Schmerzenssache – weil Rückenschmerzen kein Tabuthema sind

Jürgen Krauß

POSITIV BLEIBEN - Wie hält man auch nach drei schweren Diagnosen den Kopf oben? [S3E9]

Ein Gespräch über seltene und nicht so seltene Krankheiten mit Malik Thomas

27.01.2025 61 min

Zusammenfassung & Show Notes

Malik Thomas hat in kurzer Zeit drei schwere Diagnosen verarbeiten müssen – und ist trotzdem ein aufgeschlossener, lebensfroher, positiver junger Mann. Wie schafft man es, in so einer Situation positiv zu bleiben?

In dieser Episode spreche ich mit Malik Thomas über Multiple Sklerose, Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie (LHON) und Akne Inversa – vor allem aber über die Strategien, die es braucht, um angesichts solch schwerer Diagnosen positiv zu bleiben.

Sobald Maliks Buch einen Verlag gefunden und einen Erscheinungstermin erhalten hat, werde ich ihn auf jeden Fall zu einem zweiten Gespräch einladen #stayTuned.

(der erwähnte Assassin's Creed-Trailer)

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🎸 Hier entlang zu Jürgens neuer Schmerz-Playlist bei Spotify: https://open.spotify.com/playlist/2RzJxJ8hVT9rzoYPrNCuGz?si=b9c5e227ace249ca 

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⭐⭐⭐⭐⭐ – Bewertungen helfen mir und diesem Projekt, die Sichtbarkeit zu erhöhen und mehr Menschen in ähnlich herausfordernden Situationen zu erreichen. Nicht, weil ich glaube, dass ich ihnen helfen kann – aber zumindest möchte ich ihnen auf diesem Weg ein ganz, ganz herzliches „Ihr seid nicht allein“ über den Zaun werfen. 

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📜 Das Schmerzmanifest, das nach wie vor in diesem Podcast gelten soll:
  1. Schmerzen sind kein Tabuthema.
  2. Jede und jeder hat das Recht auf den eigenen Schmerz. Vergleichen ist verboten. Wir alle gehen mit Schmerz subjektiv um, das muss respektiert werden.
  3. Ich präsentiere keine Lösungen, nur Erfahrungen und Impulse.
  4. Schmerz definiert mich nicht als Persönlichkeit.

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Transkript

Ich bin der Jürgen, das ist meine Schmerzenssache und ich freue mich sehr, dass ihr wieder zuhört, auch wenn es mit der Veröffentlichung ein bisschen dünn geworden ist in den letzten Wochen, das gebe ich gerne zu. Aber ich habe mir irgendwann in der Schmerzenssache gedacht, hey, das soll ein Projekt sein, das mir gut tut und das einfach mein persönliches Ding ist. Von daher folge ich keinen, keinen irgendwelchen auferlegten Veröffentlichungsrhythmen oder Kalendervorgaben, sondern ich veröffentliche einfach, wenn es sich gut anfühlt, wenn das Thema passt, wenn ich die Energie dazu verspüre und manchmal auch, wenn mir der passende Gesprächspartner begegnet. Und genau das ist jetzt passiert. Ich weiß, ich hatte angekündigt, es kommt noch eine dritte Folge zu meinem Besuch auf dem Schmerzkongress und die wird auf jeden Fall kommen, denn das Thema ist ein sehr spannendes. Da geht es um Virtual Reality und Videospiele im Kampf gegen chronische Schmerzen. Also das werden wir auf jeden Fall machen. Ich habe jetzt aber zwischendrin Malik kennengelernt und Malik ist über einen Kontakt auf LinkedIn zustande gekommen, über Anja. Die hat mich an Malik weitergereicht und es ging ein bisschen darum, dass Malik gerade dabei ist, sein Buch über seine Schmerzgeschichte und sein Leben und seinen Umgang damit zu schreiben. Und so sind wir zusammengekommen, haben aber schnell gemerkt, hey, wir haben viele Dinge, die wir ähnlich einordnen, die wir ähnlich angehen. Wir haben ein bisschen ähnliche Strategien mit unter und Malik hat mich auch tatsächlich inspiriert, das Thema mit dem Buch nochmal aufzurollen und nochmal zu überlegen, ob das nicht auch für mich ein Weg sein kann. Also dazu wird es dann auch vielleicht mal irgendwann ein Update geben. Aber wir haben dann relativ schnell beschlossen, dass wir einfach mal eine Folge zusammen aufnehmen und möglicherweise wird auch noch irgendwann eine zweite Folge. So, wer ist Malik? Malik ist ein junger Mann, Malik Thomas mit Namen, der hat in relativ kurzer Zeit drei relativ schwere und teilweise auch relativ außergewöhnliche Diagnosen hinnehmen müssen, einstecken müssen. Also er hat, er wird es gleich im Detail erzählen, aber er hat eine Hautkrankheit, er hat Multiple Sklerose und er hat etwas, das seinen Sehnerv beeinträchtigt oder seinen Sehnen beeinträchtigt. Also er sieht nur noch ganz, ganz, ganz wenig und das sind drei relativ schwere Schicksalsschläge, die ihm schon während dem Studium, also früh in seinem Leben quasi, mit denen er sich auseinandersetzen musste. Und ich finde es bemerkenswert, wie er durch diese Zeit gegangen ist und wie er sich danach dadurch auch ein Stück weit motiviert hat und aufgewacht hat. Und jetzt ist er ein wahnsinnig positiver, aufgeschlossener, dynamischer junger Mann. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit Malik irgendwie zu sprechen und ich hoffe, das nachfolgende Interview macht euch ebenso viel Spaß. Malik ist auch so ein bisschen was wie ein, ja auch ein Penfluenza sozusagen. Er ist ein bisschen so ein Botschafter, was seltene Krankheiten angeht. Also er hat da tatsächlich auch so ein bisschen, ja, ein Influenza-Status, erklärt gerne auf, was seine seltenen Erkrankungen angeht, aber das werdet ihr jetzt gleich alles von Malik selbst hören. Von daher, ohne lang drum herum zu reden, viel Spaß bei dem Gespräch mit Malik Thomas. Traditionell fange ich meinen Podcast eigentlich immer an mit der Frage, wie es mir geht. Das würde ich heute gerne an dich weiterreichen. Wie geht es dir heute, Malik? Mir geht es sehr gut. Ich bin gut in das Jahr reingestartet und habe heute einiges erledigen können und fühle mich so produktiv und freue mich jetzt aufs Wochenende, weil ich heute so ein bisschen viel abhaken konnte. Sehr schön, sehr schön. Das klingt nach einem richtig guten Start. Ich würde gerne, um deine Situation so ein bisschen besser zu verstehen, ich würde gerne ein bisschen ausholen. Und der Punkt, der in deiner Biografie ja irgendwie heraussticht, ist eine relativ kurze Zeit in deinem Leben, in der du relativ viele gesundheitliche Rückschläge hinnehmen musstest oder Diagnosen erhalten hast. Magst du mir mal ein bisschen von der Zeit erzählen? Ja, auf jeden Fall. Es hat 2017 angefangen, dass ich eine Verhärtung unter der linken Achselhöhle hatte. Das war total alles so wie verspannt und total hart. Das hat sehr wehgetan. Da wurde ich damals mit Antibiotikum behandelt. Dann ist es abgeklungen. Da hatte ich so ein bisschen eine leichte ruhige Phase, aber so ab Ende 2017, Anfang 2018 ist das auf beiden Seiten doller zurückgegangen und dann gekommen. Und dann auch so, dass es aufgebrochen ist, sodass ich quasi offene Wunden unter den Achseln hatte. Ich habe das dann erst mit so einer Lichttherapie probiert und mit verschiedenen Sachen, bis ich dann letztlich im August 2018 bei einer Expertin für diese Erkrankung war. Die Erkrankung heißt Acne Inversa. Das ist eine Hauterkrankung, die auch gar nicht so selten ist, wie ich dann erfahren habe. Einer von 100 Menschen hat die circa, also sprich bei 80 Millionen Deutschen, circa 800.000 Menschen in der Bevölkerung. Natürlich unterschiedlich doll ausgeprägt. Die hat mir dann Anfang August gesagt, dass bei mir schon der Zustand so ist, dass man da wirklich eine große Operation machen muss. Ich war dann an dem Punkt, dass ich auch gesagt habe, okay, das mache ich. Dann wurde ich auch knapp vier Wochen später operiert, Ende August. Das war keine leichte Zeit, weil mir wurden auf beiden Seiten großflächig einmal die Achselhöhlen ausgeschnitten mit allem, was drin war, damit die Lymphkühe entfernt wurde. Dann hatte ich da richtig große offene Wunden, die dann von den ganzen September, Oktober, November und wirklich am 30.12. – da kann ich mich noch ganz genau erinnern – habe ich das letzte Mal in Verbände wechseln müssen. Ich war froh, dass ich das nicht Mitte des Jahres 2019 getragen habe. Aber ich hatte vier Monate Wundheilung hinter mir mit einer Hauttransplantation, die aber nicht erfolgreich war. Die Haut wurde abgestoßen, also mir wurde Haut vom Oberschenkel entnommen und sie wurde versucht, oben ran zu machen, aber das hat leider nicht geklappt. Das war eine sehr schmerzhafte Zeit. >> TORRENT WILLIS: Die eigene Haut wurde abgestoßen. Krass. Ich hätte jetzt gedacht, dass das sich immer verträgt. >> TIMO BORST: Ja, sie wurde quasi so wie raufgewebt und dann mit Tackernadeln wurde die herangetackert, in der Hoffnung, dass sie dann quasi miteinander verwächst. Aber nein, die ist leider beim Duschen abgespült worden, weil die