Körper und Gesellschaft

Ira Schumann

Versteckte Botschaften: Die Macht der Sprache

08.03.2025 12 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Podcastfolge erkläre ich dir, welche Begriffe ich nutze, um über Körperakzeptanz zu sprechen, und warum manche Wörter verletzende Botschaften enthalten können. Ich gebe dir Tipps, wie du selbst achtsam mit Sprache umgehen kannst, um niemanden zu verletzen.


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Zum Thema „Reclaiming“: 

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Transkript

Hallo und herzlich willkommen beim Podcast Körper und Gesellschaft, dem Podcast für das Thema Körperakzeptanz. Mein Name ist Ira Schumann. In dieser Folge geht es das Thema sprachliche Sensibilität und ich erkläre, welche Begriffe ich hier im Podcast verwende und was ich damit genau meine. Außerdem wird es darum gehen, dass manche Wörter, die vielleicht erst mal neutral oder eher harmlos wirken, vertwandliche Botschaften enthalten und ich erkläre, warum ich diese Begriffe nicht benutze. Ich habe mich aus zwei Gründen entschieden, diese Folge zu machen und sie auch relativ am Anfang zu machen. Grund 1 ist, ich verwende manche Wörter, die vielleicht für manche Menschen irritierend wirken können und die ich deswegen erklären möchte. Und der Grund Nummer 2, es ist Teil meiner Arbeit als Diversity-Trainerin, also wenn ich bestimmte Fortbildungen mache, dann ist es Teil meiner Arbeit dafür zu sensibilisieren, dass Sprache eben nicht neutral ist und dass es auch in harmlos oder zumindest neutral wirkenden Begriffen verletzende, abwertende, diskriminierende Botschaften geben kann. Die Übung, die ich dann oft nutze, heißt versteckte Botschaften und ich habe gedacht, prima, das ist doch ein total guter Titel für so eine zweite Folge. Ist ein bisschen mysteriös und macht hoffentlich neugierig. In diesen Trainings, die ich mache, in diesen Nervosity-Trainings, ist es dann immer ganz spannend für die TeilnehmerInnen zu sehen, wie tief zum Beispiel sowas wie Rassismus dann auch in alltäglichen Begriffen steckt. Und rund das Thema Körper und Gewicht gibt es eben auch einige solcher Begriffe, die für viele, also vor allem auch für nicht betroffene Menschen erstmal neutral und sachlich klingen oder vielleicht sogar irgendwie nett und hinter denen aber sehr schwierige Botschaften stecken. Deswegen greife ich nachher einige von diesen Begriffen auf und erkläre, welche Botschaften sie enthalten. Okay, los geht's aber erstmal mit den Begriffen, die ich selbst benutze, in meinem Alltag und hier im Podcast. Ich verwende das Wort dick, aber nicht mit einer negativen Bedeutung, sondern als rein beschreibendes Wort. Also so, wie ich sagen würde, dass jemand blonde oder braune Haare hat oder klein oder groß ist. Also einfach sind ja auch beschreibende Begriffe, die erstmal nichts negatives, positives bedeuten. Und ich weiß, das kann für das Wort dick, kann das echt gewöhnungsbedürftig sein, weil das Wort ja üblicherweise dazu verwendet wurde oder auch häufig immer noch wird, zu verletzen und zu beschämen. Mir ist es aber wichtig, das Wort zu verwenden, deutlich zu machen, dass dick einfach nur eine bestimmte Körperform ist oder einfach nur ein bestimmtes körperliches Merkmal ist, was erstmal irgendwie überhaupt nichts Negatives ist, nichts Schlimmes ist. So wie eben die Haarfarbe ja auch erstmal nichts Negatives ist oder irgendwie auch erstmal was was neutrales Merkmal ist. Und indem ich dick beschreibend verwende, versuche ich auch, was zu normalisieren, nämlich dass es dicke Körper gibt und auch immer schon gab und immer geben wird. Als Gegensatz zu dick verwende ich das Wort dünn. Mit dünn meine ich Menschen, die sogenannte dünne Privilegien haben. Also ich meine damit sicherlich auch Menschen, die von sich selbst nicht sagen würden, dass sie dünn sind, aber die eben bestimmte Zugangsmöglichkeiten haben in unserer Gesellschaft, die dicke Menschen nicht oder weniger haben. Über was das mit den Privilegien genau heißt, was das mit den