Jürgen schreibt: Der Schmerz an meiner Tür [S2E11]
28.04.2024 10 min
Zusammenfassung & Show Notes
Jürgen probiert mal ein neues Format aus – eine Art Schmerzgedicht. Oder ein Medical Slam. Oder ein geschriebener Text, selbst vorgelesen und mit Musik (von Suno AI) unterlegt. Vielleicht braucht es gar keine Headline dafür ... aber es braucht euer Feedback!
Jürgen probiert mal ein neues Format aus – eine Art Schmerzgedicht. Oder ein Medical Slam. Oder ein geschriebener Text, selbst vorgelesen und mit Musik (von Suno AI) unterlegt. Schreibt ihm gerne, was ihr davon haltet und ob ihr mehr in dieser Richtung hören wollt: juergen@schmerz.fm.
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🎸 Hier entlang zu Jürgens neuer Schmerz-Playlist bei Spotify: https://open.spotify.com/playlist/2RzJxJ8hVT9rzoYPrNCuGz?si=b9c5e227ace249ca
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⭐⭐⭐⭐⭐ – Bewertungen helfen mir und diesem Projekt, die Sichtbarkeit zu erhöhen und mehr Menschen in ähnlich herausfordernden Situationen zu erreichen. Nicht, weil ich glaube, dass ich ihnen helfen kann – aber zumindest möchte ich ihnen auf diesem Weg ein ganz, ganz herzliches „Ihr seid nicht allein“ über den Zaun werfen.
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📜 Das Schmerzmanifest, das nach wie vor in diesem Podcast gelten soll:
- Schmerzen sind kein Tabuthema.
- Jede und jeder hat das Recht auf den eigenen Schmerz. Vergleichen ist verboten. Wir alle gehen mit Schmerz subjektiv um, das muss respektiert werden.
- Ich präsentiere keine Lösungen, nur Erfahrungen und Impulse.
- Schmerz definiert mich nicht als Persönlichkeit.
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Transkript
[Musik]
[Musik]
Hey zusammen, schön, dass ihr wieder zuhört. Es ist natürlich wie immer viel zu lange her seit der
letzten Episode und das tut mir auch ganz so leid. Aber manchmal habe ich einfach so Phasen,
in denen ich so ein bisschen ins Strudeln gerate, mich Dinge frage und irgendwie nicht so richtig
weiter weiß und wo ich einfach eine Weile brauche, um wieder ein bisschen klarer zu sehen.
Und na ja, gerade ist so eine Phase, ich würde jetzt auch nicht behaupten, dass ich schon durch bin.
Das könnte tatsächlich noch ein bisschen dauern. Aber in dieser Phase ist jetzt auch was entstanden,
ein Gedanke, eine Idee und die würde ich eigentlich ganz gerne mal mit euch teilen und möchte mal
wissen, also da wären wir wirklich sehr an eurem Feedback gelegen. Ich habe mich tatsächlich mal
hingesetzt und habe einen Text geschrieben, so ein bisschen, na ja, die Idee war so ein bisschen
Poetry Slam-mäßig, so ein Text zu schreiben über mich, über mein Leben als Schmerzpatient,
über den Schmerz. Na gut, soweit, wie ich jetzt gar nicht gehen, ist ein relativ kurzer Text. Ohne,
dass ich jetzt genau wusste, wo der vielleicht mal reinpassen könnte oder ob ich den überhaupt
irgendwie mal veröffentlichen möchte. Aber ich habe ihn jetzt gerade nochmal aufgerufen,
habe ihn mir nochmal durchgelesen, habe noch ein bisschen dran rumgekritzt und dann habe
ich mir gedacht, hey, wenn ich den Text schreibe, klingt er eigentlich auch in meinem Kopf. Also
ich lese mir den beim Schreiben dann selber vor und das klingt eigentlich ganz gut und ich
würde das gerne mal ausprobieren, einen solchen Text einfach einzusprechen und euch jetzt hier mal
in Form einer Podcast-Episode einen solchen Text zu präsentieren und dann dürft ihr mir sagen,
hey Jürgen, ist das was, was funktioniert, bei dem ihr andocken könnt, was euch, was euch gefällt,
was ich vielleicht öfter machen sollte oder gerne auch, also seid wirklich total ehrlich,
gerne euch auch, wenn euch das irritiert oder stört oder wenn ihr einfach nur Podcast-Episoden
haben wollt, wo ich darüber rede, wie es mir geht gerade, dann schreibt mir das auch gerne oder
sprecht es mir auf den Anrufbeantworter, die Links dazu findet ihr natürlich in den Shownauts.
