HOLY SHEEP - Neuseeland

Jenny Jakobeit

Die längste Fernbeziehung der Welt - Doerthe berichtet vom Auswandern nach Neuseeland (Nelson)

19.04.2024 28 min Jenny Jakobeit

Zusammenfassung & Show Notes

Auswandergeschichten aus Neuseeland! Heute ein Gespräch aus Nelson mit Doerthe (57).

Doerthe entdeckt in einer Kölner Bahnhofsbuchhandlung ein GEO-Heft mit einem Bild vom Milford Sound.
Und entscheidet: ich will nach Neuseeland. Im Jahr 2000 reiste sie das 1. Mal gemeinsam mit ihrem Partner
3 Wochen durch Neuseeland.

7 Jahre später kommen sie gemeinsam mit ihrem 6-jährigen Sohn und reisen 5 Wochen mit dem Camper durchs Land. Und dann kommt ein Jobangebot! Und Doerthes Partner sagt: "Das musst du jetzt machen"

Ihr Mann bleibt in Deutschland. Wie das alles funktioniert, erfahrt ihr in dieser Episode.

Ausserdem: Einblicke ins neuseeländische Schulsystem, denn Doerthe arbeitet in einer Agentur, die Schüler*innen beim Austausch begleitet. 


Kontakt Doerthe: Instagram

Links zu genannten Interviews:

Interview mit Doerthes Chefin

Interview mit Conny und Lars (Familienauszeit Neuseeland)

