Wege der Allgemeinmedizin

Kompetenzzentrum Weiterbildung Hessen
Since 10/2021 40 Episoden

breaking bad news - mit armin wunder

01.10.2023 28 min

Zusammenfassung & Show Notes

43,3% der appobierten Ärzten/innen und Medizinstudierenden fällt es schwer, beim Überbringen schlechter Nachrichten  professionell zu bleiben. Unser Gast armin wunder gibt hilfreiche Tipps zu Kommunikationsstrategien in der Praxis und teilt seine Erfahrungen mit dem Thema.

Shownotes

Shownotes

Transkript

Hallo und willkommen zu einer neuen Folge von Wege der Allgemeinmedizin. Ich bin Maria, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum Weiterbildung Hessen und habe heute an meiner Seite wieder die Britta. Hallo, ich bin Britta, ich bin Ärztin in Weiterbildung. Ich bin momentan in der orthopädischen Praxis und fange bald in einer Hausarztpraxis an. Es ist voll schön, dass wir mal wieder zusammen aufnehmen, Britta. Und zwar gleich eine Doppelfolge mit einem Thema, was wir schon verraten und einem, das wir noch nicht verraten, denn die Folge wird ein bisschen später erscheinen. Das eine Thema, was wir uns heute zusammen anschauen wollen, ist das Thema Breaking Bad News, also das Überbringen schlechter Nachrichten. Und in schöner zirkulärer Dramaturgie haben wir heute einen Gast, den ihr von ganz, ganz am Anfang unseres Podcasts schon kennt, nämlich Armin Wunder. Armin, wie schön, dass du nochmal dabei bist. Vielleicht gibt es ja Leute, die noch nicht alle Folgen gehört haben. Würdest du dich für diese nochmal kurz vorstellen? Sehr gerne. Mein Name ist Armin Wunder. Ich bin Hausarzt hier in Frankfurt am Main und außerdem noch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität und der MedUni in Graz. Ja, hallo Armin, auch herzlich willkommen von mir und ich freue mich auch total, dass wir uns heute nochmal treffen. Heute geht es ja um ein Thema, was für uns ÄrztInnen in Weiterbildung ziemlich wichtig und ich würde auch sagen schwierig ist. Das ist etwas, wo man sicherlich einiges an Erfahrung braucht, um sich damit halbwegs souverän zu fühlen. Also mit dem Überbringen schlechter Nachrichten, mit dem Mitteilen von Dingen, die für Menschen möglicherweise im negativen Sinne lebensverändernd sind. Und ich würde ganz gerne mal starten mit einem Fallbeispiel, was ich in meinem letzten Jahr in der orthopädischen Praxis erlebt habe. Und zwar ging es darum, dass eine Patientin kam, so ich würde sagen. Ende 40, Anfang 50 mit Rückenschmerzen wie so viele und war jetzt sonst nichts Besonderes dran. Dann, was man halt so üblicherweise macht, habe ich dann erst mal gemacht und auch erst mal versucht, weitgehend auf unnötige oder voreilige Bildgebung zu verzichten. Dann kam die Patientin aber wieder und wurde inzwischen auch mal Blut abgenommen beim Hausarzt und dann stellte sich heraus, da gibt es irgendwie erhöhte Entzündungswerte und die Rückenschmerzen waren auch nicht besser. Und über so ein paar Stationen kam es dann letztendlich dazu, dass wir ein MRT von der LWS gemacht haben. Und dann rief die Radiologin meinen Chef an, dass da überall Metastasen in den Wirbelkörpern waren. Also das war dann schon mal so der erste Schock. Es war überhaupt nichts bekannt von irgendeiner Krebserkrankung. Und naja, dann fiel mir diese schöne Aufgabe zu, die Patientin zu informieren. Ich hatte noch keinen schriftlichen Befund. Mein Chef sagte trotzdem, teile das jetzt bitte zeitnah mit, damit sich auch Dinge nicht verzögern. Ja, und dann stand ich da und dachte, okay, wie mache ich das denn jetzt am besten? Ich habe die Patientin angerufen, weil das auch, ich weiß nicht mehr genau warum, aber es ging irgendwie nicht, dass die irgendwie zeitnah in die Praxis kommt. Ja, das war vielleicht schon mal der erste schlechte Punkt daran, dass es über Telefon ging. Dann rief ich sie an und war gerade im Auto. Dann habe ich gesagt, okay, fahren Sie doch mal