Und ja, ich lese den jetzt einfach mal vor und dann dürft ihr entscheiden und man muss vielleicht
einen kleinen Hinweis noch vorweg, da ist natürlich jetzt so geschrieben für Leute,
die mich noch nicht kennen. Also vielleicht müsst ihr am einen mal kurz euch gedanklich
darauf einstellen, vergesst wer dieser Typ am Mikrofon ist, tut so, als würde ihr ihn gerade
zum ersten Mal hören. Der Text heißt "Der Schmerz an meiner Tür". Hi, ich bin Jürgen,
ich bin chronischer Schmerzpatient und ich falle hin und wieder mit der Tür ins Haus. Das ist aber
nicht der Grund, warum ich Schmerzpatient bin. Das liegt vielleicht an meinem Motorradunfall vor
mehr als 25 Jahren oder an schlechten Gehen. Ist auch egal, da wollte ich jetzt eigentlich gar nicht hin.
Moment. Was ich da tue? Na, ich rabe nämlich auf und klopfe mit den Dreck von den Klamotten.
Ich bin ja schließlich gerade mit einer Tür in euer Haus gefallen. Das mag jetzt komisch wirken.
Da quatscht euch so ein Typ ins Ohr und behauptet er leidet unter Schmerzen und dann reißt er
dumme Witze. Ihr merkt vielleicht, ich habe eine merkwürdige Beziehung zu meinem Schmerz. Nicht auf
die ich gebe ihm Kose namen und omme ihn dann weg, adonweise. Er so, dass er gleichzeitig mein
Motor und mein Übergepäck ist. Gleichzeitig mein zentner schwerer Rucksack und meine Triebfeder.
Vor Jahren habe ich schon festgestellt und glaubt mir, das war eine sehr schmerzhafte Erfahrung.
Ich habe festgestellt, dass ich mit meinem Schmerz untrennbar verbunden bin. Wahrscheinlich
bis das der Tod oder große Fortschritte in der Medizin und Pharmaindustrie uns scheiden.
Wir sind, wären als das Ehepaar, das in viel zu jungen Jahren zwangsverheiratet worden ist. Im
Austausch gegen einen Fußkranken Maulesel und ein Dromedar, das auf einem Auge blind ist.
Dann aber hat sich das Paar irgendwie so arrangstiert, dass wenn sie ihre Geschichte
ihren Enkeln erzählen, der Part mit der Zwangsverheiratung fast schon als romantisch durchgeht.
Mein Schmerz und ich. Ich und mein Schmerz. Der Schmerz. Ich. Der Schmerz bin ich.
Ich bin der Schmerz. Ich. Bin. Der Schmerz. Und da klickt es ganz plötzlich.
Ich bin der Schmerz. Das klingt jetzt vielleicht albern, aber in diesem Satz steckt eine Menge.
Macht, Kraft, Verantwortung, Selbstwirksamkeit. Ich bin der Schmerz.
Vielleicht versteht ihr in einem Beispiel, was ich damit meine.
Ich kann nicht verhindern, dass jemand an meiner Tür klingelt.
Ding dong. Ding dong.
Ding dong. Ding dong. Ding dong.
Ding dong. Ding dong. Ding dong.
Ich kann nicht verhindern, dass jemand an meiner Tür klingelt.