so dünn war. Das war eine sehr herausfordernde Zeit, weil die auch mit viel Schmerzen verbunden war. Ich musste jeden Morgen und jeden Abend diese Verbände wechseln. Ich hatte noch, obwohl die, wie gesagt, Ende 2018 zugewachsen waren, die Wunden, bis ins Frühjahr 2019, Kleberückstände auf der Haut. Obwohl ich täglich dusche, ich bin ein sehr hygienischer Mensch, von den Klebern, von den Verbänden. Und dann auch wirklich mit Waschbenzin und so. Das war eine sehr schmerzhafte Zeit, wo ich auch wirklich viel durchgemacht habe. Aber ich habe da auch schon ein bisschen, denke ich, das war so ein Grundsteiger, wo ich gelernt habe, mich den Kopf in den Sand zu stecken. Damals war ich halt 20, zu feiten. Und dann hatte ich halt die erste Hälfte 2019 mehr oder weniger Ruhe. Ich habe Doppelbilder gesehen tatsächlich ab und zu. Ich habe mir nichts dabei gedacht, weil ich sonst sehr, sehr gute Augen hatte. Dann habe ich das aber irgendwann mal abschecken lassen und da hat dann die Augenärztin Alarm geschlagen und hat mich direkt zum Radiologen überwiesen. Und dann wurde ein radiologischer Befund von meinem Gehirn und meiner Wirbelsäule gemacht. Und dort wurden halt Entzündungstherde gesehen. Und daraufhin bin ich in die Charité in Berlin eingewiesen worden. Und innerhalb von vier Tagen wurde eine MS-Diagnose dann im Sommer 2019 gestellt. Also knapp nicht mal ein Jahr nachdem ich die OPs hatte, quasi die nächste Diagnose. Der nächste Rückschlag. Auf der einen Seite weiß man viel über MS, aber auch ein sehr ungewisser, weil es ging mir an sich nicht schlecht. Ich hatte halt Doppelbilder und leichte Gefühlsstörungen auf der rechten Körperhälfte. So wirklich minimale, dass ich gemerkt habe, wenn ich mich mit dem Handtuch abtrockne, dass sich das links am linken Bein anders anfühlt als auf dem rechten Bein. Dann wurde ich tatsächlich erst mal mit Cortison behandelt und dadurch wurden auch diese Doppelbilder besser. Und dann habe ich gedacht, okay, jetzt habe ich halt so mit 21 Jahren MS. Ich habe schon diese Wunden durchgemacht, aber das stärkt mich. Und dann habe ich so einen Ehrgeiz entwickelt, dass ich gesagt habe, ich werde nicht trotzdem alles schaffen, was ich mir vornehme, sondern jetzt erst recht und gerade deswegen werde ich alles schaffen. Und das kann ich gut nachfühlen. Genau, habe mir dann so einen Mut entwickelt und gesagt, ich mache alles. Ich hatte die Diagnose Anfang August. Ich bin Ende August mit Freunden verreist, war den ganzen September damals bis Anfang Oktober in den USA gewesen. Ich war damals Gastschüler gewesen. Dann habe ich meine Gastfamilie besucht und einen kleinen Rundtrip gemacht. Da war ich ganz alleine unterwegs, gerade frisch nach der Diagnose. Dadurch auch, obwohl es natürlich an sich unbegründet war, aber Angst, dass auf dieser Reise etwas passiert, gerade wo man jetzt natürlich ein bisschen mit der Gesundheit zu tun hatte. Anfang Oktober bin ich eines Morgens aufgewacht, also Oktober 2019, und habe auf dem rechten Auge auf einmal so, als ob ich Schlaf im Auge habe gesehen. Ich habe dann auch versucht, mir das Auge auszuwaschen und es hat dann nicht geklappt. Es war wirklich so, dass ich auf dem rechten Auge ganz verschwommen gesehen habe. Ich war dann auch gerade in New York City und habe dann ganz panisch aus New York die Neurologin der Charité in Berlin angerufen, die gesagt hat, wenn ich wiederkomme, was eine Woche später dann war, soll ich umgehend in die Charité kommen und dann wird nochmal mit Cortison therapiert. Ich habe gedacht, okay, hat ja beim ersten Mal mit den Doppelbildern geklappt, dann wird es jetzt auch wieder klappen. >> DOREEN SIEGFRIED: Also war für dich in dem Moment klar, das hat mit dem MS zu tun? >> JÖRG PETERS: Ja, das war absolut klar und das war vor allem das Naheliegendste. MS hat ja auch oft etwas mit dem Sehnerv zu tun. Da habe ich gedacht, okay, dann bleib jetzt ruhig, dann gehst du da hin und lässt dich wieder therapieren mit Cortison. Habe ich gemacht und dann eine Woche danach war es immer noch da. Dann dachte ich, das war beim letzten Mal aber recht schnell weg. Habe dann im November nochmal eine Cortison-Therapie bekommen, dann höher dosiert und es ist einfach nicht besser geworden. Zwischenzeitlich auch bei meiner Augenärztin nochmal, die sich auch die Augen angeschaut hat und eigentlich auch anhand des Sehnervs keine Auffälligkeit erkannt hat. Dann, wie es der Zufall auch so oft im Leben will, hat meine Augenärztin eine Fortbildung gehabt an einem Wochenende und dort wurde ihr von der Erkrankung Leberschell-Helitäre-Optikus-Neuropathie, erzählt kurz LHOM, das ist eine sehr seltene Augenerkrankung, nur in Deutschland haben wir ca. zweieinhalb Tausend Menschen und kam dann auf die Idee, dass die Symptome und vor allen Dingen auch der Patiententyp, weil meistens junge Männer betroffen sind, auf mich zupassen würde und hat dann mich in ihre Praxis einberufen, hat einen Gentest veranlasst, das war dann aber Mitte, Ende Dezember und dadurch, dass dann Weihnachten und Neujahr war, hat das bis in den Januar reingedauert, bis wir das Ergebnis hatten und währenddessen, während ich auf das Ergebnis von diesem Gentest gewartet habe, hat es leider begonnen, dass mein linkes Auge auch schlechter wurde, aber im Gegensatz zu den Rechten, war es von einem auf einen anderen Tag schlagartig schlecht, zumindest, dass ich es schlagartig bemerkt habe, ist das linke schleppend schlechter geworden. Am Anfang habe ich dann irgendwie nicht mehr so weit gucken können, dann wurde es unschärfer und dann halt irgendwie so die Kombination aus beiden und dass ich dann letztlich so wie auf dem rechten Auge ziemlich schlecht sah, war dann Ende Januar eingetreten, aber ich habe dann nochmal Anfang Januar, bevor ich dann die Diagnose bekommen habe, habe ich auch nochmal eine Cortison-Stoßtherapie gemacht, also die dritte innerhalb von drei Monaten. Ich glaube, jeder, der schon mal Cortison genommen hat, weiß, was Cortison auch anstrengend für den Körper sein kann. Ich habe das dann auch wirklich sehr hoch dosiert bekommen. In der letzten Therapie habe ich zwei Gramm am Tag, also innerhalb von fünf Tagen zehn Gramm Cortison bekommen. Ich glaube, wenn man zum Beispiel eine Schulter-OP hat, kriegt man 40 Milligramm, sprich, da habe ich die 50-fache Dosis am Tag bekommen und dann über fünf Tage hinweg und da hat alles am Körper wehgetan, weil die Cortison so den Körper halt auch aufschwemmt und Wasserablagerungen bildet. Das hat natürlich auch für mich geholfen, weil es nichts mit dem Sena zu tun hatte, wie ich dann Mitte Januar erfahren habe, als dann das Ergebnis vom Gentest vorlag. Dann habe ich von meiner Ärztin erfahren, dass ich diese seltene, mir damals noch völlig unbekannte Erkrankung habe. Auch meine Ärztin, obwohl sie diese Fortbildung hatte, hatte noch nie eine Patientin mit dieser Diagnose und wusste auch nicht so ganz, wie sie mir jetzt helfen sollte. Zu diesem Zeitpunkt habe ich schon ziemlich schlecht gesehen. Ich hatte da auch nur noch auf dem linken Auge, also Sehvermögen waren 20 Prozent und dann halt bis Anfang Februar ist es dann auch noch mal auf 5 Prozent runtergegangen. Ich war auch die ersten Wochen gar nicht aufgeklärt. Es gibt ein zugelassenes Medikament gegen diese Augenerkrankung, das sind Tabletten, die habe ich dann auch von Anfang an eingenommen. Ich war dann Anfang Februar 2020 auch in München, dort sind die Experten in Deutschland. Dort wurde ich dann über diese Erkrankung aufgeklärt und über diesen klassischen Verlauf, dass man irgendwann einen Tiefpunkt erreicht und entweder erholen sich die Augen nach dem Tiefpunkt sukzessive wieder oder das Sehvermögen pendelt sich bei dem Tiefpunkt ein, was zum einen positiv ist, weil man dann weiß, wenn es sich einpendelt, dass man mit diesem schlechten oder auch vielleicht guten, wie auch immer man es sehen möchte, Sehvermögen dann halt lernen zu leben. Bei mir hat es sich bei diesem 5 Prozent eingependelt. Ich sehe auf dem linken Auge 5 Prozent und auf meinem rechten Auge, also sprich dem Auge, das zuerst angefangen hat, kann ich tatsächlich nur Handbewegungen wahrnehmen. Da bin ich auch total dankbar, weil allein dieser Vergleich, dieser beiden Augen sind immens. Natürlich habe ich mich auch geärgert, weil andere Menschen, habe ich dann natürlich mit anderen Patienten mich auch unterhalten, die diese Spontanerholung hatten. Die haben auch mal 5 Prozent gesehen und sehen mittlerweile wieder 60, 80 oder teilweise wieder 100 Prozent und sehen wieder komplett richtig und komplett gut. Bei mir ist leider diese Spontanerholung nie eingetreten. Dafür