Studien über ZVK-Anlagen: nur noch mit Ultraschall? | S1F3
Von Empfehlungen zu Metaanalysen und zurück
16.07.2023 59 min Staffel 1 Episode 3
Zusammenfassung & Show Notes
Ultraschallgestützte-ZVK-Anlagen. Was sagen die Studien? Ist das alles so eindeutig? Muss ich die Punktion nur noch mit Ultraschall durchführen oder kann ich bei der mit bekannten Landmarken-Technik bleiben? Eine Auswahl von Studien, ein Sichtung der Metaanalysen und der aktuellen Empfehlungen.
Evidenz zur ultraschallgestützten ZVK-Anlage: Episode 3 der Staffel 1 über ultraschallgestützte Gefäßpunktionen. Es geht um die frühen und die neuen Metaanalysen, wo sind mögliche Probleme dieser Studienform, was ist ein Forest-Plot und wichtig, was sagen denn nun die neuen Empfehlungen? Muss ich Ultraschall nehmen, oder kann bei der Landmarken-Technik bleiben?
Anhand der Kapitelmarken kannst du direkt zu einzelnen Abschnitten skippen, oder im begleitenden Transkript mitlesen.
Links: Cochran Deutschland (Startseite), ASA Practice Guidelines 2020 Central Venous Access (FREE), Tutorial: How to read a Forest-Plot (Cochrane.org).
Im begleitenden Blogbeitrag zu dieser Folge findet du die erwähnten Literaturstellen. Wir sind auf deine Meinung, auf deine Auslegung bestimmter Studien sehr gespannt. Viel Spass beim Anhören und Lesen.
Du kannst dir auch Ultraschallwissen und sonografische Tips per Email zuschicken lassen. Unser liebevoll geschriebener Newsletter bietet kurze Anleitungen, Stories, Abläufe, praktische Hinweise und sind regelmässig mit Verweisen auf Videos. Einfacher geht es nicht Ultraschall zu lernen: hier gehts direkt zur Anmeldung.
Anregungen, Vorschläge an die Redaktion, Fragen oder eine Voice-Nachricht? Unter www.radiomegahertz.de/kontakt findest du Telefonnummer, Telegram-Link und Kontaktformular. BTW: Wir lieben Sprachmitteilungen.
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Anregungen, Vorschläge an die Redaktion, Fragen oder eine Voice-Nachricht? Unter www.radiomegahertz.de/kontakt findest du Telefonnummer, Telegram-Link und Kontaktformular. BTW: Wir lieben Sprachmitteilungen.
Transkript
Heute spreche ich über Studien zur
ultraschallgestützten ZVK-Anlage.
Es geht von der Historie zu den
Metaanalysen und schließlich
den aktuellen Empfehlungen.
Diese werden kritisch betrachtet und du
wirst lernen, dass die Evidenz zur
ultraschallgestützten ZVK-Anlage
durchaus Lücken hat und Empfehlungen in
Teilaspekten sogar
widersprüchlich sein können.
Hallo, schön, dass du dabei bist.
Du hörst Radiomegaherz, der Podcast
über Ultraschall in der Anästhesie.
Mein Name ist Tim Mäcken.
Ich bin Anästhesist
und habe die Transformation von der
Landmarkentechnik zur ultraschall
gestützten ZVK-Anlage miterlebt und einige
Studien zur ZVK-Anlage durchgeführt.
Warum ein Podcast über Studien
zur ultraschallgestützten ZVK-Anlage?
Das ist ja zunächst ein
recht langweiliges Thema.
Es gibt aber viele Gründe, warum du dich
vielleicht doch damit
beschäftigen solltest.
Und zwar, um deine klinischen
Tätigkeiten begründen zu können.
Warum setzt du dieses
Verfahren am Patienten ein?
Es geht auch darum zu verstehen,
dass die Studien nicht alles belegen
können, was wir täglich machen.
Und, das wird ein großer Teil in diesem
Podcast sein, damit du lernst, dass man
Studien wirklich kritisch betrachten muss
und nicht nur das Ergebnis in dem
Abstract, in der Zusammenfassung
zu lesen und das als wahrzunehmen.
Das Ziel, das du vielleicht für dich in
diesem Podcast mitnehmen kannst, ist, dass
wenn ich am Schluss die aktuellen
Empfehlungen verschiedener Gesellschaften
vorstelle, dass du daraus
dein Handeln ableiten kannst.
Also nichts anderes als eine kleine Hilfe
zur Selbstreflexion
deiner sonografischen Tätigkeiten.
Und natürlich, weil der Ultraschallsender
Radiomegaherz ein Wissenschafts
Podcast ist und natürlich das, was wir
berichten und hier darstellen,
auch im Kontext der wissenschaftlichen
Publikationen gesehen werden sollte.
Was erwartet dich also in dieser Folge?
Zunächst spreche ich einmal über die
Komplikationen,
denn das ist ja schließlich
das, was wir verbessern wollen.
Wir wollen das Verfahren sicherer machen.
Man muss also wissen, was passieren
kann bei einer ZVK-Anlage.
Was sagen die Daten?
Ich stelle dann die erste Metaanalyse vor,
1996 meine ich, und vergleiche die
dann mit späteren Metaanalysen.
Und weil die Metaanalyse eine
zentrale Stellung in diesem Podcast
einnimmt, erzähle ich ganz kurz, wie die
aufgebaut sind,
und vor allen Dingen möchte ich kurz
erzählen, wie der Forest-Plot, das
Forest-Diagramm aufgebaut ist.
Es geht weiter zu den Empfehlungen aus
USA, Europa
und natürlich schließe ich dann mit dem
letzten Block die persönlichen Gedanken
und vor allen Dingen auch die Bewertungen
und meine subjektive Meinung.
Du musst dir die Namen der Autoren, das
Publikationsjahr,
die Titel nicht unbedingt merken.
Ich werde im begleitenden Blogbeitrag
die Literaturverweise aufführen.
Und natürlich, wenn zum Beispiel eine
Abbildung mündlich im Podcast schwer zu
erklären ist,
dann könnte ich die auch im Blogbeitrag
einfügen zur besseren Übersicht
und für dein Verständnis.
Okay.
Es geht also die Reduktion von
Komplikationen durch eine ZVK-Anlage.
Der große Unterschied zur ultraschall
gestützten peripheren Regionalanästhesie,
wo das Ziel häufig eine Verbesserung der
Erfolgsraten ist, ist es bei der
ultraschallgestützten
ZVK-Anlage eine Reduktion insbesondere
mechanischer Komplikationen.
Und genau diese werden auch der
Schwerpunkt der Beleuchtung der Studien
sein und nicht Spätfolgen, wie z.
B.
mögliche Infektionen.
Über welche mechanischen Komplikationen
sprechen wir also?