nach Hause und dann rufen Sie mich mal zurück. Na ja, und dann kam das wirklich so ein bisschen holzhammermäßig, weil irgendwie muss man das ja rausbringen, man muss die Wahrheit ja aussprechen. Aber ich fühlte mich damit der Situation wirklich ziemlich überfordert. Natürlich war die Reaktion auch völlig fassungslos und geschockt. Und ja, ich hatte im Vorfeld auch nochmal mit der Radiologin gesprochen. Und da gab es dann auch schon Folgetermine zur weiteren Abklärung. Ich hatte auch schon mal einen Onkologen, der auch bei uns im Haus ist, angerufen und da einen Termin so in der Hinterhand organisiert. Und das dann auch so am Ende des Gesprächs mal so mitgeteilt, sodass es wenigstens einen Plan gab. Aber ja, wie viel die Frau letztendlich davon so mitgekriegt hat, weiß ich jetzt im Nachhinein auch nicht und das Ende vom Lied war auch, dass sie direkt stationär gegangen ist, aber das ist wirklich so eine Situation gewesen, die sich mir ziemlich negativ eingeprägt hat und ja, da wir heute dieses Thema besprechen, würde ich dich einfach mal fragen, was dir da jetzt so in den Sinn kommt. Du hast einen für mich sehr wichtigen Punkt schon benannt, dass die Art und Weise, wie das Gespräch stattgefunden hat, per Telefon suboptimal war. Ich denke, wir sollten solche Gespräche immer Auge zu Auge führen in einer Atmosphäre, die für uns und auch für unsere Patientinnen und Patienten angenehm ist. Das hätte dir ein bisschen Zeit gegeben, darüber nachzudenken, wie gestalte ich das Gespräch. Das hätte der Patientin auf dem Weg in die Praxis ein bisschen Zeit gegeben, darüber nachzudenken, was kommt jetzt alles auf mich zu. Und so war es ja für dich und auch für sie völlig unvorbereitet. Das fällt mir so spontan ein. Ja, also wie gesagt, ich erinnere mich nicht mehr warum, aber das wäre jetzt irgendwie in den nächsten Tagen zumindest nicht gegangen, dass sie persönlich kam. Und ich hatte wirklich so ein bisschen diesen Zeitdruck im Nacken sitzen. Das muss jetzt irgendwie mal zügig passieren. Ich wusste das schon seit ein paar Tagen, aber ich hatte halt auch immer noch keinen schriftlichen Befund. Und die Aussage meines Chefs war eben, du musst jetzt aber wirklich jetzt mal langsam das aussprechen. Und da fühlte ich mich auch so ein kleines bisschen unter Druck. Das ist ja vielleicht auch keine optimale Voraussetzung. Total gut verstehen. Ich bin da immer dafür, dann lass es zwei Tage länger dauern. Aber Auge in Auge und dann haben alle Zeit, sich vorzubereiten. Zwei Tage retten und zerstören nichts. Das muss man auch klar sagen. Das ist einfach so. Ja, also was ich ihr noch mit auf den Weg gegeben habe, war auch noch die Ansage, dass sie mich jederzeit auch kontaktieren kann, wenn im Nachgang irgendwas ist. Ich habe ihr auch mal eine direkte Durchwahl gegeben, dass sie gleich anrufen kann. Und sie hatte auch tatsächlich noch eine Nachfrage, wo sie dann auch, glaube ich, ganz froh war, dass sie sich den Weg über die Telefon-Hotline ersparen konnte. Das war, glaube ich, schon ganz hilfreich. Aber das ist vielleicht doch so ein bisschen eher ein Negativbeispiel, wie das zumindest vom Setting nicht so super gut gelaufen ist. Wobei die Tatsache, dass du dich bereit erklärt hast, im Nachgang für sie da zu sein, ein Durchwahl ihr geben hast, das ist doch schon mal etwas, was wir auch nicht alle Tage von Patienten zurückgemeldet bekommen. Ja, das ist halt so eine der wenigen Dinge, die man in der Situation tun kann, denke ich, wenn man sowas überbringt, dass man zumindest als Lichtschein da irgendwie hat, da gibt es eine Person, die sich trotzdem interessiert und die man ansprechen kann. Ich denke, das ist schon auch eine wichtige Botschaft an die Leute. Ja, und das ist ja eine Situation, die du jetzt beschrieben hast, in der, glaube ich, super viele dann irgendwann die ersten Male stecken und die wahrscheinlich irgendwann routinierter