#6 Lehren aus Enttäuschungen – Realistische Hoffnungen für die Zukunft
16.12.2024 35 min
Zusammenfassung & Show Notes
In dieser Folge verabschiedet sich Elsbeth Horbaty von Leipzig, einer Stadt, die sie in den letzten Monaten intensiv inspiriert hat. Sie nimmt uns mit auf eine Reise zu Menschen und Gemeinschaften, die Mut machen und neue Perspektiven für eine gerechtere Welt schaffen.
Abschied von Leipzig
- Elsbeths letzte Folge aus Leipzig, bevor es nach Brasilien geht.
- Reflexion über ihre Ankunft vor einigen Monaten, um neue Ideen und Gemeinschaften zu entdecken.
- Leipzig als Quelle der Inspiration: Eine Stadt voller Geschichte und Kultur, die von Persönlichkeiten wie Goethe und Bach geprägt wurde.
Geschichten der Hoffnung und des Engagements
- Rückblick auf die Menschen und Projekte, die im Podcast vorgestellt wurden:
- Initiativen für bezahlbaren Wohnraum.
- Menschen, die gegen Umweltverschmutzung kämpfen.
- Interviews mit engagierten Persönlichkeiten, die Licht in schwierige Situationen bringen, sei es in Afghanistan oder anderswo.
- Ein besonderer Austausch mit einem Filmregisseur über das Thema "Licht".
Politische Veränderungen in einer bewegten Zeit
- Reflexion über die Wahl Donald Trumps in den USA und die bevorstehende Bundestagswahl in Deutschland.
- Entwicklungen im Nahen Osten, die die Welt in Atem halten.
Ein Blick zurück: Elsbeths persönliche Reise
- Ihre Kindheit in Winterthur, Schweiz, und die prägenden Jahre in einer politisch bewegten Zeit.
- Erfahrungen in Nicaragua während der Revolution der 70er- und 80er-Jahre:
- Begegnung mit tiefen sozialen Ungerechtigkeiten.
- Der Traum eines dritten Weges zwischen Kapitalismus und Kommunismus.
- Begegnung mit Karim Saab in Potsdam, der ebenfalls auf der Suche nach neuen Perspektiven war.
"Omas gegen Rechts": Mutige Stimmen in Leipzig
- Treffen mit Ilke und Ines von der Initiative „Omas gegen Rechts“:
- Wie sie sich gegen Faschismus, Rassismus und Frauenfeindlichkeit engagieren.
- Ihre Aktionen auf Märkten, bei Gegendemos und in kleineren Städten.
- Die Bedeutung von Solidarität und Aufklärung in der Gesellschaft.
Neue Horizonte in Brasilien
- Vorschau auf die nächste Podcastfolge aus Brasilien:
- Begegnung mit einer brasilianischen Musikerin, die nach 25 Jahren in der Schweiz zurückkehrt.
- Erkundung neuer sozialer und gesellschaftlicher Bewegungen in Brasilien.
- Reflexion über gemeinsame Lichtspuren und globale Verbundenheit.
Dank und Ausblick
- Ein herzliches Dankeschön an alle Hörer*innen für die Begleitung auf dieser Reise.
- Vorfreude auf neue Entdeckungen und Geschichten aus Brasilien.
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Transkript
Willkommen bei Traces of Light.
Elsbeth Horbaty nimmt dich mit auf die Suche nach Menschen und Gemeinschaften,
die in diesen schwierigen Zeiten Mut machen.
Heute sende ich meinen letzten Podcast hier aus Leipzig.
Nachher geht es weiter mit der Reise nach Brasilien.
Vor ein paar Monaten bin ich hierher gekommen,
mit dem Gedanken, in dieser Ecke der Welt neue Ideen und Gemeinschaften zu entdecken,
die uns in diesen turbulenten Zeiten Mut machen könnten.
Leipzig, eine Stadt voller Geschichte und Kultur, hat mich angezogen.
Ich hoffte, dass diese Stadt, wo die Spuren von Goethe, Bach und anderen bedeutenden Deutschen
und die Spuren der Bände zu spüren sind, mich inspirieren würde.
Das ist dieser Stadt gelungen.
In den vergangenen Monaten habe ich in meinem Podcast Geschichten von Menschen erzählt,
die sich für eine bessere Welt einsetzen.
Ich sprach über Initiativen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen,
über Menschen, die sich gegen die Vermüllung unserer Welt einsetzen.
Ich habe Menschen interviewt, die sich mit ihrem Engagement Licht in die dunkelsten Ecken der Welt bringen,
sei es in Afghanistan oder anderswo.