In den Studien wurde untersucht Blutung
allgemein, Verletzung der Vene,
dann natürlich die Trennung in
arterielle Punktionen oder die
versehentliche arterielle Katheteranlage.
Eine schwere Komplikation.
Natürlich der Pneumothorax.
Es wurden Nervenschäden untersucht.
Es wurde geschaut,
ob die ZVK-Anlage geglückt hat oder ob die
Punktion oder die Anlage frustran war.
Und natürlich, ob der Katheter
im Anschluss korrekt liegt.
Es geht also die Katheterfehllagen.
Was sagt die Literatur?
Ist das in irgendeiner Form wichtig, dass
wir unsere Technik überhaupt verbessern?
Oder sollten wir mit dem, wie
wir es machen, zufrieden sein?
Malin Biörkanda et al.
haben 2018 10.000 ZVK-Anlagen untersucht.
Die Rate an schweren Komplikationen
lag bei 0,2 Prozent.
Zwei Promille ist aus meiner Sicht die
niedrigste berichtete Zahl von schweren
Komplikationen bei dieser
hohen Zahl von ZVK-Anlagen.
Und es ist ein gigantisch gutes Ergebnis.
Wie gesagt, die schweren mechanischen
Komplikationen, die
Gesamtrate betrug 1,1%.
Er vergleicht seine Ergebnisse mit sechs
weiteren Studien, wobei der Anteil an
schweren Komplikationen überall im
Prozentbereich liegt, also deutlich höher.
Also Faktor 10 bis 20.
Und hier kommen wir schon in den
Bereich der persönlichen Wertung.
Beispiel Björkander et al.
haben die artielle Punktion per se nicht
als Komplikation gewertet, sondern
nur, während es massiv geblutet hatte.
Andere Autoren sind
dort deutlich strenger.
Durch die Fehlpunktion der Arteria carotis
communis können Plaques gelöst werden, die
eine transistorisch ischämische
Attacke auslösen können.
Im besten Fall.
Und im schlimmsten Fall einen Apoplex.
Leider gibt es hierfür keine validen
Inzidenzen, wie häufig neurologische
Probleme nach einer Fehlpunktion der
Arteria carotis communis auftreten.
Unabhängig davon, wie Björkander et al.
diese Komplikationen bewerten,
also ob es stark blutet oder nicht bei einer arteriellen Fehlpunktion, werden
seine Ergebnisse unterstützt durch eine
Publikation von Frau Maria Adrian
im BJA 2022 publiziert.
Ich finde diese Publikation klasse.
Warum?
Es sind über zwölftausend ZVK Anlagen
untersucht worden bei
ungefähr 8500 Patienten.
Also viele Patienten hatten eine
Mehrfachanlage
und die Gesamtrate an mechanischen
Komplikationen betrug 7,7%,
wobei die Rate an schweren Komplikationen
nur 0,4% war, also wieder
im Promillebereich.
Was macht diese Studie aus
meiner Sicht so besonders?
Der Grund ist ganz einfach.
Diese über 12000 ZVK Anlagen wurden alle
unter sonografischer Kontrolle platziert.
Gucken wir uns die Daten genauer an.
In neun Fällen von über 12000 Punkten kam
es zu einer schweren Blutung, die
definiert wurde als
massive Transfusion und durchaus
lebensbedrohlicher, hämodynamisch
instabiler Zustand.
In weiteren neun Patienten kam es zu
lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen,
die eine sofortigen
Intervention bedurften.
Welche schweren Komplikationen
wurden noch beobachtet?
Es geht den Pneumothorax in 17
Fällen von über 12.000 Anlagen.
Ich empfinde dieses Ergebnis als
gut, also ist niedrig.
Es gibt aber eine andere Zahl, wo bei mir
die Alarmglocken klingen, und zwar
in 15 Patienten wurde der ZVK in einer
Arterie platziert, 15 Patienten.
Und alles unter Ultraschallsicht.
Das heißt die Kontrolle, ob der Sedlinger
-Draht wirklich intravenös
lag, ist nicht erfolgt.
Sonografische
Kontrollmaßnahmen, die Lage zu
verifizieren des Drahtes, die intravenöse
Lage scheinen nicht gegriffen zu haben.
Was macht man also, wenn der ZVK
versehentlich in einer
Arterie platziert wurde?
Die Empfehlungen der ASA 2020 sind dort
relativ klar: vorstellung beim
Chirurgen, Gefäßchirurgen
oder Radiologen mit vaskulärer
Interventionsmöglichkeit und
vor allen Dingen Fähigkeit.
Packen wir also alles zusammen, dann ist
die Rate von 0,4% schwerer
Komplikationen in dieser Untersuchung
niedrig, doch die Einzelschicksale
sind absolut schwer.
Steigern wir das Schicksal des einzelnen
Patienten, der einzelnen Patientin.
Lars Dahlgard Hove, Anesthesiology 2007,
ein Anästhesist aus Schweden, hat die
Closed Claims Analyse durchgeführt, also
die Patienten untersucht, die gestorben
sind durch eine anästhesiologische
Prozedur von 1996 bis 2004.
Im 9-Jahreszeitraum gab es 24 Todesfälle.
20 davon wären vermutlich
vermeidbar gewesen.
Drei davon betrafen die ZVK Anlage.
Der erste Patient ist gestorben, weil
die Vena Subclavia verletzt worden ist.
Es erfolgte keine wirkliche
Kontrolle des ZVKs.
Der Hämatothorax wurde zu spät entdeckt
und der Patient ist am hypoxischen
Hirnschaden und hämodynamischen
Kreislaufstillstand gestorben.
Der zweite Patient ist gestorben, weil der
ZVK versehentlich in die Arteria
carotis communis platziert wurde.
Nachdem das bemerkt wurde, wurde der
entfernt und es wurde für zehn Minuten
komprimiert, was anscheinend
nicht ausgereicht hat.
Die Blutung ging ins Mediastinum.
Es wurde explorativ thorakotomiert
und letztlich ist der Patient im Multi
organversagen nach schwerem
hemoragischen Schock gestorben.
Der Tod des dritten Patienten wurde durch
ein Herz Kreislaufstillstand durch Hypoxie
verursacht und die Hypoxie entstand durch
ein riesen Hämatom
bei der Punktion der Vena jugularis
interna, bei einer INR von 2,0.
Wechseln wir das Land von
Schweden nach Großbritannien.
Alle Fälle, die dort vor Gericht gehen,
hat der ZVK glücklicherweise
einen niedrigen Anteil.
Also viel häufiger ist Awareness z.
B.
Zahnschäden.
Es sind nur 3 Prozent aller
anästhesiebezogenen Klagen.
