Wege der Allgemeinmedizin

Kompetenzzentrum Weiterbildung Hessen
Since 10/2021 40 Episoden

Eltern-Kind-Praxis bzw. Mehrgenerationenpraxis - mit Harald Müller

15.02.2022 33 min

Zusammenfassung & Show Notes

Willkommen bei der Praxis Müller und Müller – in dieser Folge haben wir Beates Vater, Harald Müller, Hausarzt aus Nordrhein-Westfalen zu Gast. In der Allgemeinmedizin sind Familien- und auch generationsübergreifende Praxen keine Seltenheit. Aber wie ist das eigentlich, wenn man bei der Gehaltsverhandlung dem Vater gegenübersitzt, oder wenn die Chefin aus einer anderen Generation stammt?
Beate und Harald erzählen, wie es war, als Beate für einen Abschnitt ihrer Weiterbildung in der Praxis ihres Vaters tätig war, was ihnen besonders viel Spaß gemacht hat und welchen Herausforderungen sie begegnet sind.
Thema ist auch eine Frage, die sich viele Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung bereits stellen: Was mache ich eigentlich, wenn ich mal eine Praxis von einer Person übernehmen möchte, die Medizin anders gelernt und gelebt hat?
Zur Lösung und vielem mehr hört ihr Beate, Harald und Maria in der aktuellen Folge.



Transkript

Music. Hallo zu einer neuen Folge von Wege der Allgemeinmedizin. Nach unserem kleinen Ausflug aufs Land in der letzten Folge geht es heute mit einer Konstellation weiter, die in der Allgemeinmedizin keine Seltenheit ist, nämlich eine Praxis, wo Eltern und Kinder zusammenarbeiten, also eine Familienpraxis sozusagen. Es gibt ja so einige Arztkinder, die es während der Weiterbildung oder auch danach in die Praxis der Eltern verschlägt. Und auch unabhängig von einer Verwandtschaft kann es spannend sein, wenn unterschiedliche Generationen in einer Praxis als Kolleginnen und Kollegen aufeinandertreffen. Beate hat ihren Vater Harald Müller eingeladen, der lange Zeit als Hausarzt in Nordrhein-Westfalen tätig war und bei dem Beate auch einen Abschnitt ihrer Weiterbildung absolviert hat. Beide haben aus der Erfahrung einiges gelernt und wir freuen uns, ein paar Eindrücke in dieser Folge mit euch teilen zu können. Ich wünsche euch viel Spaß beim Hören. Ich bin Maria, Pädagogin und Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum Weiterbildung Hessen und Beate ist heute auch wieder mit dabei. Hallo, ich bin Beate, bin Fachärztin für Allgemeinmedizin. Ich arbeite in Forschungsprojekten am Institut für Allgemeinmedizin in Frankfurt und in einer Hausarztpraxis. Und dabei ist heute unser Gast Harald Müller, der Vater von Beate. Schön, dass du dabei bist, Harald. Würdest du dich für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer einmal kurz vorstellen? Hallo, ich bin Harald Müller und bin Facharzt für Allgemeinmedizin, aber bereits seit gut vier Jahren aus der Praxistätigkeit heraus. Ich bin also Rentner, aber ich habe trotzdem noch den einen oder anderen medizinischen Job. Ich betreue einmal in der Woche eine Betriebsförderungsgesundheitssprechstunde in der Lebenshilfe für die angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lebenshilfe dort. Ja, schön, dass du dabei bist. Wir fragen alle unsere Gäste zum Einstieg, wieso ihr Weg in die Allgemeinmedizin war und wie war das denn bei dir? Das war bei mir ein sehr gewundener Weg. Ich wusste so, als es aufs Abitur zuging, dass ich wohl Medizin studieren wollte. Ich hatte einen guten Schnitt. Damals waren die Abiturschnitte, die man haben musste, nicht ganz so hochgeschraubt wie heute. Und dann habe ich mich für Medizin eingeschrieben und habe das Fach zunehmend liebgewonnen. Vielleicht war auch eine gewisse Hilfe, dass ich damals zivilen Ersatzdienst, wie er hieß, an einem Epilepsiezentrum absolviert habe. Damit war ich ganz, ganz tief drin in medizinischen, psychologischen, soziologischen und familienbetreffenden Problemen. Und von da bin ich ganz gut und gerne dann in die Medizin eingestiegen. Und nach dem Studium hatte ich so bestimmte Vorstellungen, dass ich aus der Medizin gewisse