FALLSTRICKE IN DER KOMMUNIKATION - Interview mit Heike Norda und Dr. Sandra Christiansen [S3E7]
12.11.2024 43 min
Zusammenfassung & Show Notes
Jürgen hat auf dem Schmerzkongress mit Heika Norda von Schmerzlos e. V. und mit Dr. Sandra Christiansen vom UKE in Hamburg über Fallstricke in der Kommunikation, über Selbsthilfegruppen und über die multimodale Schmerztherapie gesprochen.
Dieses Mal ohne Video, weil ich auf dem Schmerzkongress nur mit dem Audio-Equipment unterwegs gewesen bin.
In dieser Episode sprechen Sandra Christiansen, eine psychologische Psychotherapeutin, und Heike Norda, die Vorsitzende der Unabhängigen Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland Schmerzlos e. V., über die Herausforderungen in der Kommunikation zwischen Schmerzpatienten und Behandlern. Sie beleuchten, wie Missverständnisse entstehen und wie eine bessere Zusammenarbeit aussehen könnte – mit starkem Fokus auf die multimodale Schmerztherapie (siehe Folge 1 der Schmerzenssache).
Die Links zur Folge:
--- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- ✂️
🎸 Hier entlang zu Jürgens neuer Schmerz-Playlist bei Spotify: https://open.spotify.com/playlist/2RzJxJ8hVT9rzoYPrNCuGz?si=b9c5e227ace249ca
--- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- ✂️
⭐⭐⭐⭐⭐ – Bewertungen helfen mir und diesem Projekt, die Sichtbarkeit zu erhöhen und mehr Menschen in ähnlich herausfordernden Situationen zu erreichen. Nicht, weil ich glaube, dass ich ihnen helfen kann – aber zumindest möchte ich ihnen auf diesem Weg ein ganz, ganz herzliches „Ihr seid nicht allein“ über den Zaun werfen.
--- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- ✂️
📜 Das Schmerzmanifest, das nach wie vor in diesem Podcast gelten soll:
- Schmerzen sind kein Tabuthema.
- Jede und jeder hat das Recht auf den eigenen Schmerz. Vergleichen ist verboten. Wir alle gehen mit Schmerz subjektiv um, das muss respektiert werden.
- Ich präsentiere keine Lösungen, nur Erfahrungen und Impulse.
- Schmerz definiert mich nicht als Persönlichkeit.
--- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- --- ✂️
🛜 Abonnier die Schmerzenssache gerne bei Apple Podcasts oder Spotify. Du findest den Podcast auch bei Fyyd und allen gängigen Podcast-Plattformen. Ich freue mich außerdem über Feedback und euere Schmerzgeschichten per E-Mail an juergen@schmerz.fm – außerdem über die Webseite schmerz.fm.
Du kannst mir auch auf unserem Anrufbeantworter Feedback hinterlassen, deine Geschichte erzählen oder ein Thema vorschlagen – hier ist die Nummer: +49 9824 3010005 (Bitte bedenke aber: Ruf nur an, wenn du mit einer Veröffentlichung im Podcast einverstanden bist.)
Transkript
Hi, ich bin der Jürgen, das ist meine Schmerzenssache und ich freue mich, dass du zu Episode 7 in
der dritten Staffel eingeschalten hast.
Ich habe euch ja versprochen, dass ich ein bisschen Content liefern werde von dem Schmerzkongress,
auf dem ich war.
Eine ganz tolle Veranstaltung, der Jahreskongress der Deutschen Schmerzgesellschaft, großartiges
Panel, großartige Leute, großartige Veranstaltung, dass so viele Fachmenschen aus dem Medizinumfeld
zusammenfinden, um sich über das Thema Schmerzen und vor allem natürlich chronische Schmerzen
irgendwie auszutauschen, finde ich mega.
Und noch viel besser finde ich es, wenn sich diese, hauptsächlich Player aus dem Gesundheitswesen,
wenn die die Hand ausstrecken in Richtung von Menschen wie mir und sagen, hey, wir wollen
nicht nur das Untereinander diskutieren, wir wollen nicht nur darüber reden, was die Lehrmeinung
ist zum Thema Schmerzen und zum Thema Schmerztherapie, Schmerzbehandlung, sondern wir wollen auch
wirklich mit Leuten ins Gespräch kommen, die die andere Seite kennen, die unter Schmerzen
leiden, die unter chronischen Schmerzen leiden.
Und ich war da bei einem ganz, ganz schönen Expertenpanel auf der Bühne, da waren mehrere
Medfluencer oder Painfluencer, wie ich eigentlich lieber sage.
Da war es am Beginn der Wolf, die ihr vielleicht bei uns im Podcast auch schon mal gehört
habt in der ersten Staffel.
Da waren verschiedene Leute mit anderen Contentformaten aus unterschiedlichen Facetten des Themas
Schmerz irgendwie da.
Ein Redakteur von der Apotheken Umschau war mit dabei, fand ich auch ganz großartig.
Ich hoffe, dass ich da noch die Audio Dateien irgendwann bekomme, dass wir das auch noch,
dieses ganze Panel noch veröffentlichen können.
Also da ging es ganz, ganz viel darum, wie man Kommunikation rund um so sensible und
oft vermeintliche Tabuthemen gestalten kann.
Da geht es darum, warum das wichtig ist, so was sicht- und hörbar zu machen.
Da geht es darum, da ging es darum, warum Formate wie jetzt hier die Schmerzenssache,
auch wenn sie noch so klein sind, warum die wahnsinnig wertvoll sind und das ein richtiger
Schritt ist in eine Zukunft, wo medizinische Versorgung die Patientinnen und Patienten
vielleicht auch ein bisschen besser mit einbezieht.
Und das hat mir großen Spaß gemacht und das hat mich auch total motiviert, da jetzt irgendwie
dran zu bleiben, weiterzumachen, vielleicht auch mal mit dem einen oder anderen Content
Creator aus der Richtung noch mich zusammenzutun, mal zu gucken, was man da noch machen kann.
Ich bastle auch gerade an einer neuen Webseite.
Ich möchte, ja, ich habe noch so ein paar Ideen und das hat mich ganz, ganz toll motiviert,
da dabei zu sein.
Also vielen Dank nochmal für die Einladung.
Und dann hatte ich noch eine echt coole Gelegenheit, da noch ein bisschen mehr für mich auch rauszuziehen.
Also ich meine, ich hatte da keine Kosten.
Ich wurde eingeladen.
Ich hatte ein Hotel in Mannheim.
Ich konnte da übernachten.
Aber mir wurde das Ganze natürlich auch noch schmackhaft gemacht, indem der Kongresspräsident
mir angeboten hat, mir noch Kontakt zu einigen möglichen Interviewpartnern und Partnerinnen
irgendwie herzustellen.