hat es sich aber bei diesem 5 Prozent eingependelt seit mittlerweile fast gut 5 Jahren. Ich habe gelernt, mit diesem 5 Prozent zu leben. Für mich sind es nicht nur 5 Prozent, sondern sind es Gott sei Dank 5 Prozent, mit denen ich gut leben kann. Wir sind auch glücklich darüber, dass ich diese 5 Prozent habe und gut damit gelernt habe, umzugehen. >> DOREEN SIEGFRIED: Ich glaube auch, die ersten 5 Prozent sind deutlich mehr wert als die zwischen 95 und 100, also die letzten 5 Prozent. >> JÖRG PETERS: Genau. Das ist natürlich, wenn man 0 hat und komplett blind ist und 5 hat, das ist ein Unterschied, wirklich total. Deswegen bin ich dankbar, dass ich die noch habe. Der Februar, muss ich sagen, 2020, war auch kein leichter Monat. Da habe ich mir dann auch Gott sei Dank recht schnell psychologische Hilfe gesucht. Das hat mir damals geholfen, weil das natürlich der fast vollständige Verlust von einem Organ, von einem Sehvermögen ist natürlich schon eine Sache, mit der man umgehen muss. Plus, ich wusste ja in dem Moment gar nicht, wie tief es fällt. Ich hatte ja auch tatsächlich eine große Angst, davor komplett zu erblinden. >> DOREEN SIEGFRIED: Dass es schlimmer wird, ja. >> JÖRG PETERS: Davor habe ich mich natürlich sehr gegruselt. Der Psychologe hat mir auch damals sehr gut geholfen und mit mir auch gut zugehört. Es war ja sowieso eine verrückte Zeit damals in der Welt. Ich meine, Februar 2020 war Corona gerade irgendwie nach Europa gekommen und dann ab März auch irgendwie Lockdown in Deutschland. So schlimm ich auch Corona auf der einen Seite fand, hat es mir zum Beispiel aber auch in die Karten gespielt, dass ich weiter studieren konnte, weil ich glaube, es wäre für mich ultra schwer gewesen, am Anfang mit dieser neuen Einschränkung an den Campus zu gehen. Aber dadurch, dass ab April 2020 das neue Semester begonnen hat und alles online war und ich am Laptop, kann ich Gott sei Dank fast alles machen. Vielleicht kann ich dort nicht irgendwelche Bilder designen, weil ich dafür im wahrsten Sinne des Wortes nicht das richtige Auge habe. Aber alle Texte schreiben, Präsentationen angucken und so, das geht alles super. Und da habe ich extrem von der Online-Lehre profitiert und dass ich mein Studium weiter aufnehmen konnte. Und ich glaube, dadurch habe ich auch eine recht schnelle Normalität aufrechterhalten. Und ich habe auch meinen Job weiter damals gemacht. Ich war Werkstudent in einer mobilen Firma, Marketing. Und ich habe irgendwie einfach alles noch mal weitergemacht. Ich war dann zwar am Anfang noch beim Psychologen, den habe ich aber auch nach fünf Monaten schon dann gesagt, ich brauche ihn nicht mehr. Ich glaube, andere Leute brauchen ihn dringender. Und ich habe einfach diese Mentalität, die ich quasi durch meine Vorerkrankung, die ich dann halt schon ein paar Jahre davor hatte, irgendwie immer weiter zu machen und nicht den Kopf ins Anzug stecken, die habe ich gerade auch in dieser Zeit extrem adaptiert und habe es geschafft, mit meinem positiven Herangehensweise an allem, plus natürlich auch der Unterstützung von meiner Familie und auch einigen guten Freunden, irgendwie die Sachen trotzdem alle zu schaffen, trotz der Einschränkung, beziehungsweise gerade wegen der Einschränkung. Und habe dann auch weiterhin Bestleistungen auch in der Uni gebracht. Und ja, das war dann auch trotzdem eine sehr schöne Zeit. >> DOREEN SIEGFRIED: Ich muss da mal kurz reinhaken, um das noch mal zu unterstreichen. Also ich meine, es gibt ja Leute, die allein an der Corona-Situation schon fast zerbrochen wären, also die das schon belastet hat. Jetzt musst du dazu noch eine sehr seltene und sehr, ich weiß nicht, ob man das so sagen kann, aber aus meiner Perspektive eine sehr einschneidende Krankheit verarbeiten. Und das, nachdem du bereits schon zwei weitere wirklich lebensbeeinflussende Diagnosen erhalten hast. Und trotzdem höre ich bei dir raus, wie du das versuchst, möglichst leicht und locker klingen zu lassen. Und wie du, ich weiß nicht, vielleicht habe ich dich ein bisschen schon vorgewarnt, dass ich von dir deine Überlebensstrategien auch hören will. Aber es klingt da raus nicht ein, wie schlecht das alles ist, sondern du findest in den kleinen Dingen, an denen du dich festklammerst, noch das Gute. Das finde ich absolut bemerkenswert. >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, vielen Dank, Jürgen. Aber auch gerade, was du gesagt hast, die kleinen Dinge haben mir dann auch echt geholfen, trotzdem noch extrem Spaß in der Zeit zu haben und irgendwie diese Lebensfreude recht schnell wieder aufzunehmen. Also wie gesagt, ich gebe gerne zu, dass der Februar 2020 echt kein leichter Monat war, obwohl ich in der Zeit alles trotzdem weitergemacht habe. Aber eigentlich nach einem kurzen Fall bin ich wirklich sehr schnell wieder aufgestanden. Ich denke sehr gerne auch noch an die Zeit, auch noch an den Sommer 2020, zwischen den Lockdowns, wo wieder alles ein bisschen offen war, ich mit Freunden draußen war und trotzdem irgendwie gelernt habe, das Leben ganz anders wahrzunehmen. Und obwohl ich dann auch Einschränkungen, ich konnte ja, ich meine, ich war ein junger Mann, gerade 22 in dem Fall geworden. Ich bin vorher vier Jahre lang Auto gefahren, auch wenn man ein Auto nicht unbedingt in Berlin braucht, aber trotzdem bin ich Auto gefahren. Und dann irgendwie mit 22 nach vier Jahren Auto fahren zu sagen, man fährt jetzt kein Auto mehr, ist natürlich schon einschneidend. Und auch wenn in Berlin es natürlich einen guten öffentlichen Nahverkehr gibt, ist der aber nicht so gut, dass man überall gut mit dem Nahverkehr hinkommt. Und das war eigentlich auch so einschneidend, aber da habe ich auch gelernt, dass ich zum Beispiel viele Sachen auch zu Fuß machen kann. Und ich bin unfassbar gerne in der Zeit zum Beispiel Spazierengehen für mich entdeckt. Sonst kriegt das wie ein alter Mann, aber ich liebe Spazierengehen. >> DOREEN SIEGFRIED: Ganz viele Menschen seit Corona haben Spaziergehen für sich entdeckt. >> JÖRG PETERS: Ja, genau. Ganz viele Menschen, aber ich ja sogar noch mal gezwungenermaßen noch mal mehr. Und ich laufe auch mittlerweile eigentlich, wenn ich Zeit habe, fast überall hin. Also auch wenn ich manchmal eineinhalb Stunden irgendwo hinlaufe, weil ich, okay, wenn ich das zeitlich einbauen kann und ich bin um 19 Uhr verabredet, dann laufe ich 17.30 Uhr los, damit ich noch mal auf meine Schritte komme. Und ja, man muss halt irgendwie auch lernen, so an den kleinen Dingen Spaß zu haben, denke ich. >> BIRT POSTEL: Es ist echt, also ich habe gerade, ganz ehrlich, ich habe gerade ein bisschen Gänsehaut. Und zwar, weil ich hatte ja, mit 18 hatte ich einen schweren Motorradunfall. Und für mich war das damals, ich will das jetzt nicht mit deiner Situation vergleichen, weil das ist völlig, völlig anders. Aber ich habe es irgendwie danach geschafft und ich glaube, dass auch da der Segen der Jugend ein bisschen was irgendwie beigetragen hat. Ich habe das auch geschafft für mich als was Positives zu verarbeiten irgendwie. Ich kann es gar nicht genau sagen, wie, aber das habe ich schon oft irgendwie Leuten erzählt. Und manchmal, manchmal frage ich mich selber, wie und ob das wirklich komplett stimmt. Und jetzt höre ich zum ersten Mal von einer anderen Person, die einen irgendwie ähnlichen Hack fürs Leben gefunden hat. Das finde ich gerade total faszinierend. Hast du mal vielleicht nochmal ganz kurz, damit wir uns das nochmal genau vorstellen können, war dieser Februar, von dem du gerade geredet hast, würdest du sagen, das war der absolute Tiefpunkt oder gab es eine Stelle in diesen Jahren, wo es einfach sich noch heiter angefühlt hat, wo du sagst, das war mein absoluter Lowpoint? Nee, wirklich, der Februar 2020 war mit Abstand mein größter Tiefpunkt. Also da war ich, da habe ich wirklich auch sehr viel geweint in der Zeit, war verzweifelt und hatte wie gesagt große Angst. Und es ist auch irgendwie, obwohl ich wie gesagt, ich bin trotzdem, bin ich dann auch noch im Februar zur Uni und habe gearbeitet und habe, ich glaube, diese Ablenkung auch natürlich. Man klammert sich natürlich an die Normalität. Genau, man klammert sich an die Normalität, versucht ja möglichst normal weiterzugehen. Und das war wirklich der Tiefpunkt in diesem Monat. Aber ich hatte da halt auch wirklich, ich spreche immer gern vom Schlüsselmoment, dass ich da wirklich so bei mir im Zimmer damals, wo ich noch zu Hause wohnte, bei meinen Eltern, da saß ich so an meinem Bett gelegt auf dem Brunnen, habe wirklich geweint und dann dachte ich so, boah, ich will so nicht leben. Also nicht, dass ich nicht