Wege der Allgemeinmedizin

Kompetenzzentrum Weiterbildung Hessen
Since 10/2021 40 Episoden

Gesundheit im Alter: Tipps für die Hausarztpraxis- mit Prof. Johannes Pantel und Valentina Tesky

01.06.2024 40 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Folge, die nicht nur für Personen, die im medizinischen Bereich tätig sind, interessant ist, geben unsere Gäste Prof. Johannes Pantel und Dr. Valentina Tesky einen Überblick darüber, wie die Forschung in der Altersmedizin aussieht und wieso sie für das Thema brennen. Daneben teilen sie Tipps für den Umgang mit älteren Menschen und deren Angehörigen in der Hausarztpraxis und im Pflegeheim, insbesondere bei psychischen Leiden, Multimorbidität oder Demenz. Zudem zeigen sie auf, welche Lektionen aus der geriatrischen Versorgung in anderen Ländern übernommen werden können.

 
Shownotes

 
 


Shownotes:

Transkript

Music. Hallo, schön, dass ihr wieder dabei seid bei Wege der Allgemeinmedizin. Ich bin Sandra, Fachärztin für Pädiatrie und beschäftige mich am Institut für Allgemeinmedizin mit der Ausbildung von Medizinstudierenden. Und neben mir sitzt Katharina. Hallo, ich bin Katharina, ich bin Hausärztin und auch am Institut im Bereich der Ausbildung von Medizinstudierenden tätig. In der heutigen Folge geht es um Altersmedizin. Ein bedeutendes Thema angesichts der steigenden Lebenserwartung, des demografischen Wandels und der vielen zunehmend älteren Patientinnen und Patienten auch in den hausärztlichen Praxen. Wir unterhalten uns darüber, welche Aspekte bei der Behandlung älterer Menschen eine Rolle spielen, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis hilfreich sein können und wofür man sich im Umgang mit hochaltrigen Patientinnen und Patienten in der hausärztlichen Praxis vielleicht auch nochmal sensibilisieren könnte. Dafür haben wir spannende Gäste mit einer besonderen Expertise eingeladen. Herrn Prof. Johannes Pantel, Inhaber der Professur für und Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinische Gerontologie. Und Dr. Valentina Tesky, stellvertretende Leiterin dieses Arbeitsbereichs. Herzlich willkommen. Ja, vielen Dank für die Einladung. Hallo. Neben vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Auszeichnungen waren Sie, wart ihr ja auch schon als Experte bzw. Expertin in den verschiedensten Medien geladen. Deshalb freuen wir uns besonders, dass ihr jetzt heute hier zu Gast bei uns seid und es ja auch gar nicht so weit hattet, da ja der Arbeitsbereich Altersmedizin hier am Institut für Allgemeinmedizin in Frankfurt angesiedelt ist. Katharina und ich haben also auch schon ganz viel von den spannenden Projekten aus dem Arbeitsbereich Altersmedizin erfahren und freuen uns da heute noch ein bisschen mehr auch mit den Hörerinnen und Hörern teilen zu können. Ja, wollen wir vielleicht einfach anfangen, Herr Professor Pantel, mit unserer klassischen Frage, ein bisschen in abgewandelter Form, wie war denn Ihr Weg in die Altersmedizin? Tatsächlich bin ich über die Gerontopsychiatrie zur Altersmedizin gekommen. Dazu muss man wissen, ich habe meine Weiterbildung in der Neurologie begonnen, weil ich mich immer für das menschliche Gehirn sehr interessiert habe und habe relativ schnell festgestellt, dass Assistenzarzt, dass die Demenzpatienten, die es ja auch in der Neurologie gibt, in den neurologischen Kliniken, dass sie nicht besonders beliebt waren. Da hat man sich sozusagen mehr oder weniger schnell immer bemüht, die so in andere Bereiche, etwa in die Psychiatrie oder in andere Versorgungsbereiche zu verlegen. Vielleicht hat man das therapeutisch als nicht so ergiebig gesehen. Ich selbst habe aber sehr positive, also meine ersten positiven Erfahrungen gemacht, auch gerade mit Patienten, die unter Demenzen leiden, weil ich das immer als eine ganzheitliche Tätigkeit erfahren habe. Und dann habe ich meine Weiterbildung in der Psychiatrie fortgesetzt und musste erfahren, dass es da durchaus ganz ähnlich war. Und als dann der junge Assistenzarzt aus der Neurologie kam, war man ganz froh, dass man einen hatte, den man auf die gerontopsychiatrische Station tun konnte. Da war gerade eine Vakanz. Das war auch eben bei dem psychiatrischen Assistenzärzten und Weiterbildungsgelegen nicht besonders beliebt. Für mich war das großartig, weil ich ja meine Vorerfahrung da sehr gut einbringen konnte und das war auch eine super Station. Die super organisiert war, ein tolles Team Und für mich der ideale Einstieg einmal in die Psychiatrie, aber eben auch die neuropsychiatrischen Dinge weiterzuentwickeln. Und ich bin da letztlich dann auch hängen geblieben, weil ich dann auch begonnen dort mich wissenschaftlich mit dem Thema Demenz zu beschäftigen. So wurde das irgendwann dann sozusagen total mein Ding und so ging es dann eben auch weiter. Wie schön, dass Sie sich diesem scheinbar nicht so beliebten Thema dann angenommen haben und das ja auch weiterentwickelt haben. Wie sieht denn Ihre Tätigkeit hier im Bereich Altersmedizin am Institut für Allgemeinmedizin und auch darüber hinaus aus? Hier am Institut für Allgemeinmedizin, wir haben ja keine Betten, wir arbeiten ja intensiv eben mit sehr vielen Lehr- und Forschungspraxen zusammen, Aber wir sind ja primär in Lehre und Forschung tätig. Das ist zum einen so, dass es verpflichtend für alle Medizinstudierenden diesen Querschnittsbereich 7 gibt, das ist Medizin des Alten und des alten Menschen. Und weil eben meine Professur ist, muss man so sagen, die einzige Professur für Altersmedizin, auch Psychogeriatrie ohnehin in ganz Hessen. Auch bundesweit gibt es