Sturm, als ob sein eigenes und nicht das Leben der bedrohten Vogelarten davon abhinge,
für die er heroisch und mit einem unsichtbaren Cape bewaffnet von Haus zu Haus zieht und Menschen
spenden, aber es aus dem Kreuz leiert. Ich kann nicht verhindern, dass jemand an meiner
Tür klingelt und mich aus meiner Konzentration reist. Klar ist das ätzend. Aber wisst ihr
was? Bei allem was passiert, nach dem der letzte Schellenton verstummt ist. Bei allem was postklingulär
passiert. Bei allem außer dem ersten Störimpuls. Bei all dem sitze ich am Steuer.
Ich allein entscheide, ob ich an die Tür gehe. Ich allein entscheide, ob ich die Tür
mit einem Lächeln öffne, dem Störenfried Kaffee anbiete und mich kurz an der Tatsache
erfreue, dass es scheinbar Vogelarten gibt, denen es noch viel beschissen ergeht als
mir. Ich allein entscheide, ob ich die Tür aufreise, als wäre der Teil einer Anti-Akkresionstherapie.
Als müsste ich prüfen, ob die Türang in einem Orkan standhalten. Als wäre es allein der
Luftzug meiner Eingangstüre, der ein kleines Mädchen im entscheidenden Moment von den
Bahngleisen pustet, auf die es sich beim Spielen verirrt hat.
Ich allein entscheide. Natürlich ist die Tür eine Metapher. Und wer das nicht versteht,
ist ein bescheuerter, kleingeistiger, engstimmiger Nichtsblicker, dessen größter Schmerz im Leben
vermutlich die Frage ist, was den Nachbarn eigentlich einfällt an einem Donnerstag, die
gelbe Tonne an die Grundstücksgrenze zu schieben, wo doch jeder weiß, dass Donnerstags die braune
Tonne dran ist. Wie soll man denn da sein Milliter-Filter-Kaffee mit einem Schuss Dosenmilch genießen,
wenn man aus dem mit einem weißen Bordürenvorhang umrampen Wintergarten über die Geraden hinweg
auf diese Monstrosität von Abfall zwischen Lagerbehältnis starren muss, das auch noch
einen ganzen Zentimeter über die Grundstücksgrenze hinausragt.
Auch hier habe ich entschieden. Entschieden meinen Fokus weg von mir selbst zu richten.
Aus der Abwärtsspirale von Selbstdiagnose und wie geht es mir eigentlich, auszusteigen
und mich auf etwas zu stürzen, dem ich mich mit voller Inbrunst widmen kann. Meine Abneigung
gegenüber Kleingeistigkeit und Spießertum, gegenüber Oberflächlichkeiten und 0815 Denken,
gegenüber haben wir schon immer so gemacht und hast du den Nachbarn gesehen, der hat
schon wieder den Rasen nicht gemäht.
Manchmal. Nicht immer. Aber manchmal schaffe ich es sogar, diese Energie ins Positive
zu kanalisieren. Sind wir doch mal ehrlich. Wut ist Raketentreibstoff. Und wann immer
mir gelingt, diese Wut in was Positives zu wandeln, entstehen tolle Dinge. Dinge wie
dieser Text hier. Oder eine regelmäßige Live Podcast Veranstaltung in Nürnberg. Oder
ich raff mich auf und gehe zum Sport, lege meinen Hund zu, spiele mit meinen Kindern,
Reisele, ein neues Hobby, koche, bastle oder oder oder oder oder. Man immer mich der Fokus
in einen Tunnel führt, schaffe ich es selbst zerstörerische Gedanken aus zu blenden, mich
von meinem Schmerz zu distanzieren. Für meine Weile wenigstens. Das klappt nicht immer,
nicht auf Kommando. Aber manchmal. Oft. Hin und wieder. Auf eine verquere Art und Weise,
eine die auch ich nicht immer ganz nachvollziehen kann, ist mein Schmerz, mein Motor. Und wisst
dir was er noch ist? Er ist mein Schmerz. Den gebe ich nicht her. Aber ich bin bereit
ihn zu teilen. Mit euch. Gerne dann wieder in der nächsten Episode. Schmerzliche Grüße.
[Musik]