leben will, aber ich will so traurig nicht leben bei meiner Erkenntnis. Und gerade nachdem ich so viel durchgemacht habe, kann es doch jetzt nicht sein, dass ich mich so fallen lasse und so in mich zusammensacke und habe mich dann entschlossen, habe ich gesagt, das kann es nicht gewesen sein und ich mache jetzt das Beste daraus und habe so eine richtige Trotzreaktion seitdem entwickelt. Und das war, finde ich, das war so mein Schlüsselmoment, dass ich so gesagt habe, nee, und ab da habe ich, also da hatte ich auch schon drei, vier Sitzungen mit meinem Psychologen, die mir auch geholfen haben, will ich nicht absprechen, aber so dieser Impuls aus mir selber heraus, ich glaube, der war auch immens wichtig. Hättest du heute noch mal die Kraft aus einer ähnlichen Situation, dich noch mal so rauszuwinden? Wie schätzt du das ein? Oder glaubst du auch, dass das auch viel mit dem Alter und viel mit anderen Faktoren noch irgendwie zu tun hat? Also ich frage mich das oft, ob man noch mal die Kraft hat, so ein Loch zu überwinden, wenn man das schon mal gemacht hat oder ob man da früher bricht? Also ich glaube, wenn man es schon mal gemacht hat, dann hat man es in gewisser Sicht erprobter, geübter und abgehärteter. Es kommt auch immer aufs Umfeld natürlich drauf an. Und ich habe mich ja mit vielen anderen unterhalten, die auch ihr Sehvermögen doll verloren haben oder auch komplett erblindet sind, gerade in der Zeit, in den ersten, sage ich mal, anderthalb, zwei Jahren, viele tolle Menschen auch kennengelernt. Und ich habe festgestellt, desto später das im Leben passiert ist, also bei irgendwelchen Familienfeldern, die Mitte, Ende 30 waren, zwei Kinder hatten, eine Frau und vielleicht, sage ich mal, als Beispiel ein Haus abzubezahlen, die auf einmal erblindet sind oder halt stark sehbehindert geworden sind, ist der Umgang schwieriger als Leute, die Anfang 20 waren oder 18, 19, weil man das einfach schneller lernt, mit umzugehen. Und ich glaube, das hat wirklich auch die Alterskomponente wahrscheinlich auch noch mal einen großen Anteil daran. >> TORRENT WIEGERN: Ja, ganz viel, glaube ich, persönliche Entwicklung. Ich will das gar nicht nur biologisch am Alter des Körpers vielleicht festmachen, hat sicherlich auch eine Relevanz, aber ich glaube auch die psychische Reife. Und solange du da noch in einer Entwicklung bist, fällt es dir wahrscheinlich leichter, dich auch über was Negatives hinwegzuentwickeln, als wenn du da einfach schon festgefahren bist, um das mal negativ zu sagen, oder stabil, dann ist es schwieriger, wahrscheinlich später, sich da zu entwickeln. Also würde ich jetzt als Laie so einschätzen. >> TORRENT WIEGERN: Ja, würde ich aber auch unterschreiben. Finde ich, hast du recht. >> TORRENT WIEGERN: Wie, also dieses L-Horn, das ist eine, das fällt unter die seltenen Krankheiten. Da gibt es so einen Katalog mit mehreren tausend Krankheiten und das ist die seltene Krankheit. >> TORRENT WIEGERN: Genau, also es gibt, tatsächlich kenne ich mich in der Thematik gut aus, weil ich auch, das war mein allererster Job, da habe ich in einer Agentur gearbeitet, die sich mit seltenen Erkrankungen beschäftigen. Und es gibt, also es kommt auf die Literatur drauf an, sechs bis acht tausend seltene Erkrankungen. Und eine Erkrankung gilt halt als selten, wenn halt fünf von zehntausend Menschen, die halt nur haben, sprich einer von zweitausend nur, ab dann, oder halt wenige. Und bei mir ist es so, also einer von vierzigtausend Menschen hat diese Augenerkrankung, kann man ja auch sehen, in Deutschland gibt es zweieinhalb tausend Erkrankte, klar, das wären bei zweieinhalb tausend mal vierzig sind hundert Millionen, wir haben 80 Millionen Einwohner, aber vielleicht liegt es auch daran, wir haben Deutschland so gut diagnostiziert. Und ja, das ist halt eine seltene Erkrankung und natürlich liegt es auch oft bei den selteneren, ich habe gesagt, es gibt ein zulassenes Präparat, das dann aber auch nicht oft daran geforscht wird. Diabetes oder irgendwelche kardiovaskulären Erkrankungen, die natürlich auch die Masse der Menschen betreffen, da wird deutlich mehr daran geforscht als an irgendwelchen seltenen Erkrankungen. Und man muss schon froh sein, wenn man überhaupt eine Therapie hat bei einer seltenen Erkrankung, weil die meisten dieser Erkrankungen haben doch gar keine Therapie. Also ich stelle mir auch vor, du hast es vorhin auch so beschrieben, ja, zufällig war da die Ärztin, die davon schon mal gehört hatte, ist wahrscheinlich auch ein wahnsinniger Glücksfall überhaupt, schnell zu einer Diagnose zu kommen bei sowas. Also bei vielen seltenen Erkrankungen dauert die Diagnose wirklich Jahre. Auch, ich habe mich mit einigen anderen LHON-Betroffenen unterhalten, die teilweise ein Dreivierteljahr bis ein Jahr gesucht haben. Also da ist halt irgendwann, wenn man spätestens an irgendeinen Unicampus kommt, da gibt es dann Ärzte, die vielleicht schon mal was davon gehört haben und dann halt einen Gentest veranlassen. Aber andere, also ich habe jetzt wirklich Fälle gehört, wo die ja irgendwie einen Hirntumor vermutet haben und dann haben die Leute teilweise eine Chemotherapie bekommen, obwohl sie gar nicht Krebs hatten oder so was. Oder haben so eine Blutwäsche, wo man einmal das komplette Blut aus dem Körper, also da wurden ganz verschiedene Ansätze verfolgt, bei denen irgendwie überfragbar die Ärzte. Ja klar. Und ja, also man hat immer Glück, wenn man an gut informierte Ärzte kommt. Ich glaube, das ist ja immer so. Aber gerade bei diesen seltenen Erkrankungen, wenn man jetzt überlegt, es gibt zweieinhalb Tausend Leute, die die Erkrankung haben in ganz Deutschland. Und wie viele Ärzte gibt es, die dann überhaupt mit so einer Erkrankung mal in Kontakt kommen? Also ich weiß das von meiner Augenärztin, die ist seit 35 Jahren Augenärztin. Ich war ihr bisher Einziger und auch erster Fall, wo sie jemanden mit der Erkrankung diagnostiziert hat. Und sie kannte die halt auch bis kurz vorher nicht. Und da war wirklich Glück, dass sie bei dieser Fortbildung war. Und manchmal weiß man ja auch gar nicht, zu welchem Arzt man eigentlich, also in dem Fall Auge ist es vielleicht noch relativ klar. Aber bei manchen Dingen, die etwas diffuser sind, weißt du ja noch nicht mal, welche Kategorie von medizinischen Problemen habe ich eigentlich? Muss ich zum Europäden? Muss ich zum Kardiologen? Ist es was Neuropathisches? Also manchmal bist du ja da schon bei der Wahl des Arztes überfragt. Und mitunter ist es dann ja auch eine selbst erfüllende Prophezeiung. Also gehe ich zu einem Orthopäden, dann vermutet der meistens ein orthopädisches Problem. Das ist jetzt gerade bei meinem Rückenthema ist das oft so. Egal zu wem ich gehe, bin ich dort richtig gerade zufällig. Aber so richtig helfen kann mir dann trotzdem am Ende kaum jemand. Ja, absolut. Und wenn man dann keinen engagierten allgemeinen Mediziner oder Hausärztin, Hausarzt bei sich in der Nähe hat, der einem nicht eine Überweisung schreibt, beziehungsweise vielleicht noch in einer Gegend, wo die nicht eine gute Ärztenversorgung hat und man vielleicht irgendwie in die nächste Stadt eine Stunde fährt, um dort vielleicht in irgendein Klinikum zu kommen, dann wird es schwer. Ja, vollkommen. Wie viel Zeit hast du oder wie muss ich mir das vorstellen? Also das sind jetzt, ich kenne jetzt deine Diagnosen. Ich kann nur so halb einschätzen, wie da überhaupt so die Prognosen sind oder wie schlimm sich sowas anfühlt. Vielleicht kannst du es mal so ein bisschen an Zeit in Wartezimmern und Krankenhäusern noch ein bisschen klarer ausdrücken. Wie viel Zeit hast du damals so bei Ärzten und in Krankenhäusern verbracht und vielleicht die Situation heute? Wie ist es heute? Also das hat sich Gott sei Dank heutzutage deutlich abgemildert. Aber die Zeit, wo ich am häufigsten im Krankenhaus war, war tatsächlich damals wegen dieser Wundversorgung. Da war ich halt einmal die Woche, auch nach den OPs, im Krankenhaus für dann wahrscheinlich mit Wartezeit und Behandlung und anderem und dran immer irgendwie zwei, zweieinhalb Stunden. Und das Ganze halt über vier Monate, kann man ja mal hochrechnen, 18. Also vielleicht schon mal 40 Stunden dort und dann auch noch andere Ärzte und MS- Diagnose. Da war ich auch viel im Klinikum und da kriege ich einmal alle halbe Jahre eine Infusion, mittlerweile jährlich. Das dauert dann auch immer so um die vier Stunden. Also ich glaube, ich komme da schon auf deutlich mehr. Also einmal pro Quartal mache ich meine Blutwerte und deswegen in Augen. Jetzt muss ich nicht mehr nach München, weil jetzt bin ich quasi – diese Tabletten von Ihnen erzählt