Wege der Allgemeinmedizin

Kompetenzzentrum Weiterbildung Hessen
Since 10/2021 47 Episoden

Helfen und Hilfe annehmen: Die Gesundheit von Ärzt/innen im Fokus- mit Martina Bischoff und Jessica Eismann-Schweimler

01.07.2025 60 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Folge widmen wir uns gemeinsam mit unseren Gästen Dr. Martina Bischoff und Dr. Jessica Eismann-Schweimler der Gesundheit von Ärzt/innen. Beide arbeiten am Kompetenzzentrum Weiterbildung Baden-Württemberg und bieten dort auch Seminare zu diesem Thema an. Wir besprechen, warum es wichtig ist, die Gesundheit von Ärzt/innen gesondert zu betrachten, inwiefern sich diese von der Gesundheit der Gesamtbevölkerung unterscheidet und welche Herausforderungen insbesondere bei der Behandlung von Ärzt/innen bestehen, wenn diese selbst Patient/innen werden. Außerdem erhaltet ihr Tipps für den eigenen Umgang mit dem Thema und Hinweise auf konkrete Anlaufstellen und Unterstützungsangebote.

Sendet Feedback gerne an: kontakt@kwhessen.de

Shownotes:


Moderation: Dr. Sandra Herkelmann und Dr. Katharina Dippell
Konzeption & Redaktion: Ida Lotter
Produktion: Philip Schunke und Christian Köbke, YAPOLA 
Der Podcast wird vom Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG) gefördert.

Transkript

Music. Hallo liebe Hörer und Hörerinnen. Bevor wir gleich mit dem spannenden Gespräch starten, möchten wir euch bitten, an einer Umfrage zum Podcast teilzunehmen. Eure Rückmeldung hilft uns bei der Planung der Zukunft des Podcasts. Ihr findet den Link in den Shownotes. Vielen Dank. Hi, schön, dass ihr wieder reinhört bei Wege der Allgemeinmedizin. Ich bin Sandra, Ärztin und in der Lehre am Institut für Allgemeinmedizin in Frankfurt tätig. Und ich bin Katharina, Hausärztin aus Frankfurt. Und heute haben wir wieder ein sehr spannendes Thema im Gepäck, auf das wir uns schon lange freuen und von dem hoffentlich auch jede und jeder am Ende etwas für sich mitnehmen kann. Es geht um das Thema Ärztinnen und Ärzte Gesundheit und auch die Besonderheiten bei der Behandlung von ärztlichen Patientinnen und Patienten. Da werden wir auf jeden Fall einige interessante Aspekte erfahren. Und wenn ich so selber ein bisschen zurückblicke auf das vergangene Studium, Weiterbildung oder auch so die ersten Jahre im ärztlichen Beruf, dann ist ja die eigene Gesundheit eigentlich eher ein bisschen ein blinder Fleck gewesen. Ging dir das auch so, Katharina? Oh ja. Ja, und irgendwie die eigene Krankheit dann noch mehr. Und ja, aber glücklicherweise ist das Thema jetzt in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus gerückt, so in der Ärzteschaft, in der Forschung. Und die Relevanz spiegelt sich ja auch in der Ergänzung im Genfer Gelöbnis wieder. Das hatte ich auch in der allerersten Folge, die wir zusammen gemacht haben, schon mal zitiert. Vielleicht noch mal kurz zur Einordnung. Das Genfer Gelöbnis ist ja nach dem Hippokratischen Eid vom Weltärztebund das neu verfasste Gelöbnis für ärztliche Ethik. Und dort wurde ja der Aspekt aufgenommen, ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können. Und also das adressiert das Thema ja total schön. Und wir freuen uns, dass wir dazu heute zwei Kolleginnen zu Gast haben, die sich ganz intensiv mit dem Thema Ärztinnen und Ärztegesundheit beschäftigt haben, am Kompetenzzentrum Weiterbildung Baden-Württemberg arbeiten und dort auch Seminare hierzu anbieten. Und zwar haben wir einmal zu Gast Dr. Jessica Eismann-Schwaimler, Hausärztin im Kaiserstuhl und am Institut für Allgemeinmedizin in Freiburg in der Lehre und Weiterbildung tätig. Und Dr. Martina Bischof, Allgemeinmedizinerin, Bereichsleitung Lehre am Institut für Allgemeinmedizin Freiburg und Weiterbildung beim Kompetenzzentrum Weiterbildung Baden-Württemberg. Herzlich willkommen, schön, dass ihr dabei seid und dieses wichtige Thema für und mit uns beleuchtet. Ja, hallo. Hallo. Bevor wir direkt eintauchen, würden wir euch natürlich gerne noch ein bisschen kennenlernen. Und da wäre es toll, könnt ihr uns ein bisschen was zu euren Wegen in die Allgemeinmedizin erzählen? Ja, gerne. Ich starte mal. Erst nochmal Hallo an alle. Schön, dass wir die Möglichkeit haben, heute hier mit euch über das Thema Arztgesundheit auch zu sprechen. Die Wege in die Allgemeinmedizin sind ja meistens nicht so ganz geradlinig wie in anderen Bereichen. Und ich habe zum Beispiel im Studium schon bereits begonnen, meine Psychotherapieausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychodramatherapeutin, weil ich dachte, mein Weg wird mal in die Psychosomatik gehen. Dann war ich im PJ in der Schweiz, in der Gynäkologie, dann in der Chirurgie an meinem Studienort in Würzburg und habe da mehrere Jahre auch in der plastischen Chirurgie gearbeitet und meine Begeisterung für die Chirurgie entdeckt. Und bin dann für das ÄiW damals auch in die Gynäkologie gegangen. Und auch da war es so gewesen, dass mir das Operative und der Kreißsaal besonders gut gefallen haben. Und ich gedacht habe, da kann es weitergehen. Dann kam mein erstes Kind. Und ich musste mich so ein bisschen umentscheiden und habe ganz viel Krankenpflegeunterricht gegeben. Dann kam das zweite Kind und ich bin dann für die Innere in eine Reha-Klinik mit Psychosomatik gegangen und habe dann schon das dritte Kind bekommen. Also das ist alles so integriert in die Familienplanung auch und bin dann in eine Hausarztpraxis, in eine Einzelpraxis gegangen und habe meinen Facharzt gemacht mit der Aussicht, dass ich diese Praxis übernehmen kann. Was aber aus familiären und organisatorischen Gründen gescheitert ist und ich dann in die Leitung einer Mutter-Kind-Klinik eingestiegen bin und habe da eben auch nochmal mein Wissen und meine allgemeinmedizinischen Kompetenzen erweitern können. Und habe