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Transkript

hat sich im Jahr 2000 in das Land verliebt. Neuseeland, green und clean und die Maori-Kultur schwebt überall. Heute lebt sie in Nelson, im Norden der Südinsel, und führt die wohl längste Fernbeziehung der Welt mit ihrem Mann in Deutschland. Als ich das Angebot bekommen habe, war mein Mann damals der Erste, der gesagt hat, das musst du jetzt machen. Wir machen einen Realitätscheck. Wie lebt es sich am Ende der Welt? Also auch wir gehören zu denen, für die Neuseeland lange Zeit das gelobte Land gewesen ist. Neuseeländer sind sehr freundlich, aber es bleibt auch erstmal oberflächlich. Außerdem gibt es Einblicke ins neuseeländische Schulsystem, denn Dörte arbeitet in einer Agentur, die SchülerInnen beim Austausch nach Neuseeland begleitet. Ganz viel Spaß mit dieser Episode. Dieses Interview haben wir aufgenommen in Nelson und ich springe direkt rein. Also ich bin Dörte, bin seit 2017 hier und meine Liebe zu Neuseeland geht immer noch viel weiter zurück. Wir waren das erste Mal 2000 hier gewesen. Es war immer der Traum hier zu landen, sowohl beruflich wie privat. Und jetzt, 23 Jahre später, ist es tatsächlich so weit, dass wir die Residency in trockenen Tüchern haben und da bin ich. Gehen wir nochmal zurück, Doethe, an dein allererstes Mal in Neuseeland, 2000. Was habt ihr beruflich in Deutschland gemacht? Wo kommt ihr her? War das ein Urlaub gewesen. Also Hintergrund war, ich hatte 1999 eine kleinere Erbschaft gemacht und musste immer schon, davon hatte ich meinen damaligen Freund noch, zu einer kleinen Reise oder einer Reise ein. Und da waren wir in Köln in der Bahnhofsbuchhandlung gewesen, umsteigen wegen irgendwas. Und ich sehe das damalige Geo-Saisonheft mit dem Titelbild vom Milford Sound in Neuseeland. Ja und dann waren wir da in 2000 das erste Mal hier gewesen. Zu dem Zeitpunkt hatte mein Mann, ist selbstständig, hatte ein kleines IT-Unternehmen gehabt und ich selber habe für ein Jugendbildungsinstitut an der LMU München gearbeitet. Wie lange war der Urlaub? Völlig naiv, damals drei Wochen, weil wir dachten, ach gut, man sitzt lange im Flugzeug, aber sonst Tagesetappen von 200 Kilometern ist ja überhaupt kein Problem. Also insofern, wir waren schnell hier und haben sofort gesehen, das nächste Mal müssen wir viel, viel länger kommen. Erinnerst du dich, als du in Neuseeland gelandet bist, was waren so die ersten Eindrücke damals? Das war richtig cool gewesen. Als wir hier waren, war damals Neuseeland gerade Titelverteidiger für den Americas Cup. Wir beide sind großes Wegler und wir waren am ersten Tag des der Ausscheidungsrennen, damals gegen Prada Italien, in Auckland gewesen und der Pilot hat uns auch begrüßt. So, welcome in New Zealand. Heute ist der erste Tag des Rennens und der Sky Tower war damals mit dem Emblem des Americas Cup geschmückt und Das war wirklich das Gefühl, wow, wir sind da. Und wie seid ihr damals durchs Land gereist? Ja, also wir hatten schon im Vorfeld natürlich Reiseführer gewählt. Klassisch noch, das war noch fast noch in Pre-Internet-Zeiten und hatten uns auch natürlich überlegt, wo möchten wir gerne hin? So einige Stationen war vorweg gebucht, das andere dann eben spontan. Und wir sind damals, da gab es das noch noch als Nachtzug mit dem Zug von Auckland bis Wellington durchgefahren und hatten ab dann ein Auto für den Rest der Zeit und sind dann in der Zeit überwiegend eben auch in netten Backpacker Hostels oder auch mal in kleineren Pensionen abgestiegen, auch schon mal von Campingplätzen nach Cabin, aber das war noch damals klassisch im Auto unterwegs. Was hat euch besonders gut gefallen? Ich weiß das noch gut, dass wir jeden Tag dachten, wow, das ist die tollste Landschaft, durch die wir jemals gefahren sind. Und dann kamen dann nächste Tage und wir sagten, nein, das hier ist die tollste Landschaft. Das war zum einen wirklich diese unglaubliche Weite, diese spärlich besiedelte, wenn man aus Deutschland kommt, kann man das ja auch nachvollziehen. Und einfach auch die Freundlichkeit, dass man wirklich den Eindrücke, die uns wirklich völlig geflasht hatten. Wie lange hat es dann gedauert, bis ihr das nächste Mal in Neuseeland wart? Dann hat sieben Jahre gedauert. Es war eigentlich schon klar im Augenblick, an dem wir ins Flugzeug gestiegen sind, nach Ne Es hat uns aus Neuseeland mitgebracht und dann stand auch erst mal andere Dinge an, nicht zuletzt auch wieder das Geld zusammenzukratzen für einen Aufenthalt in