wird, aber ich kann mir vorstellen, nicht leichter, oder Armin? Das sehe ich genauso. So verschieden die Menschen sind, so verschieden sind alle Gespräche. Und es gibt die Möglichkeit, sich vorzubereiten. Es gibt Orientierungen auch in solchen Gesprächen mit bestimmten Protokollen, Spikes-Protokoll als Stichwort. Und dennoch sind die Gespräche so verschieden, dass man immer wieder Neues erlebt. Und ganz schwer voraussagen kann, wie jemand reagiert. Insofern bin ich auch jedes Mal, wenn ich ein solches Gespräch höre, immer wieder bemüht, mich gut vorzubereiten, auch darauf zu achten, dass ich mich trotz und alledem gut fühle an diesem Tag, ausreichend Zeit habe, um für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Und da kann keine Routine kommen. Was genau meinst du, wenn du sagst, gut vorbereitet sein? Gut vorbereitet sein heißt für mich, dass ich mir die Akte der betreffenden Person nochmal ganz in Ruhe anschaue, die Befunde nochmal in Ruhe durchlese, auch schon mal schaue, welche Therapieoptionen es gibt, wobei die häufig beim ersten Gespräch gar nicht das Thema sind. Nur, dass ich im Hintergrund Ideen habe, die ich noch teilen kann. Auch schaue, soweit es mir bekannt ist, wie lebt der Mensch, was macht er, gibt es eine Unterstützung von zu Hause, gibt es Angehörige. Einfach Punkte, die ich auch dann ansprechen kann, um zu zeigen, dass es auch Menschen gibt, die ihm vielleicht helfen können. Gibt es denn bei dir irgendwie so eine Situation, die dir in positiver oder negativer Weise so besonders im Gedächtnis geblieben ist über die Jahre? Also mir sind einige Beispiele, die mir negativ in Erinnerung geblieben sind, aus den Anfangsjahren meiner Weiterbildung bekannt, als mir einmal ein Oberarzt vermitteln wollte, wie man ein solches Gespräch führt. Und wir waren bei einer Patientin gewesen, die einen massiven Aszites hatte aufgrund einer diffusen Metastasierung der Leber. Und er hat diesen Aszites punktiert und daraufhin bekam sie auch schon besser Luft. Und dann sagte er, ja und das machen wir jetzt so lange und so oft, bis dann komplett Ruhe einkehrt. Und dann gingen wir raus und ich konnte gar nichts sagen in dem Moment. Und draußen sagte er, sehen Sie, und so führt man ein Gespräch, wenn man einem Patienten sagen möchte, dass er bald stirbt. Oh je. Das hat mich ziemlich beschäftigt, muss ich sagen. Das hat mich ziemlich beschäftigt und ich hatte bei meinem allerersten Gespräch das große Problem, dass ich das Wort Krebs nicht benennen konnte. Daran erinnere ich mich auch noch, dass ich einem Patienten gesagt habe, ihr Tumor ist nicht gutartig. Und der schaute mich mit Fragezeichen an und sagte, nicht gutartig? Ja, und dann wiederholte ich, nein, der Tumor ist nicht gutartig. Dann sagte der Doktor, habe ich Krebs? Dann habe ich gesagt, ja. ja, worauf seine Antwort war, dann sagen sie es doch gleich. Und das war auch für mich so ein Punkt, das haben ja spätere Studien gezeigt, die ich dann irgendwann mal auf meines Lebens gelesen habe, dass die Menschen eine ganz klare Aussage brauchen. Die brauchen das Wort Krebs, die brauchen das Wort HIV-Infektion, die brauchen das Wort Tochtergeschwülste oder der Krebs hat gestreut. Das brauchen die. Ja, aber das kann ich nachvollziehen, dass man so eine Scheu hat, sowas wirklich so klar zu benennen. Und gut in Erinnerung geblieben ist mir vor gar nicht langer Zeit ein Gespräch mit einer Patientin, die hatte ich extra samstags auch einbestellt in die Praxis, um Zeit zu haben, weil die Woche wahnsinnig voll war. Und bei dieser Patientin hatte ich ein bekanntes metastasierendes Mammakarzinom mit anhaltendem Husten ein CT der Lunge veranlasst, um zu schauen, ob die Metastasierung auch in die Lunge vorangeschritten war. Und die saß mir gegenüber und ich habe wirklich mich an diesem Spikes-Protokoll orientiert und habe nochmal so angefangen, das bisher ja schon durchgemachte