dann nochmal den Sprung in die Uni zurück gewagt als Leitung der interdisziplinären Patientenversorgung und des Qualitätsmanagements am Tumorzentrum in Freiburg. Da habe ich dann auch erst spät, mit 50, angefangen, meine Doktorarbeit zu schreiben zu dem Thema, wie effizient sind eigentlich Tumorbordbeschlüsse und wie werden die umgesetzt. Und habe dann erst sozusagen wieder aus der Onkologie heraus den Weg in die Allgemeinmedizin gefunden und bin als Telemedizinerin in der Schweiz aktiv gewesen, um dann 2019 hier am Institut für Allgemeinmedizin einzusteigen in die Lehrentwicklung, Lehre, Lehrforschung und bin jetzt sozusagen das Role Model der angestellten Fachärztin für Allgemeinmedizin. Ja, wow. Das ist ja auch echt ein richtig spannender Werdegang mit ganz vielen verschiedenen Facetten. Wie war es denn bei dir, Jessica? Ja, ich habe mit der Doktorarbeit gestartet, meine medizinische Ausbildungskarriere und habe eine neuroanatomisch-neurochirurgische Doktorarbeit geschrieben zum Thema von morphologischen Veränderungen bei Temporallappenepilepsie und habe darüber auch meine erste Stelle in der steotaktischen Neurochirurgie hier in der Uniklinik in Freiburg gefunden. Ganz spannendes Fachgebiet, sehr klein, aber gleichzeitig auch eine ganzheitliche Versorgung. Also die Hirntumorpatienten sind ja von Diagnosestellung bis zum Tod begleitet worden, was ich sehr erfüllend fand. Und gleichzeitig haben wir die Patienten mit Bewegungsstörungen, mit tiefer Hirnstimulation versorgt. Und auch das sind so ganz spannende Verläufe, weil man wirklich, wirklich helfen kann. Das ist einfach eine sehr dankbare Arbeit. In der Zeit habe ich auch schon begonnen zu unterrichten und in der Lehre zu arbeiten, was mir sehr viel Freude macht und ich habe meine ersten beiden Kinder in der Anstellung dort bekommen, aber schlussendlich war mir das zu wenig, weil ich wollte auch den Rest vom Körper so ein bisschen behandeln lernen und dann habe ich die Stelle gewechselt und bin in eine innere Abteilung, in einen mittelgroßen Krankenhaus gegangen. Also die Stadt hat 20.000 Einwohner und habe mich dort eben stationär-internistisch weitergebildet, geriatrisch gearbeitet, ein bisschen neurologisch arbeiten durfte ich noch, weil es ein Stroke-Unit gab. Auf Intensivstation war ich eingesetzt und habe vor allem auch in der Ambulanz gearbeitet, was ich sehr erfüllend fand. Und in der Zeit habe ich mein drittes Kind bekommen. Und dann den Wiedereinstieg, der war ein bisschen schwierig. Da habe ich zunächst 20 Prozent gearbeitet, immer nur einen Tag die Woche. Die Dienstplanlücke ausgefüllt sozusagen. Ich habe gedacht, okay, wenn ich jetzt mal Fachärztin werden möchte, dann kann das so nicht weitergehen und habe dann in der Landarztpraxis Thuniberg, in einer kleinen Praxis gestartet, dort meine Weiterbildung für Allgemeinmedizin gemacht in 50 Prozent und habe aber noch weiterhin Dienste gemacht in dem Krankenhaus, was eine gute Kombination war, aber auch finanziell einfach hilfreich. Ich musste noch ein bisschen Innere nachholen, habe dann nochmal 80 Prozent in dem Krankenhaus internistisch gearbeitet und bin dann ans Institut für Allgemeinmedizin gegangen und habe da den letzten Abschnitt schon im Kompetenzzentrum Weiterbildung absolviert und in der Lehre gearbeitet und ja, habe dann nach drei Kindern und 15 Jahren meinen Facharzt für Allgemeinmedizin gemacht. Und habe mich dann ziemlich schnell niedergelassen mit einer Kollegin in einer großen Landarztpraxis am Kaiserstuhl und bin aber noch in Teilzeit jetzt am Institut beschäftigt und kann so meine Leidenschaften verbinden, auch für die Lehre. Wahnsinn, also ich bin total beeindruckt von eurer Vielfältigkeit und den verschiedensten spannenden Erfahrungen und das haben wir ja so ganz oft und das sagtest du auch Martina, dass die Wege ja eben oftmals nicht so gerade sind, auch teilweise eben in die Allgemeinmedizin, dass man vielleicht ein bisschen von der Spezialisierung in die Generalisierung kommt, aber so viel verbinden kann und auch jede Station einen auch so weiterbringt. Und das finde ich also ganz spannend und das hat man jetzt auch, finde ich, bei euren Werdegängen hier sehr gut gemerkt. Und wie kam denn dann jetzt das Thema Ärzte-/Ärztinnen-Gesundheit zu euch? Also es ist ein Thema, was mich schon sehr lange begleitet hat. Ich habe, bevor ich überhaupt studiert habe, das Buch House of God von Samuel Shem gelesen. Also wer es nicht kennt, ist so ein bisschen eine zynische Darstellung, wie junge Ärztinnen ausgebildet werden im Krankenhaus. Und ich habe es vor dem Studium nicht verstanden. Und ich habe es nach dem Studium nochmal gelesen und nach dem PJ und dann habe ich es auf einmal verstanden. Und das hat mich sehr schockiert. Und ich dachte, das ist so, wir haben so viel Grenzüberschreitung in unserer täglichen Routine zwischen Ärztinnen und Patienten, zwischen Patienten und Ärzten, zwischen Lehrenden und Lernenden. Und ich habe mich immer schon gefragt, gibt es denn jetzt einen guten Umgang damit? Und das hat mich irgendwie motiviert, für Änderungen einzutreten. Und eine der häufigen Grenzüberschreitungen, die eben stattfinden, ist die Überschreitung der eigenen Grenze. Und damit sind wir im Prinzip beim Thema Gesundheit. Wie sorgt man für sich? Wie sorgen Ärzte auch für sich selbst? Ja, ich bin so aus einer ganz anderen Richtung gekommen und zwar über die politisch bewegte Frauenbewegung und habe schon sehr früh im Studium entdeckt, dass die Patientinnen eigentlich sehr viel mehr wissen müssen über sich selbst, über ihre Erkrankungen und habe Selbstuntersuchungskurse mit Frauen angeboten, damit sie sich besser kennenlernen und auch besser sehen, was brauchen sie eigentlich, also diese Selbstwahrnehmung zu stärken und für ihre