Wege der Allgemeinmedizin

Kompetenzzentrum Weiterbildung Hessen
Since 10/2021 36 Episoden

Familienmedizin: Perspektiven aus der Pädiatrie - mit Marieluise Müller und Ralf Moebus

01.10.2022 39 min

Zusammenfassung & Show Notes

Pädiatrie hat nichts mit der Allgemeinmedizin am Hut?
Falsch, und in unserer neuen Podcastfolge erklären dir unsere Gäste Marieluise Müller und Ralf Moebus auch genau wieso. Besprochen wird die Pädiatrie als Frühwarnsystem, was die Allgemeinmedizin in der Zukunft prägen wird, die perfekte Länge eines Weiterbildungsabschnitts in dem Fach und vieles mehr!

P.s. Mit eigener Mentoringgruppe und Seminaren, hat die Pädiatrie auch am Kompetenzzentrum Weiterbildung ihren Platz, mehr dazu findet ihr auf unserer Webseite.

Kontaktiert uns gerne bei Fragen, Anregungen und Kommentaren: kwhessen@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de


Shownotes:

Transkript

Wege der Allgemeinmedizin. Dein Podcast rund um die Weiterbildung. Willkommen zu einer neuen Folge von Wege der Allgemeinmedizin. Heute machen wir wieder einen kleinen Ausflug und beschreiten mal Wege der Kinder- und Jugendmedizin. Ein Fach, das ja für viele angehende AllgemeinmedizinerInnen sehr spannend sein kann. Egal, ob als Weiterbildungsabschnitt oder einfach, weil die Allgemeinmedizin den Menschen natürlich über die gesamte Lebensspanne in den Blick nimmt. Auch bei uns am Kompetenzzentrum Weiterbildung hat die Pädiatrie einen Platz, mit einer eigenen Mentoring-Gruppe zum Beispiel und Seminaren, die speziell auf Kinder- und Jugendmedizin ausgerichtet sind. Unsere heutigen Gäste Marie-Luise Müller und Ralf Möbus sind selbst PädiaterInnen aus dem Raum Frankfurt und engagieren sich in vielerlei Hinsicht für das Fach. Und mit Britta und den beiden geht es heute um Kinder- und Jugendliche als PatientInnen, um die Kommunikation mit Eltern und welche Länge für einen Weiterbildungsabschnitt sie empfehlen. Und weil die Pädiatrie ja auch eine Art Frühwarnsystem für die Allgemeinmedizin sein kann, seid gespannt, was sie berichten, was auf euch in der Allgemeinmedizin so zukommen wird. Wie immer freuen wir uns sehr über Feedback zur Folge. Wenn sie euch gefallen hat, bewertet sie gerne auf der Plattform, wo ihr sie hört oder schreibt uns eine Mail an kwhessen@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de Und jetzt wünsche ich euch viel Spaß bei der Folge. Hallo und willkommen bei einer neuen Folge von Wege der Allgemeinmedizin. Ich bin Britta und ich bin Ärztin in Weiterbildung Richtung Allgemeinmedizin und mit mir ist wieder Maria hier. Hi, ich bin Maria, ich bin Pädagogin und arbeite hier am Kompetenzzentrum Weiterbildung Hessen im Mentoring-Programm. Und wir haben wie immer Gäste in unserer Folge, aber heute eine Premiere, denn wir haben das erste Mal zwei Gäste da aus einem anderen Fachgebiet als der Allgemeinmedizin, nämlich Marie-Luise und Ralf. Die sind Kinderärzte und können uns heute ganz viel über ihr Fach und auch ihr Fach in der Allgemeinen Medizin berichten. Ich freue mich sehr, dass ihr da seid. Wollt ihr beiden euch vielleicht noch mal kurz vorstellen für alle, die zuhören und euch noch nicht kennen? Ja, hallo, mein Name ist Ralf. Ich bin Kinder- und Jugendarzt und bin seit 22 Jahren in der Niederlassung tätig. Ein bisschen im Speckgürtel von Frankfurt, also nicht direkt hier in Frankfurt, sondern in Bad Homburg. Wir haben ein ganz bunt gemischtes Klientel, das wir versorgen. Wir haben viele Jugendliche, die wir versorgen. Da ist dann auch die Schnittstelle in die Allgemeinmedizin, die ich dann schon mal sehe. Und ich freue mich, dass ihr mich eingeladen habt. Ja, ich bin die Marie-Luise Müller. Ich arbeite in einer Gemeinschaftspraxis mit drei weiteren Kollegen in Frankfurt-Höchst. Ich bin Kinderärztin und Psychotherapeutin und arbeite seit zwölf Jahren in der Praxis. Ja, schön, dass ihr beiden da seid. Die Pädiatrie ist ja für uns hier im Kompetenzzentrum gar nichts Neues. Ihr seid ja bei uns auch im Seminarprogramm vertreten, im Mentoring-Programm. Ihr beiden seid auch die Mentorin und der Mentor für unsere Pädiatriegruppe, was ich besonders spannend finde, dass ihr heute hier seid. Vielleicht könnt ihr da auch einfach so einen kleinen Eindruck nochmal erzählen, was so die pädiatrischen AiWbeschäftigt. Wir fangen immer mit so einer Frage an, wie euer Weg eigentlich war und die würde ich euch auch gerne stellen. Diesmal dann nicht für die Allgemeinmedizin, sondern für euer Fach. Marie-Luise, magst du mal erzählen? Nimm uns mal mit in die Zeit, als du studiert hast. Wie kam es dazu, dass du heute da bist, wo du bist? Ja, das fing tatsächlich schon sehr früh an. Also ich habe tatsächlich so mit 15, 16 gewusst, dass ich so in so eine Richtung gehen möchte. Ich habe ja zuerst Psychologie studiert und so nachdem ich da fertig war, bin ich dann direkt ins Medizinstudium weitergegangen, was nicht immer positiv gesehen wurde, sage ich jetzt mal. Ich habe das aber unglaublich gerne gemacht und habe sozusagen das gemacht, was ich für richtig halte. Und bin auch jetzt sehr froh darum, eigentlich diese beiden Fächer gemacht zu haben. Und sehe da auch einen großen Vorteil in der täglichen Arbeit jetzt. Und ich habe in Berlin studiert, sowohl Psychologie als auch dann Medizin. Habe da auch den Abschluss gemacht und bin dann 1996 hier ins Rhein-Main-Gebiet gekommen. Ich habe dann tatsächlich erst in einer pädiatrischen