Und das habe ich natürlich dankend angenommen, habe mir dann den Timetable von dieser Veranstaltung
hergenommen, habe einmal die Themen, das waren ja wahnsinnig viele Subthemen und wahnsinnig
viele verschiedene, naja, so Richtungen, um die es ging und waren auch, ich weiß nicht,
vier oder fünf parallele Tracks, so die meiste Zeit über mehrere Tage hinweg.
Also super viele Leute zu super vielen Themen.
Und da habe ich mir so ein paar dann rausgepickt, habe die in ein Hinterzimmer geladen und habe
sie zum Interview gebeten.
Und da werden jetzt dann einschließlich dieser Episode drei Interviews auf euch zukommen,
die ganz unterschiedliche Facetten behandeln.
Ich weiß gar nicht, ob ich schon alles spoilern will.
Ja, vielleicht ganz grob.
Jetzt heute geht es um das Thema Kommunikation, gerade ganz stark in Bezug auf zum Beispiel
eine multimodale Schmerztherapie, weil ich gerade zwei Menschen am Tisch hatte, die darüber
mehr erzählen konnten, dazu gleich mehr.
Die anderen Themen waren das Thema Opium und ob wir in Deutschland vielleicht auch auf
eine Opioid-Krise zusteuern, fand ich auch ein ganz, ganz spannendes und ein für mich
sehr, wie soll ich sagen, das hat mir sehr zu denken gegeben, das Gespräch.
Und das dritte Gespräch war mit zwei jungen Ärzten, die forschen im Bereich virtuelle
Realität in der Schmerztherapie.
Auch einige ganz, ganz spannende Untersuchungen, die die gerade durchführen.
Die haben schon einige interessante Meilensteine irgendwie schon erreicht.
Das ist auch ein ganz cooles Gespräch, das wir vielleicht, da hoffe ich, klopfe ich jetzt
auf Holz, hoffe ich ganz stark darauf, dass wir vielleicht bei irgendeiner Gelegenheit
noch fortsetzen, denn die beiden forschen hauptsächlich in Würzburg, was jetzt von
mir aus nicht so wahnsinnig weit ist.
Also da wäre es natürlich cool, wenn wir da noch einen Schritt weitergehen könnten.
Aber das jetzt erst mal hier in den nächsten Wochen bei mir auf dem Podcast-Kanal.
Dürft ihr euch über diese Gespräche freuen.
Mit dem ersten geht es jetzt gleich los.
Und jetzt noch ganz kurz mal einmal in mich rein gefühlt, meine Schmerzskala.
Ich bin heute auf eine, ja, es ist eine 4.
Ich glaube, es ist eine entspannte 4.
Ich bin tatsächlich seit zwei Wochen krankgeschrieben.
Ich habe noch fast schon drei Wochen, habe noch ein paar Tage vor mir, hat ausnahmsweise
mal nichts mit dem Rücken zu tun.
Ich bin einfach nicht gut darin, krank zu sein.
Es ist eine anstrengende Zeit.
Und heute ist tatsächlich der erste Tag, wo ich in den letzten Wochen sagen würde,
es ist schmerzmäßig jetzt irgendwie halbwegs okay gerade.
Die letzten Wochen waren sehr, sehr unangenehm.
Was aber tatsächlich ausnahmsweise mal nichts mit dem Rücken zu tun hat.
Wenigstens das war mal erfrischend, das vielleicht, um da das Positive an der Situation zu finden.
Okay, ja, so viel dazu.
Dann steigen wir jetzt in die Interviews ein.
Ich muss noch eins vorneweg sagen.
Der Klang ist leider nicht ganz optimal.
Wir hatten zwar ein Hinterzimmer weit ab vom Kongress Trubel, aber da war dann schon auch
ein bisschen Backstage-Verkehr.
Also sind immer mal wieder Leute mit irgendwelchen Rollwägen vorbeigescheppert und das war ein
wahnsinnig hoher Raum, also was im Konferenzraum mit wahnsinnig hohen Decken.
Deswegen halts ein bisschen.
Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, das so weit aufzubereiten, dass es okay klingt.
Aber es ist vielleicht jetzt nicht ganz die gewohnte Qualität.
Ich hoffe, ihr verzeiht mir das, denn das ist wirklich vom Thema her ist es super spannend,
super interessant.
Ich glaube, das lohnt sich auf jeden Fall, sich das anzutun.
Also legen wir los.
Ich habe mir zwei Gesprächspartnerinnen zum Interview gesucht, die einmal quasi die Patientin-Seite
vertreten und einmal die Ärztin- und Ärzteseite vertreten.
Und da hauptsächlich eben in Bezug auf den konkreten Fall einer multimodalen Schmerztherapie,
was ganz praktisch war, weil ich da natürlich auch ein bisschen mitreden konnte.
Da habe ich ja auch die eine oder andere Erfahrung.
Und die haben auf diesem Kongress einen Tisch angeboten, also im Prinzip ein interaktives
Format, eine Art Workshop, wo sie geladen haben, sich da einmal zusammenzusetzen und
darüber zu sprechen, hey, wie läuft Kommunikation in diesem konkreten Fall ab?
Was läuft da schief?
Was läuft da gut?
Was kann man besser machen?
Und was können wir daraus lernen?
Und wie müssen wir das in Zukunft vielleicht anders machen?
Ganz toller Austausch.
Zwei ganz nette Gesprächspartnerinnen und die dürfen sich jetzt auch gerade mal kurz
vorstellen.
Also mein Name ist Sandra Christiansen.
Ich bin psychologische Psychotherapeutin und in Hamburg im UKE tätig im Bereich Schmerzmedizin
und Schmerzpsychologie.
Einmal im ambulanten Sektor behandle ich chronische Schmerzpatienten mit einem Kassensitz, den
ich habe, oder einen Teilkassensitz und im Rahmen der PIA und des Weiteren aber noch
in der Tagesklinik.
Wir haben auch eine Schmerztagesklinik, da bin ich auch mit tätig und eben langjährig
mit Schmerzpatienten in der Behandlung dabei.
Ich werde an der Stelle vielleicht auch immer mal wieder kurz reinkrätschen, wenn es noch
was zu erklären gibt oder noch eine Hintergrundinformation.
Sie hat jetzt zwei Abkürzungen verwendet, die vielleicht ganz kurz erklärt.
Einmal das UKE, das ist das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und einmal PIA, das ist
die Psychiatrische Institutsambulanz und Polyklinik.
Und wo wir schon dabei sind, vielleicht muss ich auch noch mal das Thema multimodale Schmerztherapie
erklären.
Das hat vielleicht auch nicht jeder nachgehört hier im Podcast.
Eine multimodale Schmerztherapie ist im Prinzip der Versuch, Patienten mit chronischen Schmerzen
ganzheitlich zu behandeln.
In so einer Therapie geht es in der Regel um biologische, psychologische und soziale
Faktoren.
Also es wird sich im Idealfall, ihr könnt auch noch mal in den alten Folgen nachhören,
was das in meinem Fall konkret bedeutet hat, aber im Idealfall werden in so einer Therapie
einmal die biologische Seite abgeklärt.