habe, nehme ich mittlerweile seit über zwei Jahren nicht mehr, weil sie mir ja auch nicht geholfen haben. Und ich bin austherapiert und davor muss ich aber alle halbe Jahre einmal nach München reisen. Das ist ja aus Berlin. Ich wohne in Berlin. Das ist ja auch ein kleiner Weg, der ja auch nicht irgendwie von der Kasse übernommen wird, sondern den man ja komplett selber auch irgendwie finanzieren muss, mit einer Nacht irgendwie im Hotel plus Bahnfahrt. Also sprich auch Zeitaufwand. Aber das hat sich alles jetzt deutlich minimiert. Ich würde sagen, gerade zwischen 2018 und 2022 war ich schon sehr viel in Wartezimmern bei Ärzten und habe viel Zeit dort verbracht. Und man weiß es ja, wie gern man wartet und vor allen Dingen, wenn man dann noch irgendwie eine wichtige Zeit für einen hat. >> GUIDO SCHERP: Das ist das eine und das ist tatsächlich auch der Punkt, der mich immer am meisten wurmt. Irgendwie komme ich mit den Schmerzen zurecht, aber mich ärgert diese Zeit, die einfach drauf geht für diese ganzen Dinge. Ich wollte jetzt nur ein bisschen versuchen einzuschätzen, wie sehr du tatsächlich jetzt auch eingeschränkt bist. Also ich meine, klar, du bist eingeschränkt, wenn du nur noch fünf Prozent auf einem Auge siehst. Aber also in der Zeit damals wäre dir ja ein normales Berufsleben gar nicht möglich gewesen. Ich meine, du hast noch studiert. Da kriegt man das vielleicht noch irgendwie organisiert, wobei es auch echt beachtenswert ist, da noch die Kraft zu finden, das Studium nicht irgendwie hinten runterfallen zu lassen. Also ich würde es gar nicht kleinreden, aber ich meine, so ein regulärer Bürojob wäre da ja undenkbar eigentlich. >> TORRENCE BOONE: Nee, also absolut genau. Das wäre echt schwer gewesen, glaube ich. Und also ich habe dann an meinem ersten Job begonnen, da hatte ich tatsächlich noch ab und zu, dass ich nach München musste. Und die waren da auch sehr tolerant, muss ich sagen. Aber das heißt, ab Ende 22, seitdem, also jetzt seit über zwei Jahren, war ich auch nicht mehr in München, also wegen des Arztes oder wegen dem Krankenhaus. Und klar, ich denke, man könnte alles irgendwie versuchen, um einzurichten. Aber halt, man kennt es ja, man will ja auch nicht zum Chef oder zur Chefin gehen und sagen, ich bräuchte jetzt zwei Tage deswegen. Oder man will sich nicht seinen Urlaub deswegen nehmen und sich permanent krank melden, möchte man ja auch nicht. Also von daher bin ich auch sehr froh, dass es deutlich weniger als früher geworden ist. >> OLAF SIEGERT: Und jetzt hast du das ja irgendwie auch in mehrfacher Hinsicht irgendwie rumgedreht, die Situation. Also a) Du brauchst jetzt weniger Zeit für Therapien, okay, habe ich verstanden. Aber b) Du bist ja auch so ein bisschen so einerseits Influencer geworden für seltene Krankheiten, so nehme ich das so ein bisschen wahr. Oder so sind wir ja auch irgendwie auf LinkedIn zusammen gekommen. Und b) Du hast ja auch dein Berufsleben so ein bisschen in diese Richtung dann entwickelt, oder? Oder ist das daraus entstanden? Wie würdest du das selber beschreiben? >> TORI: Ja, also Influencer für seltene Erkrankungen. Also ich kenne mich sehr gut im seltenen Erkrankungsbereich aus, im Post darüber auch ab und zu. Es gibt Leute, die dort deutlich mehr Follower und Ähnliches haben und die ich auch sehr mag. Aber ich denke, ich mache da trotzdem mein Teil. Und beruflich bin ich definitiv in diese Richtung gekommen durch meine Erkrankung, weil ich glaube, sonst wäre ich in eine ganz andere Richtung gegangen, wenn ich nicht erkrankt wäre. Also ich wollte immer auch was. Ich habe ein betriebswirtschaftliches Studium hinter mir. Ich wollte irgendwas in die Richtung machen und habe dann aber durch diese Erkrankung und durch Kontakte, die ich kennengelernt habe, habe ich meinen ersten Job dann auch quasi gefunden bei einer Agentur/Beratung, die quasi im Auftrag von Unternehmen aus der Pharmaindustrie mit Patienten von seltenen Erkrankungen Projekte quasi durchführen. Und es war ein sehr schöner Job. Da habe ich viel lernen können. Da war ich anderthalb Jahre tätig. Das waren meine aller, beziehungsweise nicht zwei Jahre, aber anderthalb Jahre in Vollzeit. Die erste halbe Jahre noch als Werkstudent, das war mein letztes Semester. Und da habe ich mit ganz vielen verschiedenen Menschen, mit ganz anderen und unterschiedlichen Erkrankungen arbeiten dürfen. Und jetzt habe ich ein Jahr gearbeitet bei einem Start-up, die auch im Bereich der seltenen Erkrankungen tätig sind und im Bereich der neuromuskulären Erkrankungen, also Spinaler Muskelatrophie und Duchenne Muskeldystrophie. Und da durfte ich auch viel lernen. Und jetzt tatsächlich fange ich ab Februar bei der Charité hier in Berlin an. Zwar jetzt gar nicht so nah mehr an den Patienten wie ursprünglich, dass ich es in den letzten beiden Jobs gemacht habe, aber auch eine sehr spannende Stelle als Referent für das Zentrale Abrechnungsmanagement, um dort quasi Digitalisierungsprojekte so ein bisschen mit voranzubringen. Also auch ein Thema, das mich sehr interessiert, was ich auch in meinem letzten Job, das war halt ein digitales Gesundheitsstart-up, schon so ein bisschen gemacht habe. Und nachdem ich jetzt quasi zwei kleinere Unternehmen hinter mir habe und jetzt bei der Charité, die man ja, sag ich mal, auch irgendwie erkennt, freue ich mich sehr auf meine neue Aufgabe bei der Charité. Und ich glaube, diesen ganzen Weg, den hätte ich nicht eingeschlagen, wenn ich nicht erkrankt wäre. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher. Weil sonst hätte ich, vor allen Dingen, ich glaube auch noch nicht mal, da macht wirklich der entscheidende Einfluss, macht wirklich meine letzte Erkrankung, also die Augenerkrankung. Weil ich glaube, hätte ich in Anführungsstrichen nur die MS und die Acne in Versa gehabt. Ich glaube, selbst dann hätte ich, glaube ich, was anderes gemacht. Aber durch nochmal diese Kirsche auf der Sahne mit der dritten und schwersten Erkrankung, habe ich diesen Weg in die Gesundheitsbranche gefunden und bin da jetzt sehr gut vernetzt, habe da tolle Menschen die letzten Jahre kennenlernen dürfen. Und bin echt froh, dass ich diesen Weg auch eingeschlagen habe. Also dann erst mal Glückwunsch zum neuen Job. Das hatte ich jetzt aus deinem LinkedIn-Profil so tatsächlich noch gar nicht herausgelesen. Ja, ist auch noch nicht, also es ist offiziell, aber ich habe da auch längst bei LinkedIn angegeben, weil ich erst im Februar beginne. Aber es klingt gerade passend. Und ich meine, ja, das hat dann vielleicht inhaltlich nicht mehr so viel mit den Krankheiten zu tun, mit denen du dich beschäftigst oder auch beschäftigt hast. Aber ich glaube schon allein so ein Arbeitgeber ist für Menschen in deiner Situation, fühlt sich glaube ich ganz gut an, oder? Wenn du, du gehst ja davon aus, dass die so ein bisschen Verständnis für deine Situation auch mitbringen, zumal du ja sogar da auch als Patient warst. Ja, deswegen. Also ich bin Patient bei Charité Plus. Ich bin sogar in der Charité geboren. Also ich habe da eine lange Akte. Sehr gut. Und ja, ich bin, die wissen, ich kann es ja auch nicht verstecken. Und auch in den Bewerbungsgesprächen, also ich muss damit ja auch offensiv umgehen. Andere Leute, also die bei den anderen Erkrankungen hätte ich ja immer verstecken können. Aber diese offene Behinderung mit dem schlecht Sehen, die kann man ja gar nicht verstecken. Und deswegen gehe ich damit immer sehr proaktiv und offensiv um. Und da habe ich wirklich auch eine sehr positive Resonanz von meinen jetzigen, künftigen Vorgesetzten, meinen künftigen Teamleiter bekommen. Und ja, ich glaube, die können sich zwar noch gar nicht so ganz vorstellen, wie sich das jetzt bei mir, also die haben mich jetzt natürlich erlebt in Präsenz, aber die haben gesagt, die werden mich da total unterstützen. Und ich habe da bisher auch jetzt auch mit den Personalern, mit denen ich da gesprochen habe, also wirklich bisher ein sehr positives Erlebnis gehabt und freue mich da jetzt sehr drauf. Sehr gut. Also kann ich auch nur unterschreiben, ich habe auch immer positive Erfahrungen gemacht, wenn ich offensiv damit, gerade in Bewerbungsgesprächen schon, sogar offensiv damit umgegangen bin, mit meiner Situation. Das hat immer, das hat immer kurz die Leute ins Stutzen gebracht und dann aber sich als positiv herausgestellt. Also kann ich nur, kann ich nur, ist vielleicht nicht ein Pauschal, macht das alle so, unabhängig von eurer Situation. Geht vielleicht nicht für alle, also das kann sein. Aber bei mir war es definitiv so und es ist schön zu hören, dass du ähnliche Erfahrungen gemacht