Es ist mir auch gelungen, mit einem Filmregisseur über das Thema Licht nachzudenken.
Vieles.
Es hat sich in dieser Zeit verändert.
Trump wurde zum nächsten Präsidenten in den USA gewählt.
Gewählt wird auch in Deutschland ein neuer Bundestag.
Und im Nahen Osten ist im Moment alles in Bewegung.
Zum Abschluss meines Aufenthalts in Leipzig möchte ich der Frage nachgehen.
Was gibt den Menschen Mut, etwas Neues zu beginnen oder sich für eine gerechtere Welt einzusetzen?
Vielleicht kann ein Blick in die Vergangenheit,
vor allem jungen Menschen, inspirieren.
Was waren unsere Ideale?
Wo sind wir gescheitert?
Dazu möchte ich zuerst von mir erzählen.
Ich bin in Winterthur, einer Arbeiterstadt in der Schweiz, aufgewachsen.
Eine kaufmännische Lehre in einem grossen Handelsunternehmen,
das mit Kaffee und Baumwolle handelte,
verhalf mir, die Mechanismen globaler Ungerechtigkeit im Handel zu verstehen.
Damals, in den frühen 70 Jahren, war ich tief von der politischen Bewegung geprägt,
die sich gegen den Kolonialismus und für die Unabhängigkeit der Staaten Afrikas und Lateinamerika einsetzte.
Wie viele meiner Generation reiste ich 1976 in die USA und nach Lateinamerika,
um mit eigenen Augen die Welt zu sehen.
In Nicaragua, wo ich Verwandte hatte, wurde mir der tiefe soziale Unterschied,
zwischen Arm und Reich, sehr deutlich vor Augen geführt.
Ich hatte schon vorher die Bücher von Simon de Beauvoir und André gelesen.
Diese inspirierten mich, nicht nur kritisch zu denken, sondern eben auch aktiv zu handeln.
Ähnlich wie die Frauen, die in der französischen Resistanz gekämpft hatten.
Das inspirierte mich und so schloss ich mich der Bewegung des Volkes an,
die den Diktator Anastasia Sorbonne,
die in den 80er-Jahren in der DDR gesucht hat.
Mein grösster Traum war es, einen dritten Weg zwischen den Extremen von Kapitalismus und Kommunismus
oder einen Weg zwischen Ost und West zu finden.
Auf der Suche nach anderen Menschen, die einen ähnlichen dritten Weg gesucht haben,
bin ich auf Karim Saab gestossen.
Er hat diesen Weg damals in den 80er-Jahren in der DDR gesucht.
Wir haben uns in Potsdam getroffen,
und uns wie zwei gute alte Freunde unterhalten.
Es war genau an dem Tag, an dem der Diktator Assad in Syrien gestürzt wurde.
Ich sitze hier in Potsdam-Babelsberg mit Karim Saab.
Was verbindet mich mit Karim Saab?
Also ich bin ja 70, er ist noch ein Weilchen dahin.
Nach sieben Jahren.
Genau.
63.
Genau.
Und wir sind eine ältere Generation.
Ich bin eben auf der Suche, wo gibt es heute mit all diesen Schwierigkeiten, die wir haben,
Ideen, neue Lichtspuren auf dieser Welt.
Manchmal muss man zurückschauen, bevor man wieder vorwärts schauen kann.
Und in dieser Rückschau bin ich auf einer Webseite auf Karim Saab gestossen.
Er hat dem, während ich in Nicaragua gearbeitet habe,
oder die Revolution schon hinter mir hatte,
hat er hier in Leipzig dazu mal in den Ende 80er Jahren sich auch für Nicaragua interessiert.
Was hast du gemacht, Karim?
Ja gut, das war dann schon Anfang der 80er Jahre.
Die Revolution in Nicaragua, mit der sich ja viele Hoffnungen verbunden haben,
gerade in der westlichen Welt, in unserer Generation, die fand ja 1979 statt.
1979.
1979.
Und dann gab es diese Soli-Bewegung in Westdeutschland.
Und in der DDR war ja alles sehr zementiert und festgefahren.
Und es gab überhaupt keine politische Kultur.
Es war ja alles sehr zentralistisch.
Und naja, wir waren da eigentlich ziemlich schlitzohrig, würde ich im Rückblick sagen.
Diese Revolution wurde ja immer gefeiert.
Ja.
Offiziell von einer herrschenden sozialistischen Einheitspartei.
Und wir haben ja von Kindesbeinen eingebläut bekommen.