nicht so viele von diesen Einrichtungen. Da ist es natürlich naheliegend, dass ich auch zentral in der Organisation der Lehre in diesem Querschnittsbereich 7bin, allerdings mit sehr guter Zusammenarbeit mit den Kollegen in der Geriatrie aus den umliegenden geriatrischen Kliniken. Also das ist einmal nicht aus unserer Sicht nur schmale Gelegenheit, weil wir nur ein kleines Zeitbudget haben, aber wir nutzen das aus, um den Medizinstudierenden eben das Thema dann auch nahe zu bringen und auch da so etwas von dem Spirit rüberkommen zu lassen. Zum anderen haben wir natürlich zahlreiche Forschungsprojekte in dem Bereich, Sie hatten das bereits erwähnt. Da liegen die Schwerpunkte auf Projekten, die sich eine Verbesserung der Versorgung für geriatrische und gerontopsychiatrische erkrankte Menschen zum Ziel gesetzt haben. Wir haben aber auch Projekte im Bereich der Prävention der Demenz. Wir haben Projekte vor allen Dingen, die sich im Schwerpunkt damit beschäftigen, wie man kreativ-therapeutische, psychosoziale Interventionen einsetzen kann, um Lebensqualität von den Erkrankten zu verbessern und ich denke vielleicht Valentina kann da auch sicherlich mal eines ergänzen, weil sie ja auch schon sehr lange im Arbeitsbereich ist. Das stimmt, ja. Also diese viele Projekte selber mit initiiert und durchgeführt hat und auch in diesem Bereich, glaube ich, auch ihr Herz ein wenig schlägt. Definitiv, ja. Ja, genau, Valentina. Ich finde es auch total spannend und super, dass Sie und du heute hier sind, weil das eben so wichtig ist, wenn man in der Haushaltspraxis steckt und man so ein bisschen den Blick irgendwie für was, was drumherum noch so an Projekten läuft, verliert. Es ist total schön, heute mal zu hören, was es überhaupt für Angebote gibt, was es für Möglichkeiten gibt und da einfach auch mal so sich mit dem wichtigen Thema zu beschäftigen. Magst du vielleicht zum Einstieg auch mal erzählen, wie es dich so in die Altersmedizin gebracht hat? Ja, das ist eigentlich ein ganz lustiger Zufall. Also vor über 15 Jahren bin ich über eine ehemalige Schulfreundin darauf aufmerksam geworden, dass Johannes jemand sucht für ein Promotionsprojekt. Und da bin ich in die Psychiatrie gegangen, habe mich vorgestellt und seitdem bin ich dabei. Also ich habe auch unter seiner Leitung auf der Gerontopsychiatrischen Station gearbeitet, habe meine Promotion durchgeführt, bin dann mit ihm im Arbeitsbereich Altersmedizin hier ins Institut für Allgemeinmedizin gekommen und realisiere mit ihm und noch natürlich auch anderen Kolleginnen und Kollegen ganz fantastische Projekte, für die tatsächlich immer auch mein Herz schlägt. Also ich sage auch immer, wenn mich jemand fragt, was machst du denn so? Ich bin ja auch keine Medizinerin, ich bin Diplom-Psychologin. Ich sage immer, in meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin darf ich Projekte für und mit Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen machen und realisieren. Und wir wollen Lebensqualität und Wohlbefinden erhöhen und steigern und fördern und immer auch die Angehörigen, die immer sehr belastet sind, auch mit einbeziehen. Das ist ja auch das Schöne an den Projekten. Ich glaube, in fast allen unseren Projekten stehen tatsächlich die Teilnehmenden ganz im Mittelpunkt. Also das sind immer Projekte, die in der Praxis und auch für die Praxis realisiert werden. Also Praxisforschungsprojekte nennen wir das ja. Ja, also unsere Probanden sind tatsächlich auch immer diejenigen, die glaube ich zuvorderst dann auch von der Teilnahme an diesen Projekten profitieren. Und wir kriegen auch immer wieder die Rückmeldung aus dieser Richtung, wenn die Projekte dann irgendwann mal auslaufen, wie großartig das empfunden wurde und wie bereichernd und ob das nicht jetzt weitergehen kann und wie es weitergehen kann. Ja, also wir verlangen in den Projekten von unseren Studienteilnehmenden ja schon eine Menge. Fragebögen ausfüllen, regelmäßige Termine, Befragung, dann nochmal ein Fragebogen und dann nochmal ein Fragebogen. Da wird aber nie gesagt, ich mag nicht mehr oder das ist zu viel, sondern immer mit Nachdruck, das ist so ein tolles Projekt, wir sind Dankbar, dass wir teilnehmen dürfen. Und natürlich füllen wir ihnen das alles aus, sie brauchen ja Daten, die Forschung muss ja unterstützt werden. Also die sind wirklich mit Haut und Haar dabei und sind auch immer sehr traurig, wenn ein Projekt dann ausläuft, weil wir ja immer haben begrenzte Förderprojekte. Und dann ist nach drei, zwei, fünf Jahren ist dann eben mal Schluss. Wir versuchen es immer so zu gestalten, dass es nachhaltig implementiert wird. Da sind wir aber nicht immer für verantwortlich. Aber wir versuchen auch weiterhin Kontakt zu halten. Wir dürfen auch Probanden mehrfach informieren, dass wir sagen, oh wir haben wieder ein Projekt, oh wie toll, wir kommen sofort, wir machen mit. Also wir haben wirklich so ein Pool von Menschen, denen wir uns verbunden fühlen, sie uns auch. Die sind absolut zuverlässig und wenn wir mal jemanden einbezogen haben, glücklich gemacht haben, ihn unterstützt haben, dann sind das quasi Studienteilnehmer for life. Wahrscheinlich merken die auch, dass ihr sehr für dieses Fachgebiet brennt und da auch mit Leidenschaft dafür kämpft. Ich finde es auch spannend, dass ihr, du hast es gerade erwähnt Valentina, auch die Angehörigen mit einbezieht und ich finde es toll, dass ihr das jetzt in dem Kontext direkt mit betrachtet und auch eine Hilfestellung für die Angehörigen gibt. Also gerade bei den Angehörigen von Menschen mit Demenz ist es so, dass