Zugangsmöglichkeiten, wie das aussehen kann, zu welchen gesellschaftlichen Bereichen dicke Menschen kein oder weniger Zugang haben, dazu werde ich in einer späteren Folge zum Thema Gewichtsdiskriminierung noch mal mehr erzählen. Und es kann auch sein, dass ich hier im Podcast mal das Wort Fett verwende. Also das ist dann genauso beschreibend gemeint wie dick. Und wenn du es gewohnt bist, dass so Würter wie Dick oder Fett nur in ihrer abwertenden Verwendungsweise halt genutzt werden, dann kann das total irritierend sein, wenn ich die auf einmal hier beschreibend verwende. Vielleicht für den Hintergrund ist es wichtig zu wissen oder hilfreich zu wissen, dass dahinter bestimmte politische Kämpfe stecken, in denen es eben auch darum geht, sich Würde anzueignen oder diese Würde zurückzuerobern, die mal benutzt wurden oder auch immer noch benutzt werden, abzuwerten und zu verletzen. Das gab und gibt es auch in anderen politischen Bewegungen, also nicht nur wenn es dicke Menschen, dicke Körper geht, zum Beispiel, ein bekanntes Beispiel ist das Wort Queer, was eben auch mal benutzt wurde, bestimmte Menschen abzuwerten, und was ja inzwischen eben, ne, also als eine positive Selbstbezeichnung auch genutzt wird. Das ganze Phänomen dahinter nennt sich Reclaiming und ich packe dir einen Link dazu in die Show Notes. Wenn du dich jetzt fragst, welche Wörter du zukünftig verwenden kannst, möchtest, welche Wörter ok sind, dazu sage ich am Ende der Podcast-Folge ein bisschen mehr. Ok, dann komme ich zu den Wörtern, zu den Begriffen, die ich nicht verwende und die ich deswegen nicht verwende, weil sie fett ver- Übergewicht enthält die Idee, dass es ein ganz normales Gewicht gibt und alles, was darüber liegt, ist eine Abweichung, also es liegt drüber, die negativ bewertet wird. Und wenn ich dieses Wort verwende, sende ich also die Botschaft, dass Dicksein etwas Unnormales, etwas Abweichendes ist und nicht einfach eine von mehreren möglichen Körperformen, die Menschen eben haben können. Warum ich die Wörter Adipositas, Adipös nicht verwende Ich erlebe es immer wieder, dass das Wort Adipös verwendet wird, wenn versucht wird, einen neutralen, nicht verletzenden Begriff für dicke Menschen zu benutzen. Oder es argumentiert wird, das wäre ja der offizielle Begriff für bestimmte Körper, weil es ja ein anerkannter medizinischer Fachbegriff ist. Aber auch medizinische Fachbegriffe können Vorurteile enthalten. Und hinter Adipositas und Adipös steckt nämlich die Idee, dass Menschen mit einer bestimmten Körperform nicht gesund sind und auch nicht gesund sein können. Oder ein bisschen komplizierter formuliert könnte man sagen, diese Begriffe pathologisieren bestimmte Körper. Hier steckt also das Vorurteil drin, dass Dicksein gleichzusetzen ist mit Ungesundsein. Und dass es eben auf der Basis dieses Vorurteils möglich ist, an der Körperform abzulesen, wie der Gesundheitszustand eines Menschen ist. Das ist natürlich nicht möglich. Was heißt natürlich? Für viele Menschen ist das, glaube ich, nicht so natürlich. Das ist nicht möglich. Und es handelt sich eben Vorurteile und nicht Fakten. Also ich selbst finde den Begriff adipös. Von denen, die ich jetzt hier so nenne, von den Begriffen, finde ich den am verletzendsten. Und bin immer, also Mich trifft es immer ziemlich, wenn ich den sehe, wie er ganz normal verwendet wird. Und auch wenn ich sehe, dass die Absicht ist, etwas relativ neutral und sachlich formulieren zu wollen, dann hat er auf mich zum Beispiel eine sehr verletzende Wirkung. Und ich würde immer vorschlagen, mit dem sehr, sehr vorsichtig umzugehen. Warum ich Wörter wie mollig und kurvig nicht verwende? Ja, das sind Begriffe, die wirken nett gemeint und harmlos. Ich habe jetzt gerade in der Vorbereitung der Folge auch noch mal den Begriff vollschlank gelesen, der ja auch noch total absurd ist, aber auch hier, der wirkt erst mal harmlos. Also mollig, kurvig, vollschlank. Aber diese Begriffe gibt es ja nur, weil Dicksein als was Schlimmes angesehen wird. Also als was, was man