Neuseeland. Und dann waren wir das nächste Mal tatsächlich erst 2007 hier gewesen, kurz bevor unser Sohn dann in die Schule kam und dann mal so das klassische, in Anführungszeichen, Reiseprogramm, fünf Wochen mit dem Campervan durch Neuseeland. Mit Kind? Mit Kind, der war damals gute Sechs der Bube. Habt ihr da schon gedacht, vielleicht könnte das mal was für längerfristig werden? Also ich hab's gedacht. Ich hab schon gemerkt, das ist wirklich mein Land. Ich mag die Mentalität, fühle mich hier einfach wirklich richtig zu Hause. Dann hat es dann auch mein Mann vorgeschlagen. Und der sagte dann am Anfang so, ja mal schauen, bis er dann damit auch herausrückt und sagte, du ich finde das Land super, aber ich habe meinen Lebensmittelpunkt hier in Deutschland. Er hat eben auch damals eine kleine Firma mit einigen Angestellten. Also er konnte sich das zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht vorstellen. Dann habe ich gesagt, gut, aber ich möchte gerne wieder hin. Und dann bin ich nämlich 2009 alleine hier gewesen. Dann blieben Mann und Sohn in der Zeit dann in Deutschland zurück und dann waren wir 2011 nochmal wieder alle gemeinsam hier und 2013 war ich wieder alleine hier. Und dann hat der Sohn 2015 hier einen Schulaustausch in Neuseeland gemacht. Auch dann mussten wir ihn natürlich abholen, ging ja nicht anders. Und so hat sich das immer mehr verfestigt auch, bis dann auch mein Mann sagte, komm, wir gehen es noch ran. Wie wurde das dann konkret? Also wir hatten, glaube ich, gar nicht so bewusst überlegt, wollen wir jetzt wirklich auf Dauer auswandern? Wir hatten es jetzt erst mal eher so gesehen, wir versuchen es einfach auch schauen, weil es ist schon klar, so im heiteren Urlaubsmodus und jeden Tag den besten Long Black der südlichen Hemisphäre trinken ist das eine, aber hier zu leben auch mit Jobsuche, mit Haussuche, natürlich auch mit sozialen Netzwerken, die man erst mal aufbauen muss, das ist ein anderer Schnack. Und wir hatten dann erst mal geguckt, wie sehen überhaupt unsere Chancen dann aus und waren erst mal zunächst sehr ernüchtert gewesen, einfach weil wir zu dem Zeitpunkt auch dann schon beide jenseits der 40 waren, damit aus dem klassischen Backpikeralter mal sowieso heraus auch. Und es war dann auch schnell klar, an der klassischen Skilled Migrant Kategorien kommen wir nicht in Frage. Wir hatten jetzt auch nicht die gesuchten Jobs gehabt, was dazu passte. Also wir hatten danach erstmal gedacht, oh, wir sind einfach zu spät dran. Also jetzt kriegen wir wieder die nötigen Punkte für so ein Einwanderungsverfahren zustande und haben dann erstmal gedacht, okay, es soll nicht sein. In Neuseeland ist es leichter einzuwandern, wenn man einen Beruf hat, der hier gebraucht wird. Außerdem gibt es ein Punktesystem. Da kriegt man zum Beispiel für ein gewisses Alter mehr oder weniger Punkte. Es wird bewertet, wie gut die Englischkenntnisse sind und wie der Job ist, ob der hier gebraucht wird oder nicht. Ja, und dann kam es wirklich so ein bisschen die glückliche Fügung. Dann kamen Stadienelzen und die Birgit ins Spiel. Die hatten wir nämlich kennengelernt, als wir unseren Schulaustausch hier für unseren Sohn hier organisiert hatten 2015. Kannst du in ein, zwei Sätzen beschreiben, was ist da die NETS? Wir sind spezialisiert auf Schulaufenthalte für Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren, haben aber auch die Möglichkeiten für jemand, der schon älter ist, also GEPJ-Programm, aber auch für Familienhauszeiten. Wie hat das dein Sohn, war der ein Jahr gemacht? Der war ein halbes Jahr hier gewesen. Der war noch relativ jung auch, der ist mit 14 gegangen, der wurde hier erst vor Ort 15. Einfach dadurch, dass er in Bayern auf der Realschule war, da war dann vollkommen klar, am besten geht es im ersten Halbjahr von der Neuen. war so jung. Und da sind wir auch, glaube ich, alle ganz ehrlich und er selber sagt das auch so ein bisschen so. Die Eltern waren so begeistert von Neuseeland und haben ihm das so schmackhaft gemacht. Also ich glaube, hätte er selber entschieden, wäre es vermutlich nicht auf einen Auslandsaufenthalt hinausgelaufen. Aber er hat hier trotzdem eine super Zeit gehabt und hat dann auch sehr, sehr genossen auch und hat da so ein bisschen den Traum der Eltern mitgelebt an der Stelle. Hat den das verändert das halbe Jahr? Auf jeden Fall. Er war vorher wirklich der verhältnismäßigen Meinung, er kann kein Englisch sprechen. Er hat sich das nicht getraut auch und hat dann hier