ja 70 Prozent der Menschen mit Demenz ungefähr werden zu Hause von ihren Angehörigen versorgt. Von den Ehepartnern, von den Kindern, von nahen Bekannten oder Verwandten. Ja, und die bleiben einfach auf der Strecke, wenn wir den Fokus nur auf den Menschen mit Demenz setzen, weil die laufen ja mit. Also wir sagen auch immer, die Demenz ist eine Angehörigenerkrankung. Also das ganze System wird mit einbezogen, die ganze Familie. Und die müssen natürlich auch einen Raum bekommen im Rahmen unserer Forschung. Da können wir uns ja auf jeden Fall gleich nochmal genauer mit beschäftigen. Vielleicht kurz zur Rahmung. Womit beschäftigt sich denn das Fachgebiet Altersmedizin genau? Herr Pantel, können Sie da umreißen, wie man das am besten beschreiben könnte? Und auch über wen wir zum Beispiel sprechen, wenn wir von älteren Menschen sprechen. Da gibt es ja auch je nach Perspektive verschiedene Definitionen. Ich bin jetzt letztens mal über die Definition der WHO gestolpert. Gibt es denn da von Ihnen eine Empfehlung oder ist das auch immer kontextabhängig? Natürlich. Also ich bin ja grundsätzlich ein Verfechter der Idee, dass Alter per se nicht erstmal eine Gruppe, auch nicht eine Patientengruppe oder auch nicht eine soziale Gruppe definiert, sondern dass es da sehr viel Heterogenität. Insofern muss man unterscheiden, glaube ich, zwischen dem alten Menschen oder älteren Menschen auf der einen Seite und dem geriatrischen Patienten. Also nicht jeder ältere oder alte Mensch ist ein geriatrischer Patient. Wenn man jetzt die geriatrische Definition im engeren Sinne nimmt, wie sie heute gängig ist, dann sagt man etwa ein Alter von 80, aber das Alter ist nicht das einzige Kriterium, sondern es muss eben noch eine sogenannte geriatritypische Multimorbidität hinzutreten und in der Regel auch ein gewisses Ausmaß an Frailty, also was man im Deutschen als Gebrechlichkeit bezeichnen würde. Wenn wir jetzt allerdings wieder in die Gerontologie zurückgehen und ich habe schon gesagt, das Alterskriterium ist ein bisschen problematisch, weil da gibt es einfach keine klaren Cut-offs. Du wirst da eben in der Gondoliere sehr wohl auch zwischen verschiedenen Untergruppen von alten Menschen, also immer mit Vorsicht zu genießen, gesprochen und da gibt es einmal die jungen Alten, die lässt man so ab 65 beginnen bis 75, dann gibt es die mittleren Alten von 75 bis 85 und dann gibt es die alten Alten oder Olds Alt, also 85 und plus. Verkürzt jetzt in der geriatrischen Praxis wird das oft so ein bisschen auf die Mobilität wieder heruntergebrochen. Da gibt es also auch noch eine Einteilung. Man spricht eben von den Go-Go, also das sind die noch sehr mobilen alten Menschen. Den Slow-Go, das sind vielleicht die, die schon mal einen Rollator benötigen oder am Stock oder die auch häufiger Stürze haben und eben die No-Go. Das ist natürlich aber eine sehr schematische, schubladenhafte Definition, die nur so etwas, diese Gebrechlichkeit und Mobilität in den Mittelpunkt rückt und die eigentlich der Heterogenität nicht gerecht wird. Denn wir haben natürlich sehr, sehr fitte 80-Jährige. Wir haben also 75-Jährige, die noch einen Marathon laufen. Und wir haben manchen 65-Jährigen, der sowohl auch schon multimorbide ist und dadurch auch schon eine gewisse Gebrechlichkeit hat. Also man muss immer an seinen eigenen Altersbildern, glaube ich, da auch arbeiten. Das ist mir auch wichtig, glaube ich, auch für jeden Arzt, der mit alten Menschen zu tun hat, dass er nicht denkt, also aufs Geburtsdatum guckt und dann schon ein gewisses Stereotyp oder Klischee im Kopf hat. Also das sind sehr individuelle Betrachtungen. Ja, also ich glaube gerade das Alter ist ein so heterogenes Konzept, das kann man nicht in Schubladen einordnen. Also ich denke jetzt gerade an die älteste Influencerin der Welt, die gerade gestorben ist, die Iris Apfel, die ist 102 geworden und hatte noch gesagt, ich freue mich noch auf die nächsten 100 Jahre. Und es hat uns alle sehr getroffen, dass sie jetzt so plötzlich verstorben ist, aber keiner hat sie angeguckt und hat gedacht, naja, sie sind aber schon 102, dann können sie das ja alles gar nicht mehr. Also die hat glaube ich mit 75 noch ihren letzten Modelvertrag unterschrieben. Also auch im Alter ist alles noch möglich und ich kenne viele, die sagen mit 85, aber ich bin noch nicht alt, ich will doch nicht ins Altersheim, da sind ja nur alte Leute, was soll ich denn da? Das ist schön, dass ihr das so nochmal sagt, weil das ist ja auch das, was wir in der Hausarztpraxis einfach so sehen, dieses ganz bunte Bild, dass man es eben nicht so über das Alter, über den Kamm scheren kann. Wir sammeln es natürlich schon alles in diesem geriatrischen Basiskomplex, den wir dann irgendwie abrechnen können mit den verschiedenen Testungen, aber insgesamt kann man ja schon deutlich sehen, es gibt die Patienten, Patientinnen, die zu uns kommen, die dann gerne einfach mal erzählen, wie geht es ihnen im Leben, aber noch sehr fit sind und rüstig und noch ganz viele Ideen haben, was sie so zu tun haben. Aber halt hauptsächlich auch da, was ich da sehe und oft als Thema habe, ist die Einsamkeit. Das ist so das Thema. Ich habe den Partner oder die Partnerin zum Beispiel verloren und leiden da noch sehr schwer darunter. Also es ist dann auch immer viele Tränen, die dann fließen und die damit, die dann mit den Fragen kommen, wie bleibe ich denn so, wie finde ich vielleicht wieder Anschluss, wie komme ich aus dieser Einsamkeit raus? Das ist so das eine Thema, was mich oft beschäftigt in der Praxis. Also das ist sicherlich