Bereiche unbedingt kennenlernen wollte. Ich wollte also unbedingt mit einer Erstversorgung einer Wunde zurechtkommen. Ich wollte einen kardiologischen oder internistischen Notfall behandeln können. Das waren so meine großen Ziele. Und deswegen bin ich zuerst in die Chirurgie gegangen, habe ein Jahr Chirurgie absolviert. Dann in die Anästhesie und Notfallmedizin und da bin ich zunächst hängen geblieben, habe dann den Facharzt für Anästhesie gemacht. Von dort sollte ich dann kardiologischer Anästhesist werden. Ich bin in die Pharmaindustrie gegangen, weil ich ein gewisses Faible hatte dafür, Leuten Inhalte aufzubereiten, Inhalte zu recherchieren, vorzutragen, Leute zu schulen. Ich war dann in der sogenannten medizinischen Wissenschaft und das war so schon mein Ding. Danach hat es mich aber nicht dort gehalten, weil je höher man kam in den Rängen, umso mehr spielte das Geld und der Umsatz und der Gewinn eine Rolle. Man wurde letztlich nur bemessen nach dem, was die Abteilung an Umsatz machte und dann bin ich in die Allgemeinmedizin gegangen. Dann habe ich den Facharzt für Allgemeinmedizin dann noch angeschlossen und dann habe ich mich niedergelassen. Wirklich ein ganz schön gewundenerWeg, ja. Ja, und auch ein Quereinstieg dann in dem Sinne. Und ich finde es dann schön, dass trotzdem quasi die Allgemeinmedizin bei euch dann so Familiensache wurde und Beate, du da jetzt auch gelandet bist. Ich würde mal mit der Frage einsteigen, weil ich das ganz spannend finde. Wie kam es denn bei euch beiden dann eigentlich dazu, dass ihr zur selben Zeit in derselben Praxis tätig wart, zum Stichwort Familienpraxis? Also bei mir, ich hatte mich dann ja für die Weiterbildung Allgemeinmedizin entschieden und war erst zweieinhalb Jahre in der Klinik gewesen und wollte danach dann mit der Weiterbildung in der Praxis weitermachen. Und das war dann durchaus auch aus egoistischen Motiven getrieben, denn ich dachte mir, wer ist mehr motiviert, jemandem was beizubringen als die eigenen Eltern und deswegen habe ich mich dazu entschieden, die Weiterbildung in dieser Praxis zu machen. Ursprünglich hatte ich sechs Monate geplant, daraus wurde dann ein Jahr und das hat sich sehr gelohnt, war eine tolle Zeit und kann ich so aus meiner Sicht jedem nur empfehlen. Und wie war das so für euch? Gab es bestimmte Highlights oder gab es auch Herausforderungen in dieser Familienkonstellation? Für mich war das zunächst eine ganz rührende Geschichte, dass Beate mich oder unsere Praxis ausgewählt hat, um ihre Weiterbildung zu machen oder einen Teil ihrer Weiterbildung. Und ich habe diese Zeit sehr genossen. Auch, dass sie dann verlängert hat, war sehr, sehr schön. Und es gab viele Highlights, ob wir jetzt zusammen die Praxisausflüge organisiert haben oder ob wir zusammen mal auf einem Hausbesuch waren oder ob wir uns dann eben auch im Medizingeschäft ausgetauscht haben. Beate hatte durchaus auch manchmal andere Ansichten als ich. Ich selber habe meine Praxis relativ ganzheitlich gesehen. Ich habe also, nachdem ich mich niedergelassen hatte, immer noch weiter gesucht nach guten, alternativen Heilverfahren. Ich hatte vorher schon die Zusatzbezeichnung Sportmedizin gemacht. Habe dann hinterher Naturheilkunde noch dazu erarbeitet, habe mich mit Akupunktur beschäftigt, habe mit psychosomatischer Energetik gearbeitet. Alles Dinge, wo man ja ein wenig Überzeugung und Herzblut braucht. Aber insgesamt haben wir uns geholfen, in der gemeinsamen Zeit, glaube ich, ganz gut gegenseitig bereichert. Ja, von meiner Seite aus so wirklich schöne Seiten waren. Es gab zum Beispiel Patienten, die einen Termin mit mir ausgemacht haben, einfach um mich mal kennenzulernen, weil ich ja die Tochter vom Herrn Doktor bin. Das fand ich irgendwie ganz nett und witzig. Das passiert einem eben, wenn man in so eine Praxis geht, dass die Leute einen auch einfach mal kennenlernen wollen. Das ist ja auch völlig in Ordnung. Gleichzeitig zeigt sich da ja auch