mit ihr gemeinsam nochmal aufzuzählen. Also ich habe einfach viele Fragen gestellt, wie war das nochmal gewesen, wie ging es los und was waren jetzt die letzten Untersuchungen und so weiter. Also habe sie herangeführt und habe dann auch gesagt, ich habe jetzt die Ergebnisse, wollen wir drüber sprechen und habe dann gesagt, ja sie haben, sie war der medizinischen Sprache sehr mächtig, ich habe gesagt, sie haben Metastasen in der Lunge. Und sie sagte dann, ja, wie viel denn? Und ich habe gesagt, es sind über 100. Und dann sagte sie, boah, da habe ich noch was vor mir. Und dann habe ich sie erst mal so stehen lassen und wir haben lange geschwiegen, bis sie das Gespräch dann wieder aufgenommen hat. Und am Ende des Gesprächs hat sie dann gesagt, das fand sie jetzt richtig gut, dass ich mir so viel Zeit genommen habe und dass ich es auch klar benannt habe. Und auch, und da komme ich auf das zurück, was du auch gemacht hast, ihr meine Mobiltelefonnummer gegeben habe. Und da habe ich gesagt, es ist jetzt als Wochenende, wenn Fragen sind, jederzeit anrufen. Wir machen einen festen Termin für Montag. Da haben sie Wochenende Zeit nochmal nachzuschauen. Die googeln ja alle dann nach, die Patienten, was ja auch verständlich ist. Wir würden es vermutlich nicht anders machen. Oder fragen Bekannte und Freunde. Und Montag kam sie dann und hat sich nochmal dafür bedankt, dass sie sozusagen mal eine Nummer als Notfall in der Tasche haben konnte. Das war ihr sehr wichtig. Würdest du noch mal kurz was dazu sagen, was das SPIKES-Protokoll ist, falls das jemand nicht kennt? Kann man das irgendwie kurz zusammenfassen? Gerne, das SPIKES ist ein Akronym und jeder Buchstabe hat eine Bedeutung. Da geht es im Prinzip darum, dass man eine Struktur in ein Gespräch bringt, indem man sozusagen erstmal den Patienten abholt, gemeinsam schaut, was hat er bisher in Informationen bekommen, was ist so sein Kenntnisstand, dass man sich dann einladen lässt, die Informationen zu überbringen und dass man danach, nach dem Überbringen, das weitere Prozedere mit ihm bespricht, beziehungsweise am Ende nochmal zusammenfasst und plant, wie es dann weitergehen kann. Das sind die groben Überschriften, um eine Struktur hineinzubringen und ich mache es auch gerne so, dass ich mir dieses Protokoll stichwortartig auf meinen Tisch lege und zu einzelnen Punkten, zum Beispiel zum Schluss das S heißt dann Strategy and Summary, dass ich weiß, es gibt eine Familie, jemand lebt zu Hause, jemand hat Kinder, die erwachsen sind, wer kann da sie unterstützen, haben sie Möglichkeiten, wollen sie abgeholt werden, dann sollen wir ein Taxi bestellen. Also so ganz, in Anführungszeichen, banale Dinge, die aber so bedeutend sind, weil wir in dem Moment etwas in der Hand haben, was wir für unseren Patienten tun können. Ja, ja, voll. Ich musste auch vorhin schon wieder an diesen Spruch denken, der irgendwie schon, glaube ich, einmal im Podcast sogar gefallen ist. Ein Arbeitstag in eurem Leben ist ein Lebensereignis für einen Patienten oder eine Patientin. Und deswegen finde ich total schön die Haltung, die ihr jetzt beide schon transportiert habt. Man wird irgendwie aufgefangen. Es ist eine sehr hilflose Situation ja für PatientInnen. Und umso wichtiger ist es natürlich, dass ihr als ÄrztInnen irgendwie auch gute Hilfestellungen an der Hand habt, die da gut durchzuleiten. Und sag mal, wie oft muss man schlechte Nachrichten überbringen? Gehört das zum Tagesgeschäft in der Allgemeinmedizin oder ist das eher so die... Also zum Tagesgeschäft würde ich nicht sagen. Es ist wie so oft, es gibt Phasen, da hast du ein halbes, ein Dreivierteljahr, wo du gar keine schlechte Nacht überbringen musst. Und dann hast du zwei, drei Patienten mit beispielsweise Krebserkrankungen innerhalb von einem Monat und hast dir gesammelten Befunde vorliegen und sie sind noch nicht vor informiert. Einige werden