Wir leben in der Phase des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus.
Und da war ja dann Nicaragua sozusagen ein Beweis dafür, dass die Welt gut wird.
Wir sprechen ja über die Hoffnungen, die unsere Generation, unsere Jahrgänge hatten,
und die sich eben zerschlagen haben.
Und das wäre natürlich schon gut, wenn man das weitergeben könnte, was wir an Erfahrung
gemacht haben.
Ich selbst habe vier Kinder.
Ich glaube, mir ist das nicht so gelungen, das weiterzugeben.
Also meine Kinder haben das nie verstanden, was ich mit Nicaragua am Hut hatte.
Also ich habe in der DDR gelebt, hinter der Mauer.
Wir konnten nicht reisen.
Wieso habe ich mich da nicht verstanden?
Weil ich dann in so einer kaputten Stadt wie Leipzig damals war, da für Nicaragua engagiert.
Das war sicher der Versuch, irgendwie die Welt, die große, weite Welt zu verstehen.
Und wir lebten natürlich im Ost-West-Konflikt, der uns geprägt hat.
Und die Welt war viel größer.
Es gab eben diesen Süden noch.
Und deshalb konnte man in Leipzig eben auch Leute kennenlernen.
Leute aus dem Süden kennenlernen, weil die DDR eben in der Hoffnung, dass die Welt
sich vom Kapitalismus zum Sozialismus hin entwickelt, hat sie ja dann so Länder wie
Mosambik, Angola, Vietnam unterstützt, auch indem dann Studenten ins Land geholt wurden,
später dann auch Gastarbeiter, also Billig-Arbeitskräfte gab es dann auch viele, und die lebten teilweise
sehr.
Naja, ausgegrenzt.
Also die hatten dann so eigene Plattenbauten, wo keine Deutschen ein- und ausgingen.
Und zu denen haben wir dann auch Kontakt gesucht.
Und dann kam eben diese Nicaraguaner, und ja, das kann man heute kaum nachvollziehen,
wieso jemand in der DDR sich da so für diese Revolutionen da begeistern konnte.
Weil da war so viel.
Warum?
Weil da sozusagen die ganzen Schubfächer, in denen wir leben mussten und mit denen wir
konfrontiert waren, irgendwie über den Haufen geworfen wurden.
Also wir, das war letztlich eine soziale linke Revolution, aber 95 Prozent der Einwohner
waren Katholiken.
Und in der DDR hat man ja immer praktisch die Kirche so auf die Seite der, des Bürgertums
und des Westens sortiert.
Und wir sind ständig im Konflikt zwischen Kirche und Staat, Jugendweihe und Konfirmation
und so weiter, was aufgewachsen.
Dann gab es natürlich damals die pazifistische Bewegung, die Schwerter zu Flugscharen.
Dieser wirklich starke Druck, gerade auf Jungs, dass man länger zur Armee gehen soll, dass
man das Land verteidigen muss.
Und so.
Und da hat man natürlich eigentlich dann sich als Pazifist definieren wollen.
war so ein Widerspruch, so ein Paradoxon, was man aber damit auch gedanklich angegangen
ist.
Also diese Sandinisten haben ja schon mit Waffengewalt da den Diktator vertrieben.
Und so, da, also war das jetzt gut.
Also da haben wir sehr viel darüber diskutiert aus dieser Schwerter zu Flugscharen Perspektive
Oder war das nicht gut?
und haben da glaube ich auch ein differenzierteres Bild erhalten.
Außerdem war es eine ganz einfache Hoffnung.
Also es gab ja diese Phrase, dass die Sandinisten barfuß zum Sieg gekommen sind.
Also niemand hatte damit gerechnet, dass die, dass die da diesen Diktator, der ja alle Armee,
also die hochgerüstete Armee.
Und die hoch ausgerüstet war, über die verfügte und dass da so Bauern letztlich den, den verjagen
können.
Das war eigentlich eine Utopie.
Das war eigentlich.
Also da gab es, damals gab es ja so einen Spruch wie, du hast keine Chance, nutze sie.
So, so wirkte das plötzlich.
Also wir hatten natürlich auch den Traum eigentlich, den haben wir uns fast gar nicht
gewagt auszusprechen, dass diese alten Herren vom Politbüro da alle verschwinden.
Und wir haben das dann wahrscheinlich, statt es auszusprechen, eben projiziert nach Nicaragua,
diese Hoffnung, dass sich da ohne, also aus einer Position der Schwäche heraus, so ein
Umsturz ermöglichen lässt.