schon so eine Bindung, also die Patienten-Arzt-Bindung ist ja sehr stark in so einer hausärztlichen Praxis. Und wenn man dann da gerade auch als Sohn oder Tochter mit einsteigt, dann ist natürlich auch sofort die Erwartung da, diese Praxis dann auch im Zweifelsfall fortzuführen. Und das war für mich auch eine Herausforderung, muss ich sagen, denn ich war mir eigentlich schon damals relativ sicher, dass das nicht mein Weg sein würde. Ich wollte trotzdem dort eine Zeit lang in der Praxis arbeiten, aber eben ohne diese für mich auch durchaus Bürde der Praxisübernahme. Und ich habe da auch länger dann so mit mir gerungen, die Helferinnen hätten das natürlich auch ganz toll gefunden, wenn ich da die Praxis übernommen hätte. Und irgendwann habe ich so für mich sagen können, diese Praxis wurde nicht eröffnet, damit ich sie irgendwann übernehme. Und an dem Zeitpunkt, da konnte ich mich dann auch so ein bisschen frei machen, habe dieses Jahr einfach sehr genossen und habe dann aber auch kommunizieren können, okay, für mich ist das nicht der Weg und wir suchen jetzt aber vielleicht auch gemeinsam einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Und dann war das einfach eine schöne Zeit und jetzt ist die Zeit vorbei, aber ich denke immer noch gerne zurück. Aus meiner Sicht war es so, dass ich ganz bewusst gelebt habe, keine Praxisdynastie zu begründen. Ich selber komme ja auch nicht aus einer Arztfamilie. Ich habe meinen Kindern gegenüber immer, zumindest aus meiner Sicht heraus, ich weiß nicht Beate, wie du das siehst, es ganz offen gelassen, weil ich auch gesehen habe, dass meine Kinder verschiedene Talente haben und die jetzt in eine Medizinlaufbahn zu pressen, wäre nicht richtig gewesen. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Ich weiß nicht, habe ich dich sehr gedrängt? Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, es wurde nie wirklich formuliert, irgendwie übernimm bitte diese Praxis oder so. Ich glaube, dass sich nichtsdestotrotz diese Frage stellt, jetzt hat man da eine Praxis aufgebaut und da hat ja sowohl mein Vater drin gearbeitet, als auch meine Mutter zeitweise. Und eigentlich wäre es ja schade, wenn die nicht weitergeführt wird. Das ist ja auch eine Praxis, die ist in einer eher ländlichen Region. Das heißt, Nachfolger zu finden, ist auch nicht ganz einfach. Das heißt, wenn man jetzt die Wahl hat, diese Praxis steht vielleicht auch vor dem Aus. Wir hatten schon ein bisschen nach Nachfolgern gesucht, das war gar nicht so einfach. Und dann sich da also wirklich auch bewusst gegen zu entscheiden, obwohl es noch keinen Nachfolger gibt, das ist einfach, glaube ich, eine schwierige Entscheidung, ganz unabhängig davon, wie hoch die Erwartungen sind. Ich glaube, so kann man es gut sagen. Das ist sicherlich so und ich erinnere mich auch noch an die Zeit, wo wir gemeinsam gesucht haben. Ich habe sicherlich drei, vier, fünf Jahre schon langsam steigernd nach einem Nachfolger mich umgesehen und dann muss ich wirklich sagen, ich bin dem Himmel dankbar. Ich hatte ganz am Schluss dann die Praxis mit zwei Weiterbildungsassistenten geführt und von den beiden Weiterbildungsassistenten hat einer gesagt, ich möchte die Praxis haben. Die schlimmste Vision war wirklich, den Schlüssel umzudrehen und die Praxis einfach zu beenden. Das war damals an dieser Stelle wirklich angesagt und das hätte genauso gut sein können und so ist es jetzt geworden, dass die Praxis weiterläuft. Das freut mich natürlich und ich denke, dass Beate aber auch ihren Weg in eine andere Richtung in der Allgemeinmedizin geht und der ist auch gut. Ja, es ist toll auf jeden Fall, dass ihr dann auch zusammen einen Nachfolger gefunden habt. Und ich finde, was man jetzt schon raushört, ist, dass Transparenz einfach eine ganz, ganz entscheidende Sache ist. Also gerade in der Familienkonstellation auch trotzdem oder gerade deswegen ganz ehrlich zueinander zu sein und von vornherein zu kommunizieren, wenn