Also hat dein Schmerz vielleicht tatsächlich eine biologische Ursache?
Was kann man biologisch an so einem Schmerz vielleicht verändern, zum Beispiel mit Sport?
Also biologisch, dann gibt es eine psychologische Komponente.
Also was passiert in deinem Kopf?
Wie gehst du mit der Schmerzverarbeitung um?
Und es ist keinesfalls, das ist ganz wichtig, keinesfalls die Frage, bildest du dir deinen
Schmerz vielleicht nur ein?
Da kommen wir dann auch gleich noch drauf, sondern das ist wirklich der Punkt.
Okay, du hast, du spürst Schmerz, du fühlst dich, du fühlst Schmerz.
Ja, egal, ob er sich biologisch nachweisen lässt oder nicht.
Und deswegen ist es wichtig, sich zu fragen, wie man damit umgeht.
Was macht das mit dir?
Wie kannst du den verarbeiten?
Wie kannst du den vielleicht besser verarbeiten?
Kannst du dich entspannen?
Was, ja, wie sieht es mit Arbeit aus?
Also ganz viele Fragen im Bereich Psychologie.
Und dann gibt es noch die soziale Komponente.
Also tatsächlich schauen sich diese Behandlerinnen und Behandler auch dein Umfeld an.
Ja, da gehört der Job, die Kollegen dazu, der Druck von außen, die Familie, dein familiäres
Umfeld.
Hast du, hast du Angst vom sozialen Absturz?
Vielleicht hast du Angst von der Berufsunfähigkeit?
Das sind auch so ganz wichtige Komponenten, die da irgendwie mit rein spielen.
Und das alles zusammen ergibt dann so, naja, das ist, man redet auch immer vom biopsychosozialen
Modell.
Und das ist im Prinzip auch die multimodale Therapie, die genau nach diesem Modell arbeitet.
Also man schaut sich möglichst viele multimodal, möglichst viele Modalitäten, möglichst viele
Fachrichtungen rund um den einzelnen Patienten, die einzelnen Patientinnen an, um dann da
hoffentlich eine, eine Besserung herbeizuführen, indem man an allen Stellschrauben, die zur
Verfügung stehen, entsprechend ein bisschen nachjustiert.
So, das war jetzt eine relativ ausführliche Erklärung.
Machen wir mal weiter mit der Vorstellung meiner zweiten Gesprächspartnerin.
Ja, mein Name ist Heike Norda.
Ich bin Vorsitzende der unabhängigen Patientenvereinigung Schmerzlose e.V.
Ich bin selber Schmerzpatientin seit ungefähr 40 Jahren und beschäftige mich seit, oder
ich habe 2004 eine eigene Selbsthilfegruppe gegründet, nachdem ich in einer Schmerzklinik
zufällig eine Selbsthilfegruppe besucht hatte und gemerkt habe, wie viel mir das bringt.
Und 2011 haben wir dann den Verein gegründet und seitdem werden die Aufgaben immer mehr,
aber wir kriegen auch immer mehr Zulauf und ich lerne immer mehr.
Euer gemeinsames Thema auf dem Kongress ist ja Fallstricke in der Kommunikation.
Was genau muss ich mir darunter vorstellen?
Was sind denn die Fallstricke?
Das dürft ihr gerne nacheinander aus den zwei Perspektiven beantworten.
Genau, wir haben ja zwei Aspekte, die wir da in den Fokus nehmen wollen.
Also einmal, wie die Behandler untereinander sprechen oder vielleicht auch, wie sie häufig
nicht sprechen oder sich nicht gut verstehen, weil sie unterschiedliche Ansätze haben oder
unterschiedliche Modelle, wie die chronischen Schmerzen entstanden sind.
Aber auch, wie diese Behandler, die unterschiedlichen in der Schmerztherapie mit den Patienten dann
kommunizieren und was dabei rüberkommt, was da oft schief geht.
Und ich habe den Eindruck, dass ich als Schmerzpsychologin da ganz oft so ein bisschen wie eine Mediatorin
tätig bin, irgendwie zu übersetzen, was hat der Arzt, die Ärztin denn eigentlich
gemeint und was ist jetzt da zu tun oder auch zu vermitteln dann zwischen Ärzten, Patientinnen
oder auch der Physiotherapie.
Und genau da zu gucken, wie kann man das verbessern insgesamt.
Ja und wir haben oft mit frustrierten Patienten zu tun, die entweder mit einem Arztbrief kommen,
den sie nicht verstehen und der auch nicht ausreichend besprochen wurde oder die von
einem Behandler Sätze gehört haben, wie sie sind austherapiert oder bedenken sie ihr
Alter oder solche Sachen, die dann durch so einen ganz kleinen Satz so dermaßen emotional
angegriffen sind und das lieber mit Mitbetroffenen besprechen als mit dem Behandler selber, sodass
der Behandler das eigentlich nie erfährt, dass er so einen vernichtenden Satz zu diesem
Patienten gesagt hat.
Du sprichst mir ziemlich aus der Seele.
Das sind Sätze, die kenne ich und Frust ist auch eigentlich genau mein Thema.
Also ich war auch schon in einer multimodalen Schmerztherapie und das war für mich tatsächlich
eine hauptsächlich frustrierende Erfahrung.
Ich stelle mir aber vor, dass es auch auf der Ärzteseite vielleicht gewisse Frustmomente
in solchen Situationen gibt.
Hast du da eine Anekdote vielleicht parat?
Sicherlich viele Anekdoten.
Also wir haben ja das Glück, dass wir in unserer Tagesklinik, aber auch in der Ambulanz wirklich
wöchentliche Schmerzkonferenzen haben.
Also ich glaube, das kommt so in der normalen Praxis eher nicht vor, also dass wir so häufig
uns austauschen, einmal mit den Schmerzmediziner aus der Klinik, aber auch mit einer Praxis
von extern, mit der wir sehr lange zusammenarbeiten.
Und daher kennen wir uns eben sehr gut und können dann auch eher vielleicht so schwierige
Situationen einschätzen, was ist da überhaupt passiert und das dann auch jeweils mit dem
Patienten nochmal durchgehen.
Also manchmal ist es so, dass dann zum Beispiel eine Ärztin sagt, also der Patient oder die
Patientin ist völlig unmotiviert und will überhaupt nichts verändern und ich weiß
nicht mehr weiter, was ich da machen soll, jetzt schon alles ausprobiert.
Und in meinem Gespräch wird eher deutlich, dass eben genau diese Verzweiflung oder diese
Hilflosigkeit der Ärztin dann auch beim Patienten angekommen ist und dann beide da ratlos sitzen
und sich da gegenseitig verstärken in diesem, ja wir wissen nicht weiter.
Und dass es manchmal eben gut ist, das auch auszusprechen, so jetzt sind wir irgendwie
beide an einem schwierigen Punkt und überlegen aber, was kann jetzt vielleicht nochmal ein
ganz neuer Idee dazukommen und da beide rausholen aus dieser Situation.