Aber: sprechen wir über
Todesfälle in der Anästhesie,
dann ist die ZVK-Anlage in 14%
aller Todesfälle die Ursache dafür.
Diese Daten kommen von Cook
2011 in Anaesthesia publiziert.
Ich breche hier mit Studien
zu Komplikationsraten ab.
Bewerte für dich, ob
24 Todesfälle in Dänemark in neun Jahren
durch anästhesiologische
Prozeduren viel sind oder nicht.
Ob 15 arteriell platzierte ZVKs
von zwölftausend Anlagen
viel sind oder nicht.
Am Ende steht fest Die ZVK Anlage ist eine
invasive Maßnahme mit potenziell
lebensbedrohlichen Komplikationen.
Für mein Dafürhalten muss man alles, alles
dafür tun, die Rate zu
senken, zu minimieren.
Man muss sich weiterbilden,
man muss trainieren.
Und ich kann jetzt schon sagen, das ist ja
einer der der Gründe, das ist der Motor
, das ist der Schrittmacher
für Radiomegahertz.
Kommen wir zum nächsten
Abschnitt in diesem Podcast.
Die Metaanalysen.
Wir fangen an mit Andrienne Randolph 1996,
publiziert in Critical Care Medicine.
Das ist ein sehr früher Zeitpunkt.
Nur sechs Studien über die Vena jugularis
und zwei Studien über die Vena subclavia
konnten eingeschlossen werden.
Es gab einfach nicht mehr.
Und die Besonderheit ist, warum ich diese
Studie aufführe, dass dort zwei Studien
eingeschlossen worden sind, die keinen
Unterschied zeigen, ob man Ultraschall
oder die Landmarkentechnik für die
Vena jugularis ZVK-Anlage nimmt.
Die Autoren dieser beiden Publikationen
haben nämlich etwas anders gemacht als die
vier Studien, die sonst noch
eingeschlossen worden sind.
Die haben mit einem CW-Doppler, so ein
Dopplerstift, geguckt, wo ist die
Vene, wo ist die Arterie lokalisiert?
Ich versuche das Geräusch mal
nachzumachen, also Arterie im CW Doppler.
Klingt gut.
Gegenüber der Vene.
Ich habe versucht, auch die atem
abhängige Modulation darzustellen.
Das ist deswegen wichtig, weil alle
neueren Studien den CW-Doppler, den reinen
Audio-Doppler, so wie es in der
Publikation steht, ausschließen.
Also wir sprechen über 2D im B-Mode,
Realtime-Punktion.
Das ist der Goldstandard.
Das ist das, worauf
letztlich alles hinausläuft.
Darum die Erwähnung dieser Studie.
Jetzt muss man noch mal eben
einordnen, wann das war.
1996.
Die Maschinen sind nicht das,
was man heute gewohnt ist.
Natürlich verwenden wir Compound-Imaging.
Wir haben hohe Bildwiederholraten.
Wir haben hohe Frequenzen.
Wir sehen viel mehr Details
durch Speckle Reduction.
Die Autoren waren somit
Pioniere dieser Technik.
Das ist großartig.
Und dennoch muss man die Ergebnisse im
Kontext der damaligen Technik betrachten.
Eine weitere Studie aus der gleichen Zeit,
1997 von Slama, möchte ich erwähnen, weil
ein ähnlich altes Ultraschallgerät
verwendet wurde, aber in der Methodik
etwas angewandt wurde,
was aus meiner Sicht nicht korrekt ist und
wo wir heute wissen, das kann nicht
funktionieren, das Ergebnis muss
anders interpretiert werden.
Und ich erwähne diese Studie auch, weil
sie sich die nächsten 15 Jahre durch alle
Metaanalysen schummelt, bis sie
irgendwann ausgeschlossen wird.
Also 1997 von Slama et al.
aus Frankreich publiziert, im Journal of
Intensive Care Medicin,
es wurde die Vena jugularis punktiert,
Kontrollgruppe Landmarkentechnik
gegenüber Ultraschallgruppe.
Und herauskam, dass es keine
signifikanten Unterschiede gibt.
In beiden Gruppen kam es mit ungefähr 40
Patienten fünfmal zu einer Arteria carotis
communis Punktion.
Zwar war die Access-Time, die
Punktionszeit in der Ultraschallgruppe
kürzer, aber die Anzahl der Versuche
unterschieden sich nicht signifikant,
auch nicht die Anzahl der erfolgreichen
Punktionen beim ersten Einstich.
Das waren nämlich sehr junge Ärztinnen und
Ärzte, die mit der Prozedur der ZVK-Anlage
weder nach Landmarken Technik noch nach
Ultraschall-Technik versiert
oder erfahren waren.
Das versiert oder erfahren wurde in der
Methodik auch genau spezifiziert,
nämlich dass sie mindestens drei Versuche
nach der Landmarken Technik
an Erfahrung mitbrachten.
Das kann man andersherum
formulieren, nämlich gar keine.
Wir wissen, dass egal welche Technik,
Landmarken-Technik oder
Ultraschall, man muss beides üben.
Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen, ob
es 20, 50 oder 100 Interventionen sind,
bis etwas gut beherrscht wird,
bis die Fertigkeit erlangt ist.
Egal wie man es dreht,
in dieser Studie hätte mich
jedes andere Ergebnis gewundert.
Okay, ich habe ja gesagt, es geht jetzt
eigentlich die Metaanalysen, weil das eine
super Art ist, Übersicht über die Flut der
Publikationen zu behalten, weil sie
viele Publikationen zusammenfassen.
Sie könnten eine Evidenz über die
Gesamtheit der Studien zu einer
gezielten Fragestellung bieten.
Und das ist einfach klasse.
Es gibt noch einen zweiten Grund, warum
eine Metaanalyse aus meiner Sicht gut ist.
Vertraut man nur den einzelnen Studien,
könnte man einem Bias unterliegen, dem
Bias der selektiven Studienwahrnehmung.
Du könntest dir nur die Studien
heraussuchen, herauspicken, die
deinem medizinischen Bild entsprechen, wo
du glaubst, die unterstützen deine
Aussagen, was du machen möchtest.
Und du hast quasi eine Rechtfertigung,
andere Studien zu ignorieren,
die ein konträres Bild abgeben.
Es spricht also vieles
für eine Metaanalyse.
Man muss nur wissen, dass man den
Methodik Teil exakt lesen muss.
Denn die Autorin oder der Autor sollte
möglichst genau definieren, warum und
warum nicht er die folgenden
Studien eingeschlossen hat.
Denn das ist wichtig, das
Ergebnis zu interpretieren.
Das erklärt auch, warum drei Metaanalysen
zum gleichen Thema aber von drei
unterschiedlichen Autorinnen
unterschiedliche Ergebnisse zeigen können.