Und jetzt, heute Nacht ist der Assad da vertrieben worden aus, aus Julien.
Das ist ja auch, stellt sich ja auch so dar.
Es ist ja unvorstellbar, dass jemand, der, der so eine hochgerüstete Armee hat.
Und die ganze Diktatur angeführt hat seit Jahrzehnten, Familienclan, dass der plötzlich
so verschwinden muss aus dem Nichts.
Ja, genau.
Und ich war ja auch eben in Nicaragua, habe geholfen, dass diese Diktatur gestürzt wurde.
Eben auch in der Hoffnung, jetzt nicht den Sozialismus zu ändern, sondern den Hardcore-Kapitalismus,
der ja Nicaragua eigentlich immer ausgebeutet hat.
Ja, genau.
Also die Amerikaner haben immer gesagt, der Diktator Somoza is the son of a bitch, but
he is our son of a bitch.
Das war der Hinterhof, wo die Bananen, die billigen Bananen herkamen.
Genau.
Und da hat man einfach die ganze Kaffee, Baumwolle, Fleisch, alles Mögliche, wurde dann auf Rücken
dieser sehr, sehr armen Bauern ausgetragen.
Und ich habe immer gesagt, jeder normale Europäer, der zu den Diktatoren kommt, der
zu der Zeit, wo ich nach Nicaragua kam, auch gekommen wäre, hätte auch die Revolution
mitgemacht.
Weil das ist so offensichtlich war, dass das die Ungerechtigkeit.
Und da gab es junge Menschen, die haben da was dagegen gemacht.
Und dann habe ich halt auch mitgemacht und gedacht, wir treffen irgendwo einen neuen
Weg, oder?
Ja, genau.
Nun war die DDR ein Land, in dem es nur sehr, sehr selten Bananen gab und auch keinen Kaffee
oder der Kaffee war sowas von unverschämt teuer.
Das kann man sich heute gar nicht vorstellen.
Eigentlich konnte man sich das gar nicht leisten, so einen Bohnenkaffee, wie es immer hieß.
Also in den Betrieben wurden teilweise, wenn es da Kaffee gab, wurde es mit Apothekerwagen
abgewogen.
Also so wertvoll wurde das Kaffeepulver gehandelt, dass da jeder, weiß nicht, vier Gramm pro
Tasse oder sowas bekam, dass da keiner mehr bekam.
Mein Pferd.
Ja.
Und natürlich.
Ja.
Und das hat uns als Jugendliche, um die 20 rum, haben wir uns natürlich auch überlegt,
was ist jetzt unser Ideal.
Und das war vorgeblich nicht die Konsumgesellschaft der Westen.
Das konnte man sich ja überhaupt nicht vorstellen.
Eine angebotsorientierte Gesellschaft, bei uns war es ja eher eine Mangelgesellschaft.
Aber das war natürlich schon sehr theoretisch.
Weil wir konnten uns das wirklich nicht vorstellen.
Du hast dich dann angefangen für Nicaragua zu interessieren.
Vor allem auch wegen der Religion, hast du gesagt.
Nein.
Nein?
Nein, nein.
Es gab praktisch verschiedene Themen, die einfach durch die sandinistische Revolution
neue Perspektiven oder Antworten brachten.
Zum Beispiel auch Wirtschaft.
Also bei uns gab es eben überhaupt keine Privatwirtschaft.
Und die nicaraguanische Revolution sprach dann von Mischwirtschaft.
Also genossenschaftliches Eigentum, Privateigentum und sogenanntes Volkseigentum oder Staatseigentum.
Das waren drei Säulen, die da nebeneinander gleichberechtigt auch durchaus miteinander
konkurrieren sollten.
Das wäre sozusagen auch eine alternative Idee gewesen.
Heute denke ich, naja, die westliche Gesellschaft ist schon die deutlich bessere,
weil sie eben Genossenschaften möglich macht, zum Beispiel.
Nicht nur im Westen, wo man jetzt sozusagen antikapitalistische Wege gesucht hat,
Auswege gesucht hat, auch in so einem zentralistischen, sogenannten sozialistischen Staat,
wie der DDR, bestand die Hoffnung, dass es einen Ausweg gibt aus dieser bipolaren Welt.
Genau, ja.
Und das habt ihr versucht eben über, ihr habt wie einen Verein gegründet in der DDR.
Es gab ja keine Vereine.
Es gab keine Vereine, die politische Kultur hat sowas nicht vorgesehen.
Wir haben einfach uns hingesetzt mit Schreibmaschine und Durchschlägen,
einen Aufruf geschrieben.