hast. Ja, viele Menschen haben leider Angst, zu den Arbeitgebern zu offenbaren, weil sie dann so eine Angst haben, nicht eingestellt zu werden oder halt auch nachteilig behandelt zu werden. Aber der Gag ist ja, die Angst geht ja da nie weg. Also wenn du das nicht zum Thema machst, dann lebst du immer in der Angst, oh, das könnte ja jemand herausfinden. Oh, wie kann ich das denn jetzt vertuschen? Oh, wie muss ich mich jetzt aus dieser Situation rausziehen, damit meine Kollegen nichts bemerken? Also entweder springst du einmal über deinen Schatten und thematisierst das und ja, nimmst das Risiko in Kauf, dass du vielleicht einen Job nicht kriegst. Aber du lebst dann nicht irgendwie jahrelang in so einer komischen, du fühlst dich ja dann wie so ein Verbrecher, der irgendwas zu verheimlichen hat. Und das glaube ich, ist echt heutzutage nicht mehr notwendig. Absolut, das unterstreibe ich. Wie muss ich mir denn dein Arbeitsleben so vorstellen? Du hast gesagt, du hättest es überhaupt nicht mehr verstecken können. Ich weiß jetzt nicht, ob ich fragen will, wie eingeschränkt du in deinem Arbeitsalltag bist. Aber vielleicht magst du mir kurz erzählen, wie dein Arbeitsalltag so aussehen würde. Oder ich weiß nicht, ob du das jetzt, da der Job neu ist, schon so beschreiben kannst. Aber welche besonderen Anforderungen hast du denn an deinen Job? Naja, ich kann ja sagen, wie ich so bisher gearbeitet habe. Also die Sache ist halt auch bei mir, man sieht es mir grundsätzlich im ersten Blick, wenn ich jetzt hier über die Straße laufe, vielleicht nicht an. Aber wenn man mich dann vielleicht genauer beobachtet, beispielsweise bei meinem Handy, dann halte ich mir natürlich deutlich näher ans Gesicht, als der Durchschnitt, der vielleicht auf Bauch, Nadel, Brusthöhe in der Hand hält. Und ich halte es mir halt wirklich ein paar Zentimeter vor die Augen. Plus mache es mir größer, damit ich es halt alles gut sehe. Und dann fällt es natürlich auch auf, dass ich mich vielleicht manchmal vorsichtiger bewege. Aber ich laufe ja auch nicht mit einem Blindenstock oder Ähnlichem durch die Gegend. Deswegen ist es ja auch nicht so auffällig. Aber bezüglich Arbeitsmitteln, da ist wirklich Apple extrem gut. Also Apple hat sogenannte Bedienungshilfen schon in seinen Geräten inkludiert. Also sprich, ich habe ja auch gerade ein MacBook vor mir und rechts mein iPhone. Und die haben wirklich einen, also ich kann mir da auf meinem Bildschirm beim MacBook alles großziehen. Ich kann mir vorlesen lassen, aber nicht von irgendwelchen maschinellen Stimmen, sondern von wirklich schönen, echt klingenden Stimmen. Ich kann direktieren, obwohl ich auch so, ich kann zehn Finger schreiben mittlerweile. Das habe ich halt auch dadurch gelernt, dass ich so schnell schreiben kann. Aber dass ich da halt ein MacBook brauche, war halt so meine Grundvoraussetzung. Einen größeren Bildschirm halt, als meine anderen Kollegen dann wahrscheinlich nochmal zusätzlich. Dass ich einfach einen deutlich größeren Bildschirm habe. Und dann habe ich noch gesagt, ich bräuchte so einen, es nennt sich so ein Screenreader. Also sprich, wenn ich mal Dokumente habe, dass ich die da so runterlege und die mir dann quasi auch nochmal vergrößert dann angezeigt werden. Ja, das ist halt auch alles natürlich andere Anforderungen als jemand, der jetzt keine Behinderung hat. Aber am Ende des Tages ist es halt auch nicht so, wie kann ich das jetzt irgendwie sage, da muss jetzt das ganze Gebäude umgebaut werden. Aber selbst wenn es so wäre, finde ich, ist es aber auch kein Thema. Heutzutage muss irgendwie alles ja auch inklusiv sein, finde ich. Inklusion sollte gelebt werden. Und wenn nicht, bei einer Institution wie bei der Charité, wo dann, denke ich mir. Ich wollte gerade sagen, ich meine, dass das nicht jeder Provinzmittelständler vielleicht leisten kann. Okay, klar, das ist so, ist einfach die Realität. Aber du hast vollkommen recht, jemand wie Charité sollte sich das schon gut überlegen, ob man dann sowas hat. Aber ganz ehrlich, das klingt jetzt alles irgendwie relativ gut handelbar, so rein logistisch. Ja, und die haben da auch total entspannt reagiert. Deswegen bin ich da sehr dankbar. Auch bei meinen vorherigen Jobs, das waren wie gesagt kleinere Unternehmen, da war das auch kein Problem. Da haben die halt einfach anstatt, also bei dem einen Unternehmen haben auch eh alle einen MacBook gehabt. Also da brauche ich dann nicht mal irgendeinen "Extra-Wurst". Bei dem anderen jetzt nicht. Da hatten jetzt keinen MacBook alle, aber da hat mein Chef gesagt, der bestellt halt einen MacBook. Also wenn es so einfach ist, dann genau. Ja, großartig, dass das sich doch dann so gut irgendwie managen lässt an der Stelle. Fühlst du dich trotzdem irgendwie in deiner Arbeitsleistung irgendwie eingeschränkt oder hast du das Gefühl, du könntest noch viel mehr reisen, viel mehr leisten, wenn deine gesundheitliche Situation eine andere wäre? Also ich glaube dann wirklich, dass ich ein bisschen mehr leisten könnte, wenn ich besser sehen könnte, weil natürlich muss ich mir manche Sachen einfach nochmal genauer angucken und durchlesen, weil ich nicht schnell Sachen überfliegen kann natürlich. Oder mir mal irgendein Dokument jetzt ausdrucke und mal 50 Seiten dort mal querlese, sondern klar kann ich auch mal dort mir was vorlesen lassen an der einen Stelle, aber du kannst es ja selber, wenn man es mit den Augen überfliegt, es ist anders, als wenn man es sich irgendwie genau anguckt. Und da bin ich natürlich in gewisser Hinsicht manchmal langsamer, aber an anderen Punkten denke ich, bin ich mindestens genauso schnell. Also zum Beispiel bei meinem ersten Job bei dieser Agentur für Seltene Erkrankung, dort haben wir dann immer Workshops gemacht und da habe ich dann zum Beispiel die Ergebnisprotokolle geschrieben. Mein damaliger Chef hat mich auch immer gelobt, dass ich die halt super geschrieben habe und ich habe die genauso in der selben Zeit, wenn nicht sogar schneller, als manche andere Kollegen geschrieben, weil da geht es ja auch manchmal so darum mitzudenken, wie so ein Ergebnisprotokoll zu strukturieren ist und welche Teile reinkommen. Und ja, deswegen, also ich glaube, so manche Sachen würde ich, glaube ich, schneller machen, aber grundsätzlich denke ich, bin ich trotzdem auch manchmal selber, nicht nur von mir, sondern auch von anderen Menschen beeindruckt, wie viel einfach noch geht heutzutage. Und da bin ich auch noch voll dankbar, auch über die Technik heutzutage, wie viel man einfach noch irgendwie, wie dadurch irgendwie kompensieren kann. >> OLAF SIEGERT: Und was du vorhin auch gesagt hast, das triggert natürlich auch so ein bisschen, auch mehr zu leisten, weil man sich selber gegenüber, aber auch anderen gegenüber, das sich gar nicht eingestehen will, dass man vielleicht irgendwie eingeschränkt ist. Also mich triet es auch, vielleicht sogar noch mehr zu geben, als ich geben würde, wenn ich gesund wäre oder wenn ich nicht eingeschränkt wäre. >> TORSTEN WILLIMS-PFLICKA: Ja, auf jeden Fall. >> OLAF SIEGERT: Jetzt habe ich schon einiges so zwischen den Zeilen rausgehört, manches auch schon relativ explizit. Ich hatte dir ja als Hausaufgabe, als Gesprächsvorbereitung, hatte ich dir ja eine Podcast- Episode empfohlen, wo es um meine Strategien geht, wie ich es schaffe, nicht den Mut zu verlieren, angesichts meiner Situation. Und ich glaube, du hast da auch ganz viele von diesen Tipps und von diesen Strategien. Jetzt würde mich mal interessieren, ob du dich da bei einigen Dingen wiedererkannt hast, welche du vielleicht noch ergänzen würdest oder wo du mir vielleicht auch komplett widersprechen würdest. >> TORSTEN WILLIMS-PFLICKA: Ich muss mal kurz nachdenken, weil das war im November. >> OLAF SIEGERT: Okay, das ist schon sehr lange her. Das habe ich befürchtet. >> TORSTEN WILLIMS-PFLICKA: Wie nah das noch dran ist. Ich glaube, du hast auch von Dankbarkeit gesprochen. >> OLAF SIEGERT: Ja, auch. Dankbarkeit, Akzeptanz und so. Ich habe es tatsächlich jetzt auch nicht komplett vor mir liegen, aber das klingt auf jeden Fall richtig. >> TORSTEN WILLIMS-PFLICKA: Genau, dieses Thema Akzeptanz und Dankbarkeit habe ich auch definitiv gedacht. Das ist ein Thema, wo ich mich sehr widerfinde. Zum einen nicht permanent sich zu fragen, wieso ich, wieso ich, wieso ich. >> OLAF SIEGERT: Genau. >> TORSTEN WILLIMS-PFLICKA: Den Kopf in den Sand zu stecken und zu weinen, das ist auch mal okay und das will ich keinem abreden. Aber man muss dann auch sagen, man nimmt den Kopf aus dem Sand wieder raus und sagt, so scheiße die Situation auch manchmal ist. Ich akzeptiere sie jetzt