Wissenschaftlich betrachtet ist somit die
Metaanalyse eine klasse Art,
viele Studien zusammenzufassen.
Das Nadelöhr ist nach wie vor der
oder diejenige, der sie verfasst.
Um die Vielzahl der Studien übersichtlich
zusammenzufassen, gibt es eine grafische
Darstellung, die sehr, sehr
häufig verwendet wird.
Das ist der sogenannte Forest-Plot,
der Wald-Plot oder Baum-Plot.
Stell dir einfach den Buchstaben T vor,
ein großes T, was du einmal umdrehst.
Der senkrechte Balken ist der Stamm vom
Baum und der waagerechte Balken, der jetzt
unten liegt, ist der Boden,
also der Waldboden.
Nun brauchst du noch die Äste vom Baum.
Das sind die Studien.
Die unterschiedlichen Studien werden als
waagerechte Linien,
also parallel zum Boden bzw.
quer zum Stamm dargestellt.
Die Breite des Balkens ist häufig das
Konfidenzintervall, das 95%
Konfidenzintervall.
Und das Konfidenzintervall
gibt also die Unsicherheit an.
Ist der Ast kurz, also das
Konfidenzintervall klein, dann ist
die Unsicherheit auch klein.
Die Mitte des Konfidenzintervalls
wird mit einem Marker dargestellt.
Häufig ist das ein Quadrat.
Und dieses Quadrat, dieser Marker, gibt
mir Hinweise über den Informationsgehalt,
nämlich das Gewicht der Studie.
Ein großer fetter Marker sagt,
diese Studie wird besonders gewichtet
in dem gepoolten Wert, also die
Zusammenfassung aller Konfidenzintervalle.
Wenn ein Marker nun auf dem senkrechten
Strich vom T, vom umgedrehten T liegt, auf
dem Stamm vom Baum,
dann bedeutet das, dass Therapie A
oder Maßnahme A und Therapie B bzw.
Maßnahme B keinen Effekt
auf das untersuchte Merkmal haben.
Das ist so zu verstehen.
Der Balken, der Baumstamm, gibt nämlich
das relative Risiko an oder die Odds
Ratio, die Chancen-Wahrscheinlichkeit.
Und links und rechts vom Boden gibt es
jeweils ein negatives Risiko
für Maßnahme A oder Maßnahme B.
Eine absolut eindeutige Studie hat somit
eine hohe Gewichtung, gekennzeichnet durch
einen großen Marker,
ein kleines Konfidenzintervall
und schneidet nicht die RiskRatio, den
Stamm unseres Baumes auf der Linie,
sondern ist links oder
rechts vergesellschaftet.
Hat man nur Studien, die so sind,
dann ist das prima für ein Ergebnis.
Ist dann bloß kein Baumdiagramm mehr,
weil kein Ast mehr den Stamm berührt.
Ich verlinke in den Show Notes die
Cochrane Database Deutschland.
Dort gibt es tolle, tolle Informationen.
Außerdem zweikurze Videos auf YouTube
zu einem Forest-Plot und wie er aussieht.
Okay, springen wir von der ersten
Metaanalyse 1996 gleich nach 2002 bzw.
2003.
Die sogenannten NICE- Guidlines.
Nice steht für National Institute
for Health and Care Excellence.
2002 wurde empfohlen, in Großbritannien
alle ZVKs mindestens für die Vena
Jugularis aufgrund der Studienlage
in realtime-Ultraschall,
also B-Mode zu platzieren.
Die NICE-Guidlines wurden regelmäßig
aktualisiert, also 2002, 2010 und 2016.
Die
entsprechende Metaanalyse dazu ist im
Britisch Journal of Anaesthesia
publiziert von Hind 2003.
Und was ist das Ergebnis?
2D-Realtime ist die empfohlene Technik für
alle ZVKs, für die Vena jugularis Interna,
bei Erwachsenen und bei Kindern,
bei elektiven Eingriffen.
Der Grund, warum die Empfehlung so klar
für elektiv war, ist, dass es zu wenig
Studien gibt über die Verwendung
von Ultraschall im Notfall.
Dennoch haben sich die Autoren dafür
ausgesprochen,
Ultraschall, Realtime auch im Notfall
für alle ZVK-Anlagen zu verwenden.
Der Grund für diese Aussage ist einfach.
Es gibt schlicht zu wenig Studien über die
Vena subclavia Punktion oder
auch die Vena femoralis.
Nicht empfohlen wird der Audio
-Doppler, also dieser CW-Stift.
Genauso wenig wie das statische
Sonografieren, so beschreiben die das,
Static-Ultrasound, also vorher gucken,
dann Schallkopf weglegen und punktieren.
Das Stichwort ist Realtime-Punktion.
Punktion unter Sicht in
Echtzeit und alles darstellen.
Guckt man sich den Forest-Plot in dieser
Publikation von Hind 2003 an, dann taucht
da jemand auf, über den wir
schon gesprochen haben.
Dr.
Slama, die Studie von 1997.
Und zwar in dem Diagramm in dem Forest
-Plot mit der Frage Failed
Catheter Placements.
Du erinnerst dich, das war die Studie, wo
die Vena jugularis nach Landmarkentechnik
oder Ultraschall punktiert wurde
und die Anwender*innen eine niedrige
Erfahrung mit der ZVK-Anlage hatten.
Also vier bis zwölf Anlagen
steht im Methodik-Teil.
32
von 42 ZVK Anlagen in der Kontrollgruppe
waren beim ersten Versuch erfolgreich.
Die Autoren haben diskutiert, warum diese
Differenz von 10 in der Kontrollgruppe
gegenüber 100% in der Ultraschallgruppe
zustande kam.
Die Gründe waren eine Venentrombose, ein
Durchmesser in mehreren Patienten von 2
bis 5 Millimeter, untypische Lagen,
kurzum etwas, wo man hätte man vorher
sonografiert, überhaupt nicht punktiert.
Darüber hinaus ist die Randomisierung
in dieser Studie unklar.
Und bei der niedrigen Verteilung,
also kann es durchaus Zufall sein, dass
die Anzahl an Patienten mit einer Venen,
Thromose oder einem extrem kleinen
Durchmesser überproportional häufig in
der Landmarken Gruppe vertreten war.
Obwohl ich die Gesamtaussage der Studie,
der Meta Analyse von Hind natürlich
befürworte, ich bin ja pro Ultraschall,
hätte diese Studie nicht
eingeschlossen werden dürfen.
Lassen wir den Randomisierungsfehler mal
draußen vor, wäre die Studie gut, wenn man
einen Forest-Plot macht nach der Frage,
hilft Ultraschall absoluten
Anfängern besser zu punktieren?
Das wäre die ideale Studie dafür.
Machen wir einen
Zeitsprung: zehn Jahre weiter.