ja bereits im Krankenhaus diagnostiziert und entsprechend aufgeklärt. Es ist unterschiedlich. Es ist jetzt nicht das Alltagsgeschäft, aber wenn es zu tun ist, beherrscht es schon den Tag. Ja, sehr verständlich. Und Armin, du beschäftigst dich ja sehr viel mit diesem Thema. Du bietest auch Seminare dazu an. Wie bist du dazu gekommen? Waren das diese Erfahrungen aus der Weiterbildungszeit, die dann doch prägend waren, wo du dir dachtest, das muss ich mal irgendwie anders machen? Oder wie kam es dazu? Der Weg war ein anderer. Und zwar hat mich eine Kollegin angesprochen, die hier am Institut promoviert wurde zu diesem Thema. Sie hat also ein Seminar entwickelt und hat gesagt, okay, ich habe jetzt das Elfenbeinturm-Wissen gesammelt und möchte es rüberbringen und habe ganz viele Ideen, ein solches Seminar zu gestalten. Aber ich habe niemanden aus der Praxis, der es schon gemacht hat und Erfahrungen damit gesammelt hat. Insofern war das eine wunderbare Kombination. Also einmal die wissenschaftlichen Grundlagen gefüllt mit dem praktischen Leben zu vermitteln. Und so haben wir angefangen, für die Studierenden im praktischen Jahr dieses Seminar zu implementieren und mittlerweile ist es so, dass ich es auch für die Kolleginnen und Kollegen der Weiterbildung anbiete, aber auch auf anderen Fortbildungsveranstaltungen, wie beispielsweise auf der Praktika in Bad Orb, und anderen Städten und es ist sehr nachgefragt, ich kann es gar nicht anders sagen, weil die Kollegen, es wichtig finden und übrigens auch erfahrene Kollegen wichtig finden zu schauen, den Austausch auch mal zu haben. Wie macht ihr das denn? Welche Erfahrungen konntet ihr sammeln? Also da haben sich auch schon so kleine Netzwerke gebildet und der Erfahrungsaustausch ist einfach ganz, ganz wichtiger. Gibt es außer dem Spikes Modell, wenn wir gerade schon bei Seminaren und vielleicht Teasern zu Seminarinhalten sind, andere Kommunikationsstrategien oder Techniken oder irgendwas, was du sonst noch für dich anwendest, um diese schwierige Situation ein bisschen leichter zu machen? Sagen wir es mal so, ich habe ja so ein paar Grundzüge, die ich auch in diesen Seminaren immer wieder versuche zu vermitteln, die nicht nur das Überbringen einer schlechten Nachricht betreffen, sondern generell für mich auch Kommunikation mit Patientinnen und Patienten. Und da sind so zwei Dinge, die mir wichtig sind. Das eine heißt Schweigen aushalten. Das heißt, wenn es in einer Situation dazu kommt, dass ein Schweigen aufkommt, dass immer derjenige, der das Schweigen durchbricht, der der Ärztin dem Arzt gegenüber sitzt. Weil der Patient, die Patientin uns damit das Signal gibt, ich bin wieder aufnahmebereit. Das ist der eine Punkt, den ich versuche, immer wieder zu vermitteln. Und ein ganz anderer Punkt zum Thema Kommunikation ist der, wer fragt, der führt. Solange wir also gute Fragen stellen, können wir den Patienten, die Patientin leiten und begleiten in einem solchen Gespräch. Thema Schweigen aushalten finde ich sehr schwierig. Das geht wahrscheinlich vielen von uns so, Also weil das ja auch immer so eine gewisse, diese Passivität, so eine gewisse Hilflosigkeit erstmal signalisiert. Man will ja immer sofort dann die Therapieoptionen auf den Tisch knallen und sagen, aber das und das und das können wir machen. Und das finde ich sehr schwierig, sich da irgendwie zu zügeln und erstmal zurückzunehmen und dem anderen erstmal diese Zeit zu geben, das alles zu verdauen. Und wir sind ja auch über sechs Jahre so ausgebildet worden, dass wir alles das, was wir an Wissen haben, gerne loswerden. Man muss es nur anpieksen und schon sprudeln wir und sind froh, dass keine Pause entsteht, die peinlich werden könnte und erzählen und erzählen und erzählen und dabei wäre es schweigen so wichtig. Noch ein Punkt zu dem, was hilfreich ist oder was zumindest ich als hilfreich empfinde jetzt. Ich finde es