Praxis gearbeitet, dann im Sozialpädiatrischen Zentrum in Frankfurt-Höchst, dann dort in der Klinik, war insgesamt zehn Jahre in der Klinik, war auch relativ lange auf der Kinderintensiv, habe das alles irgendwie gerne gemacht und bin dann in die Praxis gegangen. Ich hatte dann während der Facharztausbildung noch die Psychotherapieausbildung gemacht in Marburg. Ja, schön. Und Ralf, wie war es bei dir? Ich habe nur in Frankfurt studiert, habe nach sechs Jahren mein Studium auch beendet und hatte während des Studiums immer die Zeit, in verschiedenen Praxen zu arbeiten, aber auch in der Klinik zu arbeiten. Ich wollte eigentlich alles mal werden. Ich wollte Radiologe werden, ich wollte Internist werden, ich wollte Allgemeinmediziner werden. Habe das auch dann in den verschiedenen Formulaturen auch immer sehr genossen. Und das hängt ja immer von den Lehrern dort ab. Wenn die Lehrer gut sind, dann ist das Fach gut und dann will man das Fach machen. Ich habe in einer großen radiologischen Gemeinschaftspraxis eine lange Zeit als MTA gearbeitet. Habe dort CTs gemacht oder unterstützend mitgeholfen bei CTs. Aber letztendlich entschieden habe ich mich für die Pädiatrie durch die Pflege. Ich habe in der Pflege gearbeitet, ich habe auch in der Pflege häufig Nachtdienste gemacht und das war in der Pädiatrie eigentlich immer am schönsten. Da war man sehr nah an den Patientinnen dran und die Versorgung der Patientinnen fand ich unglaublich spannend, weil Kinder geben so viel zurück, auch wenn sie schwer krank sind. Da gibt es so viele Erlebnisse, die man dann in dieser pädiatrischen Zeit hat, in der Pflege, die so einen prägen auch für die Zukunft. Und ich habe ein Riesenglück gehabt, ich war immer zur rechten Zeit am rechten Ort, das heißt ich habe keinerlei Unterbrechungen gehabt. Ich bin nach sechs Jahren Studium direkt in die Kinderklinik gekommen als Arzt im Praktikum. Das kennt wahrscheinlich kaum noch einer eurer Hörerinnen. Ärzte im Praktikum, das sind diejenigen, die ganz wenig Geld für ganz, ganz viel Arbeit bekommen haben. Und wir kriegen heute ja natürlich ganz andere Gehälter glücklicherweise und wir sind da schon viel besser gestellt. Aber die Zeit, die war trotzdem gut und ich hatte das Glück, direkt im Anschluss auch in der Klinik bleiben zu dürfen. Also ich habe mich nicht ganz so doof angestellt und ähnlich wie Marie-Luise war ich auch sehr lange auf der Intensivstation, weil ich da auch keine zwei linken Hände offensichtlich hatte, dass ich schnell wieder weg sollte von den ganz kleinen Kindern. War aber für meine Zeit, die ich insgesamt in der Facharztweiterbildungszeithatte, nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich hätte es sehr genossen, wenn ich damals schon die Gelegenheit gehabt hätte, von der Klinik in die Praxis zu wechseln. Um in der Praxis eine Zeit des Weiterbildungsabschnittes zu machen. War damals aber gar nicht möglich. Ginggar nicht. Von daher haben die Leute, die heute bei uns in den Kliniken und in den Praxen arbeiten, viel mehr Glück. Ja, hat sich einiges geändert offensichtlich in der Zwischenzeit. Man hat es ja gerade schon so ein bisschen rausgehört. Marie-Luise, du machst ja auch Psychotherapie und insgesamt ist ja die Pädiatrie eigentlich ganz vergleichbar mit der Allgemeinmedizin. Das ist ja auch einfach ein ganz umfassendes Fach, was die in dem Fall ja kleinen Patienten bis Jugendlichen in allen Bereichen eigentlich begleitet. Was würdet ihr denn sagen, wo seht ihr so Schnittstellen zur Allgemeinmedizin, was ist vielleicht auch anders? Also ich glaube, so eine ganz große Schnittstelle ist, dass wir ja auch so ein breites Wissen haben müssen und irgendwo in alle Bereiche mal hineingeguckt haben müssen, um auch die Patienten dann entweder selber gut versorgen zu können oder aber zu den entsprechenden Kollegen weiterschicken zu können. Also diese Entscheidung, wann gebe ich einen Patienten in die Hände eines weiteren Fachkollegen oder so, das ist ja eine wichtige Entscheidung, das immer richtig treffen zu können. Das ist etwas, glaube ich, was sowohl in der Allgemeinmedizin als auch bei uns Pädiatern wichtig ist. Und dazu gehört aber, dass ich ein sehr, sehr breites, also dass ich eigentlich neugierig bin auf alle medizinischen Bereiche und da überall so ein bisschen zumindest weiß, worum es geht und das dann gut entscheiden kann. Und den Eltern auf der anderen Seite aber so einen guten Rückhalt geben zu können, dass die wissen, hier kann ich immer als erstes hinkommen und die werden dann schon sagen, wo ist der nächste Schritt oder muss ich einen neuen Schritt gehen. Das, denke ich, ist so in beiden Fächern eigentlich, was, glaube ich, bei uns anders ist oder ein wichtiger Teil, der anders ist, dass wir ja immer das Kind als Patient haben und die Eltern, die da immer dabei sind. Das ist ja nochmal so eine etwas spezielle Situation im positiven Sinne, weil wir dadurch immer nochmal jemanden haben, der uns ganz viele Informationen geben kann. Und auch dadurch ja der eigentliche Patient nie alleine ist, sich vielleicht auch nie alleine fühlt. Das denke ich ist eben bei der Erwachsenenmedizin nochmal ein bisschen anders. Manchmal aber auch schwierig, wenn Eltern vielleicht große Ängste haben oder irgendwie vielleicht einem erstmal nicht vertrauen oder so. Da kann dann schnell auch so eine Spannung im Raum sein. Man hat dann eventuell nicht nur den einen Patienten, sondern da