Shao-Yong Wu publiziert in
Anästhesiologie 2013 die nächste
Metaanalyse über ZVK -Anlagen:
Landmarkentechnik versus Ultraschall,
also ein hochkarätiges Journal
in unserem Fachgebiet.
Die Studie wurde damals im CME-Programm
aufgenommen und an alle verteilt,
um die Technik der Sonografie zu
publizieren, zu promoten, dass wir bitte
ZVKs mit Ultraschall legen sollen.
Jetzt gucke ich mir wieder einen Forest
-Plot in dieser Publikation
von Wu 2013 an.
Und wen finde ich?
Na, kannst du es dir denken?
Slama et al.
tauchen auf im Plot,
wo geguckt wird, wie häufig treten
arterielle Fehlpunktionen auf, also in
Landmarkentechnik häufiger oder
in der Ultraschalltechnik?
Kannst du dir vorstellen, wo der Marker
des Konfidenzintervalls von Slama et al.
in diesem Forest-Plot liegt?
Es ist nicht schwer, oder?
In beiden Gruppen trafen ja gleich
viel arterielle Punktionen auf.
Der Marker liegt genau auf dem Stamm.
Die RiskRatio ist genau bei eins, es ist
also Schiet-egal, laut dieser Studie, ob
du Ultraschall oder die Landmarkentechnik
nimmst, wenn du vermeiden möchtest,
die Arterie zu punktieren.
Du hörst, worauf ich hinaus will:
ist das Studienziel zu gucken, wie häufig
arterielle Punktionen
auftreten, in Landmarkentechnik und
Ultraschall,
muss sich alle anderen Confounder,
mögliche Störfaktoren, ausschließen.
Jemand, der mit dieser Technik so neu ist,
dass er wirklich überlegen muss, wie führe
ich die Kanüle, wie führe
ich den Seldinger-Draht ein,
wie funktioniert das überhaupt, wo eine
große Unsicherheit
ist, ist vermutlich nicht geeignet, diesen
Studienparameter exakt zu untersuchen.
Ausnahme, du möchtest exakt untersuchen,
ob wirkliche Neulinge, absolute
Beginner*innen mit der einen oder
mit der anderen Technik besser sind.
Wenn das so ist, dann muss man aber
überlegen, ob man diese Ergebnisse mit der
Fragestellung punktiert ein Anfänger, eine
Anfängerin mit Ultraschall besser oder
schlechter in eine Metaanalyse mit der
Frage, über die
Häufigkeit der arteriellen Punktionen
unter Ultraschall
überhaupt mit einschließt.
Bleiben wir noch bei diesem Forest
-Plot in der Metaanalyse von Wu 2013.
Wie gesagt, der Marker der Studie von
Slama nach der Frage
über die Häufigkeit von arteriellen
Punktionen liegt auf dem
Stamm: RiskRatio ist eins.
In diesem Diagramm gibt es zwei weitere
Studien, wo der Marker auf der rechten
Seite ist, also "fovours Landmark
Technique", das heißt
nimmst du nicht den Ultraschall,
punktierst du nach der Landmarken-Technik,
treten weniger arterielle Punktionen auf.
Da werde ich natürlich hellhörig,
weil Realtime-Ultraschall stellt doch
Vene und Arterie gleichzeitig dar.
Wie kann es da sein, dass ich durch Tasten
seltener die Arterie treffe
als mit Ultraschall?
Gucken wir uns diese beiden Studien an.
Die erste ist von Dr.
Grebenik, publiziert im Britischen
Journal of Anaesthesia 2004 (BJA).
Du erinnerst dich kurz, die NICE
-Guidelines 2002 und im BJA 2003 von Hind
publiziert, haben die Verwendung von
Ultraschall für die ZVK Anlage empfohlen.
Grebenik et al.
haben vollkommen korrekt auf die dünne
Datenlage hingewiesen
und wollten der Frage nachgehen,
ob die NICE Guidelines für die ZVK-Anlage
auch für Kinder gültig ist.
Ist die Evidenz-Base
überhaupt ausreichend?
Also ein durchaus provokanter Titel für
Verfasser oder Advokaten der NICE
-Guidelines, also die Pro-Ultraschaller.
Es geht also die Anlage
von ZVKs bei Kindern.
Einmal 65 und 59 Kinder zwischen ein, zwei
Tagen und sieben bis acht
Jahren wurden eingeschlossen.
Zu den Gruppen, die die
Punktion durchgeführt haben.
Das waren durchaus erfahrene Ärztinnen
und Ärzte, nämlich Pediatric Consultants.
Und die hatten, weil sie auch Cardio
.-Anästhesisten waren, eine
Menge Erfahrung mit ZVK-Anlagen.
Die wurden nun randomisiert eingeteilt
entweder Landmarkentechnik
oder Ultraschall.
Die Erfahrung mit der Ultraschall-Technik
war mindestens über fünf
Ultraschallpunktionen.
Punktiert wurde mit dem SideRide Version
3 der Firma Bard mit D geschrieben.
Ein für die bettseitige Intervention
produziertes System.
Es hat eine uralte Kathodenstrahlröhre,
einen Schallkopf, 3 bis 9 Megaherts.
Und die Besonderheit war, dass mit einer
Kanülenführung mit einem Nedle-Guide
punktiert wurde, und zwar mit
einem out-of-plane Needle-Guide.
Und das ist schon etwas Spezielles.
Das Gegenteil, die in-plane Kanülenführung
habe ich ja in einem
Blogbeitrag schon dargestellt.
Die Besonderheit ist, dass man, sobald man
auf diese Art punktiert, einen fixen
Komplex hat zwischen Schallkopf, N
eedle-Guide und Kanüle,
sobald die Kanüle im Patienten steckt.
Eine wichtige Technik, die Slide-Down
-Technik zur Gefäßfunktion ist mit einem
out-of-plane-Kanülenhalter einer
Kanülenführung nicht möglich.
Zusammengefasst sind das sehr erfahrene
Kolleg*innen, die dort punktieren, die
eine hohe Expertise haben
mit der Landmarkentechnik, die jetzt auf
eine neuere Technik wechseln,
womit sie keine Erfahrung haben.
Und diese Technik wird erschwert
durch eine fixe Kanülenführung.
Das Ergebnis der Studie von Grebenik et
al. 2004 über die hohe Anzahl arterieller
Fehlpunktionen in der Ultraschall-Gruppe
in Out-of-Plane mit Kanülenführung kann
ich mir nur durch eine quasi unmögliche
Umsetzung mit dieser Technik erklären.
Was bleibt unterm Strich?
Hätte Wu 2013 diese Analyse wie ich
vorgenommen, hätte er dann die
Metaanalyse anders durchgeführt?
Hätte er den Einschluss von Grebenik in
seinen Forest- Plot anders gewichtet?