richtig, dass es im Alter vor allen Dingen sehr viele Verlusterlebnisse gibt. Es ist eine Lebensphase, die eben durch Verlusterlebnisse geprägt ist. Tod des Ehepartners, Verlust von sozialen Rollen und so weiter und so weiter. Verlust auch von Funktionalität. Ich denke schon, das bedarf auch dann unter Umständen einer Bearbeitung, obwohl viele alte Menschen natürlich auch Verluste gut bewältigen können, aber es gibt halt diese Gruppe, die das eben tatsächlich nicht schafft. Und ich glaube, Valentina sind ja auch diejenigen, die dann ein besonderes Risiko haben, depressive Entwicklungen etwa zu unterliegen oder in anderer Weise eben auch sozial sozusagen ins Abseits zu kommen. Ja genau, es ist ja auch so, dass Einsamkeit ist ja auch streng definiert. Also auch wenn ich viele soziale Kontakte habe und bin vielleicht in einem Wohnkomplex eingebunden mit Seniorencafé und regelmäßigen Ausflügen, heißt das nicht, dass ich mich nicht trotzdem einsam fühle. Also Einsamkeit bedeutet einfach, ich habe zwar Kontakte, aber die bereichern mich nicht. Das ist nicht genau das, was ich suche. Und wenn jemand sich einsam fühlt und an dem nicht partizipieren möchte, was angeboten ist und sich zurückzieht, dann ist natürlich ein großer Risikofaktor da, an dieser Altersdepression zu erkranken. Und wenn die erstmal eingetreten ist, dann ist es unheimlich schwierig, die Person da wieder rauszuholen, weil sie dann auch häufig von selber sich gar keine Hilfe suchen. Und sie schaffen es dann auch nicht, zu einem Arzt zu gehen, der ihnen vielleicht helfen könnte, weil diese Motivation nicht mehr da ist, die können sich nicht aufraffen und das sind einfach Personen, die dann so verlustig gehen. Man würde gerne helfen, aber man bekommt sie gar nicht. Insofern ist da auch so der präventive Gedanke, glaube ich, ganz wichtig. Gibt es da irgendwelche Interventionen oder irgendwelche Möglichkeiten, dem so ein bisschen entgegenzuwirken, eben gerade präventiv da zu arbeiten? Also das ist auch, denke ich, bei uns in Deutschland alles noch sehr, sehr rudimentär. Aber es gibt ja in England beispielsweise schon länger dieses Konzept des Social Prescribing, wird es bezeichnet. Also da wird sozusagen sozialer Kontakt sozusagen als eine Art von Medikament oder auch als eine Art von Präventionsmittel in der Praxis, also dann natürlich auch in der GP-Praxis, also in der Hausarztpraxis vermittelt und verschrieben per Rezept. Da braucht es natürlich dann aber auch die Strukturen, in die das Ganze eingebettet ist. Also da gibt es dann eben in den Gemeinden auch Personen, die sozusagen als Akteure, als Vermittler fungieren, die dann auch bestimmte Angebote niederschwellig an solche Personen vermitteln können und auch gucken können individuell, welches Angebot passt jetzt für jemanden oder wo könnte jemand sich gut aufgehoben fühlen. Aber die Grundidee ist natürlich schon hier vermittelnd auch für soziale Kontakte zu sein, die sich aber auch nicht aufgedrängt werden sollten. Ich glaube, das ist wichtig, dass viele alte Menschen auch, also die meisten glaube ich, ziemlich gut wissen, was sie brauchen. Aber da muss man halt auch mal nachfragen. Da braucht es dann auch das Gespräch. Da muss man sozusagen ein bisschen das versuchen zu ergründen. Ja, und es ist ja auch so, jemand, der ganz bewusst eben für sich ist und damit aber auch sehr gut klarkommt, da braucht man sich keine Sorgen machen. Der ist nicht einsam und der hat auch kein Risiko, in diese Depression abzurutschen, weil der genau weiß, dass er lieber seine Ruhe hat, als so einen lauten Bingo-Abend zu besuchen. Aber ich glaube, es ist für die neue Generation der Hausärzte und der Hausärztin ganz wichtig. Diesen älteren Menschen, der vielleicht darüber klagt, dass er verschiedene Beschwerden hat, also so Schmerzen, die durch den Körper wandern und auch die dann häufig da sind, also immer Montagsmorgen und viel Zeit kosten, dass man da mal ganz hellhörig wird und überlegt, das könnte ja schon so eine beginnende Depression sein. Ich mache mal so ein Screening-Instrument, ich gehe mal so ein paar Fragen durch, weil das so typische Symptome sind, dieses zum Hausarzt gehe ich noch und dann nehme ich mir auch Zeit dafür und erzähle ich alles, aber... Irgendwie, es fehlt der Person nichts. Also das müsste man immer so ein bisschen noch im Hinterkopf haben. Und ich glaube, da findet gerade ganz viel statt. Ist ja auch eine geringere Hürde zum Hausarzt oder zu Hausärztin zu gehen, weil gerade auch in früheren Generationen das Thema Depression, glaube ich, jetzt auch noch nicht besonders auf dem Schirm war und man da auch nirgendwo hingegangen ist. Das ist ja auch so ein Stigma. Also eine psychische Erkrankung möchte keiner haben. Gerade die Generation ist da ganz vorsichtig. Die will auch nicht, dass man sie so anspricht. Und dann ist es ja auch so, naja, zum Psychiater gehen oder zum Nervenarzt. Das ist ja auch so, oh, große Schwelle. Aber zu meinem Hausarzt, wo ich jetzt vielleicht schon seit 30 Jahren hingehe, da gehe ich hin, da kenne ich die Dame vorne an der Anmeldung gut, da ist immer ein nettes Schwätzchen für mich da, ich fühle mich da wohl, kompetent, ich kann mich da präsentieren und da hat die medizinische Fachkraft ja die Möglichkeit mal drauf zu gucken. Also wie gravierend ist es denn? Ist jetzt jemand verstorben? Ist jemand weggezogen? Ist die Person vielleicht hilfebedürftig? Wie könnte man ihr helfen? Braucht sie sonst noch Unterstützung? Also es gibt ja auch Psychotherapie für ältere Menschen. Das ist auch, also es ist noch nicht so