hängt dann manchmal noch sowas mit dran. Vielleicht am besten gleich zwei. Ja, spannend. Das hatten wir uns auch schon überlegt, dass das bestimmt nochmal anders ist. Man spricht ja auch im Medizinstudium schon viel über Arzt-Patienten-Beziehungen. Wie steuere ich das richtig? Wie kann ich gut kommunizieren? Und es ist ja dann nochmal wirklich, wie du sagst, auch Britta erweitert, so eine Vertrauensbasis mit den Eltern zu schaffen. Gar nicht so ohne. Vielleicht steigen wir da einfach direkt schon mal ins Thema ein. Erzählt doch mal, wie macht ihr das? Wie sieht euer Alltag aus? Wir versuchen natürlich immer erstmal die Kinder als diejenigen aufzunehmen, die zu uns primär kommen. Die Eltern sind erst einmal, und das irritiert viele Eltern natürlich auch. Für uns gar nicht die wichtige Hauptperson, sondern erstmal wird das Kind angenommen, das Kind kommt in die Praxis und das Kind ist das, was wir versorgen wollen. Das ist ganz entscheidend auch für den weiteren Verlauf dann in der Praxis, weil Eltern bisweilen sich davon sehr stark irritiert fühlen und die muss man dann irgendwo wieder abholen. Das ist wichtig, dann wieder einzufangen auch. Und das ist etwas, was schon auch eine spannende Sache ist. Das Triangulieren mit den Eltern kann sehr, sehr irritierend für die Arzt-Patienten-Beziehungen insgesamt sein, weil nämlich Eltern eine große Rolle dabei spielen, wie die Kinder auch in die Praxis kommen. Sind die Eltern eher ängstlich? Kommt das Kind ängstlich in die Praxis. Haben die Eltern eher eine aufgeschlossene Art und Weise? Dann wird auch das Kind sich eher öffnen, was bei uns das Gelingen von Vorsorgeuntersuchungen, und Früherkennungsuntersuchungen bei den Kindern angeht. Oder auch dann später bei den Jugendlichen. Heute Mittag kam eine Mutter zu mir mit ihrem 16-Jährigen und meinte, sie müsste unbedingt mit rein zu dem Gespräch. Weil er ja unter Umständen gar nicht verstehen könnte, wenn es um seine Halsschmerzen ginge, was er dann zu tun hatte. Und sie war völlig irritiert, dass ich sie eigentlich gar nicht mitnehmen wollte. Das muss man manchmal abfangen bei den Eltern. Was mir nochmal mit dieser Schnittstelle ganz wichtig wäre, dass wir diese Gemeinsamkeit haben, zwei ganz besondere Altersgruppen zu versorgen. So sagen wir, die Menschen zwischen 20 und 60, das ist ja eine Altersklasse, die eigentlich jetzt nicht das spektakuläre medizinische und auch das Wechsel überhaupt der Zeiten angeht. Aber dann später im Übergang ins Senium oder wenn man über 60 ist, beginnt ja schon einiges, was sich so an körperlichen Veränderungen tut. Da fehlt es sich unheimlich viel. Das passiert Spektakuläres, genauso wie bei uns in der Kinder- und Jugendmedizin. Ganz am Anfang passiert unheimlich viel. Das Laufen lernen, das Krabbeln, all diese Dinge, die da sind. Und dass sich das dann irgendwann alles wieder verliert und was das mit den Menschen macht, dass das sich alles wieder verliert. Das sind, glaube ich, diese beiden Extremen, die wir betreuen, sind wirklich herausfordernd für beide Seiten. Und da haben wir so viele Gemeinsamkeiten, die wir auch gemeinsam bewältigen müssen. Ja, das stimmt. Das ist natürlich was ganz Besonderes. Das sind ja, man kann ja schon fast sagen, unterschiedliche Menschen, die man da im Laufe ihres Lebens zu sehen bekommt. Vom Baby bis zum Jugendlichen. Also der Pädiater oder die Pädiaterinnen sind, die erste Anlaufstelle, die allererste Stelle, an die man sich wendet mit dem Kind, wenn man irgendwelche Sorgen oder Probleme hat oder auch zur Vorsorge geht. Aber nun gibt es ja leider in Deutschland nicht überall auch flächendeckend Kinderarztpraxen. Und das ist ja auch jetzt einer der Gründe, weshalb wir die Folge machen, weil das dann eben häufig die Hausärztinnen und Hausärzte sozusagen ja abfangen oder übernehmen zum Teil. Was würdet ihr sagen, was muss denn ein Hausarzt oder eine Hausärztin unbedingt können? Oder wissen, wenn eben Kinder als Patienten kommen, gibt es da irgendwelche Grundlagen, wo ihr sagt, das muss einfach sein? Ärztinnen und Ärzte im Allgemeinen müssen irgendwann ein Gefühl dafür entwickeln, welcher Patient muss sofort behandelt werden, welchen Patienten muss ich sehen, weil er vital bedroht ist. Und das unterscheidet sich ganz immens vom Kindesalter zu den Erwachsenen. Wenn wir Kinder haben, bei denen der Erwachsenenarzt, der Allgemeinmediziner vielleicht ohne Kenntnis für Kinder sagen würde, naja, der ist ja auf dem Arm der Mutter oder ist ganz ruhig und macht ja jetzt nichts. Das sind die Kinder, bei denen wir Angst kriegen. Das ist etwas, was man wahrscheinlich nur dann lernt, wenn man ein Kind gesehen hat, was vital schwer bedroht ist, aber trotzdem ruhig auf dem Arm der Mutter ist. Und gerade das ist für uns etwas, was wir als Alarmzeichen sehen. Die Kinder, die im Wartezimmer toben und schreien oder bisweilen halt auch die Ärztinnen in Weiterbildung in der Praxenhause Allgemeinmedizin, so schwierig zu sehen ist, wenn ein schwer obstruktiv erscheinendes Kind atmungswesig schwer obstruktiv erscheint, aber gar nicht schwer krank ist. Unsere Happy Weezer. Aber die, die auf dem Arm hängen und nur noch keuchen und schlecht Luft kriegen, die man vielleicht übersehen würde, dafür muss man ein Gespür bekommen. Ich denke aber, das bekommt man im Laufe der Zeit. Das ist nichts, wovon man ganz große Angst haben muss. Das erkennt man irgendwann, weil man sieht irgendwann für