Ich mit zwei Freunden.
Ich weiß noch, der erste Satz begann mit, wir sind drei Werktätige.
Also um sozusagen...
Arbeiter.
Wir sind Arbeiter oder so.
Und naja, und wir haben aber trotzdem von vornherein gesagt,
wir machen das nicht so, wie die DDR das praktizierte.
Also es gab in der DDR ein, wie nennt man das, Solidaritätskomitee.
Also die Leute in den Betrieben mussten zum Beispiel jeden Monat irgendwelche Soligelder,
also zehn Pfennig oder was sollte da jeder Marken kleben.
Was hat dann das Solidaritätskomitee der DDR bekommen?
Aber man hat nie erfahren, was mit dem Geld eigentlich passiert ist.
Das war eigentlich nur so eine Unterwerfungsgeste, dass man eben da diese Marken da kaufte.
Und wir haben gesagt, nö, nö, wir wollen ja von denen auch was lernen.
Das war ja die Idee auch der westdeutschen Nicaragua-Gruppen.
Wir gehen dann in Austausch.
Wir wollen wissen, was die brauchen, was können wir ihnen schicken.
Wir wollen mit denen in Verbindung treten.
Und das war ja schon gar nicht möglich, weil keiner von uns reisen konnte.
Also mussten wir, waren nur auf Vermittlung angewiesen.
Aber wir haben dann immerhin da ein Landschulzentrum,
Montefresco bei Managua in der Nähe, als Partneradresse bekommen.
Haben mit denen auch dann Briefe ausgetauscht und irgendwann dann auch Pakete schicken wollen.
Aber es ging uns nicht nur um Nicaragua, das muss ich deutlich sagen.
Es ging eigentlich darum, diese festgefahrene Situation in der DDR irgendwie zum Tanzen zu bringen.
Und das ist uns auch deutlich gelungen.
Also weil der Staat konnte damit nicht umgehen.
Die haben gemeint, was, das ist doch unser, also Nicaragua-Revolution, das ist doch was Gutes, ja gut.
Aber wie, das sind jetzt, die machen da auch in der Kirche Veranstaltungen.
Ja, was ist denn da los?
Also die waren da auch selber völlig verunsichert und haben uns vielleicht ein, zwei Jahre irgendwie gewähren lassen.
Und wir haben dann auch viele Veranstaltungen gemacht, Konzerte mit Liedermachern,
mit, sogar mit Rockgruppen, mit Schriftstellern.
Da waren natürlich auch viele kritische Geister mit dabei, die unter diesem,
ja es war jetzt kein, es war kein Vorwand, es war schon ehrlich gemeint,
aber wir haben dann natürlich so viele Probleme und Schwierigkeiten bekommen,
dass man merkte, also es ist völlig absurd, sich in der DDR für so ein fernes Land zu engagieren.
Wir müssen erstmal unsere eigenen Verhältnisse klären.
Und das war, wenn man so will, war das ein Vorbote der friedlichen Revolution dann.
Schön, ja.
Also bei uns in der Schweiz macht ja dann mein Bruder auch ein Solidaritätskomitee.
Also es war auch klein und man hatte große Hoffnungen,
dass jetzt eben vielleicht ein dritter Weg möglich wäre für die Länder im Süden.
Also weder Ost noch West, sondern man wusste nicht genau wohin.
Also für mich war es eher so die Sozialdemokratie,
wie zum Beispiel in Chile damals, also unter Allende stattgefunden.
Die hatten ja, wir hatten in Winterthur, wo ich aufgewachsen bin,
sehr viele Flüchtlinge aus Chile gehabt.
Und das war so ein bisschen meine Vorstellung.
Und sowohl dein Projekt als mein Projekt ist ja dann schlussendlich auch in Nicaragua eigentlich gescheitert.
Also nebst ein paar Jahren, wo man das Gefühl hatte, es kommt was Neues,
kam ja dann relativ schnell, also nach zwei Jahren Fidel Castro und hat gesagt,
das ist jetzt unser Bruderland.
Wir werden die Politik hier so machen wie in Kuba.
Also schlussendlich dann eben auch wie in der DDR.
Weiß nicht, hast du das auch mitgekriegt?
Ja, also erstmal finde ich interessant, dass du auch jetzt von den chilenischen Flüchtlingen sprichst.
Also ich weiß noch, im Kindergarten gab es griechische Flüchtlinge.
Da gab es ja auch in der DDR.
Da gab es ja auch eine Diktatur.
Da gab es eine Diktatur, da gab es auch politische Flüchtlinge, Kommunisten wahrscheinlich.