man es denn weiß, was man sich vorstellen kann, was aber auch nicht. Und würdet ihr sagen, es gab darüber hinaus irgendwelche Erkenntnisse aus der gemeinsamen Zeit? Gab es vielleicht auch Herausforderungen, besonders würde mich interessieren, wie gibt man denn zum Beispiel total ehrliches Feedback so zwischen Weiterbilder und Ärztin in Weiterbildung, wenn diese Familiensache im Hintergrund steht? Ja, also die größte Herausforderung so in diesem ganzen Jahr, ehrlich gesagt, waren die Gehaltsverhandlungen. Das weiß ich gar nicht mehr. Ja, das war für mich ja das erste Mal, dass ich überhaupt mein Gehalt verhandeln sollte, weil in der Klinik war das natürlich nach Tarifvertrag, das war irgendwie vorgegeben und das heißt, es war das erste Mal, dass ich irgendwas an meinem Gehalt drehen konnte und es war aber auch das erste Mal, dass ich in die Praxis ging. Das heißt, ich wusste noch nicht, was für einen Wert habe ich denn vielleicht auch? Wie bin ich im Vergleich zu anderen Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung? Ja, und dann noch meinem Vater gegenüber, das war für mich wirklich eine Herausforderung. Nein, wir haben uns dann letztlich gut geeinigt, aber das war sicherlich so die Herausforderung, die mir auch noch im Gedächtnis ist. Und wie war das für dich eigentlich, Harald? Also gerade vielleicht das Stichwort Herausforderung, Feedback der eigenen Tochter geben in diesem Setting? Ich habe versucht, wenn wir zusammen in der Praxis waren, die Sachfragen auch wirklich als solche stehen zu lassen, zu bearbeiten, zu beantworten. Und wir haben uns, glaube ich, wirklich oft auch dann über Krankheitsbilder unterhalten und haben versucht, da den besten Weg zu finden. Und für mich war das Feedback relativ einfach, weil ich glaube, ich ganz gut getrennt habe und trennen kann zwischen Person und Sache. Und ich meine auch, dass ich relativ gerecht und klar meine Meinungen vertreten habe und auch meine Ansichten auch vielleicht manchmal gesagt habe, wir machen das jetzt aber so. Aber ich glaube unterm Strich war mir immer der Wissensgewinn für beide und natürlich das Wohlergehen der Patienten letztlich das Wichtigste. Also die Konflikte so wegen unserer Verwandtschaft oder unseres Verwandtschaftsgrades, die habe ich nicht so gesehen. Nee, nee, denke ich auch, ja. Also manchmal in Einzelfällen war es eben so, dass gerade dadurch, dass du so einen eher naturheilkundlichen Schwerpunkt und auch darüber hinaus hast, dass manchmal die Patienten zu mir kamen, wenn bei dir kein Termin frei war und dann was anderes erwartet haben von mir, als ich ihnen geben konnte. Und dann habe ich das aber auch, wenn sich das rausstellte im Gespräch, habe ich das dann auch gesagt, da kann ich Ihnen jetzt leider nicht weiterhelfen, dann holen wir nochmal den Herrn Doktor dazu oder Sie machen sich nochmal einen Termin oder so. Das waren so die Schwierigkeiten im Verhältnis mit den Patienten, aber ansonsten ging das eigentlich alles ganz gut. Das ist ein spannendes Stichwort mit Patientinnen und Patienten, aber ich finde auch mit den Mitarbeitenden in der Praxis, weil ihr natürlich diesen Verwandtschaftsgrad habt, aber auch Menschen an der Kommunikation in der Praxis beteiligt sind, die den nicht haben, die vielleicht dadurch, könnte man sich denken, außen vor sind. Wie war das in eurer Praxis? Ich glaube, dass wir das Ganze sehr im Fluss gehalten haben. Ich meine, wir hätten uns am Anfang nicht groß Gedanken gemacht oder groß Erklärungengepostet, sondern wir sind da eingestiegen. Ich glaube, du bist relativ bald eine, wie man so sagt, natürliche Autorität geworden. Da gab es, glaube ich, kaum Schwierigkeiten. Ja, das sehe ich auch so. Also das war kein Problem. Ich war ja auch zur Famulaturschon mal da gewesen. Das heißt, ein Teil des Teams kannte mich auch schon und die kannten mich natürlich sowieso. Also ich meine, wenn man das Kind vom Chef ist oder von der Chefin, dann ist man ja sowieso