sich ein grammatisch, wo sind schwer gefährdete Patientinnen und Patienten. Das ist ja im Erwachsenenalter nicht anders. Ich würde mir schon wünschen, dass Ärzte inWeiterbildung in der Allgemeinmedizin durchaus in den pädiatrischen Praxen ein halbes Jahr verbringen würden. Alleine deshalb, weil ich mir immer Sorgen mache um die Jugendlichen, wenn die Jugendlichen sich irgendwann aus der pädiatrischen Praxis verabschieden, weil nicht jeder macht eine Jugendsprechstunde von unseren Kolleginnen und Kollegen. Das ist dann schade, wenn die so irgendwo untergehen. Bei uns gehen sie unter vielleicht in manchen pädiatrischen Praxen in der Spielküche in der Ecke und in den Erwachsenenmedizinbereichen. Es ist vielleicht eher so, dass sie dort untergehen zwischen Gala und Bunte. Also im Wartezimmer sich einfach nicht aufgenommen und wohlfühlen. Und ich glaube, da ist auch eine Versorgungslücke unter Umständen, je nachdem, wo man halt hinschaut. Ja, da muss ich auch sagen, da erinnere ich mich selber an meine Zeit als Patientin in der Kinderarztpraxis, als ich dann irgendwie 15, 16 war. Ich wollte da auch nicht mehr hin, muss ich ehrlich gestehen. Das war ein netter Arzt, aber ich fühlte mich da mit den ganzen Kleinen irgendwie nicht mehr am richtigen Ort. Vielleicht auch nochmal zu dem, was du davor gesagt hast, Ralf. Ich habe mal eine Notfallfortbildung mitgemacht. Und da ging es auch so am Rande, wurde auch das Thema Kinder dann behandelt und ich habe da so im Kopf, dass gesagt wurde, man soll immer fragen, spielt das Kind und trinkt es? Und wenn beides mit Ja beantwortet wird, dann kann man erst mal so ein bisschen durchatmen, aber wenn eben nicht, dann das ist so ein Anzeichen vielleicht, dass es dann doch kritischer wird. Vielleicht ist es auch so, ich weiß es nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass wir so ein bisschen schärferen Blick auch entwickeln, weil die Kinder ja uns nicht so viel erzählen können, sodass wir lernen mehr auf Dinge zu achten. Wie ist die Atmung, wie reagiert das Kind auf sein Umfeld, wenn es da im Zimmer sitzt, ist es vielleicht völlig abwesend oder guckt es neugierig auf eine Tafel, auf ein Bild oder so, also nimmt es teil an seiner Umgebung oder tut es das überhaupt nicht mehr. Und die Atmung, die kann ich ja sehen, wenn das Kind zumindest halbwegs ausgezogen ist. Dafür muss ich es noch nicht mal abhören. Dann kann ich schon sehen, passiert da irgendwas. Also benutzt das deine Hilfsmuskulatur bei der Atmung oder atmet das beschleunigt oder so. Das heißt, ich habe schon Möglichkeiten, alleine durch eine gute Beobachtung viel zu sehen auch an dem Kind. Und das ist wichtig, weil ich manchmal nicht so schnell sofort so rankomme vielleicht. Aber ich fand diesen Punkt, was du gesagt hattest, das ist, denke ich, etwas, das ist, glaube ich, wirklich wichtig, dass die Allgemeinmediziner so einen Blick dafür bekommen, wann ist ein Kind wirklich schwer krank, wann muss ich es in eine Klinik schicken, dass einem das nicht entgeht. Was finden wir noch wichtig? Ich finde eigentlich auch gut oder ich fände es gut, wenn so ein bisschen Entwicklung des Kindes man sich vielleicht als Wissen drauf schafft. Also wirklich zu wissen, was ist jetzt für ein Dreijähriges, für ein Vierjähriges, für ein Fünfjähriges, für ein Ein- bis Zweijähriges, was ist normal von der Entwicklung her. Dass mir das nicht, dass mir, sage ich mal, ein entwicklungsverzögertes Kind nicht entgeht. Weil ich einfach in dem Alter so viel machen kann, wenn ich es frühzeitig sehe. Und es gibt halt immer diese Zeitfenster, Sprachentwicklung, Zeitfenster, zwei bis vier Jahre. Wenn das Kind dann älter ist, dann hat das Gehirn nicht mehr das Potenzial, Sachen zu lernen. Und wenn ich das zu spät merke, das wäre natürlich schon dann schade einfach. Darf ich da eine kurze organisatorische Frage einschieben? Ralf, du hattest von sechs Monate so als Abschnitt fallen lassen. Jetzt ist es ja in der Weiterbildungsordnung nach der neuen hier in Hessen in der Allgemeinmedizin so, man hat 18 Monate zur freien Verfügung und wir hören in den Mentoring-Gruppen auch immer wieder, dass einige in die Pädiatrie auch gehen. Was würdet ihr so als Tipp geben, wenn man sich da das entsprechende Wissen aneignen möchte, wie lang sollte man einplanen? Also ich glaube, sechs Monate ist so die untere Grenze, würde ich sagen. Ein Jahr wäre schöner. Weil dann habe ich, glaube ich, echt eine Menge gesehen. Nicht alle Exoten, aber dann habe ich doch eine Menge. Dann habe ich ein gutes Gefühl bei der Untersuchung von Kindern und bei der Einschätzung. Das würde ich sagen, oder? Ich würde bei den sechs Monaten bleiben für die Allgemeinmedizin, ganz klar. Weil einfach der Ausbildungsabschnitt für zwölf Monate ja wieder sechs Monate von etwas anderem nimmt. Und ihr versorgt halt nun doch eine deutlich weitergehende Altersspanne, als wir das tun. Bei uns passiert zwar unheimlich viel, aber die Spanne, die ihr versorgt, ist dann später eine andere. Also ich glaube schon, dass man sich da mehr Wissen für die andere Seite der Lebenssparte aufheben muss, für das, was an Wissensgewinn sein muss. Und dadurch, dass wir ja im Kompetenzzentrum bei euch im großen Zug mitfahren dürfen, dann dürfen wir ja auch in der Lehre dabei sein und wir haben ja die Möglichkeit auch noch einige Inhalte zu vermitteln, die auch wichtig sind, die dann auch vielleicht ein bisschen Rüstzeug noch