auch wieder wieder richtig Spaß an der Schule gewonnen. Das muss man dazu sagen. Wir kommen aus Bayern und da hat er durchaus auch so ein paar Nackenschläge gehabt im deutschen Schulsystem Und er kam wirklich zurück mit breitem Kreuz, mit Selbstbewusstsein, mit Spaß am Lernen und ist dann auch danach einfach super durch die Schule gekommen. Und als ich dann 2017 wirklich die Chance hatte, jetzt doch hier endlich zu arbeiten und zu sein, ist er dann auch im Handstreich mitgekommen und hat dann auch hier in Nelsen sein Abitur gemacht. Ist er noch in Neuseeland? Nein, nicht mehr. Also er hat hier 2018 Abitur gemacht, ist dann auch erst mal zurück nach Deutschland, um da zu studieren. Ist aber inzwischen auch im Englischsprachenland und sagt auch für ihn ist Englisch so ein bisschen was für die zweite Heimatsprache inzwischen. Und du sitzt ja nun an der Quelle. Für viele, die jetzt zuhören und sich überlegen, das möchte ich auch gern. Vielleicht war ich auch schon mal in Neuseeland und hatte hier einen traumhaften Urlaub. Was sind so die großen Ernüchterungen? Also mal große Ernüchterung würde ich jetzt gar nicht so sehr sagen. Aber das ist tatsächlich so. Zumindest auch meine Wahrnehmung. Neuseeländer sind sehr freundlich, sehr aufgeschlossen. Auch man wird überall sehr schnell, glaube ich, auch sehr unkompliziert erst mal einen Kontakt haben. Aber es bleibt auch erst mal oberflächlich. Und dann merkt man es natürlich dann schon. Das dauert auch hier seine Zeit, bis man wirklich angekommen ist, bis man tiefe Freundschaften hat. Vielleicht auch, bis man wirklich so ein bisschen die interkulturellen Besonderheiten wahrgenommen hat. Ich hätte vorher das nie so wahrgenommen. Inzwischen merke ich aber sehr wohl, dass es Unterschiede auch gibt. Kannst du ein Beispiel sagen? Ja, zum Beispiel merkt das eben auch so direkter Umgang mit Kritik an. Wir Deutschen haben gerne auch so den Ruf, so sehr dreckig zu sein, schmeckt nicht, wollen wir nicht, geht so nicht. Und das gehen Neuseeländer zum Teil wirklich sehr, sehr anders an. Man muss dann auch manchmal sehr verklausuliert das heraushören auch oder wenn eben gar keine Reaktion kommt, weiß man, dass man da einfach auch wirklich lernt, damit umzugehen auch und vielleicht auch mal über sich selber zu lachen, wenn man wirklich merkt, okay, da war es jetzt doch wieder ein bisschen zu sehr so deutsch ab durch die Mitte. Was ist so das Besondere am neuseeländischen Schulsystem, was es bei uns nicht gibt? Was mir hier wirklich richtig, richtig gut gefällt, dass die Lehrer, Lehrerinnen an der Schule wirklich richtig Zeit haben, Schüler in ihren individuellen Stärken und Fähigkeiten zu sehen auch. Das heißt, da ist nicht so one size fits all und alle müssen durch dasselbe mit hindurch. Da ist wirklich auch Zeit, auf jemanden individuell einzugehen, auch jemanden für Dinge wirklich positiv zu stärken und zu loben auch. Das heißt, da steht dann nachher nicht nur eben die drei auf dem Zeugnis, sondern auch, das hat sich jemand einfach auch im Rahmen seiner Möglichkeiten interessiert, eingebracht, bemüht und engagiert. Und das wird auch gewertschätzt. Auch das finde ich wirklich ganz, ganz toll, dass hier nicht so schnell so dieses Eingruppieren kommt. Gute Schüler, schlechte Schüler, geht gar nicht. Das finde ich klasse. Und was mir auch sehr, sehr gut gefällt, dass die Lehrer den Schülern unheimlich viel zutrauen. Auch im positiven Sinne. Die machen zum Teil Wahnsinnsprojekte in Eigenverantwortung. Das ist echt toll. Was zum Beispiel? Zum Beispiel, wenn man diese Auto-Education-Trips nimmt. Die sind natürlich in Begleitung. Natürlich ist da immer auch ein erfahrener Lehrer mit dabei, aber die Kids planen wirklich diesen ganzen Trip selbstständig auch. Wie lange müssen die Tagesetappen sein? Was müssen wir mitnehmen? Kannst du einmal für jemanden, der das noch nie gehört hat, Outdoor Education. Was ist das? Also Outdoor Education ist wirklich ein sehr verbreitetes Fach an neuseeländischen Schulen. Und das heißt jetzt nicht nur eben, wir gehen mal alle raus und spielen Frisbee am Strand, sondern die Idee ist tatsächlich, dass wirklich eine ganze Gruppe das unter Berücksichtigung auch der verschiedenen physischen, psychischen Voraussetzungen, Herausforderungen meistert in der neuseeländischen Natur. Davon gibt es hier ja nun wirklich auch reichlich auch. Und je nach Jahreszeit, je nach Region, wo die Schule ist, können das mehrtägige Wanderungen sein, das kann im Winter sogar selbst