auch für mich schwierig, sowas zu besprechen. Und da finde ich zum Beispiel die Mentoring-Gruppen gut oder generell so den Austausch mit anderen Kolleginnen oder Leuten, die das einigermaßen nachempfinden können, diese Situation. Und da finde ich eben diese Gruppen gut, weil man da wirklich ja jedes Thema, was einem gerade so auf dem Herzen liegt, gut ansprechen kann. Und was ich auch wichtig und gut finde als Weiterbilder, wenn es solche Gespräche gibt, lade ich gerne meine Ärztin oder meinen Ärzt in Weiterbildung ein, daran teilzunehmen. Die Patienten bei uns in der Praxis sind es gewohnt, dass wir Studierende oder Kollegen der Weiterbildung haben und dass die auch mit im Sprechzimmer sind. Und ich frage immer im Vorfeld nochmal, sind Sie damit einverstanden, ist jemand da von der Uni? Und die sagen immer, klar, wir kennen das ja bei Ihnen. Und ich finde es gerade auch wichtig für die Kollegen, die in der Weiterbildung sind, dass sie einfach mal live erleben, wie ein solches Gespräch geführt werden kann. Wobei ich auch da ganz großen Wert darauf lege, und das sage ich auch im Vorfeld, ein Feedback zu bekommen, weil auch ich habe einen Optimierungsbedarf. Auch da gibt es mit Sicherheit Dinge, die man besser machen kann. Und dann darüber zu sprechen, bringt für beide Seiten wahnsinnig viel, finde ich. Allein dieses vielleicht vorsichtig herangeführt werden an das Thema. Ich kann mir das vorstellen, dass es gerade für Studierende ähnlich wie irgendwie die ersten Präp-Kurse oder so erstmal schon so ein Thema ist, mit sowas konfrontiert zu werden als Teil der ärztlichen Tätigkeit. Aber umso wichtiger, wie du sagst, ist im Nachhinein nochmal darüber reden, das einordnen und reflektieren. Hast du oder habt ihr beiden irgendwie Ideen, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen doof, aber wie man sich gut vorbereiten kann, wie man das üben kann. Denn natürlich ist die Durchführung, wenn ich dann tatsächlich einer Patientin kommunizieren muss, nochmal eine ganz andere Situation. Aber vielleicht haben ja Leute irgendwie das Bedürfnis, sich so gut wie möglich vorzubereiten. Wie kann ich denn gut mich selbst da heranführen sozusagen? Also ich kann ja einfach mal sagen, was ich mir zum Beispiel wünschen würde von einem Weiterbilder, einer Weiterbilderin. Also ich fände das super, wenn man da wie bei dir in der Praxis, Armin, einfach auch mal dabei sein kann und einfach gucken, wie macht das jemand, der das schon Jahre, Jahrzehnte macht und da einfach seine Strategie entwickelt hat, kann man sich sicherlich gut was abschauen und auch das für sich selber weiterentwickeln. Ich finde es auch wichtig, dass der Weiterbildende dann auch vorher ansprechbar wäre, bevor man so ein schwieriges Gespräch führt und einem da vielleicht einfach nochmal ein paar Dinge zu sagen kann, sei es auf fachlicher Ebene oder auf kommunikativer Ebene, dass man sich da einfach mental irgendwie drauf einstellen kann und auch weiß, ich habe die Unterstützung auch im Rücken, wenn ich sie brauche. Oder sogar live dabei. Ja, das wäre noch besser. Ich habe ein Gespräch bei meiner Ärztin in Weiterbildung bewusst auch an ihrer Seite miterlebt. Allerdings habe ich mich auf die Seite des Patienten gesetzt. Das finde ich dann auch schöner, wenn nicht zwei, die alles wissen, auf der einen Seite sitzen und das arme Haarschall auf der anderen Seite, sondern wenn der Patient auch mich an seiner Seite wusste. Und meine Kollegin hatte gefragt, ist es für Sie in Ordnung, dass mein Chef mit reinkommt? Und dann sagte er schon, ich war gerade im Flug gewesen. Ja gerne. Aber dieses Oh, da war schon klar, da kommt jetzt etwas, was bedeutend ist. Und ich habe mich dann zu ihm gesetzt und habe gesagt, meine Kollegin führt das Gespräch, ich bin sozusagen der stille Mensch im Hintergrund, der gerne an ihrer Seite ist und der auch gerne am Ende nochmal was dazu sagt, aber