immer mal auch im Betrieb drin, in der Praxis mit drin. Das heißt, gerade die MFA, die kennen einen und dann freuen die sich in aller Regel sehr, wenn man dann wirklich auch anfängt, dort zu arbeiten. Ich glaube, es ist wichtig, dass man diese Struktur wahrnimmt. Es ist ja ein komplexes persönliches Verhältnis in so einer Praxis zwischen den MFAs, zwischen eventuell sogar auch Raumpflegerinnen. Wir hatten dann eine Praxismanagerin und dann gibt es eben die Chefs, die zum Teil zeitweilig nur arbeiten oder eben auch unterschiedliche Anteile an der Praxis haben. Alles das muss in diesen Kosmos integriert werden und ich meine, dass unsere Leitschnur war, möglichst sensibel zu sein und Probleme so gut es geht nicht anbrennen zu lassen. Und ich glaube, das ist das Wichtigste, dass man nicht sagt, ach nee, das ist jetzt nicht so wichtig, wir verschieben das oder sonst wie. Dann funktioniert das meiste. Genau und aus Sicht von jemandem, der noch in der Weiterbildung ist, ist es ja so, dass du eigentlich sowieso von jedem Arzt, aber gerade auch von welchen, die schon länger im Job sind, einfach viel lernen kannst. Und jeder hat gerade in der Allgemeinmedizin so unterschiedliche Schwerpunkte. Das heißt, meine Mutter zum Beispiel, die kannte sich wirklich super gut aus mit Reiseimpfungen. Da habe ich ganz viel von ihr gelernt. Und die andere Ärztin, die noch mit in der Praxis war, die hatte einen Schwerpunkt in der Palliativmedizin. Mit der habe ich zusammen einen Hospiz betreut und habe von ihr da ganz viel mitgenommen. Und ich glaube, das ist schon auch wichtig, gerade wenn man in einer Praxis ist, die eben mehrere Generationen umfasst und auch verschiedene Ärztinnen und Ärzte, dass man da auch jedem gegenüber vielleicht wertschätzend auftritt oder so mit der Einstellung hingeht. Ich kann eigentlich von jedem was lernen. Ich glaube, das ist vielleicht auch noch ganz gut. Ja, das ist ein tolles Stichwort. Gerade das Thema Lernen geht ja auch in beide Richtungen. Und ein Thema, was du jetzt gerade angesprochen hast, Beate, was ich auch ganz, ganz spannend finde, ist das Stichwort Generationen. Also es ist ja gar nicht mal nur so, dass ihr da als Vater und Tochter in der Konstellation wart, sondern ihr gehört verschiedenen Generationen an, in der Medizin vielleicht auch ganz anders gelebt und erlebt wurde. Wie war das denn für euch? Gab es da Punkte, wo ihr gemerkt habt, huch, da unterscheiden wir uns? Also ich habe schon gemerkt, dass ich vor allem einfach das Wissen der Universität mitbringe und das Wissen von großen Krankenhäusern und das ist natürlich eigentlich rein schulmedizinisch und ich glaube, dieses Verständnis dafür, dass Patienten auch manchmal mehr brauchen als nur Medikamente, das kann man auch vor allem in der Allgemeinmedizin lernen und das lernt man nicht in einem Maximalversorger. Und das ist natürlich was, was dann auch durchaus zwischen den Generationen ein Konflikt sein kann, weil du ja als junger Arzt oder junge Ärztin erst anfängst und oft wie ich eben auch erst ins Krankenhaus gehst und dann in die Praxis. Und da an der Stelle kann es schon, glaube ich, auch immer mal zu Konflikten kommen. Das kann ich mir schon vorstellen. Und wie ist es jetzt, wenn ich fragen darf, mit dem Nachfolger oder der Nachfolgerin, die die Praxis übernommen haben? Wie hat das funktioniert? Ja, das war ein sehr umtriebiger Weiterbildungsassistent, der dann seine Allgemeinmedizinprüfung gemacht hat. Ich glaube gerade so knapp einen Monat, bevor er die Praxis übernommen hat. Darüber war ich natürlich sehr froh. Er hat verschiedene andere Richtungen mitgebracht, er hat zum Beispiel manuelle Therapie gemacht und hat sich dann auch mal mit der Reisemedizin beschäftigt, ist da eingestiegen und hatte überhaupt nichts mit Naturheilkunde und Homöopathie und sowas am Hut. Und so, als ich wusste, dass er die Praxis sicherlich gut führen würde, aber eben auf seine Art, das ist auch etwas, was wichtig