übernachten sein im Schneeiglu, das kann Kajaken sein, das kann Mountainbiken sein, Rafting, Klettern auch. Und es geht immer auch wirklich dann darum, nicht einfach zu lernen, mit der Natur umzugehen, Risikenrichtung einzuschätzen, seine eigenen Kräfte richtig einzuschätzen und vor allen Dingen die Aufgabe im Team zu meistern. Also generell in Neuseeland geht es ganz selten darum, wer ist als Erster oben auf dem Berg, sondern wie schaffen das alle, und dass nachher alle auf sich stolz sein können. Das finde ich wirklich cool. Gibt es auch irgendwas, wo du sagst, das ist ein totaler Unterschied, das ist erst mal schwer, wenn man hier in der Schule ankommt? Ich glaube, gerade für deutsche Schüler mag das schon mal so eine Umstellung sein. Dass es eben jetzt nicht nur darum geht, möglichst viel Stoff in möglichst kurzer Zeit reinzuschlingen. Und natürlich lernt man so gesehen vom reinen, ja von den reinen Inhalten her, ist das in Neuseeland weniger als in Deutschland. Aber dafür geht man die Dinge anders an. Es ist einfach auch wichtiger, dass die Schüler auch selber verstehen, worum es da geht, auch selber kritisch mitdenken können, das kritisch reflektieren können, sich selber richtig einschätzen können auch. Und einfach so, dass man grundsätzlich die Lust am Lernen haben will. Ich denke, Schule ist ja immer das eine, aber danach geht es noch viele, viele Jahre weiter. Und wenn man danach erst mal erschöpft ist und sich denkt, boah, jetzt erst mal Gäbchen machen, gar nichts machen, ist das der falsche Angang. Aber für jemanden, ich sag mehr, immer mehr, immer schneller. Für den ist das, glaube ich, erst mal eine ganz schöne Umstellung auch vom Prinzip her. Man kann hier sein Abitur machen, das ist auch anerkannt in Deutschland. Ist es leichter als in Deutschland? Es ist insofern leichter, weil man hier weniger Fächer hat und sich auch stärker eben wirklich auf seine Stärken konzentrieren kann auch. Auf der anderen Seite mache ich natürlich alles auf Englisch und ich muss auch hier auf jeden Fall im Abitur Mathematik und Englisch belegen auch und auch an anderen Naturwissenschaften oder wenn ich ein Essay schreiben muss in Geschichte oder Social Studies, das ist eine Herausforderung, wenn man das dann wirklich auf Muttersprachner-Niveau machen möchte. Also auf der anderen Seite hat man natürlich anderweitig Herausforderungen, das ist klar, aber man hat die Möglichkeit, sich die Aufgaben anders einzuteilen als bei uns. Man hat nicht den ganzen Druck nachher auf die Prüfung. Man kann aber auch sagen, ein halbes Jahr oder ein Vierteljahr kann eine tolle Erfahrung sein. Man kann auch sagen, ich komme erst mal, das Kind kommt erst mal. Wie kommt man zurecht im Schulsystem? Gibt es einen großen Unterschied zwischen staatlichen Schulen und Privatschulen? So wie weit wir das wahrnehmen, eigentlich nicht, weil auch die staatlichen Schulen häufig sehr gut ausgestattet sind, auch so im Hinblick auf IT-Infrastruktur. Viele Schulen sind Microsoft-Partner-Schools, man bekommt dort die Office-Lizenzen. haben wir hier auch gemerkt 2020 im Lockdown, wie mühelos die Schulen umstellen konnten auf Online-Unterricht. Das ging ja auch hier von jetzt auf gleich. Also ich glaube, da hätte manche deutsche Schule Tränen in den Augen, wenn sie sich hier mal eine neuseelische, ganz normale staatliche Schule anschaut. Klar sind die privaten Schulen dann noch mal üppiger ausgestattet. Da greift auch so ein bisschen nur dieses Old Boys oder Old Girls Prinzip, dass man dann seiner Schule auch etwas stiftet. Da gibt es dann natürlich schon auch Schulen, die zum Teil richtige Turnstudios haben oder nochmal topmodernere Sportanlagen, ähnliches. Aber ich denke auch jede normale staatliche Schule ist hier schon sehr gut ausgestattet. Das ist das britische System so ein bisschen? Ja, das kommt ganz bestimmt mit daher. Auch mit dem Erbe des britischen Systems ist natürlich die Schuluniform, die wir hier an fast allen Schulen haben. Wie findest du das? Um ehrlich zu sein, cool. Das sagen auch viele unserer Schüler auch. Es ist einfach, das nimmt so ein bisschen den Druck raus, so Markenterror, ähnliches mehr. Man macht sich keine Gedanken darüber, was man anzieht. Es ist auch so ein bisschen identitätsstiftten auch an der Schule. Wir haben auch wirklich viele Schulen, die haben, wie ich finde, schöne Uniformen. Also nicht alle, aber viele auf jeden Fall auch. Und das sagen eben auch gerade unsere Schüler dann hier, klasse, das kennen wir von