jetzt lassen wir erstmal die Kollegin das Gespräch mit Ihnen führen, das war auch absolut in Ordnung für ihn gewesen. Ich habe dann zum einen zu dem Gespräch noch ein bisschen was beitragen können, weil ich auch die soziale Situation des Patienten ganz gut kannte und zum anderen nachher auch zum fachlichen. Aber das war nicht das Hauptthema gewesen. Das Hauptthema war einfach, er wusste mich auch an seiner Seite. Er wusste, dass ich ihn am längsten kenne und ihn auch dabei begleiten durfte. Meine Kollegin wusste, ich bin im Hintergrund und kann jederzeit einspringen. Und das war ein total tolles Gespräch gewesen. Ich war ganz stolz, dass sie das so toll gemacht hat. Zu dem Gespräch musste ich gar nichts weiter sagen, außer diesen Informationen, die ich noch beisteuern konnte. Und das fand ich auch ganz wichtig, dass ich dabei gewesen bin, um gegebenenfalls auch im Anschluss hätte ein Feedback geben können, bei dem ich Punkte hätte benennen können, so sie da gewesen wären, bei denen Optimierungsbedarf ist. Eine Idee möchte ich noch gerne teilen, die mir beim Überbringen einer schlechten Nachricht sehr geholfen hat. Das Papiertaschentuch. Ich habe normalerweise nie bei mir am Schreibtisch ein Päckchen mit Papiertaschentüchern liegen. Wenn ich eine solche Nachricht überbringe, liegt da immer diskret versteckt ein Päckchen mit Papiertaschentüchern. Dann bin ich im Zweifelsfall, wenn mein Gegenüber anfängt zu weinen, diese schöne Geste habe, ein Tuch herauszunehmen, um es zu reichen. Weil jemand, der anfängt zu weinen und in seiner Hand seinen Rucksack nach einem Papiertaschentuch sucht, das findet man in dem Moment nicht. Und es gibt mir so dieses gute Gefühl, ich kann etwas für mein Gegenüber tun. Und ich habe auch das Gefühl, dass es von den Patientinnen und Patienten sehr angenommen wird. Und das ist so was ganz Banales, Einfaches und es tut so gut. Was ich mich jetzt noch gefragt habe, wie kann ich mich denn als Ärztin eigentlich gut abgrenzen von sowas? Ich hatte letztens in der Mentoring-Gruppe das Thema, so die Überschrift Umgang mit schwierigen PatientInnen-Schicksalen, wie grenze ich mich gut ab? Wie macht ihr das? Für mich ist es natürlich auch so, dass mich sowas irgendwie natürlich berührt und auch begleitet, wie man ja jetzt auch gemerkt hat. Ich habe das, was ich eben erzählt habe, das ist schon mindestens ein halbes, dreiviertel Jahr her, dass ich das erlebt habe und es ist mir immer noch sehr präsent. Ich empfinde es nicht als sehr belastend oder es belastet mich nicht dauerhaft, immer wenn ich daran denke. Es ist einfach natürlich sehr traurig, aber es ist halt irgendwie auch, glaube ich, ziemlich individuell so. Was wichtig ist auf jeden Fall, ich habe es ja schon mehrmals gesagt, ist so der Austausch. Also wirklich über Dinge zu sprechen, die einen belasten. Das habe ich auch getan. Ich habe auch mit meinem Chef gesprochen, auch mit anderen Kolleginnen und Kollegen mal gesprochen und das einfach mal so losgeworden. ch denke, es ist schon auch individuell, wie sehr man Dinge mit nach Hause nimmt. Auch immer natürlich, inwieweit man noch andere Themen hat. Ich zum Beispiel habe ja zwei Kinder. Ich komme zu Hause gar nicht so viel dazu, über so viele Arbeitsthemen noch nachzudenken. Aber grundsätzlich ist sicherlich dieser Austausch ganz zentral. Und was ich manchmal auch so ein bisschen vermisse oder im Krankenhaus oft vermisst habe, ist so eine Möglichkeit, sich auch ein bisschen professioneller mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Also das vielleicht so als kleinen Seitenkritikpunkt. Also ich hatte da jetzt nicht das Gefühl, dass man da sehr viel Wert drauf gelegt hat, dass man mal die Möglichkeit hat, sich irgendwie einer Stelle so direkt anzuvertrauen. Es wäre vielleicht sinnvoll, wenn es irgendwann mal sowas gäbe. Also du meinst so eine strukturierte Unterstützung für