Okay, so mehr Offenheit, mehr Ehrlichkeit vielleicht auch, mehr Augenhöhe.
Ich stelle mir das super schwierig vor, weil es ist ja, ihr habt es ja schon angedeutet,
es ist ja ein Informationsungleichgewicht.
Ich als Patient bin Experte für meine Schmerzen, ich habe diese Informationen, aber ich verstehe
von der ganzen medizinischen, biologischen, psychologischen Seite reichlich wenig und
kann meistens auch Arztbriefe nicht 100 Prozent verstehen, kann Überweisungen nicht verstehen,
kann manchmal das Personal nicht verstehen, wenn es untereinander redet, wenn es mit mir
redet.
Jetzt hast du gerade schon gesagt, du bist manchmal da auch so die Vermittlerin oder
ich schätze mal Heike, das ist wahrscheinlich auch deine Funktion so ein bisschen, so zwischen
zwei Parteien, die aneinander vorbeireden manchmal, irgendwie zu vermitteln, zu dolmetschen.
Ist das schon die Lösung für das Problem?
Müssen wir einfach mehr solche Vermittler irgendwie schaffen oder wie kann man sich
dem, ich stelle mir das wahnsinnig schwierig vor, das irgendwie aufzulösen?
Also ich war überrascht, als du gesagt hast, deine multimodale Schmerztherapie war für
dich frustrierend.
Für mich war es genau das Gegenteil.
Ich habe mich dort zum ersten Mal von allen Behandlergruppen ernst genommen gefühlt.
Also Schmerz oder zumindest mein Schmerz ist ein Schmerz, den man nicht sieht und mir ist
schon oft passiert, früher, dass das nicht geglaubt wurde von Behandlern, zumindest das
Ausmaß nicht geglaubt wurde.
Ich habe CRPS, da ist das ja sowieso schwierig und ich habe zum ersten Mal in der Schmerzklinik
erlebt, dass mir alle geglaubt haben und ich bin zu der ersten Schmerzkonferenz, als es
um meinen Fall ging, eingeladen worden.
Das war für mich ein sehr interessantes Event sozusagen.
Ich hätte nie damit gerechnet und ich habe zuerst gedacht, naja, das wird dann so eine
Gerichtsverhandlung sein, in der dann nachher entschieden wird, ich habe selber Schuld an
meinen Schmerzen oder so etwas oder ich bilde mir das Ausmaß ein.
Dem war aber nicht so.
Man hat mir deutlich gemacht, man steht zusammen mit mir auf einer Seite und wir wollen versuchen,
etwas gemeinsam zu verändern.
Und hinzu kam, dass im Behandlungsraum oder in mehreren Behandlungsräumen ein Schild
hing, Schmerz ist das, was der Patient sagt.
Und das hing so, dass sowohl die Behandler als auch die Patienten das sehen konnten.
Das fand ich ganz toll.
Und dann ging es ja auch um so Sachen wie zum Beispiel sportliche Betätigung.
Und mir hat man bisher immer gesagt, CRPS betrifft ja eine Gliedmaße, schone dich.
Und in der Schmerzklinik habe ich zum ersten Mal gehört, dass ich mich aber bewegen soll.
Und dann war es aber nicht so, jetzt hast du hier deinen Sportplan und jetzt mach mal,
sondern man hat mich gefragt, Sie haben jetzt die Auswahl zwischen diesen drei Sportmöglichkeiten,
was würde Ihnen dann liegen?
Und damit hat man ja meine Motivation enorm gesteigert, denn dann ist es ja viel sicherer,
dass ich das auch zu Hause einbaue, als wenn ich jetzt da drei Wochen lang irgendeinen
mit Zähneknirschen irgendeinen Sport mache, den ich gar nicht mag.
Also für mich hat sich von der Motivation her und auch von dem ganzen Verständnis her
ganz, ganz viel verändert in diesen Wochen, in denen ich da war.
Und ganz viele Dinge haben zu Hause auch noch nachgearbeitet.
Ich habe ja gedacht früher, man kann den Schmerz wegmachen, wie auch immer, muss man
vielleicht ein besonders toller Arzt sein, aber irgendeiner schafft das, das wegzumachen.
Und dort habe ich erfahren, das geht nicht.
Und der Chefarzt hat zum Beispiel zu mir gesagt, ja, Sie müssen akzeptieren, dass Sie immer
Schmerzen haben werden, aber lassen Sie sich von den Schmerzen nicht unterkriegen, seien
Sie Ihr eigener Schmerzmanager.
Und an solchen Sätzen konnte ich mich auch zu Hause aufrichten.
Ja, also das klingt nach einer sehr positiven Erfahrung.
Ich kann dir gerne später noch erzählen, wie meine Erfahrung war.
Oder vielleicht, du hast ja sicherlich auch Erfahrungen gemacht mit Patienten, die man
vielleicht nicht erreicht.
Du hast gerade schon gesagt, die Veränderungsmotivation, glaube ich, war das Stichwort.
Wie muss ich mir das vorstellen?
Was sind da typische Situationen und wie geht man damit um?
Also mir fällt jetzt auch eine Schmerzkonferenz ein.
Also wir haben es ja auch, dass Patienten da eingeladen werden.
Und so im Verlauf der Jahre hat sich das zum Glück so ein bisschen verändert, wie dann
auch die Diskussionen da stattfinden.
Und vor einiger Zeit noch war es dann eher so, dass, ja, also diese Haltung der unterschiedlichen
Behandler dann oft doch sehr festgefahren waren und man gar nicht so auf einen Nenner
kam.
Und wenn vielleicht dann so im Raum stand, oh, da gibt es einen gewissen Krankheitsgewinn
oder der Patient will sich gar nicht verändern, weil er doch die Rente jetzt haben will.
Das ist natürlich dann schwierig, also da überhaupt dann, ja, Ziele zu finden.
Und es ist letztendlich bei uns aber auch so, dass wir das natürlich vorher genau rausfinden
wollen, was sind denn die Ziele?
Wo soll es hingehen und was ist auch realistisch?
Und das finde ich oft schwierig, wie kommt man da zusammen?
Weil einerseits soll natürlich ganz klar die Sicht der Patienten ja im Mittelpunkt stehen
und das auch ganz klar erfracht werden und berücksichtigt werden.
Wenn wir aber den Eindruck haben, da ist vielleicht gar keine Vorstellung, wie diese Veränderung
aussehen kann oder wie die Schmerzen oder dass sie überhaupt besser werden können,
braucht es ja auch an Information und an neuen Impulsen, damit überhaupt dann ein positives
Veränderungsziel entstehen kann.
Also das wäre dann auch zu früh zu sagen, ach ja, der will sich ja gar nicht verändern,
dann lassen wir alles und dann gibt es keine Therapie, sondern letztendlich geht es ja
darum, auch erst mal so die Gegebenheiten festzustellen und das zu vermitteln und dann
zu sehen, was ist da realistisch?