Ja, man weiß es nicht.
Die zweite Studie in dem Forest-Plot von
Wu, die Metaanalyse, die 2013 in
Anesthesiology publiziert wurde,
ist von Frau Aouad.
Der Marker des Konfidenzintervalls ist auf
der rechten Seite unter Landmarkentechnik
passieren seltener arterielle
Fehlpunktionen, als wenn man die
Ultraschalltechnik verwenden würde.
Gucken wir uns die Studie an.
Frau Dr.
Aouad hat 2010 eine Untersuchung zur ZVK
-Anlage in die Vena femoralis
bei 48 Kindern, im Alter von
30 bis 40 Monaten untersucht.
Die Studie ist in
Anesthesia & Analgesia publiziert.
Den Link findest du im Blogbeitrag.
Was spricht für Ultraschall bei Kindern,
den ZVK mit Ultraschall in die
Vena femoralis zu platzieren?
Die Vorteile laut Studie sind die Zeit ist
signifikant kürzer, bis der Führungsgrad
erfolgreich platziert ist
gegenüber der Landmarkentechnik.
Die Gesamtdurchführungzeit
ist signifikant kürzer.
Die Rate erfolgreiche Punktionen beim
ersten Versuch sowie die Anzahl der
Punktionen ist signifikant reduziert.
Interessanterweise ist die Anzahl der
arteriellen Funktionen
höher, und zwar im Faktor 3 zu 1.
Das ist ein P Wert von 0,6.
Dementsprechend ist die Gewichtung in der
Metaanalyse von Wu für diese Studie
gering, das heißt ein kleinerer Marker.
Aber wie kommt es, eine dreimal so hohe
arterielle Fehlpunktion
unter Ultraschallsicht,
obwohl alle anderen Parameter
für Ultraschall sprechen.
Die Erklärung findet sich in
der Methodik von Frau Dr.
Aouad.
Und zwar die Durchführenden hatten
keinerlei Erfahrung mit
der Ultraschalltechnik.
Die Instruktion, die Einweisung, das
Lernen bestand aus drei Beobachtungen,
wie mit Ultraschall punktiert wird.
Mehr nicht.
Und das steht vollkommen im Kontrast
zu heutigen Ausbildungsprogrammen von
Kursen verschiedener Fachgesellschaften.
Und wieder kommt eine subjektive Bewertung
der Aussagekraft hinzu.
Ist das Studienergebnis
verwertbar oder nicht?
Müssen nicht beide Gruppen gleich
trainiert sein, einen Unterschied in einer
spezifischen Technik
untersuchen zu können?
Springen wir nach 2015.
Das Jahr, was, wenn man die Metaanalysen
über Ultraschall und ZVK betrachtet,
betiteln kann mit, "Dann kam Dr.
Brass".
Patrick Brass hat zwei systemische Reviews
in der Cochrane Database veröffentlicht.
Eine Analyse zur Landmarken gegenüber
Ultraschalltechnik
für die Vena jugularis Interna
und die zweite für Vena
Subclavia und Vena femoralis.
Hier ist das Interessante, dass die Studie
von Slama von 1997 ausgeschlossen wurde,
und zwar aus verschiedenen Gründen: es gab
kein Ethikkommissionsvotum
und weil die Durchführenden, also die
Einteilung der Durchführenden, nach
Interns oder Residents eingeteilt wurde.
Da sind wir wieder beim unterschiedlichen
Ausbildungsstand, wer
welche Technik verwendet.
Es verfälscht das Studienergebnis.
Ich fand das klasse, dass diese Studien im
Detail so genau angeguckt worden sind
und eine weitere Metaanalyse
durchgeführt wurde.
In der Cochrane Analyse von Dr.
Brass wurde natürlich geguckt
nach verschiedenen Outcomes, also die
Komplikationsrate, die
Gesamtkommplikationsrate,
die Success Rate, wie beim ersten
Einstich, wie viel Einstiche und so
weiter, die bekannten Untersuchungs
markern aus den vorherigen Studien.
Die Sonografie scheint einen positiven
Einfluss auf all diese Marker zu haben.
Jetzt denkst du wahrscheinlich, das ist
aber ganz schön vorsichtig formuliert,
scheint einen positiven Einfluss zu haben.
Das ist eine wissenschaftliche
Formulierung, denn es gibt in dieser
Publikation einen riesen Vorteil.
Und zwar wurde da nach dem
Quality Grade of Evidence geguckt.
Etwas genauer gesagt,
wie gut ist die Evidenz-Lage der Studien,
um die untersuchten Merkmale, die
untersuchten Ziele wirklich
belegen zu können?
Und jetzt kommt die Ernüchterung.
Die Evidenzqualität ist niedrig,
sehr niedrig und nur selten moderat.
Was heißt das nun?
Okay, gucken wir uns mal an,
was nehmen wir denn mal genau?
Häufigkeit arterielle
Fehlpunktion, Ultraschall oder
Landmarkentechnik,
der Quality Grade of Evidence für dieses
Merkmal ist "Low."
Low, niedrig, heißt in diesem Fall, dass
weitere Studien voraussichtlich
einen großen Einfluss auf die
Schätzung der Ergebnisse haben werden.
In die eine oder in die andere Richtung.
Das kann noch gar nicht
abschließend gesagt werden.
Gucken wir uns einen weiteren Parameter
an, und zwar den Parameter,
wenn du Ultraschall nimmst, wie hoch oder
wie wahrscheinlich ist es, dass du mit dem
ersten Einstich gleich
erfolgreich punktierst?
Der Quality Grade of Evidence für
diesen Parameter ist "Moderate".
Das bedeutet, dass weitere Studien zu
dieser Fragestellung einen wichtigen
Einfluss auf die
Schätzung, auf die Vorhersagbarkeit
nehmen werden und dass es
wahrscheinlich ist, dass sie das
Ergebnis beeinflussen werden.
Aber nicht in dem Maße
wie Studien, die eine
Fragestellung hinsichtlich eines Low
Quality Grades of Evidenz untersuchen.
Und wenn du jetzt denkst, das kann man
eigentlich nicht steigern, dann
sage ich dir doch, das geht noch.
Und zwar betrachten wir die Punktion der
Vena Subclavia und der Vena femoralis,
dann ist laut dieser Metaanalyse von Dr.
Brass der Evidenzgrad noch niedriger.
Es gibt nämlich weniger Studien.
Um es noch einmal genau zu betonen.
Ich finde diese beiden Metaanalysen der
Cochrane Database hervorragend,
weil sie nicht nur nach der Qualität der
Evidenz gucken, sondern jede Studie
nach einem möglichen Bias abklopfen.
Dazu zählen viele Sachen, von denen
du vermutlich schon gehört hast.