irgendwie nicht so klar benennen kann, weil es ja schlimm ist, also was man irgendwie verharmlosen möchte sprachlich. Und sobald ich die Perspektive ändere und einfach dick sein oder dicke Körper als etwas total normales ansehe, dann funktionieren diese Wörter nicht mehr. Dann kann ich nämlich auch einfach dick sagen. Also das heißt, genau, auch hinter solchen vermeintlich harmlosen Begriffen können einfach fettfeindliche Botschaften stecken. Vielleicht fragst du dich jetzt, okay, was kann ich eigentlich in Zukunft dann noch für Begriffe benutzen? Oder wenn ich so Workshops gebe, dann kommt manchmal die Frage, was darf ich jetzt noch sagen? Also, wenn ich mal auf der Ebene antworte, dann man darf natürlich immer alles sagen. Das ist ja tatsächlich möglich. Also dürfen darf man alles. Aber genau, mit dieser Idee im Hintergrund, hey, es gibt bestimmte Begriffe, die bestimmte Botschaften enthalten, die auch verletzende Botschaften enthalten, abwertende Botschaften, dann ist es vielleicht gut, nochmal genauer hinzuschauen, was du halt in Zukunft nutzen willst. Ich fange aber mal mit dem Fall an, dass du welche Begriffe du für dich selbst verwenden kannst oder willst. Und hier ist natürlich immer die Idee, für dich selbst kannst du das verwenden, was sich für dich gut und richtig anfühlt. Also für mich selbst fühlt sich dick am besten an, aber auch wenn du eine ähnliche Körperform hast wie ich, dann muss es nicht sein, dass der Begriff dick sich für dich auch gut und richtig anfühlt. Vielleicht fühlt sich für dich mehrgewichtig besser an. Oder vielleicht findest du auch fett den besseren Begriff. Und es kann auch sein, dass du selbst sagst, oh ja, ich hab ja gehört oder ich weiß eigentlich auch, was hinter mollig und so oder kurvig, was da für Botschaften stecken, aber für mich fühlt sich besser an, mich selber kurvig zu nennen oder mollig. Dann mach das. Also du bist immer die Person, die entscheidet, wie sie sich selbst bezeichnet. Und wenn sich das für dich okay anfühlt, klar, dann nutzt diese Begriffe für dich auch. Und in dem Fall kannst du ja auch mal, wenn du Lust hast, in Zukunft mal experimentieren mit anderen Begriffen, also mit Begriffen wie mehrgewichtig, dick, fett und einfach mal schauen, wie sich das anfühlt und einfach mal beobachten, was da so passiert. Wenn es darum geht, andere Menschen zu bezeichnen und du dich gerade fragst, okay, welche Begriffe kannst du jetzt für andere Menschen gut verwenden, auch gerade wenn dir vielleicht wichtig ist, nicht zu verletzen, etc. Ein Tipp, den ich immer gebe, ist, wenn du nicht selbst dick bist, also wenn du selber dünne Privilegien hast, dann Bitte fang jetzt nicht an herumzulaufen und dicke Menschen in deinem Leben einfach mit dick und fett zu bezeichnen. Weil ja, es gibt dicke Menschen, wie zum Beispiel mich, die diese Begriffe für sich nutzen, sie eben auch zurückzuerobern, weil da eben auch eine bestimmte Perspektive dahinter steckt. Aber es kann einen Unterschied machen, ob jemand aus einer betroffenen Gruppe einen ehemals abwertenden Begriff für sich positiv verwendet oder ob jemand, der nicht betroffen ist, diese Begriffe plötzlich verwendet. Also deswegen empfehle ich immer, wenn es eine ganz konkrete Person in deinem Leben geht, dann frag bitte, welche Wörter sie für sich benutzt und was für sie okay ist. Gilt natürlich nicht nur für das Thema Gewicht, sondern auch für andere Themen wie Behinderung, Geschlecht, sexuelle Orientierung und Hautfarbe, also Hautfarbe in Anführungszeichen, was einfach keinen richtig guten Begriff dafür gibt. Aber genau, für diese Fälle gilt es genauso, am besten immer die Person zu fragen. Okay, das war es erst mal zum Thema Sprache und diskriminierende Botschaften in Sprache. Wenn du jetzt denkst, diese Perspektive zum Thema Dicksein, die irritiert mich so ein bisschen oder ich möchte mehr davon erfahren, Ich werde in der nächsten Folge genauer erzählen, wo diese Sichtweise herkommt. Bis dahin wünsche ich dir aber erstmal eine schöne Zeit. Tschüss! Bis zum nächsten Mal.