verbreitet, aber es kommt immer mehr. Es gibt auch viele jüngere Kolleginnen und Kollegen, die sich damit beschäftigen wollen. Also Psychotherapie im Alter ist auch absolut effektiv. Also das ist nicht nur was für uns jüngere, mittleren Erwachsenenalter, sondern auch Psychotherapie mit 85, das haben wir in unserem aktuellen Projekt gezeigt, das kann Wunder bewirken. Ja, das glaube ich. Das ist halt dann auch immer Thema. Ich versuche die Patienten, die ich sehe, auch oft dazu zu motivieren, dass sie mal auch Psychotherapie machen sollen. Die sagen, ach, da bin ich doch schon zu alt. Ich will jetzt nicht noch mal in der Vergangenheit, in meiner Kindheit rumwühlen. Da versuche ich ihnen das auch so zu erklären, dass das ja nicht immer nur ein Blick zurück sein muss, sondern der Blick nach vorne, wie man sich einfach verändern könnte und da an sich arbeiten könnte. Das ist häufig auch so in den Köpfen der Älteren. Da muss ich mich auf eine Couch legen und dann mache ich so diese klassische Psychoanalyse mit der Kindheit. Und die ganz regulär angebotene klassische Verhaltenstherapie, die bohrt ja nicht in der Kindheit nach. Natürlich kann man das besprechen und auch was aufarbeiten, aber es geht ja um das Hier und Jetzt. Und ich finde es auch schade, dass selbst die Angehörigen von Älteren mit einer Depression sagen, meine Mutter braucht doch keine Psychotherapie mehr. Ja, aber doch, natürlich braucht sie die und natürlich soll sie die bekommen. Und wie gesagt, es funktioniert. Wobei mir auch bei dem Thema nochmal wichtig ist, beim Thema Einsamkeit nochmal wichtig zu sagen, das ist kein altersspezifisches Problem. Wir haben gerade in den letzten Jahren Umfragen, aus denen deutlich wird, dass auch schon sehr junge Menschen und auch Menschen im mittleren Lebensalter zunehmend eben über Einsamkeit klagen und unter Einsamkeit leiden. Und da ist natürlich wieder ein Feld für Prävention, dass man eben dann im Alter nicht sozial zurückgezogen depressiv ist. Aber das hat wieder mit unseren Altersbildern zu tun, also dass man sagt, alter Patient ist immer einsam, stimmt so nicht, aber es gibt die natürlich und die brauchen auch, um die muss man sich glaube ich dann auch besonders kümmern. Ja, das finde ich auch nochmal ganz wertvoll, dass sie das so anspricht. Das hat mein Chef damals aus der Geriatrie nämlich auch immer gesagt. Die Einsamkeit beginnt nicht im Alter, sondern die hat oft schon viele, viele Jahre vorher angefangen. Genau. Das ist einfach so ein Prozess, so ein Unterschwelliger, den man dann oft übersieht. Ja, vielen Dank. Das sind schon mal sehr gute Eindrücke. Wenn wir jetzt nochmal so von diesen einen Patienten-Klientel quasi jetzt gesprochen haben, die so eigentlich noch recht gut im Leben stehen und vielleicht so ein bisschen Unterstützung, Präventionsangebote brauchen. Mal so gucken auf die wirklich multimorbiden Gebrechlichen, die dann teilweise auch kognitiv eingeschränkt sind, zum Beispiel wenn es Richtung Demenz geht. Was ist denn da so zu beachten? Wie sieht guter Umgang mit so Menschen aus? genau. Also ich denke, dass es ganz, ganz wichtig ist, gerade bei diesem Personenkreis, das soziale Umfeld so weit wie möglich besonders früh und besonders gut mit einzubeziehen. Und die Institutionen, die natürlich auch unterstützend jetzt für Praxen zur Verfügung stehen, das sind natürlich die in allen Kreisen und kreisfreien Städten existierenden Pflegestützpunkte, wo nicht nur Pflegeversicherung vermittelt oder beraten wird, sondern wo auch eben ganz viele andere Unterstützungs- und Beratungsangebote, die ja von vielen Trägern angeboten werden in den Gemeinden, bekannt sind. Und wo man auch schauen kann, ein wohnortnahes Angebot zusammenzustellen. Und die werden natürlich ergänzt durch die Alzheimergesellschaften, die es in Hessen leider flächendeckend noch nicht gibt. Aber es gibt in vielen Orten sogenannte Alzheimergesellschaften. In Hessen sind es insgesamt 13 an der Zahl. Eigentlich fast allen Städten gibt es das, in vielen Kreisen auch. Die kommen ja aus der Selbsthilfe. Also diese Organisationen, die werden ja von Angehörigen oft gegründet und auch geleitet und da werden dann auch entsprechend unterstützende Angebote, Angehörigengruppen und so weiter angeboten. Als Dachgesellschaft dann die hessische Alzheimergesellschaft, deren erste Vorsitzende ich bin und wo man eben sich auch entsprechende Hinweise holen kann für die Praxis. Ansonsten denke ich, wenn man jetzt so in den unmittelbare soziale Interaktionen reingeht mit Menschen, die kognitiv beeinträchtigt sind. Also da kann man jetzt ein ganzes Seminar drüber halten. Wir haben da auch sehr viele Forschung drüber betrieben, haben auch entsprechende Programme entwickelt, in denen das gelehrt wird oder in denen man das sozusagen auch lernen kann. Aber ich will mich nur auf einen Punkt konzentrieren, der mir besonders wichtig ist, den wir immer wieder auch in unseren Programmen zur Kommunikation bei Demenz oder mit Demenzkranken in den Mittelpunkt stellen. Das ist die Bereitschaft oder auch den Versuch eines Perspektivenwechsels. Also das heißt, auch jemand mit einer schon vielleicht mittelgradigen oder fortgeschrittenen Demenz kann immer noch für sich selber sprechen. Und da ist es wichtig, eben nicht nur über die Menschen zu reden. Man hat so schnell die Tendenz, auch als Arzt, dann wendet man sich an den Angehörigen. Eine betroffene Person sitzt daneben und wird sozusagen nur noch verhandelt, aber wird gar nicht mehr wirklich nach ihren Bedürfnissen gefragt. Und der Perspektivenwechsel