Wie wurde randomisiert?
Wie wurde verblendet?
Wer hat das Ergebnis erhoben?
Waren das die durchführenden Personen
selbst oder eine dritte neutrale Person?
Geh ruhig auf die Seiten der
Cochrane Database Deutschland.
Der Link ist in der Beschreibung
und schau dir das an.
Insgesamt eine tolle Sache.
Die Zeit bleibt ja aber nicht stehen.
Und natürlich war es 2015 auch nicht die
letzte Metaanalyse zu diesem Thema.
Als Beispiel ist die Metaanalyse von
Mateusz Zawadka in Critical
Care Medicine 2023 zu nehmen.
Und die Besonderheit an dieser Metaanalyse
ist, dass sie sich ausschließlich
der Vena Subclavia widmet.
Das waren ja die Daten, wenn du dich dran
erinnerst, die in der Cochrane
Analyse 2015 bislang gefehlt haben.
Also acht Jahre weiter,
es gibt mehr Studien.
Trotzdem bleibt die Datenlage für die Vena
Subclavia dünner gegenüber der
Punktion der Vena jugularis interna.
Und das bestätigt Zawadkas Datenlage: Vena
jugularis Interna gut,
Vena Subclavia nicht.
Was ist also sein Fazit
in seiner Untersuchung?
Nimm Ultraschall für die Vena Subclavia,
dann hast du eine höhere Rate an erster
erfolgreicher Punktion; du reduzierst die
Anzahl der Punktionen; du hast eine
kürzere Punktionszeit und das ist mir
besonders wichtig, niedrigere
Komplikationsraten.
Damit soll es über die
Metaanalysen genug sein.
Beschäftige dich mit der Darstellung des
Forest-Plots, gucke dir einige
Metaanalysen an und sei immer
kritisch, was publiziert wird.
Bevor ich zum Abspann vom Podcast mit
meiner persönlichen Meinung komme,
möchte ich einen wichtigen Unterschied zur
systematischen
Übersichtsarbeit, also die Metaanalyse, im
Vergleich zu einer narrativen
Übersichtsarbeit kommen.
Wie erwähnt, es ist kein
systematisches Review.
Die Aussagen, die dort getroffen
werden, sind "biased".
Autorinnen und Autoren zitieren
Studien, ihre Aussage zu belegen.
Das ist gut so und das ist
richtig, das muss man auch machen.
Aber es ist eben keine systematische
analytische Vorgehensweise,
eine Evidenz zu belegen.
Sollte man deswegen kein strukturiertes
Review, keine relative
Übersichtsarbeit mehr schreiben?
Nein, überhaupt nicht.
Es ist doch immens wichtig,
wenn sich Schreibende zusammentun,
eine Meinung
kundtun, wie sie ein Verfahren
umsetzen, lehren und einbringen wollen.
In diesem Fall die Sonografie
für die ZVK-Anlage.
Und das ist und muss
natürlich persönlich gefärbt sein.
Die Stärke ist aber, dies
auch klinisch gut zu belegen.
Das ist durchaus problematisch.
Das ist mir bewusst.
Du hast ja gehört, dass die systematischen
Metaanalysen daran kränkeln, dass
es zu wenig gute Studien gibt.
Also (a) die Anzahl und dann
einmal (b) die Studienqualität.
Und das mindert den den
Quality Grade of Evidence.
Der müsste höher sein.
Ein Beispiel Saugel et at., publiziert in
Critical Care 2017 mit dem Titel
Ultrasound Guided Central Venous Catheter
Placement, Structured Review and
Recommendations for Clinical Practice.
Warum bin ich über diese
Studie so gestolpert?
Na, als erstes bin ich bei
den Bildern hängengeblieben.
Die Spitze, die dort in der Vena jugularis
gezeigt hat, muss der Schaft sein, so
tief wie die Kanüle im Patienten steckt.
Das Farbdopplerfenster, die Region
of Interest, ist geschwenkt.
Die hat ein Steering, was in der
Querdarstellung überhaupt
keinen Sinn macht.
Zusätzlich wurde der
PW-Doppler eingesetzt.
Auch dort wurde eine Winkelkorrektur
- nochmals in der
Querdarstellung - angewendet.
Das heißt, wir haben ein Triplex, die Vene
und die Arteria unterscheiden
"können zu wollen".
Ja, so muss man das fast formulieren.
Natürlich hat die Arteria carotis communis
ein rotes Signal, die Vene ist blau.
Frage ich mich: wie geht das bei 90 Grad?
Also kurzum wirklich, wirklich
technische Kritik, wie so was von einer
renommierten Autoriengruppe
publiziert werden kann.
Eine weitere Empfehlung, also narrative
Übersichtsarbeit,
Ultrasound Guided Vascular
Access in Critical Ilness,
der Autor der vorher zitierten
Studie ist auch dabei, auch Dr.
Slama, publiziert wurde dieses Review
in Intensive Care Medicine 2019.
Darüber hinaus sind noch viele andere
bekannte Autoren dabei, die über
Ultraschall und ZVK-Anlagen diverse
Artikel und Studien verfasst
und publiziert haben.
Warum erzähle ich das so
ein bisschen frötzelnd?
Ich bin der Meinung, dass die Beschriftung
für die intraclaviculären Region
schlichtweg nicht stimmt.
Die Clavicula wurde als erste Rippe
bezeichnet, die Pleura ist in Wahrheit der
Schatten der zweiten Rippe
und die Pleura ist ganz woanders.
Das stimmt mich äußerst
äußerst nachdenklich.
Denn wie kann das bei einer
Mehrautorenschaft in dieser Form
durchgehen, zumal alle Autoren über diese
Technik bereits geschrieben
und publiziert haben?
Der Unterschied zwischen systematischer
Metaanalyse und narrativer
Übersichtsarbeit wird auch klar
in der Publikation von Dr.
Ricardo Franko Sadud
2019 publiziert, im Journal of
Hospital Medicine, United Staats.
Ich finde die Intention der
Autorenklasse, einen möglichst
praktischen Hinweis für Anästhesistinnen
und Anästhesisten zu bieten.
Deswegen fängt der Artikel an mit, dass
man sich am besten zuerst mit seiner
Ultraschallmaschine beschäftigt,
bevor man zum Patienten geht, im zweiten
Schritt auch Punktionsübungen macht und
dann erst die klinische
Umsetzung erfolgen sollte.
Vollkommen logisch und gut.
Eine systematische Metaanalyse würde
hingegen anfangen mit: das sind unsere
Auswahlkriterien, das ist unsere Methodik,
welche Studien wir hinsichtlich bestimmter
Fragestellung überhaupt eingeschlossen
und ausgeschlossen haben.
Es gibt aber auch gute Beispiele,
wie ich finde, zum Beispiel Dr.