eigenen Bedarfe und Bedürfnisse einzutreten. Gleichzeitig habe ich natürlich bei mir gemerkt, dass durch diese Geburten zum Beispiel, dass ich schon auch gucken muss, wie komme ich durch das System. Ich habe sehr viel erlebt, dass eben Grenzen überschritten wurden von unserer Seite als Ärzte bei den Geburten, dass es eben nicht in Einklang mit den Frauen stattgefunden hat und habe deshalb entschieden, dass ich meine Kinder ambulant entbinde, zu Hause, damit ich da einfach mehr Einflussnahme haben kann und auch besser meine Grenzen setzen kann und meine Entscheidungen auch mit einbringen kann. Das war so für mich der Auslöser, viel stärker auf diese Grenzen zu gucken und zu gucken, was sind die Bedarfe sowohl von mir als Ärztin gegenüber Patienten als auch von den Patienten gegenüber den Ärzten. Und das begleitet mich eigentlich schon seit dem Studium auch. Und wir können eben jetzt sehen, dass gerade auch bei den Ärzten in Weiterbildung, bei dem berufsbegleitenden Austausch im Mentoring, dass da das Thema Grenzüberschreitungen ganz im Fokus ist. Und wir da viel begleitend unterstützen können und das auch immer wieder schärfen können, die eigenen Grenzen auch zu setzen und die eigenen Grenzen auch zu beachten. Sowohl für sich selbst, aber auch von anderer Seite uns selbst gegenüber. Und da haben wir eben auch überlegt, dass wir im KBBW spezifisch eine Stelle einrichten für die Ärzte in Weiterbildung, wo sie sich hinwenden können. Wenn sie sagen, irgendwie, da komme ich jetzt nicht weiter, da gibt es eine Grenzüberschreitung, an wen kann ich mich wenden und haben dafür eine Clearingstelle auch extra bei uns eingerichtet bei Grenzverletzungen, wo sie sich hinwenden können. Wow, super, das ist eine total tolle Sache, die ihr da gestartet habt. Das finde ich wirklich sehr wichtig, dass man sich dessen auch bewusst ist, wie oft man selber irgendwie über seine Grenzen hinausgeht oder Patienten gegenüber manchmal grenzüberschreitend handeln könnte oder so. Das ist ja schon ein sehr großer Eingriff, vor allem in Krankenhäusern oder medizinischen Behandlungsmaßnahmen, in die man da manchmal Leute steckt oder selber gesteckt wird. Und wie Sandra vorhin ja auch schon gesagt hat, allein über das Genfer Gelöbnis wird uns ja schon vor Augen geführt, wie wichtig das ist, dass wir selber über uns Bescheid wissen und es uns selber gut geht, um halt auch adäquat und konzentriert gut die Patienten, Patientinnen, die uns gegenüber sitzen, betrachten und behandeln zu können. Aus dem Grund stelle ich jetzt diese ganz allgemeine Frage, warum müssen wir uns mit Gesundheit und Krankheit von Ärzten, Ärztinnen denn besonders widmen? Also zum einen haben wir als Hausärztinnen, als Hausärzte erstmal eine Vorbildfunktion für ihre Patienten. Die können natürlich gesundes Verhalten viel besser von uns übernehmen, wenn wir das auch vorleben. Und ich finde auch, unsere Patientinnen und Patienten haben gesunde und ausgeschlafene Ärztinnen und Ärzte verdient. Es gibt, finde ich mal, den Vergleich beim Piloten. Der ist auch für Leben zuständig und da gibt es ganz viele Regularien, Überwachungen, da ist Gesundheit, spielt eine wichtige Rolle. Da muss man ausgeschlafen sein. Und in unserem Beruf darf auch der Anfänger völlig unausgeschlafen mitten in der Nacht eine Ambulanz überwachen. Da denke ich, da darf noch viel getan werden. Wenn man dann aber in die Geschichte guckt, finde ich es sehr spannend. Schon 1794 hat Thomas Percival geschrieben in seinem Buch Mathical Ethics, A Physician Afflicted with Disease is usually an incompetent judge of his own case. Er führt das dann weiter aus und bezieht sich auch auf Angehörige. Das heißt, wir haben schon 1794 einen Kollegen, der erkannt hat, dass man die eigene Erkrankung nicht so gut beurteilen kann und der ärztliche Patient einfach nicht objektiv ist. Und dieses Buch ist die Grundlage für den Code of Ethics von der American Medical Association. Die haben sich da schon lange zu diesem Thema Gedanken gemacht. Genau, und du hast es vorhin schon so schön gesagt, bei uns ist wirklich wichtig, dass wir auf unsere eigene Gesundheit achten, auf unser eigenes Wohlergehen, damit wir auch für unsere Patienten da sein können, ausreichend da sein können, objektiv da sein können und sie auch gut versorgen können. Das steht so ein bisschen im Kontrast zu unserem, dem sogenannten Präsentismus. Wir haben das Gefühl, wir müssen auch immer da sein und wir können nicht fehlen. Gründe dafür sind beschrieben schon von Jana et al. Seit 2012, nämlich dass wir ungern Kollegen überfordern. Also 57 Prozent unserer Kollegen, die sich nicht in die Krankheit begeben, obwohl sie krank sind, sagen, ich kann nicht krank sein, weil sonst müssen meine Kollegen das übernehmen und dann sind die überfordert und werden womöglich auch krank. Und die Sorge um die Patienten, die wächst mit jedem Jahr der Berufstätigkeit. Schon im ersten Jahr sind 56 Prozent der Kollegen sagen, ich kann nicht zu Hause bleiben, wenn ich krank bin, weil ich muss ja meine Patienten versorgen. Also das sind die Hauptgründe, weshalb wir eigentlich auch immer da sein, denken, da sein zu müssen, Auch wenn wir krank sind. Ein weiterer Punkt ist natürlich auch die Angst, dass man schwach bewertet wird, dass man komisch angeschaut wird, dass man möglicherweise auch seinen Arbeitsplatz verliert. Also all diese Dinge spielen damit auch noch hinein. Ja, gibt es denn, wenn man jetzt auf die Fakten quasi blickt, gibt es denn Studien dazu, die so Verhältnis Gesundheit oder Krankheit von Ärzten, Ärztinnen zur restlichen Bevölkerung setzt? Oder was wissen wir überhaupt über das Gesundheits- und Krankheitsverhalten von Ärzten, Ärztinnen? Ja, das Erschreckende ist, dass nur 19 Prozent der Allgemeinmediziner:innen auch