mitgeben und vielleicht hat der ein oder andere auch schon mal mit einer Famulatur in der Pädiatrie Erfahrungen gesammelt. Also ich glaube, sechs Monate ist gut. Wir wollen auch keine Abwerbung in die Pädiatrie machen. Das ist nicht so, dass man das macht. Wir haben tolle AIW schon gehabt aus der Allgemeinmedizin bei uns in der Praxis. Im Speckgürtel Frankfurts ist es nicht so, dass aus den Kliniken immer die AIWs aus der Pädiatrie zu mir strömen, sondern es ist eher so, die strömen eher nach Höchst, zu Marie-Luise. Und in anderen Frankfurter Praxen, da gibt es auch keine Probleme. Bei mir ist das Verhältnis ausgeglichen, Weiterbildung, Ärzte inWeiterbildung allgemein und Pädiatrie. Drei zu drei steht es da bisher. Ja, total spannend. Was für die Allgemeinmedizin noch ganz wichtig ist, denke ich, da man ja auch sehr viel so mit Familienverbünden arbeitet und einfach auch immer wieder verschiedene Familienkonstellationen zu Gesicht bekommt. Immer wieder kommt es ja leider auch dazu, dass man nicht so schöne Geschichten vielleicht miterlebt oder auch Punkte, wo man sich um die Kinder dann wirklich sorgt oder da einfach vielleicht auch ein Verdacht im Raum steht, dass es den Kindern nicht gut geht. Was kann man denn da tun? Man muss unbedingt seinem Bauchgefühl auch nachgehen. Das ist ganz wichtig. Man sollte versuchen, das nicht wegzudrücken, nicht zu sagen, das kann ich mich jetzt nicht mit beschäftigen, sondern man muss immer dem auch nachgehen. Wenn man denkt, da kann irgendwas vielleicht in der Familie nicht ganz in Ordnung sein, das Kind könnte vernachlässigt sein, es könnte eine Kindesmisshandlung gewesen sein oder Sonstiges, wenn man auffällige blaue Flecken gesehen hat. Oder wenn man sich denkt, das Kind entwickelt sich nicht so, wie ein Kind sich entwickeln sollte. Das Kind verhält sich in der Untersuchungssituation anders, als ich das Kind bisher erlebt habe. Finden Veränderungen beim Kind selbst statt oder aber man findet einfach die Situation für sich so auffällig, dass man sich sagt, hey hallo, da stimmt irgendwas nicht. Wir haben so viele Möglichkeiten an Hilfen und uns an Hilfestellungen auch zukommen zu lassen. Das geht von den sogenannten ISEFs, also den sogenannten insofern erfahrenen Fachkräften, über die Kinderschutz-Hotline, über das Kinderschutz-Telefon hier in Frankfurt, über diejenigen, die man kennt, über persönliche Kontakte im Kinder- und Jugendsozialdienst. Man muss sich ein eigenes Netzwerk frühzeitig aufbauen, um gerade dieser schwerwiegenden Situation gerecht zu werden. Ich sage immer meinen AiWs, ich erwarte von jedem, der ärztlich tätig ist, dass er wenigstens die Kurzform der Leitlinie Kinderschutz in der Medizin gelesen hat. Das ist etwas, was unglaublich viel an Informationen bietet, eine riesig große Leitlinie, die zusammengedampft wurde auf eine lesbare Kurzvariante und ich denke, das gehört zu einem Basiswissen dazu, wenn man in der ambulanten Medizin tätig ist. Weil es ist nicht die Frage, ob ich eine Kindeswohlgefährdung in meiner Praxis sehe, sondern wann und wie oft ich sie sehe. Und eine ganz große Frage ist, bin ich bereit, auch wirklich hinzusehen und bin ich bereit, auch darauf zu reagieren. Ich glaube, es gibt keinen größeren Fehler, den man machen kann, als da wegzuschauen. Und das wäre mein größtes Anliegen, dass ich immer an die AIW habe, dass dort das Augenmerk draufgelegt wird, dass da aufgepasst wird darauf. Und wir sind ja auch durch das hessische Kinderschutzgesetz schon relativ frühzeitig in den Früherkennungsuntersuchungen mit hineingezogen worden. Wir sind im hessischen Kinderschutzgesetz schon vor etlichen Jahren mit der Schweigepflicht in diesem Bezug entbunden worden. Was jetzt das Kinderschutzgesetz insgesamt für alle auch in Deutschland gemacht hat. Also immer zuhören, gucken, Aufmerksamkeit, wachsam sein. Das ist ganz entscheidend für mich. Und es gibt viele Hilfen. Das ist auch gut zu wissen, weil wenn man sich damit jetzt noch nicht so auskennt, dann hat man vielleicht das Gefühl, oh Wo fange ich jetzt an? Es ist sicherlich schlau, sich erstmal dieses Netzwerk, wie du gesagt hast, zu schaffen oder zu gucken, wo wende ich mich als erstes hin, wie gehe ich Schritt für Schritt davor. Und ich glaube manchmal ist es auch so, also gerade wenn ich anfange mit der praktischen Arbeit, dass ich mir vielleicht ein bisschen Zeit verschaffe. Das ist ja normal, dass ich vielleicht, wenn ich die ersten Male sehe, boah, da könnte wirklich in der Familie eine Kindesmisshandlung vorliegen oder eine Vernachlässigung, dass man selber geschockt ist, dass man erstmal nicht so richtig weiß, was mache ich denn jetzt überhaupt. Und Zeit verschaffen kann ja auch bedeuten, dass ich dann erstmal für mich sage, okay, ich bestelle die einfach wieder ein. Und dann in einem ruhigen Moment überlege ich mir nochmal, was habe ich da jetzt wirklich gesehen oder was hat das Kind gesagt oder was haben die Eltern gesagt, wie haben die eine Situation geschildert. Wir sind beide berufstätig und haben im Prinzip keine Zeit für das Kind. Eltern erzählen eigentlich viel, aber manchmal haben wir vielleicht nicht sofort hingehört oder wir haben nicht die Ruhe gehabt oder so. Und wenn ich mir am Anfang die Zeit nehme und sage, irgendwas stimmt nicht, ich habe so ein Bauchgefühl, irgendwie ist hier so eine wahnsinnige Anspannung in dem Raum und ich kann es aber nicht so richtig deuten, dann ist