ist, dass man seinen Nachfolger genauso wenig wie die Tochter in das Konzept presst, was man selber für die Praxis für richtig gehalten hat. Ich bin froh, dass ich diese 26 Jahre so arbeiten konnte, wie ich gearbeitet habe. Ich habe glaube ich wirklich auch in der Praxiszeit noch ganz viel gelernt, aber mein Weg ist nicht der Weg jedes anderen und gerade auch heutzutage ist man froh überhaupt einen Nachfolger zu bekommen. Natürlich hätte ich nicht jeden genommen und ich habe den, der jetzt die Praxis hat, für gut geeignet gehalten, aber mir war völlig klar, dass er ganz anders arbeiten würde als ich. Seien, dann ist das so. Genau. Ja, es haben sich ja auch einfach ganz viele Sachen so ein bisschen geändert, gerade was jetzt so Erwartungen von Arbeitszeiten, Arbeitszeitmodellen und so weiter anbetrifft. Habt ihr das auch schon gemerkt oder kennt ihr Beispiele aus eurem Umfeld, wo vielleicht auch Familienmitglieder aus verschiedenen Generationen in einer Praxis arbeiten, wo sowas dann auch Thema ist? Zum Beispiel die Nachfolgerin, der Nachfolger möchte dann Teilzeit und der Sitz muss irgendwie geteilt werden oder solche Geschichten. Ich glaube, zu unseren Zeiten war dieses Thema noch nicht ganz so präsent, aber heutzutage ist das schon etwas. Meine Frau hat früher wohl halbtags mitgearbeitet, aber wir haben noch nicht ausgeklügelte Überlappungssysteme, was Arbeitszeiten angeht oder so etwas installiert. Das war damals noch nicht so die Frage. Schon wohl bei den MFAs, da gab es immer mal Nachfragen, wie können wir arbeiten, wir wollen wieder einsteigen oder ich will wieder einsteigen und ich möchte nicht mehr so viel arbeiten und und und. Da muss man zum Teil auch andere Gesichtspunkte berücksichtigen, zum Beispiel, dass die Übergabe von Abläufen einigermaßen gesichert sein muss. Es könnte sogar sein, dass das ärztliche Arbeiten von Patient zu Patient leichter in Kontingente zu teilen ist, als die Arbeit zum Beispiel an der Rezeption oder in bestimmten MFA-Bereichen. Aber wie gesagt, das war damals bei uns noch nicht so im Vordergrund. Ja, also in der Praxis, in der ich seit dem Facharzt jetzt gearbeitet habe, da ist es so, dass die auch bei den Ärztinnen mehrere Mütter beschäftigen und da ist es schon eine Herausforderung, dass die natürlich eigentlich sehr gerne alle vormittags arbeiten würden und da müssen sich Kompromisse finden, dass einzelne eben einzelne ganze Tage dann arbeiten, weil es natürlich nicht klappt, wenn alle nur vormittags arbeiten. Das ist schon ein Thema. Auch da ist es glaube ich wirklich am wichtigsten, dass man Erwartungen und bestimmte Einschränkungen oder Beschränkungen offen auf den Tisch legt und einen Mittelweg findet oder eine Lösung findet, ohne dass der eine oder der andere sich dann zurückgesetzt fühlt oder benachteiligt oder sonst wie. Aber das ist schon herausfordernd, das Thema. So schön es ist. Wir haben ja im Podcast gehört, dass es auch eben wirklich in der Herausforderung dann gute Möglichkeiten gibt, zum Beispiel die Familie zu integrieren und und und. Und ich würde als Chef heutzutage auch immer versuchen, das zu ermöglichen. Und das ist heutzutage wirklich noch mehr ein Thema, als es damals war. Also im näheren Umfeld kenne ich noch eine Praxis, da übernimmt jetzt auch der Sohn die Praxis des Vaters und da gibt es auch das Angebot des Vaters, selbst wenn der in Rente ist, dass er zum Beispiel bei Elternzeit oder Urlaubsvertretung oder sowas dann selber wieder einspringt. Das ist natürlich dann auch immer ein Vorteil, denn da ist die Verbindlichkeit natürlich höher, als wenn du jemanden hast, von dem du einfach nur die Praxis übernimmst, ohne dass du mit dem verwandt bist. Ich kenne auch die Negativbeispiele, aber die möchte ich gar nicht erzählen. Ja, ich habe zu dem Thema Familiendynastien oder Familiennachfolgen in Praxen auch verschiedene Anschauungsbeispiele und ich finde es relativ, ich sage es jetzt mal so, ich finde es relativ schlimm, wenn eine Praxis, in der drei oder vier Personen aus der gleichen Familie arbeiten, i m ganzen Dorf bekannt ist als zerstrittene Ärztegemeinschaft. Das ist das Negativbeispiel. Das Positivbeispiel ist wirklich, wenn es eine gewisse Ablöse gibt und wenn der scheidende Vater oder die scheidende Mutter sagt, okay, ich helfe noch ein Weilchen aus, wenn es mal knapp wird mit Vertretung, das ist sicherlich gut. Was oft eben auch der Fall ist, das ist die Tatsache, dass der Vater oder der Praxisinhaber relativ lange warten muss, bis einer seiner Söhne oder eine seiner Töchter fertig ist mit dem Studium und dann in die Praxis kommen kann. Das geht dann häufig auch so weit, dass der noch Praxisinhaber eben weit über sein Rentenalter hinaus noch sitzen bleibt und das ist für die Praxen oft auch nicht gut. Die haben dann so den Ruf des Verstaubten und des Zwangsmäßigen und so weiter und so fort und das würde ich zu vermeiden versuchen, aber es geht nicht immer. Nein, genau. Dann dauert es natürlich eine ganze Weile, bis man durch dieses Studium durch ist, durch die Weiterbildung. Und gerade wenn dann noch die Frage Kinder im Raum steht, dann verzögert sich das ja einfach immer wieder. Und das ist sicherlich eine Herausforderung, diese Zeit zu überbrücken. Ja, das stimmt. Und apropos Überbrückung, was mir jetzt noch so ein bisschen als Frage offen ist, beziehungsweise es ist auch eine Frage, die sich viele stellen während der Weiterbildung schon, die überlegen, wie es dann weitergehen kann nach dem Facharzttitel. Wie funktioniert das Ganze eigentlich organisatorisch dann? Es gibt ja, der Inhaber oder die Inhaberin hat einen KV-Sitz, der wird dann entweder an eine Person eben weitergegeben, aber wenn man jetzt zum Beispiel ein Modell hat, dass zwei Personen zusammen die Praxis übernehmen, egal ob jetzt verwandt oder nicht, könnt ihr dazu ein bisschen was sagen? Also ich meine, bei der Weitergabe des KV-Sitzes hat der, der abgibt, ein Vorschlagsrecht. Ja, es gibt eine gewisse Reihenfolge. Nominell geht das alles schon über die KV. Das kommt natürlich noch darauf an, ob der Bezirk gesperrt ist, aber ich glaube es gibt keine gesperrten Bezirke mehr, höchstens in Großstädten. Aber so zum Beispiel bei unserer Praxis war keine Sperre mehr da, das heißt letztlich könnte ein angehender Allgemeinmediziner sich eine Praxis suchen, drei Häuser neben meiner. Und müsste nicht meine Praxis übernehmen. Aber natürlich ist eine eingefahrene, gut laufende Allgemeinpraxis der beste Start, den man haben kann. Dann hat man nicht drei, vier, fünf Jahre rote Zahlen und hat große Investitionen. Also dieses Thema mal beiseite. Letztlich geht trotzdem die Weitergabe eines Sitzes über die KV, aber wenn der Praxisinhaber und der potenzielle Nachfolger sich einig sind, würde die KV auch immer sagen, okay, das ist soweit vorformuliert und vororganisiert, das sollte so klappen. Das war bei uns so. Wie das ist, wenn zwei in die Praxis gehen wollen, wird dann wahrscheinlich zu entscheiden sein, ob beide einen halben Sitz beanspruchen oder, dann gibt es ja noch verschiedene andere Modelle, der Teilhabe an einer Praxis, das ist von Land zu Land auch unterschiedlich, da müsste man sich erkundigen. Es ist ja total spannend, was ihr erzählt, generell wie viel möglich ist auch und wie viele Freiheiten die Allgemeinmedizin da auch bietet. Und was ich jetzt noch ganz spannend finde zu hören, Harald, du hast ja am Anfang erzählt, dass du ja auch einen sehr vielfältigen Weg in das Fach hattest. Gab es da noch irgendwas aus deiner Zeit, was du dann später in deine Rolle als Praxisinhaber, als Weiterbilder und so weiter einbringen konntest? Ja, da gab es eine ganze Menge. Letztlich kann man sagen, dass alles, was einem auf dem Weg in die Medizin und dann in die Allgemeinmedizin begegnet ist, irgendwo einen Platz in der Tätigkeit vor Ort findet. Also es gab ganz viele Patienten, die mit allen möglichen Problemen kamen. Denen