einen Hausarzt zum Beispiel haben. Das ist, finde ich, schon mal bezeichnend. Wenn wir jetzt bei den Studierenden fragen, die Medizin studieren, die haben noch zu 100 Prozent eine Hausärztin und Hausarzt. Also da verändert sich was im Laufe des Arbeitslebens auf jeden Fall. Und wenn wir jetzt nochmal gucken, wie verhalten wir uns, wir haben ja keine Hausärztin, wie gehen wir mit uns selbst um? Also bei akuten Erkrankungen, da sind 68 Prozent, die sagen, ich behandle mich selbst, ich diagnostiziere mich selbst. Also da gehen wir überhaupt nicht mehr in die formale Konsultation. Und bei chronischen Erkrankungen, da ist es so, dass 71 Prozent sich selbst diagnostizieren und auch fast so viele sich selbst behandeln. Also selbst bei chronischen Erkrankungen, da gehört natürlich auch der Bluthochdruck dazu und so weiter, sind wir uns selbst die besten Ärzte, denken wir auf jeden Fall. Aber je schwerer die Erkrankung ist, desto weniger findet natürlich Selbstbehandlung statt, weil dann müssen wir auch fähig eine Operation durchführen oder auch eine Chemotherapie. Das geht natürlich dann nicht mehr. Aber nichtsdestotrotz, wir sind schon diejenigen, die Berufsgruppe, die sich wirklich gerne selbst behandelt auch. Ja, ich hatte mal einen Chirurgen gehabt, der hat immer Fahrradunfälle gehabt und ist hingefallen und hat sich alles mögliche gebrochen. Das hat er nie operieren lassen. Das hat er sich immer alles selbst ausheilen lassen und er war selber Unfallchirurgen. Ja, genau. Ja, das sind so die Beispiele. Das ist die Angst. Genau. Also Erika Frank hat 2013 gezeigt, dass Ärztinnen, die selber an Präventionsmaßnahmen teilnehmen, dann auch ihre Patienten häufiger zur Prävention beraten. Und ja, nur gesunde Ärzte können auch gute Therapieentscheidungen für ihre Patienten dann treffen. Ja, und auch das Rollenvorbild entsprechend sein, ne? Wenn ich jemanden vor mir habe, also jetzt mal das ganz schlechteste Beispiel vielleicht mit dem Kittel, der noch nach Rauch riecht, reinkommt oder so. Also selbst das hat man ja auch schon irgendwie im Klinikalltag erlebt. Dann ist es natürlich so, dass das jetzt nicht das beste Vorbild ist und daran lernen wir eben auch. Und wenn wir Gesundheitskompetenz stärken wollen bei den Patentinnenund Patienten, dann ist natürlich sehr gut, die selbst auch auf sich anzuwenden. Ja, absolut. Und man kennt das ja so aus seinem eigenen Studium ja bestimmt auch noch. Auch am Anfang, wenn man das alles so die ganzen Krankheiten so liest und alles so neu das erste Mal hört, dann neigt man ja sehr zur Hypochondrie, weil das hatte ich so während des Studiums vor allen Dingen, dass man jede Krankheit einmal so mit durchmacht. Und später, dann ist es ja eher so, dass man sich so ein bisschen vernachlässigt. Ich habe ja zum Beispiel auch, ich arbeite Vollzeit in der Haushaltspraxis. Ich habe auch keinen Hausarzt, Hausärztin. Ich bin ja auch zu den Zeiten, wo Sprechstunden werden, ja auch selber quasi in einer Patientenbehandlung tätig. Und dann kommen aber doch wahrscheinlich im Verlauf vermehrt auftretende Erkrankungen. Ja, was könnt ihr uns darüber noch berichten, wie so dieser Verlauf der Gesundheitswahrnehmung, der eigenen Selbstwahrnehmung ist im Laufe des Ärztinnen-Daseins? Ja, du hast es ja schon angesprochen, das verändert sich im Laufe des Berufslebens und des Studierendenlebens doch deutlich. Und im Studium, da ist schon so, dass dieses Lernen der Erkrankung, das Auseinandersetzen mit den Erkrankungen bei fehlender Erfahrung mit diesen Erkrankungsverläufen doch dazu führt, dass man sehr viel ängstlicher ist, zu Hypochondrien neigt und alle Erkrankungen, die man lernt, dann auch bei sich selbst entdeckt. Das ist sicher was, was für das Studium so ein Stück weit auch bezeichnend ist. Naja und die haben ja dann, die Studierenden haben ja noch eine Hausärztin, einen Hausarzt, wie wir gehört haben und dann gehen sie schon auch zum Hausarzt, zu Hausärztin, sind irgendwelche Normvarianten im U-Kurs aufgefallen. Es kann ja dort auch nicht abschließend in einem Lehr-Setting geklärt werden und dann werden halt mal harmlose Veränderungen rückgesprochen, weiß ich nicht, mal eine Lymphknotenschwellung oder ein veränderter Leberfleck oder sowas. Und es ist ja auch völlig in Ordnung, sich da nochmal einen Rat zu holen, um das einordnen zu lernen. Realitätschecken, ja. Bei den Ärztinnen in Weiterbildung, da ist es so, die sind schon in der Maschinerie drin, also Zeitdruck, dieses Gefühl Präsentismus zu zeigen. Und die Anforderungen des Praxis- und des Klinikalltags, die führen schon dazu, dass die weniger auf ihre Gesundheit achten und da auch weniger zu den Hausärzten gehen, sondern eher in die Selbstversorgung rein. Also einige haben dann noch einen Haushalt. Man braucht ja vielleicht auch einen, um sich einfach krankschreiben zu lassen. Es gibt dann noch Kontakt zum Arbeitsmediziner, zur Arbeitsmedizinerin. Aber in der Phase startet ja oftmals auch die Familienplanung. Also der Druck steigt einfach wahnsinnig. Das ist so die Autobahn des Lebens, wo alles gleichzeitig stattfinden muss. Es geht um Vereinbarkeit von Berufs- und Familienalltag. Und da kann dann aber auch die Hausärztin, der Hausarzt individuell als Fürsprecher für die eigene Gesundheit eintreten und beraten. Wenn wir dann auf die Fachärztinnen gucken, da ist es so, dass die so viel Verantwortung tragen und sich einfach viel, viel weniger Zeit für ihre eigene Gesundheit nehmen. Das hat auch Herr Krall schon in seinem Artikel beschrieben. Wir sagen dann, ich bin zu beschäftigt, ich habe keine Zeit, ich muss meine Patienten versorgen. Also das sind die Aspekte, die dann ganz stark in den Vordergrund kommen und natürlich erleichtert durch den Zugang zu Medikamenten. Wir können uns ja selbst