Und da habe ich den Eindruck, dass die Arztaussagen auch immens wichtig sind, also von den unterschiedlichen
Fachärzten, die hinzuzuziehen, dass ich als Psychologin da allein ja auch zu wenig wäre
in Anführungsstrichen, also dass wirklich die einzelnen Professionen ihren Teil dazu
beitragen müssen, damit dieses Schmerzkonzept auch Sinn hat.
Also sonst wird mir ja gar nicht geglaubt, wenn ich sage, ach ja, das ist schon alles
in Ordnung mit ihrem Rücken, sie können da mal ordentlich trainieren, sondern da sind
ja auch wichtige Fakten nötig, die erst mal zu sammeln und wirklich so aufzubereiten,
dass alle, also Patient und Physiotherapeut, Psychologe und Arzt dann sagen, so, das ist
eine Basis und damit können wir jetzt arbeiten und dann kann man ja auch aktive Ziele erst
umsetzen.
Ja, das ist ja auch so das Typische, jetzt außerhalb der Schmerztherapie entscheide
ich ja schon allein durch meine Arztwahl, welche Art mein Problem ist.
Gehe ich zu einem Ehrsportorthopäden, dann habe ich vermutlich ein orthopädisches Problem
oder ich werde orthopädisch behandelt, gehe ich zu einem Psychologen, dann werde ich vermutlich
eher psychologisch behandelt.
Also das finde ich immer so ein bisschen die Schwierigkeit auch im Gesundheitssystem.
Deswegen sind so Schmerztherapien ja spannend und an sich ja richtig, weil da alle zusammenkommen.
Wie definiert man da so ein Behandlungsziel?
Ich meine Schmerzfreiheit, haben wir gerade schon gehört, ist kein realistisches Behandlungsziel
wahrscheinlich.
Wie findet man da den gemeinsamen Nenner zwischen Patient und Ärzte-Team?
Ich kann ja mal sagen, wie es bei uns läuft.
Also wir geben schon so ein bisschen vor, was könnten so Bereiche sein.
Also gerade wenn jemand kommt und sagt, ja mir soll es besser gehen, aber ich weiß nicht
wie, ich bin da ratlos, kann man nicht sagen, oh ja, jetzt sollen wir aber irgendwie da
mal ein richtiges, vernünftiges Ziel finden, sondern wir berichten dann so ein bisschen,
was könnten so Lebensbereiche sein, in denen Veränderungen stattfinden können.
Wie sieht ein Chronifizierungsprozess aus?
Was sind da so typische Dinge, die sich ändern?
Also im Sinne von Ängste kommen auf oder Vermeidungsverhalten oder genau das Gegenteil.
Jemand macht immer zu viel und bricht dann zusammen mit Migräne sozusagen und nutzt
die Zeit, wo kein Schmerz da ist.
Und über solche Beispiele oder auch so Patientenmodelle ist es häufig möglich, dass dann jemand sagt,
ah ja, das kenne ich auch und so ähnlich ist es bei mir.
Oder andere Patienten, die dann in eine Gruppe zusammenkommen und so ein bisschen erzählen,
wie ihre Verläufe waren.
Also wie haben sie das vielleicht gelernt, jetzt mit dem Schmerzen besser umzugehen,
ist immens, also hilfreich.
Und darüber können sich ja dann die Ziele auch erst entwickeln, wenn überhaupt eine
Vorstellung besteht, was macht da Sinn und das dann so rauszuarbeiten mit der betreffenden
Person.
Kann man sich als Patientin, Patient da irgendwie darauf vorbereiten?
Also wenn ich jetzt so eine Therapie vielleicht, mein Arzt schlägt mir das vor oder ich habe
die schon irgendwie vereinbart.
Was wäre so für mich ein gutes Mindset, um da reinzugehen?
Wie kann ich mich da aktiv schon mal darauf einstellen?
Also eine Möglichkeit wäre ja, dass man mit Betroffenen spricht, zum Beispiel in einer
Selbsthilfegruppe.
Viele Menschen, die in einer Selbsthilfegruppe oder einige Menschen, die in einer Selbsthilfegruppe
sind, haben ja schon langjährige Erfahrung, haben vielleicht auch schon so eine Therapie
gemacht und andere stehen vielleicht am Anfang ihres Prozesses der Veränderung und des Annehmens
der Schmerzen.
Also wenn man, das ist etwas ganz anderes, wenn man mit Betroffenen auf Augenhöhe spricht,
als wenn man mit einem Behandler spricht.
Das ist komplett etwas anderes.
Und für mich war das wie so ein Knalleffekt in meinem Leben.
Also ab da habe ich selber meine Sachen in die Hand genommen und mich nicht mehr so abhängig
gemacht von Behandlern.
Und auch ich konnte besser akzeptieren, dass ich Schmerzpatientin bin.
Das ist großartig.
Also ich bin auch irgendwann an diesen Punkt gekommen, aber das war Jahre nach der Schmerztherapie.
Das ist spannend, das so zu hören, dass die Entwicklung eigentlich die gleiche ist.
Aber ich meine, manche sind vielleicht einfach langsamer oder brauchen einfach andere Reize,
um das zu verarbeiten.
Das ist total spannend.
Ich habe in der Beschreibung von eurem gemeinsamen Slot noch etwas vom Nocebo-Effekt gelesen.
Was ist der und wie wird der zum Problem?
Also der kann ja an vielen Stellen auftreten.
Ich will jetzt gar nicht sagen, dass jetzt immer nur die ärztlichen Kollegen Nocebo-Effekte
setzen.
Aber es kann schnell passieren durch Aussagen, aber auch durch Verhaltensweisen.
Also im Sinne von, wenn man eine negative Aussicht stellt.
Also wir hatten mal so einen in unserem Abschlussbericht oder bei den Ärztinnen war da so drin, die
Schmerzen werden nicht weggehen und das wurde dem Patienten vermittelt.
Und dieser Satz zum Beispiel ist ein klassischer Nocebo-Effekt, also in dem einfach nur betont
wird, ja die Schmerzen bleiben, Punkt.
Und nicht, dass es darum geht, die Schmerzen zu beeinflussen und dass jeder Schmerz beeinflussbar
ist, egal wie lange er vorliegt und in welcher Stärke und welche Art Schmerz das ist.
Und das ist ja dann eine ganz andere Herangehensweise, dass eine Möglichkeit besteht und erhöht
ja auch die Selbstwirksamkeit.
Und das versuchen wir natürlich an vielen Stellen so zu erarbeiten.
Und ich glaube, wenn ich das noch sagen darf, dass da auch manche Behandler Probleme haben,
wenn Betroffene sagen, ich gehe in eine Selbsthilfegruppe, dann entsteht in deren Kopf dieser Nocebo-Kreis.
Oh ja, die jammern da alle, die ziehen sich da gegenseitig runter und so weiter.
An der Stelle muss man aber vielleicht auch noch mal ganz kurz den Nocebo, das wird jetzt
dann schon klar, was das genau ist, aber vielleicht erkläre ich es einmal ganz kurz, die Definition.
Nocebo ist im Prinzip das Pendant zum Placebo.
Also beim Placebo kriegst du meistens ein Medikament oder eine Behandlung oder jemand
erklärt dir was und dadurch entfaltet sich eine Wirkung, die ist aber nicht nachweisbar,
die ist im Prinzip aus dir selbst heraus.
Man könnte böse sagen, man bildet sich die Wirkung ein, das würde ich aber nicht so
formulieren, denn die ist manchmal tatsächlich messbar oder oft sogar tatsächlich messbar.
Das ist ein sehr, sehr wirkungsvolles Instrument.
Wir können uns vielleicht darauf einigen, dass es eher eine psychologische Alternative
zur Medikation sein kann.
Und Nocebo ist genau das Gegenteil.
Also gleiches Setup, du bekommst irgendwas, sei es jetzt gesagt oder vielleicht sogar
ein Medikament, du gehst aber davon aus, dass dir das schadet, also dass sich daraus ein
negativer Effekt entwickelt.
Und das ist der Nocebo-Effekt.
Also Placebo, positiver Effekt, Nocebo, negativer Effekt.
Und wenn man in sich reinhört, erkennt vielleicht so Situationen, wo ein Arzt echt so ganz nebenbei
was sagt wie "Ja, da kann ich Ihnen nicht helfen" oder "Ja, nee, das werden Sie nie
mehr los" oder "Die Aussichten sind schlecht" oder also alles was irgendwie so ein destruktives
Urteil über eine chronische Krankheit oder über irgendwas ist.
Wenn dir ein Arzt, eine Vertrauensperson, jemand in den du deine Hoffnung legst, wenn
dir so jemand vielleicht manchmal ein bisschen unbedacht so einen Satz hinschiebt, dann kann
man das glaube ich sehr gut nachfühlen, wenn sich daraus so was Negatives entwickelt und
daraus ein Nocebo-Effekt entsteht.
>> DOREEN SIEGFRIED: Ich will nicht ausschließen, dass es selbst so viele Gruppen gibt, in denen
das so ist.
Ich sage jetzt mal ganz bösartig, in denen derjenige gekürt wird, der am meisten Schmerzen
hat und der am meisten darunter leidet.
Aber ich kenne ganz viele Selbsthilfegruppen, wo der Fokus auf etwas Positivem liegt.
Und damit ergänzt man ja quasi die Ziele, die man gemeinsam in so einer Schmerztherapie
erarbeitet hat.
Denn wir alle in der Selbsthilfegruppe möchten ja weiterkommen.
Wir möchten ja nicht auf diesen Punkt verharren "Oh, es geht mir schlecht", sondern wir möchten
ja weiterkommen.
Und deswegen haben wir auch gemeinsam Spaß.
Also in meiner Selbsthilfegruppe wird auch ganz viel gelacht.
Sollte man nicht meinen.
>> DOREEN SIEGFRIED: Kannst du das Thema, wenn wir jetzt schon gerade an dem Punkt sind,
das Thema Selbsthilfegruppe mal in wenigen Sätzen kurz zusammenfassen, erklären?
Da hatte ich bisher noch keine Berührungspunkte mit.
Finde ich aber spannend.
>> DOREEN SIEGFRIED: Also wenn ich jetzt ein Arzt wäre, würde ich sagen, die sitzen im
Stuhlkreis und jammern.
Stuhlkreis stimmt, jammern stimmt nicht.
Also man tauscht sich gemeinsam aus.
Und es ist aber nicht so, dass man sich gegenseitig sagt, du musst jetzt das und das machen oder
so, sondern man erzählt von sich selbst.
Und daraus können ja die anderen Rückschlüsse für ihr eigenes Leben ziehen.
Interessant finde ich, meine Selbsthilfegruppe besteht ja jetzt seit etwas über 20 Jahren.
Und wenn ein Neuer kommt, dann haben wir früher uns immer so vorgestellt, ja, ich heiße Heike,
ich habe die und die Erkrankung seit dann und dann.
Und ich habe schon das und das und das gegen meine Erkrankung gemacht.
Und dann haben manche Betroffene gesagt, die da neu waren, oh, muss ich mir das jetzt jedes
Mal anhören?
Nein, muss man nicht.
Man kennt sich ja nachher, wobei es natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass ein Neuer dazu
kommt.
Aber neuerdings, ohne dass wir darüber gesprochen haben, stellen sich die Leute in meiner Gruppe
so vor, ja, ich heiße Anni, ich habe zwar seit so und so vielen Jahren Schmerzen, aber
mir macht das so einen Spaß hier in der Gruppe.
Und dadurch komme ich so weiter, in dem ich auch wieder lachen kann und so weiter.
Also das ist einfach irre.
Also zusammengefasst, in einer Selbsthilfegruppe tauscht man sich aus.
Natürlich bekommt man auch Sachinformationen.
Gelegentlich laden wir Referenten ein oder wir unternehmen Ausflüge oder so etwas.
Aber es ist nicht jedes Mal so.
Also es ist nicht gedacht, einmal im Monat Selbsthilfegruppe und einmal im Monat steht
ein Referent da, sondern der Schwerpunkt ist der Austausch.
Okay.
Jetzt habe ich den Termin unglücklich gelegt, weil ihr hattet euren Thementisch noch nicht.
Aber vielleicht, wie ist eure Vorbereitung darauf?
Mit was für Gedanken geht ihr da später in die Diskussionsrunde?
Also ich freue mich auf die, ja, Meinungen der Teilnehmer.
Die sollen ja letztendlich da auch aktiviert werden und so ein bisschen berichten, wie
sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit erleben.
Und diese Spannbreite würde mich mal interessieren, inwieweit das so umgesetzt wird, wie eigentlich
ja so eine interdisziplinäre, multimodale Schmerztherapie aussehen soll.
Die ja überall postuliert wird, auch als wirksamstes Verfahren.
Hat das schon Einzug gehalten?
Wie läuft es ab?
Was sind die Erfahrungen?
Und auch, das werden ja dann auch die Fragen sein, wie kann man das verbessern und die
Patienten da möglichst frühzeitig mit einbeziehen.
Also eigentlich so die Erfahrung aus der Praxis, was ist aus diesem Modell geworden und existiert
es und wie wird das mit Leben gefüllt?
Und ich sehe meine Rolle als Betroffene so, dass ich da so ein bisschen den Finger in
die Wunde legen möchte, inwiefern werden die Betroffenen im Klinikalltag wirklich in
alle Prozesse, also in alle Besprechungsprozesse mit eingebunden.
Das heißt, bei Schmerzkonferenzen sollte jedes Mal meiner Meinung nach der Betroffene
dabei sein, um auch zu sehen, wie viel Gedanken sich die Behandler um einen Fall machen, dass
das eben nicht so ist, man schreibt da kurz mal was in die Akte oder so, sondern man setzt
sich intensiv mit dieser Person und mit den Problemen dieser Person auseinander.