Akiva Leibowitz aus Israel,
Intensive Care Medicine 2019.
Und wenn man dort einmal
schaut, dann nutzt Dr.
Leibowitz At at.
Das Potential der Sonografie aus.
Zum Beispiel der Seldinger-Draht wird bei
der Vena jugularis-Punktion in die
Brachiocephalica verfolgt
, es ist eine Abbildung, wie die TTE Sonde
den Draht in der Vena Cava darstellen
kann, und das ist insgesamt schon gut.
Überhaupt, dass die Vena brachiocephalica
erwähnt wird, dass es unterschiedliche
Sonden gibt und natürlich auch der
Hinweis, wie wichtig die
Drahtkontrolle vor der Dilatation ist.
Es gibt noch zig weitere Empfehlungen bzw.
narrative Übersichtsarbeiten,
die alle pro Ultraschall sind.
Die ASA, American Society of
Anesthesiologists, hat 2020 ihr
Update über Practice Guidelines für
Central Venous Access herausgebracht.
Die letzte Publikation war 2012 und
2020 jetzt die aktuelle Version.
Natürlich ist da eine akribische
Studiensichtung vorhanden.
Der Unterschied zu anderen reinen
Empfehlungen oder narrativen
Übersichtsarbeiten ist aber, dass sie in
diesem Fall nicht nur die objektive
Studienlage hinzugenommen haben, sondern
auch Expertenmeinungen hinzugenommen und
vor allen Dingen auch ein
offenes Forum, damit alle Ärzte ihre
Kommentare und ihre Wünsche und
Vorstellungen eingeben können.
Das ist somit zusätzlich zur
systematischen Analyse eine subjektive
Färbung und das entspricht
mehr oder weniger fast
allen Gesellschaften,
die pro Ultraschall sind, wohlwissend,
dass die Datenlage eben nicht
in niet- und nagelfest ist.
Warum lohnt es sich, diese
Empfehlung ASA 2020 zu lesen?
Aus verschiedenen Gründen: es ist eine
exzellente praktische
Hilfestellung, wie wir umgehen können.
Es geht über die Desinfektionstechnik, es
gibt ein Flowchart,
es gibt ein Protokollvorschlag, wie man
den ZVK protokollieren sollte, es gibt
Aussagen zur Pflege, es gibt Aussagen zum
Umgang bei Komplikationen, zum Beispiel
bei einer arteriellen Katheteranlage. Und
das Statement ist
klar: Realtime Ultraschall, wenn möglich
für jedes Gefäß
und es schließt die sonografische
Voruntersuchung,
die sonografische Gefäßdarstellung
vor Präparieren zur Punktion mit ein.
Die Aussage, dass Realtime Ultraschall,
wenn möglich für jeden ZVK verwendet
werden soll,
ist auch in den ESA Guidlines für
Ultraschall gestützte
Gefäßzugänge vorhanden.
Das ist publiziert unter
der Führung von Dr.
Lamperty at al.
2020 im European Journal
of Anaesthesiology.
Was ich an dieser Publikation gut finde,
dass dort eine Tabelle mit Learning-
und Training Objectives vorhanden ist.
Allgemeine und spezifische, also
ZVK spezifische Lernziele.
Ein Absatz, wie ausgebildet werden könnte
und natürlich auch eine Schritt für
Schritt Anleitung zur ZVK Anlage.
Da kann man drüber diskutieren, ob man
diese Meinung haben will, aber wichtig
sind diese praktischen Hinweise und die
Erkenntnis, wie wichtig das ist, diese
Technik, die Sonografie
erlernen zu müssen.
Und dieses Lernen, die Ausbildung, das
Training, das ist der gemeinsame Nenner
aller Empfehlungen und Guidelines,
die Technik voranzutreiben.
Die Datenlage zur ZVK-Anlage in die
Vena jugularis Interna ist gut.
So langsam schließen sich die
Lücken für andere Gefäße.
Das Beispiel hatte ich ja genannt, die
Vena Subclavia mit der
neuesten Metaanalyse.
Und im Vordergrund stehen unisono die
Verbreitung von sonoanatomischen
Kenntnissen und natürlich das Erlernen von
Fertig und Fähigkeiten zur
Kanülen- und Sondenführung.
Wissenschaftlich unklar ist, ob überhaupt
die Landmarkentechnik in diesem Maße
noch erlernt werden sollte.
Eine Guideline oder eine
Empfehlung aus Deutschland bzw.
der DACH-Länder habe ich nicht gefunden,
was es aber gibt, ist eine Publikation
von Professor Struck in Anästhesiologie
und Intensivmedizin publiziert,
in der viele Informationen
zur Gefäßpunktion bei erwachsenen
Notfallpatienten im Schockraum
gegeben werden.
Dieser Hinweis, wenn du eine
deutschsprachige Arbeit lesen möchtest.
Zurück zur Hauptaussage der
Hauptproblematik: es geht also die
Ausbildung, das Erlernen der Technik und
nicht die Frage, ob wir Sonografie für
die ZVK Anlage nehmen sollten oder nicht.
Die Empfehlungen
verschiedener Gesellschaften
sind eindeutig: Nimm
Ultraschall, wenn immer es geht.
Und wenn ich vielleicht ein bisschen
gestichelt habe, weil manche anatomische
Beschriftungen nicht richtig sind, weil
ich die Sondenhaltung für unglücklich
halte oder etwas anderes,
dann ist das doch nur ein Indikator dafür,
dass man das sonoanatomische
Wissen verbreiten muss.
Das Ziel, nochmals, ist es darum, eine
potentiell invasive Technik
sicherer zu machen.
Und darum geht es letztlich.
Wenn du auf Radiomegahertz die
Blogbeiträge verfolgt hast,
da geht es ja zum Beispiel die
Schichtdicke, die Punktionsgenauigkeit,
die Sondenhaltung.
Das sind alles Parameter, die in den
Studien, insbesondere den älteren
Studien, überhaupt nicht beachtet wurden.
Es kann nur nach vorne gehen.
Die Sonografie ist kein
Wunderwerk, kein Hexenzauber.
Jeder kann das lernen.
Der eine braucht etwas länger, die andere
schafft es sofort, dreidimensional
ein 2D-Bild zu interpretieren.
Und hiermit kommen wir auf die Grundlage,
die Motivation
vom Ultraschall-Sender Radiomegaherz:
die Ausbildung voranzutreiben.
Schön, dass du zugehört hast.
Mir raucht der Kopf vor diesen Studien.
Ich werde noch ganz gaga von diesen
unterschiedlichen Aussagen, wie
man was interpretieren muss.
Und ich muss mich erst mal zurücklehnen.
Der nächste Podcast wird wieder praktisch
über die nächste zentrale Vene.
Ciao.