alle Medikamente besorgen, die wir brauchen. Da gibt es ja keine Regeln im deutschsprachigen Raum, wie man damit umzugehen hat. Und das führt natürlich auch dazu, dass wir da nicht ins System reingehen, sondern außerhalb des Systems uns auch behandeln. Was oftmals ja auch eine symptomatische Behandlung ist und dann auch mal zu einer Verzögerung irgendwie führen kann, bis man dann vielleicht doch eine gewisse Diagnostik gemacht hat. Ja, und das wird halt spannend, weil viele Gebietskolleginnen, die arbeiten ja normalerweise mit dem ausgewählten Patienten gut. Das ist vorselektiert, das sind auf jeden Fall kranke Menschen. Und diese Erfahrung, wie das im Niedrigprävalenzbereich aussieht, hat man aus seinem Arbeitsalltag gar nicht unbedingt. Und wenn man aber selbst krank wird, dann ist man ja per Definition am Anfang erstmal im Niedrigprävalenzbereich. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst eine schwere Krankheit hat, ist erstmal nicht höher als bei der Normalbevölkerung. Die eigene Erfahrung aus dem Berufsalltag sagt aber was ganz anderes. Und da ist es ja auch wichtig und gut, dass man sich von einem Allgemeinmediziner, von einem Hausarzt, einer Hausärztin beraten lässt. Das sind ja dann die Spezialisten für den Niedrigprävalenzbereich. Wollen wir das nochmal definieren, den Niedrigprävalenzbereich? Also was wir meinen ist, dass ja viele Menschen mit Symptomen und Befinden zum Arzt erstmal kommen, zum Hausarzt, zur Hausärztin. Und dann erstmal geguckt werden muss, nicht jeder, der sich krank fühlt, hat auch eine Erkrankung. Und das muss ja ein bisschen sortiert werden, da haben wir unsere allgemeinmedizinischen Herangehensweisen, unsere Arbeitsweisen und bis man dann quasi zu einer Diagnose kommt und von der Diagnose feststellt, okay, die muss aber auch fachärztlich behandelt werden oder gar stationär oder gar in der Uniklinik stationär. Da gibt es Untersuchungen, dass von tausend Leuten überhaupt nur 20 in eine Uniklinik stationär gehören, während unsere medizinische Ausbildung ja im Prinzip nur in der Uniklinik stattfindet. Sodass die Erfahrung eine ganz andere ist als das, was einen vielleicht selbst betrifft. Aber es ist nicht intuitiv. Man fühlt sich, glaube ich, als Arzt irgendwie anders. Und es ist ja gut, wenn man sich dann Unterstützung sucht, sich so einzusortieren, wo gehört das gerade hin, was ich habe. Das sind ja die typischen Kriterien für die Grundprinzipien der Allgemeinmedizin. Unser Patientengut ist ein riesiger Heuhaufen und da sind viele Symptome dabei, die ganz banal sind. Und da eben die Besonderheiten rauszufinden und die Patienten rauszufiltern, die entweder Notfall sind oder ins Krankenhaus müssen oder von einem Kollegen weiterversorgt werden müssen, das ist unsere Herausforderung. Und das bezeichnet diesen Niedrigprävalenzbereich, finde ich so ganz schön, dieser Heuhaufen, wo wir die spezifischen Nadeln auch finden müssen, um dann zu sortieren und zu triagieren. Genau, so als praktisches Beispiel quasi, wie wahrscheinlich ist, wenn jemand mit Brustschmerzen in die kardiologische Praxis kommt, die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts, die ist natürlich deutlich höher, als wenn jemand mit Brustschmerzen zu mir in die Hausarztpraxis kommt. Meistens ist dann eher was muskuloskelettales zum Beispiel dahinter, aber wenn jemand schon den Weg in die Kardiologie sucht, ist natürlich dann wahrscheinlich schon Gefahr in Vollzug im Rahmen des Herzinfarktes, so als praktisches Beispiel. So ist es. Unterstreichend. Ja, genau. Man merkt es ja auch selber, man geht schnell über seine Grenzen. Man will manches dann nicht so wahrhaben, man ist sehr für die Patienten, Patientinnen da, aber achtet weniger auf seine eigenen Signale. Das führt ja dann auch dazu, dass nachgewiesenermaßen Ärzte und Ärztinnen weniger Krankheitstage oder sich seltener krankschreiben lassen als jetzt vielleicht die Gesamtbevölkerung und geben aber auch viele an, dass sie häufig krank zur Arbeit gehen und die eigene Gesundheit eher hinten anstellen, im Dienste der Patienten, Patientinnen. Von welchen Gründen dafür könnt ihr denn hierzu berichten? Unser Selbstbild, das zieht ja eigentlich nicht vor, dass wir krank sind. Wir sind immer seelisch stabil, wir sind immer hilfsbereit, wir sind immer belastbar. Das ist das Bild, was wir von uns als Ärztinnen haben, aber das ist auch das Bild der Patienten oft. Die erwarten das auch von uns. Sven Schulz hat es schon in seiner Studie festgestellt, da geht es um narrative Interviews zum Thema Arztgesundheit und hat da mehrere Gründe auch identifiziert, welche Gründe dahinter stecken, warum wir eigentlich nicht krank sind. Und da kommt auch dieser Aspekt der Angst, sich etwas einzugestehen, dass man etwas nicht kann. Schwäche zeigen, das ist damit verbunden. Man hat Angst, stigmatisiert zu werden, gerade bei Suchterkrankungen zum Beispiel. Das führt ja dazu, dass man sich eher weniger meldet, auch wenn es entsprechende Stellen dafür gibt. Dann das große Thema, die Schwierigkeit, sich selbst in die Patientenrolle zu begeben, sich als Patient zu identifizieren. Wir sind ja diejenigen, die die Patienten behandeln. Wir sind ja keine Patienten. Also dieses Rollenverständnis, da werden wir nachher auch vielleicht nochmal drauf kommen, das zu finden, das ist wirklich auch eine große Herausforderung. Und existenzielle Ängste. Was passiert, wenn ich jetzt krank bin, verliere ich die Praxis? Was ist mit meinen Patienten? Also das sind alles Aspekte, die wir erleben, wenn wir dann krank sind und wo wir dann überlegen, gehen wir überhaupt zum Arzt und lassen wir uns untersuchen. Und Sven Schulz hat im selben Review auch nochmal ein bisschen die andere Seite beleuchtet. Wie geht es denn den Ärztinnen, dem