Dann, ich kannte auch einige Chilen.
Also ich glaube sogar Honegger war ja mit irgendwo da.
Ich glaube der hatte einen Schwiegersohn oder so aus Chile oder so.
Sind ja dann schlussendlich auch dort gelandet.
Sind dann da gelandet, genau.
Also und von denen ging natürlich ein Enthusiasmus aus.
So was Leuchtendes.
Dann diese Folklore oder diese Lieder und diese Klarheit.
Ja, das war letztlich revolutionär was, ein Pathos.
Und in der DDR, wo ja Brecht immer gesagt hat, weiß nicht, die Mühen der Ebene sind das jetzt.
Da war das alles eben völlig verwickelt.
Und da musste man erstmal sein.
Klar, man musste da schon sehr viel komplexer argumentieren.
Und die hatten eben so eine Eindeutigkeit.
Von der eine Faszination ausging.
Und ich war jetzt keiner, der Illusionen hatte, was die DDR betrifft.
Aber mir war es auch immer wichtig, dass in dieser Nicaragua-Gruppe jeder mitmachen kann.
Also da gab es sicher auch Leute, die ein anderes Verhältnis, also nicht so ein kritisches Verhältnis wie ich hatte zum DDR-Sozialismus.
Wir hatten auch zum Beispiel jemanden dabei, der in der SED war.
Aber stellte sich dann später leider heraus, dass er eben Stasi-Spitzel war.
Aber der hat das offiziell gespielt und wir haben ihn nicht ausgegrenzt deshalb.
Also wir waren sogar ein bisschen stolz, dass wir eben diese Kluft zwischen Kirche und Staat und zwischen...
Ja, es war eine...
Also...
Leuten, die dem realen Sozialismus eben zugetan waren, die ihn sehr kritisch gesehen haben, dass wir die irgendwie nicht befolgt haben.
Und natürlich waren wir da sehr, sehr skeptisch, dass Nicaragua immer näher an das sozialistische Lager gerückt ist.
Und uns war auch deutlich, dass zum Beispiel die Staatssicherheit da auch viel exportiert hat hin an Know-how,
an dem, worunter wir da litten.
Und letztlich diese Hoffnung, dass da eben, was ich schon angedeutet habe, als dritter Weg, wie wir das jetzt ausgefüllt haben,
dass diese Hoffnung, dass da was Drittes entsteht zwischen West und Ost, die zerschlug sich dann doch sehr schnell.
Ich habe miterlebt auch, dass die BRD, also Westdeutschland, damals eben auch grosse Hoffnungen hatte an Nicaragua
und man versuchte, die Sozialdemokratie in Zentralamerika zu fördern.
Sie haben damals Kaderschulung gemacht für die sandinistischen Botschafter, das weiss ich noch,
oder eben halt wie... politische Schulung, das war ihr Thema, ja, das ist heute noch die Sozialdemokratie.
Mhm.
Und ich glaube, damals eben, dass diese Verlagerung, wo man nicht wusste, wo genau gehört jetzt Nicaragua hin,
ist natürlich dann schlussendlich auch von den Amerikanern zu Tode geschlagen worden.
Die haben ja damals dann die Contras mit unterstützt und aufgebaut und dann kam ganz klar ein Krieg gegen die nicaraguanische Regierung,
gegen die nicaraguanische Bevölkerung.
Mhm.
Was zum Teil grausame Auswirkungen hat.
Also ich habe das selber auch gesehen, was da passiert ist.
Mhm.
Und ja, ich glaube, das hat dann schlussendlich auch die Fronten wiederum für den Sozialismus gehärtet.
Mhm.
Ja, wenn wir so angegriffen werden, ja.
Also interessant, dass ausgerechnet die Amerikaner dann so eine Polarisierung betrieben haben.
Wurden ja dann die Häfen vermint.
Genau.
Und das Land sollte isoliert werden und so.
Also, dass eben nicht nur die UdSSR, sondern auch Amerika eigentlich Angst hatten vor diesem guten Beispiel eines dritten Weges.
Wobei man diesen Begriff dritter Weg wahrscheinlich heute auch sehr viel kritischer sehen muss.
Ich denke, da ist wirklich viel geschehen.
Also viele Westdeutsche oder Deutsche generell sind ja dann nach Nicaragua gegangen aus der Schweiz.
Hunderte von Leuten.
Alle haben sich an dieser Euphorie vielleicht, an diesem dritten Weg, an dieser Illusion beteiligen wollen.
Die Leute haben auch viel profitiert vor Ort in dem Sinn.