es gut. Meine Erfahrung ist, wenn ich dann einfach sage, ich reagiere nicht sofort darauf. Ich sage nicht sofort, könnte es sein, dass hier eine Kindesmisshandlung vorliegt, kommt nicht so gut an. Sondern dass ich sage, ich weiß es gerade nicht, aber ich bestelle die einfach für nächste Woche, mit welchem Grund auch immer, nochmal ein und überlege mir bis dahin meine Strategie. Eltern sind eigentlich schon auch häufig in der Lage, auf ein Angebot einzugehen, wenn ich es gut formuliere. Wenn ich sie nicht mit etwas konfrontiere, was ihnen dann Angst macht. Eltern haben ja immer Angst, als erstes kommt das Jugendamt und nimmt mir das Kind weg, wenn ich jetzt was Falsches sage. Und dann ist es gut, wenn ich als Arzt mir vorher genau überlegt habe, wie gehe ich in das Gespräch rein.Wie hole ich die Eltern auch ab, dass die eben genau diese Angst nicht haben und bereit sind zu erzählen, was ist eigentlich los. Und dann kann ich gut darauf eingehen und kann gut gucken, was ist jetzt der richtige Schritt. Brauchen die vielleicht einen Familienhelfer oder brauchen die vielleicht nur eine gute Erziehungsberatung oder oder. Und Eltern öffnen sich dann auch. Wenn ich mir die Zeit nehme und selber nicht so einen riesen Kopf habe, boah, was ist hier, was passiert hier gerade in der Familie und welche Vorwürfe hätte ich jetzt vielleicht, die ich den Eltern machen will, das bringt ja alles nichts. Und dann ist es besser, wenn ich mir vorher ein bisschen Zeit verschaffe und mir eine Strategie überlege. Das ist ein super Tipp, sich aus der spontanen Stresssituation einfach rauszunehmen und auch mal zu reflektieren, vielleicht auch Hilfe irgendwie in Anspruch zu nehmen, rückzuversichern, wie Kolleginnen das sehen. Vielleicht dann nochmal ganz allgemein zum Umgang oder zur Kommunikation mit den kleinen Patienten. Jetzt wieder aus allgemeinmedizinischer Sicht, wenn man jetzt gerade so am Anfang steht und dann kommt irgendwie eine Mutter mit einem Kind rein. Wie nähert man sich denn dem Kind jetzt am besten? Wir müssen immer erstmal gucken, wie nähert sich das Kind uns? Schreit es uns gleich an, wenn es die Tür aufmacht? Schreit es eventuell schon im Flur oder wie ist die Situation, die das Kind auf uns erstmal wirksam auf uns einbringt? Von daher müssen wir erst mal gucken, wie wir darauf reagieren, wie das Kind ist. Und entscheidend ist, das Kind anzunehmen. Erst mal, für mich ist es immer wichtiger, das Kind anzunehmen, als die Eltern anzunehmen. Und wenn das gar nicht geht, dann muss ich das Gespräch über die Mütter suchen. Wenn ein Kind von Anfang an schreit und schreit und schreit, dann hilft mir nur, dass ich versuche, das Vertrauen der Mutter zu gewinnen. Weil meist ist ja das Vertrauen der Eltern dann das Problem, dass die Kinder so viel schreien. Nicht immer, aber häufig. Von daher ist die Augenhöhe zum Kind entscheidend, wenn sie mir es zulassen, die Kinder. Wenn sie mir es nicht zulassen, brauche ich die Eltern und hoffe, dass ich die irgendwie mit einbinden kann. So eine klassische Situation, wo es schwierig ist, ist ja so die U7, U7a mit zwei und drei Jahren. Die Zweijährigen, also ich sage mal 50 Prozent der Zweijährigen sind uns gegenüber erstmal nicht so positiv gestimmt. Die haben halt einiges an Impfung. Mein Sohn hat versucht aus der Praxis zu rennen. Ja, ich sage den Eltern auch immer gleich, also machen Sie sich bitte keine Sorgen, die U7 ist unglaublich schwierig häufig, es ist nicht ihr Kind, es ist einfach diese ganz spezielle Situation nach den vielen Impfungen, da kann man nicht erwarten, dass ein Kind freudestrahlend auf den Arzt zuläuft. Und da fange ich eigentlich mit so Spielen an. Ich bringe einen Ball mit oder andere Spiele oder ich gucke, was hat das Kind mitgebracht und versuche darüber dann Zugang zu dem Kind zu bekommen. Das ist auch tatsächlich so. Die Eltern sind mir da erstmal nicht so wichtig. Wenn ich aber merke, ich kriege das Kind überhaupt nicht, das hat sich hinter der Mutter versteckt, das sieht mich nicht, das hört mich nicht, das schreit nur, dann ist mein Einstieg eher wirklich die Mutter zu fragen, was kann es denn schon alles, was hat es schon gelernt und manchmal hat man Glück und das Kind beruhigt sich und hört dann zu, was die Mutter erzählt oder der Vater. Und darüber kommt es dann langsam dazu, selber was zu sagen. Das ist ja dann immer ganz witzig, wenn die dann plötzlich antworten. Das kann ich aber schon. Und sie dann die Eltern korrigieren. Das war, denke ich, ein guter Punkt mit dem, dass man wirklich zuerst sich aufs Kind konzentriert. Weil ich glaube, das ist vielleicht so eine Falle, in die man schnell tappt, weil man das einfach so gewohnt ist. Oder weil man vielleicht denkt, das geht schneller. Ich frage mal schnell die Eltern, was ist denn das Problem? Und insofern das Kind schon sprechen kann, ist es sicherlich die beste Variante, erst mal das Kind selber zu fragen. Sehen wir auch bei den Früherkennungsuntersuchungen relativ häufig, dass Eltern ihre Kinder anders einschätzen, als sie tatsächlich sind. Dann sind die Standardfragen, kann ihr Kind einen Ball fangen, von drei bis vier Metern geworfen? Nein, das kann es nicht. Und wenn man es dann macht, wunderbar, er fängt einen Ball wie Olli Kahn oder so. Und das ist schon sehr, sehr unterschiedlich, wie Eltern die Einschätzung ihrer Kinder tatsächlich auch drauf haben. Das sind halt viele, die lange Zeit auch fremd