Arzt in der Behandlerrolle? Und da ist es einfach eine schwierige Arzt-Patienten-Beziehung. Man hat nämlich einen kompetenten Patienten vor sich. Der hat ja nicht nur gegoogelt, der hat das ja auch noch studiert. Und dann denkt man, okay, weiß das Gegenüber vielleicht mehr, als ich selber gerade. Oder aber, was die Gefahr in der Situation ist, dass man so einen co-diagnostizierenden, co-therapierenden Kollegen hat und der Patient ist dann irgend so etwas Abstraktes, Drittes im Raum, obwohl er eigentlich vor einem sitzt. Aber man führt so eine Art Fachsimpeln über diesen abstrakten Fall. Und das erschwert einfach den Aufbau von einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung. Man muss eben aufpassen, dass die Konsultation nicht informell wird. Das gehen wir nachher auch noch mal genauer durch, dass man so ein bisschen die Regeln einhält, das macht es dann schon sehr viel leichter. Ja, auf jeden Fall. Jessica, das finde ich auch nochmal ganz wichtig, dass wir das Thema nochmal ansprechen, wie Ärztinnen und Ärzte sich eben in der Behandlerrolle auch gut verhalten können, vielleicht auch anhand von Regeln. Und wenn ich nochmal auf den Punkt komme von dir, Martina, mit dem Präsentismus. Also das Wort habe ich tatsächlich auch ganz neu jetzt in der Vorbereitung auf die Folge gehört. Und ich glaube, das kann jeder auch so fühlen, der ärztlich arbeitet. Irgendwann mal ist da sicherlich jede Ärztin, jeder Arzt mal irgendwie halb krank oder so arbeiten gegangen. Und ich finde es ganz wichtig, dass man sich jetzt einfach mal bewusst macht, dass das aus mehreren Gründen, davon haben wir schon einige sehr gute gehört, keine gute Idee ist. Und das Ganze hat ja auch mit einer professionellen Identitätsentwicklung zu tun, mit dieser Selbst- und Fremdwahrnehmung. Und auch da habe ich aber zumindest das Gefühl, dass es ein Stück weit auch so einen Generationswechsel gibt, dem ich ganz optimistisch entgegenblicke. Und wenn wir uns nochmal den Krankheiten zuwenden, welche Krankheiten sind denn in der Gruppe der Ärztinnen und Ärzte häufiger oder seltener anzutreffen? Eigentlich gibt es in der Prävalenz von somatischen Erkrankungen keinen Unterschied zur Normalbevölkerung. Es gibt ein paar berufsbedingte Erkrankungen. Das gilt natürlich jetzt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitssystem. Infektionen, also Tröpfcheninfektionen, Hepatitisinfektionen, sowas. Dann haben wir die Strahlenbelastung, wir haben chemische Belastungen. Die chirurgischen Fächern, das ist auch einfach körperlich fordernd. Da gibt es mehr Erkrankungen im muskuloskeletalen System. Dann die Schichtarbeit fordert einfach auch ein Stück was Körperliches, das durchzuhalten. Und dann gibt es ganz viele stressassoziierte Erkrankungen, die einfach durch die berufliche Belastung und das, was wir so täglich erleben, entstehen. Einen deutlichen Unterschied gibt es hingegen bei den psychischen Erkrankungen, insbesondere bei den Suchterkrankungen. Da ist Alkohol sicher führend, dass wir da verstärkt als Ärztinnen in die Sucht kommen. Dann das Thema Burnout und auch Depressionen. Zudem ist die Suizidrate bei Ärztinnen und Ärzten deutlich höher, vielleicht auch, weil es bei uns eher gelingt. Das kann natürlich sein, aber trotzdem ist die Zahl doch signifikant höher im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Aber, und das ist glaube ich auch ganz wichtig, das Gesundheitsverhalten von Ärztinnen jetzt im Vergleich zum Beispiel zur Gruppe der Juristinnen, die ja auch Akademiker sind, ist deutlich besser. Auch da gibt es was Positives. Ja, Licht und Schatten auf jeden Fall und erschreckend natürlich, dass das Risiko im Bereich psychischer Erkrankungen, Depressionen, Suizidrate, Suchterkrankungen erhöht ist. Gibt es da aber auch spezifische Hilfestellungen, Richtlinien oder Angebote, an die man sich als Ärztin oder Arzt wenden kann? Ja, ich möchte gerade nochmal auf die Suchterkrankungen zurückkommen. Also ich arbeite ja im Kaiserstuhl. Das ist eine schöne Weinbaugegend mit einem Patientengut, was gar keinen Blick für Sucht hat, also für Alkoholsucht. Und auch die Ärzte scheinen aber ähnlich gelagert zu sein. Die BG hat angestellte Ärztinnen und Ärzte 2023 befragt zu ihrem Trinkverhalten. Und nur 8,6 Prozent trinken überhaupt kein Alkohol, während es bei der Normalbevölkerung noch 20 Prozent sind. Und 10% trinken täglich Alkohol, 10% der Ärzte trinken täglich Alkohol und es sind in der Normalbevölkerung nur 3%. Und das sind schon echt erschreckende Zahlen und da haben die Kammern aber reagiert. Genau, die Kammern haben das erkannt und bieten deshalb auch niederschwellige Angebote für suchtkranke Medizinerinnen und zwar 24-7. Da kann man sich anonym melden und bekommt eine kollegiale Beratung rund um die Uhr und das Wichtige ist eben, dass diese Stigmatisierung da wegfällt. Also wenn wir wissen, das ist über Kollegen, die spezifisch dafür ausgebildet sind und wissen, dass wieder Kollegen anrufen, fällt eben diese Stigmatisierung auch weg und das ist ganz wichtig, dann können wir uns auch an diese Stellen wenden. Ja, also das ist auf jeden Fall gut, sich dessen bewusst zu sein, sich das auch bewusst zu machen, um da präventiv handeln zu können und gut zu wissen, dass es auch spezielle Hilfestellen gibt, denn das Thema der Stigmatisierung ist da sicherlich auch ein ganz großes und bis jetzt weniger im Fokus stand ja auf der anderen Seite dann so die Besonderheit der somatischen Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten. Welche Aspekte sind denn da aus eurer Sicht besonders wichtig? Also wenn man jetzt bei dem Beispiel bleibt von dem Arzt, der ein Problem mit Alkohol hat, dann gibt es ja die Stelle bei der Kammer, um sich quasi beraten zu lassen. Aber wer behandelt ihn