ermöglicht es, sich tatsächlich in die Situation dieser Person zu versetzen und auch mit vielleicht eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten und dann auch eine entsprechende Form der Kommunikation. Und da kann man sehr wohl diese Menschen sehr gut erreichen und kann auch sehr gut erfahren, was die wollen, was die brauchen und was sie sich wünschen und so weiter. Vielleicht noch als Ergänzung, Ehrlichkeit, Wertschätzung und auf Augenhöhe. Also das ist noch ganz wichtig. Der Mensch mit kognitiven Einschränkungen, ob es jetzt beginnende oder schon weiter fortgeschrittene Demenz zum Beispiel, der muss das Gefühl haben, dass er als Person wichtig ist und dass mit ihm gesprochen wird und dass auch sich rückversichert wird, ob er verstanden hat, um was es gerade geht. Und nicht nur mit den Angehörigen quasi, wie Johannes gesagt hat, verhandelt wird, welche Medikation jetzt gegeben werden soll, sondern dass man auch mal gefragt wird, wie sehen Sie das denn? Oder wie geht es Ihnen denn? Oder was brauchen Sie denn? Und ganz wichtig ist, wenn man mit Menschen mit Demenz spricht, man braucht Zeit. Die Informationsverarbeitung ist einfach langsamer. Und das muss verarbeitet und da muss eine Antwort formuliert werden und das dauert länger und wir neigen dann dazu, schon wieder weiter zu sprechen und da ist der Mensch mit Demenz noch gar nicht so weit. Oder wir formulieren die Frage nochmal anders und dann hat der Mensch mit Demenz das Gefühl, oh jetzt habe ich noch eine Frage bekommen, ich habe die erste schon nicht beantwortet. Also wirklich das Tempo rausnehmen und sich Zeit nehmen. Ja, ganz bewusst. Das ist sicherlich ein ganz wichtiger Faktor. Zum Thema Einwilligungsfähigkeit klang ja auch jetzt gerade schon an bei Demenz. Zum Beispiel jetzt in medizinische Maßnahmen. Valentina, damit hast du dich ja auch ganz intensiv beschäftigt. Was gibt es denn da für Ärztinnen und Ärzte noch zu beachten? Ein paar Aspekte hast du jetzt schon genannt. Gibt es da noch was? Also es ist so, nur weil ich eine Demenz habe, heißt es nicht, dass ich nicht selber entscheiden kann und darf, was ich möchte. Und wenn ich etwas ablehne, eine OP, eine Behandlung, dann heißt es nicht, dass ich es nicht verstanden habe und mir das jetzt aufgezwungen werden muss, sondern ich kann doch ganz normal in meiner Situation das begründen als Mensch mit Demenz und dann ist dem auch Folge zu leisten. Also ich kann niemanden zwingen dazu in etwas einzuwilligen, wenn der mit einer Begründung mir formuliert, warum er das nicht möchte. Wir haben ja zu dem Thema Einwilligung für Menschen mit demenzenmedizinischen Maßnahmen eine Leitlinie entwickelt oder waren beteiligt an einer der Entwicklung oder maßgeblich beteiligt in der Entwicklung der Leitlinie mit Beteiligten von 30 Fachgesellschaften. Da kann ich jetzt an der Stelle oder möchte ich nur darauf verweisen, kann ich jetzt nicht ausführen. Die ist auch bei der AWMF kostenfrei herunterzuladen im Internet. Und da gibt es einmal natürlich Empfehlungen zu diesem Thema. Es gibt auch ganz konkrete, praktische Hinweise, um nur mal eins auszugreifen. Oft ist ja eine Unsicherheit, hat die Person mit der Demenz, hat die überhaupt verstanden, worum es geht? Und da ist oft eine große Unsicherheit. Wie kann ich denn eigentlich jetzt in meiner ärztlichen Praxis, vielleicht nur mit wenigen Fragen, mit zwei, drei Fragen, wie kann ich das sozusagen einkreisen, wie kann ich das ermitteln? Ich muss mir ja ein Bild darüber machen, ist eine Einwilligungsfähigkeit da oder nicht? Also das findet man dort und ich kann nur jedem ermutigen, da mal reinzugucken und vielleicht von diesen Fragen, die da auch Beispiel gehabt sind, sich zwei, drei mal rauszunehmen und damit in der Praxis Erfahrungen zu sammeln und die zu stellen und dann mal gucken, was kommt da zurück. Und von vielen Kollegen, das es sehr hilfreich war, um mit dieser Unsicherheit umzugehen. Ja und vielleicht noch ein praktisches Beispiel ist, den Menschen mit Demenz begrüßen, indem man ihm in die Augen schaut, ihn mit Namen ansprechen, einen Sitzplatz anbieten, nicht am PC alles reintippen und den PC ansprechen, weil der Mensch mit Demenz dann vielleicht abgelenkt ist von einem schönen Bild oder irgendwas anderem, was da rumliegt, weil Menschen mit Demenz ihre Aufmerksamkeit nicht gut teilen können, also die fokussieren sich auf eine Sache und wenn ich mich nicht rückversichere, dass dieser Mensch gerade bei mir ist im Gespräch. Dann kann ich mir quasi die Luft sparen, weil es wird nicht wahrgenommen. Oder dass der PC nicht blinkt, wenn neue E-Mails kommen oder dass das Telefon klingelt, während ich im Aufklärungsgespräch bin. Also das sind eigentlich Kleinigkeiten, aber ich finde, die kann man ganz gut umsetzen. Und in der Leitlinie sind die ganz schön aufgelistet. Da kann man wirklich mal reinschauen und sich so zwei, drei Sachen rausnehmen und die dann mal umsetzen. Also generell für Patienten ist das ja schön, wenn man das Gefühl hat, der Arzt ist jetzt für mich da. Da ist man natürlich dann total in diesem Spagat der Zeitnot und dem, wie man gerne arbeiten möchte. Aber ich glaube, das macht schon total Sinn, sich dann bei denjenigen Personen, die es wirklich nötig haben, dann auch mal den Moment zu nehmen und vielleicht so Termine am Ende der Sprechstunde zu machen oder am Anfang und nicht mittendrin im Gewühl, sondern so ein bisschen das Entzerren, um sich dann auch mal wirklich Zeit zu nehmen und zu konzentrieren. Also es ist total unrealistisch, es gibt ja so ein spezielles Interview, um