betreut sind, viele in der Kindertagesstätte den ganzen Tag verbringen und natürlich dann auch vieles in der Entwicklung den Eltern gar nicht so geläufig ist. Sie fangen nicht alle mit Bällen an zuwerfen, wenn sie nach Hause kommen, sondern haben andere Ideen, was sie mit den Kindern machen. Das ist aber ein ganz entscheidender Entwicklungsschritt, einen Ball fangen können mit vier bis fünf Jahren. Hand-Augen-Koordination, Dinge, auf die wir besonders Wert legen, die wichtig sind, die aber dann in dem Spielmoment gar nicht da sind und wir leider ja schon mittlerweile mit sechs Monaten beginnen, eine Medienerziehung zu machen bei den Eltern. Bildschirmfrei bis drei beginnen wir mit sechs Monaten zu erinnern. Das müssen wir. Das ist traurig, aber das ist leider Realität. Wir übernehmen Erziehungsaufgaben zum Teil. Bei Eltern und Kindern. Genau. Das führt mich zu einer Frage, die nochmal so ein bisschen auf das Spektrum eurer Tätigkeit eingeht, weil ihr schildert jetzt zum Beispiel die U-Untersuchung ja eher am Anfang des Lebens und ihr begleitet ja diesen ganzen Identitätsentwicklungsprozess von der Person eigentlich auch. Die sitzt dann vielleicht mit 14, 15, 16 noch bei euch und ist ein fast erwachsener Mensch und hat natürlich ganz andere Bedürfnisse als früher. Die Eltern sind vielleicht noch dabei, sind vielleicht nicht mehr dabei. Wie begleitet man denn gut diesen Distanzierungsprozess auch zu den Eltern vielleicht sensibel? Was macht ihr mit Eltern, die unbedingt dabei sein wollen, obwohl es vielleicht nicht mehr so gut ist? Also wir trennen die Nabelschnur mit zwölf bei uns etwa. Zwölf bis 14 ist die Jugendvorsorge, J1. Das ist ein sehr, sehr guter Zeitpunkt und da bereiten wir auch die Eltern auf diese schmerzliche Trennung schon vor. Das sagen wir ihnen, dass die Untersuchung und das Gespräch mit den Kindern und Jugendlichen dann eigentlich ohne die Eltern stattfindet. Und die Jugendlichen genießen das. Klar, meistens eröffne ich das Gespräch schon damit, bist du freiwillig da oder bist du gezwungen worden. Und die, die freiwillig da sind, die nehmen auch immer viel mit. Die haben da auch Freude dran. Die, die gezwungen wurden, kriegt man nicht alle zu einem vernünftigen, schönen Gespräch. Aber ich erkläre allen, was die ärztliche Schweigepflicht bedeutet. Ich weise die schon sehr frühzeitig darauf hin, dass das mitunter schon auch mit der J1 beginnt bei mir, dass da die Schweigepflicht eingehalten wird. Spätestens mit 14 bis 16 und mit 16 sowieso. Und dann, ich hatte es ja eingangs auch erwähnt, die Mutter, die mit dem 16-Jährigen gerne noch als Dolmetscherin dabei gewesen wäre. Einfach nur, weil sie dabei sein wollte. Und es war ein baumlanger Kerl, der war größer als ich. Aber das ist etwas, was man früh beginnen muss und den Eltern auch schonend beibringt, vielleicht schon in der Anweisung, wir machen die J1 alleine. Das ist sicher für Jugendliche, gerade wenn es auch Richtung Pubertät geht, auch ganz wichtig zu wissen, dass gewisse Dinge einfach zwischen den beiden Personen im Raum bleiben und nicht nach draußen kommen. Vielleicht ist es auch gut, dass denen dann explizit nochmal so zu sagen. Außer beim psychotherapeutischen Setting ist es ja auch so, dass wir das brauchen, immer wieder diese Rückversicherung auch und das auch häufig selber sagen. Das möchte ich aber nicht, dass das den Eltern erzählt wird. Und der anderen Seite ist manchmal gerade so am Anfang der Therapie ist es auch so, dass die gerne ihre Eltern dabei haben, die ersten ein, zwei Stunden oder so. Das ist auch nicht selten, dass sie einfach selber Sorge haben oder Angst haben, was kommt da jetzt auf mich zu, was wird mir da erzählt oder so. Also wenn das Verhältnis gut ist zwischen den Eltern und den Jugendlichen, dann ist das nicht selten. Und ab einem gewissen Zeitpunkt dann sind sie dann ganz froh, dann darf die Mama auch raus oder der Papa und dann geht es so weiter. Aber manchmal sind die Eltern auch so eine Brücke oder eine Unterstützung nochmal dabei. Ja, es ist wahrscheinlich so ein Ding, dass man sie immer noch dazu holen kann, wenn man es braucht. Aber es wäre gut, erstmal die Chance zu geben, dass das Kind oder der die Jugendliche dann auch alleine mit euch spricht. Und noch eine Frage hätte ich, die so ein bisschen auch auf das zurückgeht mit der Medienerziehung, was ihr vorhin angesprochen habt. Und zwar, es tut sich ja gerade oder in den letzten Jahren auch schon super viel so an generellen Entwicklungen, Veränderungen in der Gesellschaft. Und man sagt ja auch so ein bisschen, dass die Pandemie wie so ein Brennglas auf viele Sachen auch so ein bisschen die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Was würdet ihr sagen, kommt zukünftig auf die Kinder- und Jugendmedizin zu, egal ob sie in der pädiatrischen oder allgemeinmedizinischen Praxis praktiziert wird? Was sind so die Themen, die wichtig werden? Bewegungsmangel adipositas. Die Kinder und Jugendlichen, die wir sehen zu den Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen U10, U11, das sind so früher die Knackpunkte gewesen, an denen wir gesagt haben, da gehen unheimlich viele plötzlich aus der Perzentile, was den Body Mass Index, also Körpergewichtskorrelation angeht. Mittlerweile fängt das schon früher an. Mittlerweile sehen wir das selbst in den Kindertagesstätten dadurch, dass sie nicht offen waren, einfach dort auch. Und Bewegungsdefizite einfach