AIW? Ja, so eine Art Supervision oder sowas. Also das vielleicht einfach mal so als Wunsch oder als etwas, was ich sinnvoll fände. Dann kann ich nur motivieren, im Rahmen unseres Kompetenzzentrums Weiterbildung im Seminarprogramm das Breaking Bad News Seminar zu besuchen, weil wir dort wirklich schöne Übungseinheiten haben. Schön im Sinne von, wir haben ausreichend Zeit, sowohl für die Durchführung der Gespräche, als auch für das Feedback und ich kann sagen, dass diejenigen, die daran teilgenommen haben, durch die Bank am Ende gesagt haben, sie gehen mit einem guten Gefühl heraus, eine schöne Basis mitnehmen zu können, die sie dann individuell natürlich, es muss ja zu einem passend, es muss ja authentisch sein, ausschmücken können. Und das ist, glaube ich, schon mal eine ganz gute Basis. Also wenn dann noch ein Weiterbilder, eine Weiterbilderin bereit ist, vielleicht dabei zu sein, Feedback zu geben, dann ist ist das auch eine ganz runde Sache. Und um auf deine Frage noch einzugehen, bei mir ist es nicht so, dass ich aus der Praxis gehe und alles dort lasse. Es ist schon so und da denke ich, sind wir uns ähnlich, dass Patienten einen auch über einen längeren Zeitraum danach noch beschäftigen können, so wie dich die Situation ja auch nach wie vor beschäftigt hat. Dennoch ist es so, dass das Gespräch, das gut geführt wurde, mich viel zufriedener herausgehen lässt als ein Gespräch, bei dem ich denke, ups, da ist eine Stelle, das ist ausgesprochen und das kannst du nicht rückgängig machen. Und da ist noch Luft nach oben, beim nächsten Mal dran zu üben. Aber die Vergangenheit ist ein Prolog und morgen ist ein neuer Tag und ich kann besser werden. Und wenn ich mit diesem Gedanken in den neuen Tag starte, dann fühle ich mich auch schon wieder wohler. Und der Anspruch ist ja natürlich auch nicht, dass man emotionslos perfekt wie ein Roboter diese Gespräche führt. Das wäre ja auch irgendwie schade, würde ich fast sagen, für die PatientInnen. Ich meine, es ist ja wahrscheinlich eine Balance im Endeffekt aus Mitgefühl und sich schon auch berühren lassen. Ihr habt ja auch aus einem Grund diesen Beruf erwählt, kommt man nicht dran vorbei, aber auf der anderen Seite auch handlungsfähig bleiben und gut für die anderen PatientInnen da sein, die einen ja auch brauchen. Ja, und ich denke auch, das ist alles ein Prozess. Also ich glaube auch, man lernt einfach aus jeder Situation dazu und gewinnt im Laufe der Jahre dann an Erfahrungen, die es einem irgendwie leichter machen. Und ich finde es ganz wichtig, dass man auch mit zunehmendem Alter mit Empathie dabei bleibt und nicht abstumpft. Und solange die Patienten uns noch beschäftigen, wir darüber nachdenken und uns ein Stück weit mit nach Hause nehmen, finde ich das gar nicht schlecht. Ganz im Gegenteil, ich denke, das gehört auch für mich zu einem empathischen oder professionellen Arbeiten dazu, ein Stück weit Dinge, die für einen bedeutsam sind, mit sich zu tragen. Ich finde das nicht negativ. Ja, dann vielen Dank euch beiden an der Stelle. Schon mal dir, Britta, dass du dein Fallbeispiel am Anfang geteilt hast und Armin für deine Einblicke, wie du es machst und deine Tätigkeit. Ich glaube, wie wir schon gesagt haben, es ist so ein wichtiges Thema, das alle lange begleiten wird. Und wir wollten das Thema gerne nochmal im Podcast aufgreifen, weil das ja so ein Thema ist, was in der Praxis natürlich verankert ist, aber in der Weiterbildung vielleicht manchmal zu kurz kommt. Und dennoch ist es total wichtig. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass wir heute die Gelegenheit hatten, das mal zu thematisieren und vor allem, dass ihr auch ein paar tolle Ressourcen genannt habt, wo Menschen, die sich damit auseinandersetzen möchten, Hilfe und Unterstützung finden können. Vielen Dank euch beiden. Danke auch von mir. Vertraue und glaube, es hilft, es heilt die göttliche Kraft!