die Einwilligungsfähigkeit zu beurteilen, das dauert eine Dreiviertelstunde oder so, das erwartet gar niemand. Aber in Ruhe, nicht der nächste Termin klopft schon, vielleicht fünf Minuten mehr Zeit als sonst, das reicht manchmal schon. Ja, sehr schön. Neben den Patientinnen und Patienten, die so in die Praxis kommen, gibt es ja auch zum Beispiel Pflegeheime, die man so versorgen geht oder Hausbesuche macht bei den Patientinnen. Wie seht ihr denn da so diese interdisziplinäre Zusammenhalt so im Kontext mit der ganzheitlichen Behandlung? Ja, das ist natürlich gerade für Personen, die jetzt im Pflegeheim wohnen oder überhaupt für dieses Versorgungsgebiet schon in Deutschland da auch noch, muss man sagen, in den Kinderschuhen. Also das ist ein Riesenproblem. Das Problem im deutschen Pflegeheim ist, dass natürlich jeder Bewohner das Recht auf die Arztwahl hat. Und da ist es oft so, dass dann, da ist eben nicht ein Arzt unterwegs, der eben regelmäßig auch dann da ist, sondern das sind dann 30 Hausärzte und dann noch ein Haufen Fachärzte. Und dann ist noch natürlich der Pflegebereich, der extrem wichtig ist. Und da fehlt es oft wirklich an einer guten und ja auch dann effektiven, effizienten Kooperation und Kommunikation. Das kann man den einzelnen Beteiligten nicht zum Vorwurf machen. Das liegt einfach an den Organisationsstrukturen. Und da gibt es jetzt natürlich schon seit einigen Jahren die Möglichkeit für Ärzte, speziell auch für Hausärzte, Kooperationsverträge abzuschließen. Das ist der Paragraph119. Im Sozialgesetzbuch 11, wo ein bestimmter Rahmen oder bestimmte Strukturen vereinbart werden, wie diese Kooperation und Kommunikation eben verbessert werden kann. Und Ärzte, die diesen Vertrag abschließen, haben dadurch auch die Möglichkeit, bestimmte Ziffern zusätzlich abzurechnen. Also es wird in einer gewissen Hinsicht auch ein bisschen entlohnt und refinanziert. Ansonsten, wenn man das nicht machen kann oder will, dann kann ich wirklich immer nur empfehlen, da auch möglichst feste Kommunikationswege oder Strukturen mit den Pflegekräften oder mit bestimmten Festen ansprechbar zu vereinbaren. Also bestimmte unter Umständen schwierigen Fällen dann auch Fallbesprechungen zu machen und so weiter, weil das allergrößte Problem ist hier, dass sehr, sehr viele Informationen verloren gehen. Also da mache ich die Visite, ist ohnehin schon schwierig, muss da erstmal hinfahren, hin und her, dann muss ich suchen, wo ist überhaupt dieser Bewohner, der ist da vielleicht gerade im Park oder im Garten und dann ist schon so viel Zeit verloren, dann macht man schnell husch husch, schreibt irgendwas rein und hat vielleicht noch ganz viele andere wichtige Gedanken dazu, das ist aber dann futsch. Und das wäre vielleicht für die ganzheitliche Behandlung dann wirklich auch von Bedeutung und von Wichtigkeit. Aber da ist eben noch viel Entwicklungsbedarf, aber es werden eben auch noch nicht alle Möglichkeiten genutzt, die der Gesetzgeber hier zur Verfügung stellt, muss man auch sagen. Herr Pantel, Sie hatten ja vorhin in der Beschreibung Ihres Weges in die Altersmedizin auch schon von der geriatrischen Versorgung gesprochen. Das ist ja auch einer der Schwerpunkte Ihrerseits und sicherlich natürlich auch ein weites Feld. Wo könnte man denn da zum Beispiel in der hausärztlichen Praxis ansetzen, vielleicht auch im internationalen Vergleich daraus lernen? Also in Deutschland haben wir ja die Besonderheit, dass die Geriatrie fast ausschließlich Krankenhausfach ist. Also es gibt zwar auch seit ein paar Jahren die Möglichkeit dieser geriatrischen Institutsambulanzen, die auch die Aufgabe haben vor allem mit zuweisenden Hausärzten und sowas zusammenzuarbeiten, aber das ist bisher noch gar nicht etabliert. Also in Hessen gibt es zum Beispiel keine einzige GIA oder geriatrische Institutsambulanz. Das heißt also die Versorgung der geriatrischen oder auch der altersmedizinischen Patienten liegt vorwiegend natürlich bei den Hausärzten und da ist oft das Problem, dass natürlich der Hausarzt eingebundener in den ganzen Stress, so seines Alters, seiner Routinen in Deutschland immer noch viel zu sehr Einzelkämpfer ist. Und ich denke, wenn man in andere Länder schaut, wo das besser verwirklicht ist, das ist etwa wieder in UK oder auch im skandinavischen Bereich, in Schweden etwa. Da ist also der Teamgedanke in der Versorgung, in der geriatrischen Versorgung viel besser verwirklicht und auch noch schon in der Praxis etabliert. Das heißt also die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen. Das heißt aber auch an nichtärztlichen Berufen mehr Kompetenzen zukommen zu lassen. Also etwa im englischen Bereich das Konzept des Advanced Practice Nursing, das ist in Deutschland auch. Man kann das inzwischen schon studieren an vielen Fachhochschulen, aber das ist im beruflichen Umfeld noch nicht so umgesetzt. Hier bei uns, um nochmal zu sagen, was durchaus möglich ist, habe ich schon vor einigen Jahren die Kassenärztliche Bundesvereinigung beraten dürfen, die einen Mustervertrag ausgearbeitet haben für geriatrische Schwerpunktpraxen. Und das bietet sich auch natürlich an, können natürlich auch Internisten machen, Geriater, aber die sind wie gesagt meistens im Krankenhaus und nicht in der niedergelassenen Praxis, bietet sich sehr wohl auch an für Allgemeinmediziner. Und diese geriatrischen Schwerpunktpraxen, die arbeiten viel stärker und primär eben im Team zusammen. Also da ist natürlich der Arzt, aber da ist auch der Logopäde, der Physiotherapeutin, da sind andere Berufe wie im pflegerischen