denn somatisch? Man müsste ja jetzt trotzdem auch mal nach der Leber schauen. Und ich glaube nicht, dass man das in der eigenen Praxis machen möchte, weil das hat keine Diskretion. Das Team kriegt das mit. Genauso bei der Nadelstichverletzung. Was ist denn, wenn man sich wirklich infiziert hat, will ich, dass das sofort das ganze Team weiß? Also da brauchen wir eigentlich Zugangsmöglichkeiten, die diskreter sind. Genau, da braucht es eben Ärzte, die geschult sind, Ärzte zu behandeln, wo man sich dann auch hinwenden kann. Und spezialisierte Praxen sind natürlich auch eine Möglichkeit, aber ich glaube, da ist es wichtig, dass wir speziell geschulte Ärztinnen und Ärzte haben im Niedrigprävalenzbereich auch. Häufig finden dann auch informelle Konsultationen statt. "Kannst du dir das mal kurz angucken" oder "nimm' mir doch nochmal Blut ab und schicken wir die Laborbefunde" von befreundeten Kollegen. Aber das ist ganz problematisch, weil da kommt auch noch dieser Freundschafts- bzw. Familienbias, wenn man da noch jetzt Familienangehörige behandelt, weil da haben wir ja eine Beziehung zu den Menschen. Wir haben Ängste, wir wollen nicht, dass die krank sind. Da sind wir nicht mehr objektiv. Da muss man wirklich sehr gut aufpassen und von der informellen in die formelle Konsultation reingehen. Ich habe da als Beispiel mal erlebt, wie eine Kollegin sich im Rahmen von einer Fortbildung hat diagnostizieren lassen von allen Anwesenden. Man hat dann gemeinsam entschieden, dass man sie doch ins nächste Akutkrankenhaus bringen möchte und da ist dann die vermutete Lungenembolie auch diagnostiziert worden. Und für mich dachte ich, eigentlich will ich das so nicht. Ich würde mir wünschen, es gibt andere Wege dafür. Ja, das ist auf jeden Fall ein Extrembeispiel und dann stellt sich ja auch die Frage, wie sie sich da vorgestellt hat, ob sie schon gesagt hat, es haben schon 20 Kollegen die Verdachtsdiagnose gestellt und deshalb bin ich hier oder ob sie das noch so ein bisschen für sich behalten hat. Und es ist aber natürlich die Sache, also man kennt es ja auch selber, dass man sich mit manchen Sachen dann eben tatsächlich aus diesen Fragen der mangelnden Objektivität und kritischen Distanz vielleicht auch mal unwohl fühlt und so. Und wichtig ist ja, wie geht man dann damit um? Oder ich kenne es auch, wenn jetzt zum Beispiel aus der Familie jemand betroffen ist, also je nach Fragestellung, ich meine, es gibt natürlich Sachen. Das ist auch toll, dass man das einfach vielleicht mal ganz kurz klären kann und das ein oder andere irgendwie relativ routinemäßig. Aber bei vielen Sachen ist es dann doch so, dass man das Gefühl hat, man wäre irgendwie in der Verantwortung jetzt dafür. Und ich finde, diese Verantwortung halt an wirklich andere Behandlerinnen abgeben zu können, also das ist schon auch ganz, ganz wichtig. Und ja, das leitet auch so ein bisschen zu meiner nächsten Frage. Könnt ihr nochmal ein bisschen zusammenfassen, warum braucht es besonders geschulte Ärztinnen und Ärzte zur Behandlung von ärztlichen Patientinnen und Patienten? Ein bisschen haben wir jetzt schon gehört, da gibt es aber bestimmt noch viele andere Gründe. Ja, ich gehe vielleicht nochmal auf diese Objektivität ein und die kritische Distanz, aber gleichzeitig eben auch das Anerkennen des Vorwissens der Kolleginnen und Kollegen, die in die Behandlung kommen. Wenn wir uns selbst behandeln, da sind wir doch in unserem Blick nicht so richtig geschärft. Da kommt es eher zu Fehlüber- oder Unterversorgung, je nachdem. Also es sind wirklich in alle Richtungen, ist es zu denken. Und da brauchen wir so eine objektive Blickrichtung von einem Kollegen, der entsprechend geschult ist. Häufig ist ja dann doch der Wunsch, wenn man sich denn dann in Behandlung begibt, dass man doch rasch eine Maximalabklärung kriegt. Dass sofort alles gemacht wird und das ist ja nicht automatisch hilfreich. Da wären wir eben in der Überversorgung. Das heißt, eigentlich ist man ja erstmal noch im Niedrigprävalenzbereich und dann ist es hilfreich, wenn jemand da ist und hilft, die Symptome einzuordnen. Aber das Gegenteil ist halt auch möglich, dass es so lange hinausgezögert wird, dass es eine zu späte Diagnosestellung kommt. Weil für uns als Ärzte eben die Patientenrolle doch sehr ungewohnt ist, weil wir denken, wir müssen das ja selber wissen. Und durch einen spezialisierten Kollegen ist es erleichtert, auch in diese Rolle als Patient hineinzugehen. Was sicher ein tolles Beispiel auch ist, das haben wir in unserer Mentoring-Gruppe auch erlebt, bei unseren Ärzten in Weiterbildung. Die sind ja noch nicht Fachärztinnen, trotzdem haben sie auch manchmal Patienten oder Patientinnen, die auch Ärztinnen sind und da war es so gewesen, dass eine Ärztin in Weiterbildung eine Hirntumorpatientin behandelt hat und der Ehemann war Neurologe. Und sie war wirklich sehr verunsichert. Wie geht sie jetzt damit um? Der Ehemann kennt sich ja viel besser aus. Aber der Ehemann, sie hat das Thema angesprochen, gesagt, ich bin Ärztin in Weiterbildung, hat das also kommuniziert. Und er hat gesagt, bitte, ich bin sehr dankbar, dass Sie da sind. Sie haben einen ganz anderen Blick auf meine Frau und ich erlebe das als Hilfe, wenn Sie eben Ihre Meinung dazu sagen und wir im Gespräch bleiben und den objektiven externen Blick eben nochmal haben. Also das kann auch so sein, Kommunikation benennen, vielleicht der eigenen Unsicherheit und dann kann das trotzdem eben sehr positiv sein, dass man diesen externen objektiven Blick nochmal hat. Es kann aber eben auch passieren, dass Fachwissen überschätzt wird von dem ärztlichen Patienten. Mir hat eine Kollegin berichtet, die hatte eine Vitiligo und musste regelmäßig zum Hautkrebs-Screening und der Hautarzt hat ihr damals