung nicht kommt. Alles in allem, würde ich sagen das Reparaturgesetz hat uns nicht vom Hocker gerissen. Die Menge an Unstimmigkeiten, Überschneidung und Sonstiges ist, zu 90 Prozent unangetastet in den Gesetzen dringeblieben. Es gibt ein, zwei Klarstellungen, die weiterhelfen, aber der große Wurf ist das, zumindest aus unserer Sicht eher nicht.
Hannah Simon
00:25:46
Danke Ingo. Ich würde sagen, wir bleiben optimistisch und hoffnungsvoll, dass wir uns auch in diesem Jahr, da gemeinsam durchmanövrieren durch dieses Auf und Abs und neue Gesetze und Regelungen. Vielen Dank auf jeden Fall, dass du heute wieder ein bisschen Licht ins Dunkel gebracht hast wir hoffen, dass das unseren Zuhörerinnen und Zuhörern an dieser Stelle weiterhilft. Deswegen vielen Dank, dass du heute mit dabei warst. Ja, wir merken, wir müssen im Austausch bleiben. Das machen wir ja natürlich immer online, per Telefon, per Mail, aber auch natürlich immer ganz gerne im direkten persönlichen Austausch. Zum Beispiel bei der E-World, die das nächste Mal vom 23 bis 25 Mai in Essen stattfindet, die Netzwerkpartner werden wieder für euch vor Ort sein, also besucht uns gerne in Halle vier am Stand 4202, verschafft euch ein Überblick über aktuelle Netzwerkpartnerstellungen, tauscht euch mit anderen Netzwerkpartnern und uns wie mit dem Kollegen Ingo Rausch oder mir aus. Wir freuen uns auf euch und erwartet euer Netzwerk. Dafür ist die E-World doch immer perfekt gemacht. An der Stelle vielen Dank fürs Zuhören. Wir sagen bis zum nächsten Mal und macht. Music.