Bereich. Medizinisch Fachangestellte sind dort als Team organisiert. So eine Praxis hat natürlich aber auch eine andere Organisationsstruktur. Aber ich habe diejenigen, die sich so etwas einlassen, was mir berichtet wird, haben eine sehr, sehr hohe Arbeitszufriedenheit, weil viele von diesen Schnittstellenproblemen, an denen man dann auch so leidet, glaube ich, dann als Arzt, man hat eine gute Idee, aber wie setze ich das jetzt um? Die werden eben durch diese Organisationsstruktur mit aufgefangen. Und das wäre ein Weg, also insofern ein junger Arzt, der vielleicht auch ein gewisses Fable hat für diesen Bereich, der sollte sich erkundigen, ist es vielleicht möglich, kann ich meine Praxis in so einer Art und Weise auch organisieren? Und da gibt es eben auch Incentives dafür. Und die sind nicht nur eben in diesem Bereich Arbeitszufriedenheit, die sind natürlich auch im Bereich Refinanzierung und so weiter vorhanden. Ja spannend. Vielen, vielen Dank für die Einblicke, die Sie uns hier gewähren. Wissen Sie, ob dafür die geriatrische Zusatzbezeichnung notwendig oder hat die irgendeinen Vorteil für niedergelassenen Ärzte? Haben Sie da Erfahrung? Ja, man muss eine gewisse Weiterbildung nachweisen. Welche, das kann ich Ihnen jetzt gar nicht so genau sagen, aber ich glaube, das ist ja auch immer eine Frage der Zulassungsausschüsse bei den Landes-KVen und die müssen sich ja auch an den Bedarf orientieren. Das Grundproblem in der geriatrischen Weiterbildung, wir haben ja keinen geriatrischen Facharzt, sondern eben auch der Allgemeinmediziner oder der Psychiater wie ich und dann kann eine solche, es kann eine zusätzliche Schwerpunktklinische Weiterbildung in der Geriatrie machen. Das ist auch gut zu bewältigen, also das ist eigentlich glaube ich teilweise auch, kann man das eben auf den eigenen Facharzt gut draufsetzen, aber wir haben eben wie gesagt in Deutschland noch viel zu wenig Weiterbildungsmöglichkeiten, Weil die Institutionen, die das dann machen, also anbieten, sind erst die geriatrischen Kliniken. Aber es gibt eben in anderen Bereichen, muss man auch sagen, zu wenig Senioren-Ärzte, Oberärzte, Chefärzte, die darüber selber verfügen. Und das ist ja die Voraussetzung, die Weiterbildungsermächtigung zu haben. Also da beißt sich die Henneein bisschen in Schwanz. Kommt natürlich auch auf die Region drauf an. Also wenn Sie in Frankfurt sind oder in anderen Großstädten, dann dürfte das glaube ich nicht so ein großes Problem sein, auch dann die Stellen zu finden, wo man diese Weiterbildungsermächtigung hat und wo man das dann auch bescheinigt bekommt. Also nichtsdestotrotz, ich habe ja auch ein Jahr in der Geriatrie gearbeitet und kann das wirklich nur für das hausärztliche Arbeiten wärmstens empfehlen, weil man da wirklich viel über Multimorbidität, Polypharmazie und eben auch die ganzen Sachen drumherum viel lernen kann. Und da das Arbeiten im interprofessionellen Team ja auch so, da stationär recht auf einem sehr guten Maß gemacht wird, als anders, was man sich von anderen Stationen kennt, auch so mit Sozialarbeitern zum Beispiel, die sie versorgen, wie geht das weiter mit Pflegestufen und Pflegedienst beantragen und so weiter, da lernt man wirklich sehr, sehr viel. Also das kann ich nur unabhängig davon, ob macht ans Herz legen. Und es ist ja so, ich meine toll, dass Sie das sagen, das freut mich wirklich sehr, aber es ist ja auch so, der einzelne Arzt kann das ja nicht alles alleine machen, das ist absolut unmöglich. Also man hat dann nur 24 Stunden am Tag. Absolut, ja. Deswegen muss man das im Team und wenn man weiß, da ist jemand, dann kann ich das auch in einer gewissen Weise delegieren und wir machen das zusammen, dann kann das wirklich tolles Arbeiten sein. Für die Qualität ist das auf jeden Fall viel förderlicher, wenn man nicht alles alleine machen muss. Ich würde sagen, wir kommen langsam zum Ende und so zum Abschluss. Valentina, hast du noch so einen Tipp, einen abschließenden, kurzen, im Umgang mit den alternden Menschen? Ach, einfach wie mit allen Menschen freundlich sein. Sehr schön. Herr Pantel, wollen Sie noch was zum Schluss? Wir haben jetzt so viel gesagt, aber ich will einfach nur mal die Zuhörer und Zuhörerinnen ermutigen, ja auch vielleicht diese manchmal etwas Berührungsängste zu überwinden und sich einfach auf die Erfahrung einzulassen. Und man kann damit auch glaube ich sehr viel an den eigenen Altersbildern arbeiten, weil tatsächlich ist es ja so, wir wollen alle alt werden. Es gibt ja diesen berühmten Spruch, wir wollen alle alt werden, keiner will alt sein. Nein, aber eines Tages, so Gott will, sind wir es dann doch. Und dann freut man sich natürlich, wenn man ein Jüngeres gegenüber hat, dass dem vielleicht auch dieser Perspektivwechsel gut gelingt. Ja, vielen Dank. Also wie gesagt, wenn ihr Interesse habt für weitere Themen, die Geriatrie oder auch die Altersmedizin betreffen, es gibt auch Angebote vom Seminarprogramm. Valentina, du machst ja auch spannende Seminare in dem Bereich. Bestimmt in anderen Kompetenzzentren gibt es auch Angebote in dem Bereich. Also schaut bei uns im Internet unter kwhessen oder in den Shownotes sind auch die wichtigen Informationen verlinkt. Und geben wir an dich weiter, Sandra? Vielen Dank auf jeden Fall für die spannenden Einblicke und auch wertvollen Inspirationen, die bestimmt einige auch in die hausärztliche Praxis mitnehmen können. Ja, wir hoffen, es hat Ihnen, Euch gefallen und auch allen Hörerinnen und Hörern. Und ja, vielen Dank und bis zur nächsten Folge. Vielen Dank auch von unserer Seite. Danke.