noch bei den Kindern und Jugendlichen vorherrschen mittlerweile. Und das ist etwas, was sich auf lange Sicht in die Allgemeinmedizin spiegeln wird, was dort zu einem großen Problem wird. Mehr Typ-2-Diabetiker, mehr diejenigen, die ihre Probleme durch den Bewegungsmangel haben, die ihre Körpergewichte nicht mehr unter Kontrolle haben. Orthopädische Probleme resultieren daraus. Also ich glaube, die Allgemeinmedizin wird noch mehr auf uns schimpfen, dass wir nicht aufgepasst hätten oder wie auch immer. Wie geht ihr denn dann vor? Habt ihr irgendwelche Ratschläge? Außer vielleicht melden sie ihr Kind im Sportverein an. Wie kann man denn da die Eltern und Kinder motivieren? Also erstmal versuche ich den Eltern und den Kindern oder Jugendlichen zu zeigen, wann hat es angefangen. Wann bist du sozusagen aus dieser Kurve herausgewandert, weil das ja schon interessant immer ist. Wo war der Zeitpunkt, wo es dann passiert ist, dass das so ein exponentielles Gewichtswachstum angenommen hat. Und was war dann da? Dann war das häufig, ja, dann ist man aus dem Sportverein raus und dann hat man eben für die Schule viel gelernt. Und die Eltern sind wieder beide arbeiten gegangen, waren beide berufstätig. Dann hat man immer abends warm gegessen oder noch später abends warm gegessen. Ja und dann muss man natürlich gucken, wie groß ist die Bereitschaft daran, was zu ändern. Also muss man sie motivieren, also müssen sie erstmal verstehen, was ist denn das Problem? Und das ist ja kein kosmetisches Problem, das sieht nicht schön aus, wenn man dick ist, sondern das ist ein medizinisches Problem. Und das auch mit den entsprechenden Worten zu erklären. Also was bedeutet das, wenn du 30 Kilo zu viel hast? Was bedeutet das für dein Herz? Was macht das? Was ist ein Diabetes? Was passiert da mit deinem Körper? Und ja, ich würde sagen, das ist erstmal viel versuchen, da auch zu beraten und eine Sensibilität erstmal für zu schaffen und dann die wieder einzubestellen, das regelmäßig wieder einzubestellen, dass sie mal eine Chance haben. Also abgesehen davon, was man dann verändern kann. Aber zu gucken, passiert da was? Kann ich was ändern? Und wenn ich selber nichts ändern kann, wer hilft mir als nächstes dabei? Und was ja gar nichts bringt, ist dieses, ja, bist eben zu dick und Wiedersehen. Ihr habt eben einfach das und das und das nicht gemacht. Vorwürfe bringen nichts. Klar kommunizieren, dass man, ich mache mir Sorge um dich und deine Zukunft. Wie geht es mit dir weiter? So können wir nicht weitergehen. Und das ist schon ein wichtiger Schritt, weil meistens ist da so, bei der Adipositas, meistens sind ja die Eltern auch deutlich übergewichtig. Denen ist das auch häufig nicht so ganz klar, sondern die gehen dann eher so, ich finde das genetisch. Die ganze Familie ist eben dick. Aber das ist ja nicht der Punkt. Also natürlich gibt es genetische Aspekte dabei, aber es gibt eben auch ganz viele Verhaltensaspekte, die ich verändern könnte. Das ist sicher auch was, wo man in der allgemeinmedizinischen Praxis auch bei den Eltern direkt ansetzen kann, dass man auch darüber sozusagen fährt. Wer kocht, was wird eingekauft und so weiter. Das finde ich super spannend als Pädagogin gerade, weil das zeigt, wie pädagogisch eure Arbeit auch ist tatsächlich. Und dass es auch so eine Haltungsfrage einfach ist. Mit welcher Haltung gehe ich überhaupt in die Behandlung rein? Und was ist das Systemische an dem Ganzen? Wen muss ich noch mit einbeziehen? Super spannend. Ja, vielen Dank euch beiden schon mal für die vielen Einblicke. Wir haben immer so eine kleine Abschlussfrage und ich hatte ja eingangs schon gesagt, dass ihr als Mentor und Mentorin auch tätig seid. Das heißt, ihr seid es quasi schon gewohnt, eure Erfahrung und eure Weisheit weiterzugeben. Und unsere Abschlussfrage ist wie immer, habt ihr so eine Lebensweisheit oder einen Tipp aus eurer Laufbahn, den ihr gerne weitergeben möchtet allen, die zuhören? Sei offen für alles. Und ich würde sagen, lass dich nicht von deinem Weg abbringen. Wenn du irgendwie eine Vorstellung hast, was du machen möchtest, egal wer dir was anderes sagt oder dir Steine in den Weg legt, geh deinen Weg. Guck, das hat bei mir jedenfalls gut funktioniert. Würde ich auch eigentlich jedem sagen, mach das so. Wenn du das Gefühl hast, das ist so deins, dann lass dich nicht abbringen. Super, dann vielen Dank, dass ihr heute da wart. Gerne. Vielen Dank für eure Einladung. Hat uns sehr gefreut. Danke euch. Egal, ob ihr Kinder- und Jugendmedizin als Weiterbildungsabschnitt fest vorhabt oder euch einfach mal mit der Idee auseinandersetzen wolltet, wir hoffen, dass die Folge euch einen guten Einblick und Überblick über das Fach geben konnte. Unsere Seminare mit dem Themenschwerpunkt Pädiatrie sind übrigens für alle offen. Das heißt, auch wenn ihr die Allgemeinmedizin anstrebt, könnt ihr teilnehmen. Unter anderem gibt es da die Themen Bewusstseinsstörungen bei Kindern und Jugendlichen, Kopfschmerzen, Regulationsstörungen oder auch psychosomatische und psychiatrische Störungen. Übrigens könnt ihr bei den Seminaren auch unsere heutigen Gäste als ReferentInnen kennenlernen. Klickt euch gerne auf unserer Homepage mal durch für weitere Infos. In der nächsten Folge ist dann Beate wieder dabei. Sie, Britta und ich unterhalten uns über das Thema Fehler und Fehlermanagement in der Praxis. Und wir freuen uns sehr, wenn ihr wieder dabei seid. Bis dann.