zu Hause nicht, das ist doch auch mal cool. Und wie sieht dein privates Leben heute hier aus? Ja, also wir haben eigentlich ein ganz spannendes Modell, weil wir wirklich eine Fernbeziehung im wahrsten Sinne des Wortes führen, mein Mann und ich. Als ich 2016, 2017, pardon, damals von der Börgertier das Angebot bekommen habe, hier anzufangen, sie hatte damals drei Mutterschaftsvertretungen gehabt, konnte sie mich unkompliziert ins Land bringen, auf Arbeitsvisum, war mein Mann damals der Erste, der gesagt hat, das musst du jetzt machen, Dörte. Das ist die Chance, auf die du seit Jahren wartest, und den Traum, den hast vor allem auch du gehabt, mach das. Ich unterstütze das und komme so oft vorbei, wie es geht. Dann bin ich hier vorweggekommen. Unser Sohn kam dann hinterher, um sein Abitur hier zu machen. Und mein Mann ist immer wieder für einige Wochen im Land, muss dann leider wieder zurück nach Deutschland, um dann dort mit seinen Kunden zu schauen, und kommt dann wieder. Dann war aber 2020, wir saßen hier im Lockdown in Neuseeland und dann haben auf einmal auch seine Kunden gemerkt, wie gut das letztlich remote geht. Und seitdem haben sich die Vorzeige nochmal sehr geändert. Also er kann zwar immer noch nicht komplett hier sein, aber die Zeitabstände, die er hier ist, werden immer größer. Also insofern pendeln wir so ein bisschen zwischen Deutschland und Neuseeland. Ist ja auch total besonders, ne? Eine Fernbeziehung vom einen zum anderen Ende der Welt. Ja, also viel weiter geht es nicht. Und das ist auch ganz interessant. Das merke ich auch, wenn ich das so erzähle. Also so die Spanne reicht von, das ist ja cool, bist ungewöhnlich, bist Menschen, die das überhaupt nicht nachvollziehen kann, für die das auch kein Lebensmodell wäre. Aber das muss es ja auch nicht. Das heißt, dein Mann sitzt aktuell, ist er gerade in Deutschland oder Neuseeland? Aktuell ist er hier. Hast du dir ein Haus gemietet oder wie sieht dein Leben so aus? Also wir haben hier gemietet, was aber auch daran liegt, dass wir jetzt erst wirklich seit März unsere Residenz hier wirklich auch durch haben. Herzlichen Glückwunsch. Dankeschön. Wir sind auch so ein bisschen mit Corona Opfer geworden. Wir hatten nämlich den Antrag 2019 gestellt und dann kam ja wie gesagt hier die Corona-Zeit. Neuseeland hat dann über mehrfach als zwei Jahre lang sämtliche Visa-Bearbeitungsanträge außerhalb Neuseelands ausgesetzt. Und wir waren einfach ewig im Limbo gewesen und unser Antrag ist erst letztes Jahr wieder aufgenommen worden. Jetzt haben wir nach in Summe fast dreieinhalb Jahren unsere Residency. Und auch erst jetzt können wir überhaupt hier ein Haus kaufen. Also dein Mann hat jetzt auch die Residency? Ja, also ich bin die Hauptantragstellerin bei uns, weil ich ja eben auch hier den Job habe. Aber Mann und Sohn sind Mitbestandteil des Antrags und werden dann auch die Residency bekommen. Was ist an deinem Leben jetzt hier schöner als in Deutschland? Also grundsätzlich, das ist ganz interessant. Ich habe auch jetzt, ihr weißt, ich war drei Jahre in Deutschland festgesteckt aufgrund der Visa-Geschichten auch. Ich habe in der Zeit auch das Leben in Deutschland nochmal wieder sehr zu schätzen gelernt mit all seinen guten Seiten. Aber wenn ich hierhin komme, diese wahnsinnig weite Landschaft, dieses entspannte Leben auch. Denke ich sofort, ja hier ist einfach, hier fühle ich mich zu Hause und ich mag auch diese kleine überschaubare Umgebung hier in Nelson. Ich komme aus Deutschland, habe ich in München lange Zeit gelebt, aber mir fehlt hier in Nelson einfach nichts. Ich mag die kurzen Wege, die vielen kleinen Angebote, auch auch, wie man kreativ tätig sein kann, wie man sich auch ehrenamtlich engagieren kann. Also da gibt es so so viele Möglichkeiten auch hier vor Ort, irgendwo sich wirklich einzubringen. Das finde ich super. Wenn jetzt Auswanderer zuhören, die vorhaben, nach Neuseeland auszuwandern, was rätst du denen? Kommt erst mal vorher. Also ich kriege das ja auch so mit aus den verschiedenen Facebook-Gruppen. Ich glaube, da ist auch viel so ein romantisierendes Neuseeland-Bild. Neuseeland, green und clean und die Maori-Kultur schwebt überall. Ja, die ist hier sehr, sehr präsent, das ist überhaupt keine Frage. Aber auch Neuseeland ist ein Land mit Umweltproblemen wie jedes andere auch, mit extrem hohen Lebenshaltungskosten, auch was die medizinische Versorgung vielleicht anbelangt, nicht auf dem gleichen Standard auch. Und das ist das eine, ob ich