Irgendwann ist es dann eben gekippt.
Die Sandinisten haben die Wahlen verloren dazumal.
Das war gleich nach der Wende, ob das von dem beeinflusst war.
Die Wende war 1989 und die Sandinisten haben ja dann 1990 auch die Wahlen verloren.
Mhm.
Und dann gab es eine Zeit, wo man echt dachte, man hat vielleicht doch die Demokratie in einem Drittweltland.
Heute sagt man, im globalen Süden wäre möglich geworden.
Leider ist das nicht passiert.
Also heute haben wir ja wieder eine ganz extreme Diktatur in Nicaragua.
Und deshalb denke ich, ist es schön mit dir, uns mal zu unterhalten.
Wo ist denn eigentlich die Dinge?
Wo sind die schief gelaufen?
Und eben, wo wäre jetzt vielleicht noch ein Ausblick?
Wo könnte man nochmals beginnen?
Du sagst, dass wir bei der Basis bleiben, dass die Leute wirklich das verändern, wo sie leben auch.
Und nicht jetzt in fremde Länder gehen vielleicht.
Aber ja, was meinst du?
Nein, also ich denke schon, dass wir den Kaffee, den wir täglich trinken,
dass uns das schon interessieren sollte, unter welchen Bedingungen der entsteht oder angebaut wird.
Und also natürlich, gerade in einer globalisierten Welt wäre das natürlich,
ist das ein sehr schönes Ideal, dass man sich verknüpft mit Leuten im Süden oder Norden oder wo auch immer.
Und erfährt, wie die leben.
Und was ihre Probleme sind.
Also diesem Ideal würde ich nach wie vor anhängen.
Nur man darf nicht die Hoffnung, die vor Ort unerfüllbar sind, in die Ferne projizieren.
Also das war, glaube ich, ein großer Fehler.
Und dann würde ich eben auch meinen, die Enttäuschung, die jetzt auch aus deinen Worten spricht,
also letztlich ist man der Diktator.
Ja.
Also Ortega heute war immer der Leader, der Führer dieser sandinistischen Bewegung.
Also es könnte deutlicher gar nicht sein, dass eben eine Revolution hier wieder in einer Diktatur gelandet ist.
Das ist ja praktisch der Klassiker.
Ja.
Die französische Revolution, wenn man damit anfängt oder so.
Also man darf da eben...
nicht übertriebene Hoffnungen mit verbinden.
Und deshalb würde ich sagen, diese Enttäuschung, die du oder ich früher oder später da durchgemacht haben,
hat auch was sehr Positives.
Also man legt die Täuschung ab.
Man enttäuscht sich.
Man wird realistischer.
Und kann dann immer noch im Einzelnen schauen,
was für Hoffnungen man hatte,
in welchen Bereichen man Alternativen dort verwirklicht sehen wollte
und was daraus geworden ist.
Zurück in Leipzig traf ich Ilke und Ines im Volkshaus.
Zwei Frauen von der Initiative Omas gegen Rechts.
Dieser Verein von Frauen meist über 60 wurde vor sieben Jahren in Österreich gegründet.
Sie wollen einen Beitrag zum Schutz der Demokratie leisten,
um auf die bedrohliche Zunahme von Faschismus, Rassismus, Antiseminismus und Frauenfeindlichkeit zu reagieren.
Sie stellen sich auf in Märkten,
machen Gegendemos, wenn Rechtsextreme unterwegs sind.
Ich fragte die beiden, was sie antreibt, sich so zu engagieren.
Also ich bin seit Januar diesen Jahres mit dabei.
Und mich hat aufgeschreckt diese Recherche von Korrektiv in Potsdam.
Und das wurde natürlich groß in der Zeitung, alles im Fernsehen gebracht.
Und da habe ich mir gesagt,
nee, da kannst du jetzt nicht ruhig zu Hause sitzen bleiben.
Jetzt guckst du mal, wo du dich anschließen kannst.
Und habe zufälligerweise von den Omas gegen Rechts Leipzig mitbekommen.
Und da war gerade eine Mahnbacher.
Und da bin ich dann mit hin und habe mir das alles angeguckt, was sie so machen.
Da haben wir ja unsere Plakate.
Und dann wollen wir ja die Leute dort erreichen, dass die uns nicht zuhören,
sondern wir wollen versuchen, ein bisschen aufzuklären, was das ja eigentlich bedeutet, die AfD.
Und es gibt ja nicht nur die AfD.
Es gibt ja so viele, die Identitäre Bewegung, dann der Dritte Weg.