Und ich möchte auch dafür werben, dass mehr Patientenvertretungen beziehungsweise Patientenorganisationen
eingebunden werden.
Denn wir haben mal, das ist natürlich keine wissenschaftliche Arbeit, aber wir haben mal
unsere, die Ziele einer Selbsthilfegruppe aufgeschrieben und haben festgestellt, das
sind eins zu eins die Ziele einer multimodalen Schmerztherapie.
Und wenn man gemeinsam arbeitet, glaube ich, bekommt man noch mehr Erfolg.
Also noch mehr Patienten, bei denen sich etwas verändert und die nachher sagen, okay, ich
habe Schmerzen, aber ich kann gut damit leben.
Ja, und das war ungefähr der Punkt im Gespräch mit Heike, wo mir gedämmert ist, warum es
bei mir damals in der Therapie, in der multimodalen Therapie nicht geklappt hat.
Das war kein "gemeinsam" in meinem Fall.
Da gab es keine gemeinsamen Zielvereinbarungen, keine gemeinsamen Schmerzkonferenzen.
Da gab es kein "gemeinsam".
Es gab nichts Gemeinsames.
Es gab ein "Hey, du hast ein psychologisches Problem und wir brauchen jetzt so lange, bis
wir es finden und dann bewegen wir uns noch ein bisschen."
Aber da war kein wirklich, es war nicht wirklich multimodal.
Es war nicht wirklich, wir gucken uns auch mal die biologischen Faktoren an.
Wir sprechen mal über deine Medikamente.
Wir vereinbaren gemeinsame Ziele.
Das gab es alles nicht.
Also, ja, bringt mich zu dem Schluss, vielleicht habe ich einfach nicht, vielleicht war das
nicht die richtige Therapie.
Vielleicht war die einfach auch schlecht.
Gibt es ja womöglich auch.
Also, ich meine, vielleicht hat es auch einen Grund, warum es diese Einrichtungen in der
Form heute nicht mehr gibt.
Gibt mir auf jeden Fall ein bisschen was zum Nachdenken.
Und mir hätte es geholfen, wenn ich hätte, also ich habe ja schon seit fast 40 Jahren
Schmerzen, wenn ich am Anfang, als ich sehr verzweifelt war, mal mit einem Patienten hätte
sprechen können, der das schon viele Jahre hat und der damit aber einen, der sagt, mein
Glas Wasser ist halb voll und ich halb leer.
Ja, das ist großartig, weil das ist die Erfahrung, die ich mit diesem Podcast auch ab und zu
mache, dass das jemand auf mich zukommt und sagt, hey, du bist für mich diese Person
und das macht mir, also das motiviert mich ungemein, diesen Podcast irgendwie zu machen.
Jetzt habt ihr mir ganz viel von dem, was ich hier noch stehen habe, eigentlich auch
schon von der weg genommen.
Ich höre ein bisschen raus, naja, es ist ganz viel Problem in der Kommunikation oder
in der Vermittlung, dass sich die beiden Seiten nicht hundertprozentig verstehen, dass die
manchmal auch nicht verstehen, was steckt noch dahinter.
Man trifft sich ja immer nur in einer bestimmten Situation und da kann man immer nicht den
ganzen Kontext erfassen.
Also vielleicht spricht jetzt der Marketer aus mir, aber vielleicht ist es einfach auch
nur ein Marketing-Problem so auf beiden Seiten.
Ich kann nur sagen, dass ja viele Patienten gar nicht erst zur Schmerzpsychologie von
sich aus im ersten Schritt gehen würden oder auch gar nicht gehen und dass eben viele Patienten
schon langjährig bei den Schmerzmedizinern in Behandlung sind und ja, erstmal auf die
Idee gebracht werden müssen, ganz zaghaft, vielleicht sogar manchmal überredet oder
gesagt werden, ach, probieren Sie es mal aus, erstmal mit Entspannung vielleicht.
Also manchmal muss es wirklich schmackhaft gemacht werden oder einfach vorkommen in der
multimodalen Therapie, dass einfach die Schmerzpsychologie auch dabei ist.
Und wenn sich dann so langsam rauskristallisiert, ach, ich werde ja nicht hier abgestempelt,
dass ich hier irgendwie ein psychisches Problem habe und deswegen die Schmerzen, dann ist
auch der Zugang ein ganz anderer.
Und das ist ja auch das Problem, finde ich, wie häufig Schmerze unterschieden wurde.
Früher ja eher noch mehr, ist es psychisch oder somatisch, was ja Quatsch ist bei chronischen
Schmerzen, weil es ja immer so ist, dass ein chronischer Schmerz das gesamte Leben verändert
und dadurch psychische Faktoren ins Spiel kommen.
In welcher Ausprägung ist unterschiedlich, aber zu sagen, es ist nur ein Vitamin-C-Mangel
wird sicherlich nicht der Fall sein.
Und deswegen glaube ich, ist immer noch wichtig zu vermitteln, also wenn die Schmerzpsychotherapie
dazukommt, heißt es nicht, da ist irgendjemand jetzt psychisch krank oder hat besondere Probleme,
sondern letztendlich sollte es immer ein Bestandteil sein, weil es eine Möglichkeit ist, die Verbesserung
noch mehr auszuweiten und eben alle Aspekte im Blick zu haben.
Und es soll ja auch eine Unterstützung sein und kein Stigma, oh, ich muss jetzt auch noch
zum Psychologen und jetzt habe ich ja doch genug andere Termine schon bei der Schmerzbewältigung.
Ja gut, so wirkt es oft auf Menschen.
Und ich finde es auch ganz spannend, an diesem Punkt das zu akzeptieren, dass eben der Schmerz
nicht mehr weggeht und dass mir keine Therapie diesen Schmerz einfach nimmt, sondern dass
eine Therapie auch dazu da ist, mir einfach den Umgang damit besser beizubringen.
Das ist schon ein wichtiger Meilenstein, der aber gar nicht, also es redet sich so leicht,
wenn man das mal irgendwie verstanden hat.
Aber ich kann mich noch erinnern, als ich den noch nicht erreicht hatte, dass ich da
ganz, ganz heftig gestrauchelt habe an dieser Stelle.
Ich glaube, man muss einfach mehr Informationen bereitstellen, wie auch immer.
Ich kann jetzt nicht sagen, die Information muss übers Internet kommen oder muss über
die Lokalzeitung kommen oder so, sondern aber insgesamt glaube ich, muss noch mehr Information
in die Bevölkerung, damit wenn so ein Fall eintritt, dass man chronische Schmerzen bekommt,
damit man schon eine kleine Vorstellung hat, dass chronischer Schmerz ja biopsiche und
soziale Anteile hat und nicht nur biologische Anteile.
Ich war früher in Behandlung bei meinem Hausarzt, also bevor ich in die Schmerzklinik kam und
er hat dann mal irgendwann zu mir gesagt, ja, gehen Sie mal zum Psychologen.
Und dann habe ich gedacht, naja, also ich habe doch keinen an der Klatsche.