wirklich eben in heiterem Ferienmodus durchs Land gondeln kann oder ob ich wirklich irgendwo vor Ort bin, einfach auch mal sehe, wie es ist tagtäglich da hier auch sein Brot zu verdienen. Also insofern, bevor man da glaube ich wirklich mit viel Schwung daheim alle Zäune, wie heißt es nicht, alle Zelte abbricht. Erst mal gucken und sich auch vielleicht mal einen längeren Zeitraum gönnen, dass auch hier eben so der erste Honeymoon vorbei sein kann. Und da man guckt, wie ist es denn hier in Neuseeland im Juli, wenn das Haus vielleicht nur zehn Grad drin hat oder dass man auch da mal so ein bisschen sieht, wie ist das. Was sind, weil du sagst, ärztliche Versorgung, was ist genau anders? Auch wir gehören zu denen, für die Neuseeland lange Zeit das gelobte Land gewesen ist. Da ließ mir nichts Böses drauf kommen. Das tue ich auch heute nicht. Aber es ist natürlich ein kleines Land, 5 Mio. Einwohner. Da kann es nicht diese Dichte geben an Spezialisten. Wenn bei mir in München was war und ich brauchte da mal einen Kernspin, dann hatte ich innerhalb von zwei Wochen einen Termin gehabt. Das kann hier länger dauern entsprechend auch. Oder eben auch, was vielleicht die zahnärztliche Versorgung anbelangt. Also es gibt hier gute Ärzte, die keine Bange davor haben. Aber auch, es ist hier mit anderen Wartezeiten verbunden. Also diese Vorstellung, ich brauche jetzt was, jetzt schnell Termin beim Spezialisten, ist hier einfach anders. Warum sind die Zahnärzte anders? Das hängt auch hier mit dem Gesundheitssystem zusammen. Auch dass eben tatsächlich die zahnmedizinische Versorgung nicht per se Bestandteil ist des neuseeländischen Systems. Dafür zahlen dann auch die Leute noch mal extra. Möchtest du dein restliches Leben in Neuseeland verbringen? Also für uns ist es jetzt tatsächlich so, dass wir jetzt nach den drei Jahren Zwangspause in Deutschland in vielerlei Hinsicht doch wieder so ein bisschen von vorne anfangen. Und wir haben uns jetzt auch als Ziel gesetzt, unsere Residency ist jetzt sozusagen zwei Jahre noch unter Vorbehalt, weil wir da auch noch einige Auflagen erfüllen müssen. Die wollen wir selbstverständlich jetzt erfüllen. Was müsst ihr machen? Man muss dann tatsächlich, sobald man diese Residency hat, zwei Jahre lang wirklich mehrheitlich im Land sein. Diese berühmte 184-Tage-Regel, dass man wirklich einfach auch hier dem neuseeländischen Staat einfach auch wirklich glaubhaft versichern kann, dass man hier seinen Lebensmittelpunkt haben möchte. Und das steht jetzt auch für uns erstmal an. Wir wollen es natürlich auch, um danach einfach auch wirklich zu entscheiden, ist das noch unser Land, unser Land ist es das, aber möchten wir dort auch wirklich auf Dauer sein oder uns einfach einfach auch diese Sicherheit natürlich einfach auch haben, dass wir auch jederzeit wissen, wir können in ein anderes Land auf dieser Welt, was ja nun auch gerade eingedenk der aktuellen Lage in Europa vielleicht auch noch mal ein weiteres Thema ist. Aber tatsächlich, trotz allem, für uns ist Neuseeland nach wie vor das Herzensland, auf jeden Fall für meinen Mann und mich. Unser Sohn findet das total cool, der freut sich jetzt sehr, dass wir das jetzt haben, aber für den ist das eher so eine Option im Hinterkopf. Das muss nicht jetzt sein, das muss nicht morgen sein, vielleicht in fünf Jahren, who knows. Du hast gerade schon gesagt, die sind einfach teurer. Verglichen mit Deutschland, klar, auch da gibt es teure und nicht so teure Ecken. Aber was kostet so ein Monat Lebensmittel? Also was die Lebensmittelkosten anbelangt, ist man unter dem Strich bestimmt auch bei dem, was man in Deutschland hat, würde ich denken. Manche Produkte sind deutlich günstiger, Fleisch zum Teil zum Beispiel. Aber dafür haben wir hier ganz andere saisonale Schwankungen. Ich sage jetzt mal, in der Saison kriegt man die Gurke für 50 Cent und im Winter kann sie dann auch schon mal 10 Dollar kosten. Also das sind einfach extrem große Schwankungen oder dass es eben manche Gemüsesorten oder Obstsorten dann eben auch gar nicht gibt je nach Saison. So ist es dann. Und gibt es irgendwas, wo du sagst, das ist so ganz anders und das hat mein Leben, das hat dich auch verändert? Ja, es ist tatsächlich eben zum einen dieses wirklich das positive, diese positive Wahrnehmung, dass man hier aufeinander schaut. Also nicht nur, wenn ich als Tourist irgendwie Rad suchen, am Wegesrand stehe, dass sofort jemand fragt, can I help you, wo möchtest du hin? Oder man hat eine Panne mit dem