Und wie die alle heißen.
Die sind ja alle gefährlich.
Und das ist ja das Schlimme an der ganzen Sache.
So.
Und wie gesagt, wir sind ja dann auch, wir fahren auch auf die Länder.
Also in die Dörfer oder Kleinstädte wie Grimma zum Beispiel oder Klauchau,
wo die ihren Parteitag letztes Jahr hatten.
Wo waren wir noch?
Wurzen.
Wurzen.
Also dort wo, mittlerweile gibt es auch in den Orten schon die Omas gegen Rechts.
Zumindest ein Teil.
Das sind ganz mutige Leute.
Und die fragen uns dann an, ob wir sie mit unterstützen.
Und dann machen wir uns auf den Weg und unterstützen sie dort mit.
Und was genau macht die?
Da zählt schon die Anwesenheit.
Gegendemos machen wir zum Beispiel in, wo waren wir hier, wo die Rechten durchgelaufen sind, die Freien Sachsen.
Das war, ich habe den Ort jetzt vergessen, aber auch ein ganz bekannter Ort.
Und da haben die Omas uns eingeladen.
Und da haben wir praktisch eine Gegendemo gestellt.
Und woher kommt dieser Mut, da mitzumachen?
Wo der herkommt?
Ja, man muss irgendwie was machen.
Also wenn ich jetzt zum Beispiel höre, dass oder wenn die ausgeben, dass die Frauen mit an den Herd gehen sollen
und fünf Kinder kriegen sollen, wie das der Herr Höcke gerne möchte, da sträuben sich mir die Haare.
Die Frau hat genau die gleichen Rechte wie die Männer.
Und wir können nicht, einfach nicht zuhören.
Wir können nicht zulassen, dass sie machen, was sie wollen.
Das geht einfach nicht.
Und es müssen sich eigentlich immer auch mehr Leute von uns zusammentun.
Nicht nur die Omas gegen Rechts.
Jetzt haben wir Eltern gegen Rechts hier in Leipzig.
Die haben sich an uns ein Beispiel zum Beispiel genommen.
Ja, mit denen kooperieren wir auch.
Und haben das gegründet.
Und es gibt eigentlich viele Bewegungen hier.
Aber das ist alles erst zum Entstehen.
Wir müssen viel, viel stärker werden.
Denn man darf ja nicht vergessen.
Ich sage mal, nur 30 Prozent haben die AfD gewählt und 70 wollen sie nicht.
Und das ist ja das Schlimme, dass ja auch die Presse das immer so darstellt, als wenn die uns alle überrumpeln.
Nein, die müssten eigentlich den Fokus mehr auf die 70 Prozent legen.
Genau.
Und die AfD.
Die AfD, eigentlich dürfen die gar nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen.
Die kriegen viel zu viel.
Viel zu viel.
Und das müssen wir ändern.
Denke ich mir mal.
Und wie macht ihr das?
Wie ändert ihr das?
Wie ändert ihr das Bild?
Mit Gesprächen.
Wir gehen auch in Seniorentreffs und sprechen da auch mit Älteren.
Da werden wir auch teilweise eingeladen.
Das ist total genial.
In Pflegeheimen waren wir auch schon.
Bei den Mahnwachen ist es deutlich spürbarer, dass sich die Aggressionen uns gegenüber verringert haben.
Also die Menge.
Und dafür sind es mehr Leute geworden, die froh sind, uns zu sehen.
Und das ist ja auch etwas, was wir nebenbei machen.
Wir geben Hoffnung.
Das war mein letzter Beitrag aus Leipzig.
Der nächste Podcast kommt aus Brasilien.
Ich besuche eine brasilianische Freundin, Musikerin,
die nach 25 Jahren in der Schweiz wieder in ihre Heimat zurückgekehrt ist.
Ja, ich habe Flugscham.
Aber ich denke, wenn ich alle drei Jahre mal fliege, geht das noch.
Ich werde auch dort meine ehemaligen Kollegen aus der Entwicklungszusammenarbeit treffen
und erkunden, welche neuen sozialen, gesellschaftlichen Bewegungen in Brasilien entstehen
und welch gemeinsamen Lichtspuren wir von dort aus folgen können.
Danke, dass ihr mich bis hierher auf dieser Reise begleitet habt.
Ich freue mich, wenn ihr in Zukunft wieder dabei seid.
Das war Traces of Light.
Ein Podcast von Elsbeth Horbaty, die auf der Suche nach Menschen und Gemeinschaften ist,
welche in diesen schwierigen Zeiten Mut machen.
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