und bin trotzdem noch dankbar für die Dinge, die ich machen kann oder die ich habe. Selbst jemand, der wirklich noch vielleicht schwerer dran ist, der kann dann vielleicht dankbar sein für die tolle Frau oder den tollen Mann an seiner Seite oder die tolle Familie. Also man hat immer irgendwie Sachen, denke ich, für die man dankbar sein kann. Ich versuche auch trotzdem mich immer noch sehr zu erden und immer zu sagen, auch wenn ich vielleicht im Vergleich zu den meisten irgendwie schlimm dran bin, aber das Schlimmer geht immer. Ich bin lieber dankbar für das, was ich noch habe, also für die 5% Sehvermögen und dass ich super zu Fuß bin und dass ich nicht irgendwie geeingeschränkt bin trotz der MS, was ja auch einige MS haben. Wir haben ja auch gerade Probleme zu Fuß. Ich bin sogar tatsächlich auch sehr sportlich für meine Vordiagnosen. Ich gehe viel ins Fitnessstudio, ich drücke 100 Kilo auf der Bank und bin wie gesagt trotzdem immer, da denke ich immer so, andere Leute, die sind noch ein paar schlimmer dran, die sind trotzdem happy. Und da gibt es viele Vorbilder, an denen man sich auch orientieren kann. Und man muss immer dafür sorgen, dass man sich so an den positiven Leitbildern irgendwie versucht zu orientieren. Und gerade heutzutage gibt es auch viele Leute, die versuchen so negative Leitbilder auch in die Welt zu setzen. Da muss man immer versuchen zu selektieren und sich so auf die positiven Dinge zu fokussieren, finde ich. Also ja, ich hätte es kaum schöner sagen können. Ich würde zwei Gedanken noch ergänzen. Du hast in einem Nebensatz gerade gesagt, es gibt auch die Zeiten, in denen man sich mal schlecht fühlen darf. Das finde ich eine ganz wichtige Erkenntnis, dass es auch erlaubt. Das muss man auch ab und zu mal zulassen. Ich glaube, wenn man das verdrängt, dann kommt es zu einem zurück und meistens schlimmer als vorher. Also es ist auch mal wirklich erlaubt, dass es dir mal ein paar Tage lang echt dreckig geht. Das ist vollkommen okay. – Und gerade auch Männer, finde ich. Bei Männern wird ja auch immer so gedacht, dass Männer früher – ich finde, das wird ja auch noch anders mittlerweile gesprochen – Männer weinen nicht. – Ja, diese ganzen Macho-Sprüche. – Genau. Sei kein Mädchen. – Genau, sei kein Mädchen. Das ist in zwei Hinsichten sogar beleidigend. Einmal für Mädchen, aber auch für Männer, die eine ungewöhnliche Diagnose haben, dass ihnen klar gemacht werden soll, dass sie auch weinen dürfen und auch traurig sein dürfen. Nicht immer stark sein müssen. Ich habe auch mal versucht, immer stark zu sein. – Unter Männern ist ja auch die Selbstmordrate deutlich höher. Das sollte einem an der Stelle vielleicht auch mal zu denken gehen. – Ja, das kommt damit schon auch zusammen. Ich wollte nur noch eine zweite Ergänzung machen. Manchmal fühlt sich das mit der Dankbarkeit super schwer an. Manchmal ist es schwer, wirklich okay. Man kann vielleicht irgendwie, kommt man klar, aber dann noch dankbar zu sein für seine Situation. Das mag vielleicht nochmal schwer sein. Und von Anfang an wird es vielleicht schon reichen, dass man einfach seinen Fokus ein bisschen verändert. Du hast es gerade sehr schön beschrieben, dass man sich eben nicht auf die Dinge stürzt, die man nicht mehr tun kann, sondern im Gegenteil, dass man sich einfach in der Welt, in der man sich jetzt neu bewegt oder was man noch neu tun kann, dass man sich da auf Dinge fokussiert, die einen ansprechen. Dass man für sich was findet, das einen motiviert. Vielleicht hat man nicht mehr die Auswahl aus allen Hobbys. Aber vielleicht kann man in den 20, 30, 40, die dann eben noch möglich sind, vielleicht kann man da ja trotzdem eins finden, das einem auch so Spaß machen würde, auf das man sich stürzen kann. Man muss dann vielleicht nicht mega dankbar dafür sein, aber vielleicht reicht es, was zu finden, an das man zumindest so ein bisschen sein Herz auch hängen kann. Definitiv. Ja, und was du gerade gesagt hast, manche Sachen, auch wenn die nicht mehr möglich sind, wie zum Beispiel bei mir Auto fahren, was ich mittlerweile nicht mehr hinterher traue, also am Anfang war das das Schwerste für mich, aber natürlich konnte ich dann auch nicht mehr, was ich ab und zu früher natürlich auch gerade als junger Mann gern gemacht habe, eine Runde mal auf der Playstation zocken, was wie gesagt überhaupt nicht verwerflich ist. Aber ich glaube, ich sei ganz ehrlich, wäre das mit den Augen nicht passiert, wäre der Corona gekommen, ich glaube, da hätte ich schon ziemlich viel zu Hause rumgehangen und dann auf die Playstation gespielt mit meinen Freunden online. Stattdessen, weil es nicht mehr ging, habe ich in Corona zum Beispiel mich extrem viel gebildet, viel gelesen, mich am Rechner quasi mir Sachen vorlesen lassen, viel gelernt oder halt auch viel Podcast und viele Sachbücher mir vorlesen, also auch Hörspiele gehört und habe anstatt irgendwie wahrscheinlich, wie ich es sonst gemacht hätte in Corona-Zeiten, vielleicht dann drei, vier Stunden am Tag in der Playstation zu sitzen, habe ich mich in der Zeit gebildet und da bin ich auch voll dankbar dafür, dass ich, wenn auch forciert, dort einen Anrundweg gefunden habe, meine Zeit effektiv einzusetzen. Sehr gute Ergänzung und baut mir eine schöne Brücke zu dem einen Thema, das wir gerade im Vorgespräch schon gesagt haben, dass wir nur kurz anreisen wollen und dann vielleicht uns nochmal zu einem Interview verabreden, wenn es denn dann auch so weit ist. Aber vom Lesen zum Schreiben ist es ja nicht sehr weit. Jetzt habe ich gesehen, du hast drei Jahre, glaube ich, gebraucht, um deine Vergangenheit so ein bisschen in einem Buchformen aufzuarbeiten. Du hast das alles mal runtergeschrieben. Kannst du dich noch erinnern, was der Trigger war, das alles mal aufzuschreiben? Ja, also tatsächlich habe ich länger mit dem Gedanken gespielt, ob ich nicht mal so ein bisschen es aufschreibe, aber natürlich gar nicht daran gedacht, das irgendwie im Buchformen zu machen. Und dann habe ich im Mai 2021 meine Bachelorarbeit geschrieben und war eh schon so in diesem Schreibflow drin und habe dann wirklich direkt anknüpfend, als ich mit der Bachelorarbeit fertig war, habe ich dann halt, da war auch immer noch Corona, wenn auch dann der Sommer kam, ist mir aber nicht so wie jetzt heutzutage so oft in Restaurants gewesen oder weggegangen oder wie auch immer, also war auch trotzdem immer noch viel zu Hause und habe dann aber abends immer da gesessen und angefangen, alles niederzuschreiben und habe dann quasi nach drei Jahren mit der ersten Erkrankung, aber ich habe dann innerhalb von knapp einem halben Jahr alles niedergeschrieben und dann habe ich es aber auch erstmal über knapp anderthalb Jahre wieder liegen lassen. Also ich habe wirklich von Mitte 2021 bis Anfang 2022, habe ich da einmal meine ganze Geschichte, die ich am Anfang umrissen habe, wirklich sehr ausführlich und auch zu ausführlich, glaube ich, geschrieben. Dann war ich 2022 fertig und habe mich wirklich bis Mitte/Ende 2023 liegen lassen, dann nochmal überarbeitet und ab jetzt im letzten Jahr 2024, gemeinsam mit einer Literaturagentin, die ich jetzt über LinkedIn kennengelernt habe, auch so total liebe Frau, habe ich ein Exposé erarbeitet und bin jetzt auf der aktiven Suche nach Verlagen. Ich bin, wie gesagt, mir auch sicher, dass das Buch nicht perfekt ist und da auch nochmal ran muss und dann nachgebessert werden muss, aber ja, sind wir gerade auf der Suche nach Verlagen. Da ist leider die Situation folgende, dass natürlich die wirtschaftliche Situation aktuell nicht die beste ist und Verlage am besten sich wünschen, dass da jemand hinkommt, der am besten schon 100.000 Follower mitbringt und dementsprechend schon mal Käufer mitbringt, die dieses Buch dann auch kaufen würden und nicht gerade so experimentell aktuell auf dem Weg sind. Das ist so ein bisschen die Situation. Ich bin da aber so darauf, dass ich denke, naja, wenn es nicht dieses Jahr wird, reicht es auch, wenn es in zwei Jahren wird und am Ende gibt es ja auch nochmal 30 andere Sachen wie Self-Publishing oder bei ein bisschen kleineren Verlagen und das ist so der aktuelle Stand, sage ich mal. Aber dieses Schreiben hat mir wirklich auch nochmal viel geholfen, auch nochmal bei der Reflektion und wie ich so alles empfunden habe, auch nochmal viel geholfen bei der persönlichen Verarbeitung der ganzen Sachen, auch nochmal wirklich eine gute Stütze gewesen. Es hat echt Spaß gemacht und es war auch eine tolle Reise, irgendwie dieses Buch zu schreiben. Das glaube ich. Also da habe ich eine Million Fragen zu, das würde ich aber tatsächlich gerne in einer extra