Auto, es wird sofort jemand halten und helfen auch. Es ist wirklich so, so ein bisschen, ich erkläre mir das so ein bisschen, das ist die alte Siedlermentalität, als man hier immer auch klar war, man hilft sich ganz anders. Aber das ist auch heute wirklich so im Tagesleben so zu sehen auf jeden Fall auch. Ich finde es auch so sehr freundlich im Umgang her. Also in Deutschland geht es mir manchmal furchtbar auf den Keks, wenn jemand mit dem Handy hineinbrüllt, als gäbe es kein Morgen. Das ist hier in Summe, Ich habe so ein bisschen die angesächsische Zurückhaltung auch. Man lässt sich hier sein. Und wenn es mir danach wäre, in Gummistiefeln und Engelsflügen auf den Rücken zum Supermarkt zu gehen, dann tue ich das und es guckt noch keiner. Das finde ich eine gewisse Exzentrität. Man lässt sich hier einfach so sein und es ist gut. Das finde ich super. Und wenn jetzt Reisende zuhören, die jetzt Neuseeland bereisen, kannst du uns so deine Lieblingsorte in Nelson verraten? Ja, also hier in Nelson, ich fange mit einem Friedhof an tatsächlich. Und zwar gibt es hier den Wakapuyaka Cemetery. Erstens ist das wirklich ein alter, historischer Friedhof auch mit vielen spannenden Gräbern auch. Das ist einfach auch von der Friedhofsarchitektur her toll, aber natürlich deshalb bin ich auch so gerne. Man hat von dort wirklich einen fantastischen Blick hier über Nelson, über die Bucht. Das ist einfach zu jeder Tageszeit ein absoluter Traum. Das ist sehr schön. Oder wo ich auch total gerne bin, ist hier das Theater Gallery. Das ist hier unser kleines Museum auch. Die haben ein sehr schönes Café, wo man wunderbar sitzen kann. Die schönen Queens Garns mit dazu. Ich finde ganz viele kleine, nette Ecken in Nelson, wo ich mich total wohlfühle. Und gibt es in Neuseeland so Highlight-Regionen oder wo du sagst, wenn ich jetzt mit einem Camper nochmal Leuten empfehle, die durchs Land reisen, was empfiehlst du total? Also ich bin ein riesengroßer West Coast Fan, also dieser Küstenabschnitt zwischen Westport und runter Puna Kaike, so bis Gwaii Mississipl, mit einer der spektakulärsten Fahrtstrecken, die ich kenne. Da kann ich mich nicht dran satt sehen. Das finde ich wirklich wunderschön. Ich bin auch großer Fan vom Northland, das ist der Hokianga Harbour, Opononi. Das ist wirklich auch nochmal sehr remote, sehr abgelegen. Da kann man auch nochmal so ein bisschen, wie ich finde, wirklich das alte Neuseeland auch erleben, was vielleicht noch nicht so touristisch durchgestylt ist, wie es vielleicht die Bay of Island ist. Das gehört auf jeden Fall für mich so mit zu den Highlights-Regionen hier in Neuseeland. Wenn jetzt jemand in Deutschland sitzt, dich besuchen kommt, was soll er dir, wenn er eine Sache aus Deutschland mitbringen kann? Was bringt er dir mit? Eine gute Bio-Brühe auf jeden Fall für Suppen, weil die ist hier wirklich idiotisch teuer. Aber was kostet die? Ich habe neulich mir mal so Rapunzel Brühwürfelchen gekauft, zehn Stück, und habe dafür umgerechnet sechs Dollar bezahlt. Das fand ich dann doch recht viel. Aber ansonsten muss ich ehrlich sagen, ich bin mit dem happy, was es hier gibt. Ich mag hier alles total gerne. 2000 in Neuseeland ankam, würdest du dir irgendwas raten? Ja, mehr Zeit mitbringen. Also dieses naive in drei Wochen fahren wir mal eben nach Neuseeland, würde ich jetzt anders angehen auch. Aber ansonsten so dieses Wow-Erlebnis, das ist so präsent immer noch 23 Jahre später. Also insofern würde ich sagen, Dörte, mach's wieder, fahr wieder hin. Wunderbar. Dörte, ich danke dir für dieses Gespräch. Vielen Dank. Super. Vielen lieben Dank, Jenny. Wenn auch ihr euch für einen längeren Aufenthalt in Neuseeland interessiert, hört gerne mal rein in die Episode 9 der Staffel 3. Da berichten Conny, Lars und ihre Kinder, Nele und Jakob, wie das ist, so eine Familienauszeit in Neuseeland zu verbringen. Die Eltern nehmen sich eine Auszeit und die Kinder gehen zur Schule und ja, die sind eben nicht in einer Gastfamilie, sondern die erleben das hier als deutsche Familie gemeinsam, diese besondere Auszeit. Eines unserer meistgehörten Interviews überhaupt hier in diesem Podcast. Staffel 3, Episode 9. Die ist erschienen im September 2023. Außerdem gibt es ein Interview mit Dörtes Chefin. Birgit ist 1981 mit ihrem Baby und damaligen Partner von Berlin nach Neuseeland gekommen und sie berichtet sehr unterhaltsam, wie sich das Land in den 80er Jahren angefühlt hat. Das war die letzte Episode im Jahr 2023. Transcribed with Cockatoo