kann man dann einfach mit einer größeren Kompetenz und einer gewissen Breite auch helfen und man muss sich zurückziehen auf, ach ja, das weiß ich aber nicht, jetzt schicke ich sie mal zum Internisten. Das habe ich natürlich auch getan, wenn es nötig war. Aber die Leute kamen oft auch von den Fachärzten zurück und haben gesagt, der hat nur abgeklärt, ob ich irgendwas nicht habe. Aber was ich wirklich habe, weiß ich immer noch nicht. Doktor, Sie müssen mir helfen. Und das hat mich oft stimuliert, auch wirklich bestimmte Wege zu gehen, die ich vorher nicht geplant hatte und hinterher hat sich bewiesen oder hat sich gezeigt, dass es ganz hilfreich war. Und außerdem war eines meiner großen Steckenpferde die sogenannte Präventivmedizin. Da habe ich dann neben der Praxis her auch eine Initiative gegründet, Creavita, wo wir Workshops angeboten haben, Wochenendseminare, Bewegungstherapie. Ja, alles das ist möglich in der Allgemeinmedizin und ich würde sagen, dass man sich durchaus da ja auch als Person abbildet und die Patienten danken es einem, wenn sie einem eben dann auch so als Person in der Kommunikation wahrnehmen. Ja, das ist toll, auch gerade, dass du sagst, dass man eigene Schwerpunkte setzen kann, dass man wirklich schauen kann, was einem auch Spaß macht und sich da dann eben ganz frei weiterentwickelt, Schwerpunkte setzt. Also aus meiner Sicht war diese Zeit, die man als Praxisinhaber in einer Praxis verbringt, immer sehr lang. Also das sind ja schnell 25 Jahre oder mehr, je nachdem wann man sich niederlässt. Und das erschien mir immer sehr lang und auch damit auch langweilig im Zweifelsfall. Und ich glaube, wenn man das dann aber so für sich auch als Chance sieht und das vielfältig ausgestaltet, wie man es ja eben kann, dann kann man das auch 25 Jahre machen. Ja, ich finde das auch. Ja, das ist total spannend. Vielen Dank euch, dass ihr uns einen Einblick gegeben habt, wie das bei euch alles so funktioniert hat in der Familien- und Generationenpraxis. Wir haben am Ende unserer Folgen immer die Frage nach einer Lebensweisheit, Harald, die ich heute an dich richten würde, aus deinem Weg durch die Allgemeinmedizin. Was würdest du unseren Zuhörerinnen und Zuhörern gerne mitgeben? Ja, heute ist ja die Authentizität ein oft benutztes Schlagwort. Ich meine, dass man als Arzt gerade in der Allgemeinmedizin authentisch sein soll, darf, kann. Es gibt ja Fächer wie Augenheilkunde oder HNO-Heilkunde, wo man, wenn man nicht will, nicht sehr viel Kommunikation mit den Patienten betreiben muss. Das geht in der Allgemeinmedizin nicht. Und das ist die Chance, wirklich authentisch zu sein, sich selbst zu sein, die Bereiche zu leben, mit denen man übereinstimmt. Und das finde ich ganz schön. Und Beate, würdest du es nochmal machen, deine Praxiszeit in der familiären Praxis? Ja, doch, auf jeden Fall. Ich würde es nochmal ausweiten auf eher anderthalb Jahre. Also doch, doch, würde ich machen. Nicht bereut? Nein, nein, nein, nicht bereut. Dann vielen Dank für das tolle Schlusswort und die spannende Folge und für eure Zeit. Vielen Dank auch von mir. Wir hoffen, dass ihr das ein oder andere aus dieser Folge mitnehmen könnt, egal ob ihr in einer ähnlichen Konstellation tätig seid oder darüber nachdenkt, es mal zu werden. Genau wie beim Thema Familie gibt es auch beim Thema Praxis, Zusammensetzung oder Konstellation ganz viele verschiedene Entwürfe und Geschichten. Falls ihr selbst in einer spannenden Konstellation tätig seid und gerne mal berichten wollt, dann schreibt uns gerne. Bevor natürlich das Thema Praxisübernahme so richtig auf dem Plan steht, gibt es noch eine Station in der Weiterbildung, das große Finale, nämlich die Facharztprüfung. Um die herum gibt es verständlicherweise viel Neugier, Nervosität und auch Mythen. Wie genau so eine Facharztprüfung abläuft, wie man sich gut vorbereitet und auch einiges mehr, hört ihr in unserem Staffelfinale mit Beate, Armin Wunder und mir. Music.