Interviewfolge dann nochmal machen, wenn vielleicht die Veröffentlichung dann auch in Sicht ist. Da würde ich mich sehr darauf freuen. Ich wollte an der Stelle nicht vergessen, Anja zu grüßen, deine Literaturagentin, die uns ja auf LinkedIn vernetzt hat. Also das ist überhaupt der Grund, dass wir heute hier miteinander sprechen. Ja, liebe Grüße an Anja. Genau, vielen Dank dafür. Und ich habe ja auch schon angekündigt, also das hat mich tatsächlich, als wir telefoniert haben letztes Jahr, hat mich das tatsächlich auch total angesprochen, weil ich vieles von deiner Situation, hast du jetzt ja im Gespräch wahrscheinlich auch gerade schon gemerkt, bei mir auch wieder finde und wiedererkenne. Und ich natürlich auch schon, ich meine, ich bin im Bereich Text unterwegs, mein Beruf ist im Prinzip Werbetexter. Ich trage natürlich auch schon sehr, sehr lange in mir den Gedanken, das alles mal irgendwie in Buchform nochmal zu verarbeiten und nochmal irgendwie zu veröffentlichen. Und ich habe jetzt Anja tatsächlich auch schon angekündigt, dass ich mal mit ihr darüber reden würde, weil ich so motiviert war nach dem Gespräch mit dir am Telefon und von deiner Geschichte. Und du hast das jetzt runtergeschrieben. Und ja, auch wenn es drei Jahre dauert, und das wäre bei mir wahrscheinlich ganz ähnlich, aber ich glaube, dass das ein total heißer Prozess sein kann. Das alles mal nochmal aufzureißen, was vielleicht auch weh tut, aber das dann auch wieder abzuschließen, was dann vielleicht tatsächlich dazu führt, dass so der ein oder andere Gedanke, den man schon lange irgendwie, der einem immer wieder hochkommt, der einem schon lange nervt oder so, dass man so etwas vielleicht auch wirklich verarbeiten kann dann damit. Definitiv, definitiv. Hat dein Buch schon einen Titel? Nein. Also da sind so ein paar Titel im Umlauf, aber so einen hundertprozentigen Titel hat es noch nicht. Okay, dann kann man jetzt ganz schlecht schon mal sagen, halte die Augen offen nach diesem Buch, das da irgendwann in den nächsten ein, zwei oder drei Jahren irgendwo erscheinen wird. Aber dann machen wir es doch einfach so. Also wenn sich was ändert, wenn es ein Update gibt beim Thema Buch, dann gib mir einfach einen kurzen Ping, dann lade ich dich auf jeden Fall nochmal hier ein, dann reden wir nochmal ganz, ganz ausführlich über dein Buch und dann auch gerne nochmal über deinen neuen Job. Also da bin ich auch ganz neugierig, wie sich das für dich ausspielt, wie sich das ergibt, wie das ab Februar für dich läuft. Da können wir auch dann sehr, sehr gerne nochmal ausführlicher darüber reden. Sehr, sehr gerne. Auf jeden Fall hat mich auch echt gefreut hier zu sein und ich finde immer wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man irgendwie da ein Gesprächspartner hat. Malik, hast du noch was, was du noch loswerden willst? Ja, vielleicht nochmal an alle, die hier zuhören und die vielleicht auch ab und zu eine schwere Zeit durchmachen und irgendwie denken, es ist ausweglos und irgendwie alles ist scheiße. Es ist vollkommen okay, diese Gedanken zu haben, aber ich möchte euch nur motivieren, zu sagen, das Leben hat immer wieder schöne Seiten und nach jedem Gewitter kommt ein Regenbogen. Und auch wenn man denkt, der Regenbogen ist weit entfernt, aber ich kann euch versprechen, irgendwann kommt dieser Regenbogen wieder. Ich hab's die Tage erst gesagt, das Schöne, das klingt ein bisschen düster, aber das Schöne an einem Tiefpunkt ist, dass es nur eine Richtung gibt. Ja. Also wenn du mal, ja, das ist scheiße, an einem Tiefpunkt im Leben irgendwo festzuhängen oder zu sitzen, aber von da aus gibt es nur eine Richtung. Das ist doch ein positiver Gedanke, das finde ich sehr schön, das mit rauszunehmen aus dieser Episode. Definitiv. Tolle Schlusswort. Malik, vielen, vielen Dank. Ich freue mich jetzt schon auf unser nächstes Gespräch. Ich habe noch, in deinem LinkedIn-Account habe ich gelernt, dass Ende Februar der jährliche Rare Diseases Day ist. Den kann ich ja jetzt auch nochmal hier anmerken, weil das zwingt mich, die Episode auf jeden Fall jetzt in den nächsten Wochen zu schneiden und zu veröffentlichen, bevor Ende Februar. Also das kriege ich dann hoffentlich hin. Und ja, ich freue mich schon, wenn wir uns dann das nächste Mal sprechen. Ich mich auch, Sam. Es hat mir echt großen Spaß gemacht. Sehr schön. Dann schicke ich schmerzliche Grüße nach Berlin und bis zum nächsten Mal. Bis dann. Tschüss. Vielen Dank, Malik, für dieses schöne Gespräch. Ich habe es wirklich genossen. Es war wirklich inspirierend und ich freue mich schon, wenn wir eine Runde zwei dann machen können, wenn dein Buch kurz vor der Erscheinung ist oder schon erschienen ist und ich es vielleicht dann auch mal lesen darf. Da freue ich mich schon sehr drauf. Vielen Dank auch nochmal an Anja, die uns vernetzt hat, die uns zusammengebracht hat. Sie hat einen guten Riecher bewiesen, dass wir beide mit dem Thema gut zusammenfinden. Ja, gute Menschenkenntnis. Danke, danke dafür, Anja. Und was ich natürlich jetzt wieder total vergessen habe, ist, dass ich Malik nach einem Song für meine Schmerzplaylist frage. Also werde ich er einfach einen empfehlen müssen, weil wir sind nicht ganz der gleiche Jahrgang und von daher traue ich mir nicht zu einfach so, so gut kennen wir uns dann doch noch nicht, einfach so seinen Musikgeschmack zu erraten. Und ich habe mir schon einen Song, ich hatte schon einen Song im Ohr, direkt nachdem ich aufgelegt habe und ich hoffe, er versteht. Also Malik, ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, dass es ein Song ist, der sich tatsächlich um Dunkelheit dreht und um Nichtsehenkönnen. Das ist nämlich das, was bei mir so ein bisschen, das hat tatsächlich in meinem Ohr nachgeklungen nach unserem Gespräch, da habe ich mir vorgestellt, wie das so ist, mit derart schweren Schicksalsschlägen klarzukommen. Und dann hatte ich irgendwie diesen Song im Ohr, wo es darum geht, dass das Licht langsam erlischt und dass es plötzlich um einen Dunkleren wird und dass man aber trotzdem irgendwie noch nicht ganz aufgibt. Und das ist irgendwie ein guter Vibe, obwohl es ein ganz, ganz düsterer, ganz, ganz trauriger, ganz, ganz melancholischer Song ist, schwingt für mich da eine positive Note mit, eine Trotzreaktion ein und mögen die Zeiten noch so finster sein, so leicht, so leicht gebe ich nicht auf. Und das ist alles für mich in diesem Song drin. Ich habe tatsächlich, also jetzt nenne ich ihn vielleicht nochmal, das ist von Leonard Cohen, der Song "You Want It Darker". Den hat er tatsächlich wenige Wochen vor seinem Tod geschrieben und er hat ihn geschrieben, weil er natürlich ein bisschen verbittert, verbittert angesichts der schlimmen Dinge, die er in seinem Leben mit ansehen musste, war. Er ist Jude, hat den Zweiten Weltkrieg als Kind, glaube ich, miterlebt oder zumindest auch die Auswirkungen in der Familie irgendwie mitbekommen. Und also, ja, ich finde, wir stehen jetzt tatsächlich gerade wieder an so einer Weggabelung, in die, ja, wo wir nicht so weit weg davon sind, wieder in eine dunkle, in eine sehr, sehr dunkle Ära abzubiegen. Und ich hoffe, dass wir noch die richtige, dass wir den Trotz finden, dass wir aufstehen und dass wir die richtige Kurve nehmen. Und jetzt interpretiere ich wahnsinnig viel in einen Song rein, den ich nur ausgewählt habe, weil es um Dunkelheit ging. Das ist ein bisschen krass, aber tatsächlich habe ich eine Analyse gelesen und seitdem gefällt er mir noch viel besser, denn für mich, für mich bringt Leonard Cohen hier so ein bisschen seinen Trotz rein, seinen Trotz angesichts des Todes, sein, er hadert ein bisschen mit seinem Schöpfer, aber am Ende schließt er Frieden mit sich, mit der Situation, mit seinem Gott und er kann dann doch, so klingt es für mich zumindest, er kann dann doch ruhig in Gewissens sterben und das ist ein wahnsinnig kraftvoller Song, easily in den Top Ten meiner Lieblingssongs, obwohl ich ihn erst seit ein paar Jahren, der habe ich wirklich erst vor ein paar Jahren entdeckt. Ich meine, ich habe den Song zum ersten Mal gehört in einem Trailer zu einem Assassin's Creed, das war wahrscheinlich Odyssey, ich bin mir nicht mehr 100% sicher, aber das würde passen, weil Ubisoft hat wirklich eine hohe Treffergenauigkeit, was meinen Musikgeschmack angeht, wenn sie Trailer veröffentlichen. Es gab schon mal so einen Song, der wirklich lange, lange bei mir geblieben ist, nach einem Trailer zu Drive, aber das ist egal, das ist eine andere Geschichte. Ich schicke euch schmalzliche Grüße und ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns das nächste Mal wieder hören.