Und er hat mir nicht vermitteln können oder es hat mich zumindest nicht erreicht, dass
der chronische Schmerz ja eben diese verschiedenen Anteile hat.
Ich habe so ein bisschen gedacht, der will mich jetzt abschieben.
Ja, so ein bisschen so ein Gespräch hatte ich beim Orthopäden zuletzt.
Ich habe gesagt, ich kann Ihnen nicht mehr helfen, ich schicke Sie jetzt mal zum Psychologen
und hat mir eine Überweisung mitgegeben, ohne das weiter zu erklären.
Also das passiert.
Damit hat er ja schon den Nocebo-Effekt gesetzt.
Es ist eh nichts zu machen, dann gehen Sie mal dahin.
Und damit ist natürlich schon mal eine negative Erwartung gesetzt worden, die vielleicht dann
auch den Verlauf mitbestimmt hat.
Und deswegen denke ich, wenn der Arzt dann gesagt hätte, ja, es gibt ganz viele Behandlungsmöglichkeiten
und es gibt A, B, C und Schmerzpsychologie ist immer dabei und ergänzt das, was wir
hier machen, dann wäre es eine ganz andere Geschichte gewesen, als jetzt so austherapiert
dann da auf die Couch zu müssen sozusagen.
Und das war es dann.
Genau, also der Appell in Richtung Behandler wäre dann so ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl,
ein bisschen mehr Kontext und der Appell in Richtung Patientinnen und Patienten vielleicht
so ein bisschen mehr Offenheit auch für den Rat der Ärzte, vielleicht auch mal nachfragen.
Was steckt denn dahinter?
Ist das wirklich jetzt die beste Möglichkeit?
Warum ist das so?
Das kann vielleicht auch helfen.
Finde ich ein fantastisches Schlusswort, Heike, Sandra.
Vielen, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt.
Es hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Gerne.
Vielen Dank.
Also an der Stelle nochmal vielen, vielen Dank Heike, vielen, vielen Dank Sandra, dass
ihr euch die Zeit genommen habt, dass ihr mir wirklich ein paar Dinge mitgegeben habt,
über die ich jetzt nachdenken werde.
Also mir war tatsächlich die Sache mit dem Nocebo-Effekt vorher nicht so klar, dass das
so ein Ding ist, wo man auch wirklich aufpassen muss.
Ich könnte mir vorstellen, dass man dem schon entgegenwirken kann, wenn man den Effekt kennt,
wie beim Placebo ja vielleicht auch, wenn man zu stark davon ausgeht, dass es eh nur
ein Placebo ist, dann wirkt es wahrscheinlich schlechter.
Ich könnte mir vorstellen, dass das andersrum gedreht im Positiven auch bei Nocebo-Effekt
hilft.
Das ist etwas, was ich auf jeden Fall mitnehme.
Ich nehme mir auf jeden Fall mit.
Ja, vielleicht muss ich, ich muss schon auch zugeben, dass ich relativ hart mit der multimodalen
Schmerztherapie an sich in die Kritik gehe.
Vielleicht muss ich mir da nochmal ein paar Gedanken machen und nochmal checken für mich,
ob es nicht woanders eine gibt, die besser passt.
Also anderen empfehle ich das immer, dass das ein gutes Vorgehen ist.
Ich habe Leute auch in der Schmerztherapie, in der ich war, getroffen, denen dieser Ansatz
genau so auf diese Weise optimal geholfen hat.
Das war nur nicht für mich das richtige Modell und das war nicht für mich der richtige
Ansatz.
Und ich fühlte mich da nicht abgeholt und nicht mitgenommen und nicht auf Augenhöhe
mit einbezogen.
Und andere brauchen das vielleicht nicht, aber ich hätte das gebraucht.
Also check, da gebe ich mir nochmal die Hausaufgabe mit, da nochmal vielleicht drüber nachzudenken.
Und überhaupt das Thema Kommunikation, ich meine, das ist ja mein Steckenpferd.
Das ist ja, genau das mache ich ja mit diesem Podcast.
Ich rede mit euch, auch wenn es ein Ping-Pong-Dialog ist und kein direkter.
Oft ist es auch einfach nur ein Monolog, was auch vollkommen okay ist.
Aber ich hoffe, ihr habt trotzdem das Gefühl, dass da jemand da ist, der mit euch redet
und vielleicht hilft das schon auch so ein Stück weit.
Es ersetzt natürlich keine psychologische Betreuung und keine Therapie.
Den Anspruch will ich überhaupt nicht erheben.
Aber es könnte natürlich in der Richtung so ein bisschen begünstigend auch wirken
und das wäre meine Hoffnung.
Also das nehme ich mir auf jeden Fall aus dem Gespräch auch mit.
Und ja, ich muss auch ganz ehrlich sagen, ich bin nach Hause gekommen aus Mannheim von
dem Kongress und das Erste, was ich gemacht habe, ist, ich habe mir einen Mitgliedsantrag
runtergeladen vom Schmerzlose e.V. und den ausgeführt und abgeschickt.
Also ich bin jetzt Mitglied in diesem Verein und muss mich auch noch checken, ob die irgendwie
von so einem Mini-Podcast wie mir vielleicht auch in Sachen Kommunikation noch irgendwie
Unterstützung brauchen können.
Würde mich natürlich freuen, also da auch irgendwie einen aktiveren Part zu haben.
Ich habe schon geguckt, es gibt keine lokale Gruppe in Nürnberg.
Das würde ich mir jetzt auch nicht zutrauen, eine aus dem Boden zu stampfen.
Aber ich könnte mir schon gut vorstellen, da auch irgendwie ein aktiveres Mitglied
zu werden und da auch irgendwie was beizutragen.
Also vielen, vielen Dank, Sandra.
Vielen, vielen Dank, Heike.
Vielen, vielen Dank an euch, dass ihr da bis zum Ende da geblieben seid.
Ich fand, das war ein sehr, sehr spannendes Thema und ich hoffe, wir hören uns dann, wenn
wir beim nächsten Gespräch über das Thema Opium und Opioide sprechen, was auch, ich
würde nicht sagen, es ist ein Herzensthema, vielleicht eher so ein Leberthema oder Niere
oder was, welches Organ ist nochmal für so diese Medikamente und Giftstoffe verantwortlich?
Egal.
Dann packe ich euch jetzt noch einen Song auf die Playlist und zwar, jetzt haben wir
so viel über Placebo und Nocebo geredet.
Es ist ein Song von Placebo, Every You and Every Me.
Hat überhaupt keinen Schmerzbezug, glaube ich.
Ich kenne den Text tatsächlich nicht genau, aber ist ein Song, ist ein Feelgood-Song
aus meiner Jugend.
War genau die Musik, die ich damals gehört habe.
Toller Song, finde ich sehr gut.
Hört euch den mal an.
Und dann bleibt mir nur noch zu sagen, schmerzliche Grüße und wir hören uns dann hoffentlich
bald wieder.