gesagt, ich gucke mir nur den Rücken an, an den kommen sie ja selber nicht dran und den Rest können sie sich ja selber angucken und beurteilen. Und ich finde es sehr problematisch zum einen, weil die so ein bisschen im Regen stehen gelassen wurde. Auch mit dieser Angst, ist das jetzt Hautkrebs, ist das nicht, wird schon nichts sein. Und eigentlich hat sie sich ja damit schon an Kollegen gewandt. Auf der anderen Seite ist es halt auch der obligate Zifferninhalt gar nicht erfüllt worden für ein Hautkrebs-Screening. Also es ist keine korrekte Abrechnung. Ja, keine formale Konsultation, so wie wir das eigentlich einfordern sollten. Und die Regeln der ärztlichen Kunst wurden natürlich auch verletzt. Das heißt aber nicht, dass grundsätzlich keine Selbstbehandlung stattfinden soll, sondern es ist einfach wichtig, dass man weiß, wo sind die Grenzen, die eigenen Grenzen und wann muss ich mich auch an jemand, eine Kollegin, einen Kollegen wenden. Das kann ja auch wirklich sehr individuell sein. Der eine Arzt, die eine Ärztin möchte, eher mehr beraten werden und der andere eher weniger. Ja, also ich kann mir gut vorstellen, wenn man jetzt eine gut eingestellte arterielle Hypertonie hat, dass man die Folgeverordnung selber durchführt. Wenn man halt ab und zu mal den Behandlungserfolg überprüfen lässt, vielleicht auch mal die Nierenwerte bestimmen lässt oder man hat einen grippalen Infekt oder ein LWS-Syndrom und dann sagt man, ja, da brauche ich jetzt gerade im Moment mal keinen Kollegen zu konsultieren. Aber das darf man, glaube ich, auch individuell so ein bisschen abschätzen, wenn man sich dessen bewusst ist, dass es Grenzen hat, die Selbsttherapie. Und man muss halt gut erkennen, wo die eigenen Unsicherheiten sind, um dann auch einen kompetenten Ansprechpartner aufzusuchen. Ja, und auch wirklich genau einfach transparent drüber zu sprechen. Und ich hoffe, dass wir auch mit der Folge hier ein bisschen dazu beitragen, dass man sich dessen bewusst ist, denn mir hat es wirklich total geholfen aus diesem bisschen unklaren Gefühl, was ich oft hatte, wenn ich jetzt mal Patientin vielleicht war oder so. Also einmal so dieses wird in jedem zweiten Satz gesagt, aber das wissen Sie ja selber. Dann wird nur die Hälfte erzählt. Man traut sich irgendwie nicht nachzufragen, denkt aber okay, ist überhaupt nicht mein Fachgebiet. So richtig weiß ich es gar nicht und ich finde das richtig gut und es hat mir sehr geholfen. Dieses Thema überhaupt mal zu adressieren, zu sagen, ja, das geht den anderen dann ja eigentlich auch so und es ist gut, wenn wir Regeln für ärztliche Patientinnen und Patienten haben und wenn wir schauen oder feststellen, okay. Das ist ja auch jetzt wissenschaftlich erforscht, also das hilft mir total, das auch so anzunehmen und ich hoffe, das geht vielleicht an anderen auch so und wichtig fand ich jetzt aber auch, dass ihr gesagt habt, dass es nicht bedeutet, dass dass jetzt grundsätzlich keine Selbstbehandlung erfolgen sollte oder so. Denn das ist ja natürlich auch mal praktisch, entlastet an der einen oder anderen Seite sogar dann nochmal das System. Aber es macht halt total Sinn, das nicht ausschließlich so zu machen. Und eben aus den genannten Gründen, das hat natürlich eben auch was mit diesem Blindenfleck der Selbstwahrnehmung zu tun. Und führt mich auch schon zur nächsten Frage, was habt ihr denn für Tipps oder Regeln für die Behandlung von ärztlichen Patientinnen und Patienten? Ja, wenn wir über den Tellerrand rausschauen in andere Länder, insbesondere in den angloamerikanischen Sprachraum, da geht man mit dieser Selbstbehandlung und Selbstdiagnosen ganz anders um. Die British Medical Association hat in ihrer Berufsethik das festgeschrieben in einer Checkliste und da würde ich einfach mal ein paar Punkte benennen, weil ich glaube, das kann für uns auch hilfreich und inspirierend sein. Die schreiben zum Beispiel, sie sollten es vermeiden, ihnen nahestehend Personen zu behandeln. Sie sollten sich eine unabhängige Hausärztin suchen. Sie sollen sich nicht selbst behandeln. Sie sollten sich und andere schützen, indem sie ihren Impfschutz aktuell halten. Wenn sie an einer ernsthaften Erkrankung leiden, die übertragbar ist oder ihre fachliche Kompetenz beeinträchtigt, sollten sie sich nicht auf ihr eigenes Urteil verlassen, sondern sich an eine qualifizierte Kollegin wenden und deren Rat befolgen. Ich finde gerade den letzten Abschnitt nochmal wirklich sehr, sehr gut. Die ersten Abschnitte der Selbstbehandlung, das muss man natürlich auch auf dem Hintergrund des NHS sehen, also des englischen Gesundheitswesens, weil da wurden oft Shortcuts genutzt von den Ärzten für ihre Angehörigen, dass sie schneller eine Untersuchung oder eine diagnostische Maßnahme erhalten haben. Deshalb ist es so klar da geregelt. Also das hängt mit dem anderen Gesundheitswesen in England zusammen. Aber gerade der letzte Abschnitt, denke ich, ist für uns natürlich auch gültig. Und ja, ich finde das auch elementar, vielen Dank. Das sollte sich jeder irgendwie so eingerahmt mal in sein Oberstübchen mal reinklopfen, weil man da ja doch oft einfach das nicht macht und dann doch halt mit der Rotznase in die Praxis geht. Ja, in Australien ist es sehr interessant, da gibt es ein großes Netzwerk und die haben sogar ein ganzes Krankenhaus gebaut, nur für Ärztinnen und Ärzte. Das Netzwerk heißt Doctors for Doctors und wir haben Kollegen von dort kennengelernt, zum einen mal Dr. Roger Sexton, der ist Allgemeinmediziner und hat das vor 25 Jahren gegründet und engagiert sich seither für die Arztgesundheit. Die zweite Allgemeinmedizinerin, mit der wir uns getroffen haben, war Frau Jill Benson. Die macht Sprechstunden für ärztliche Kolleginnen und fliegt sogar Hausbesuche, weil in diesen ganz entlegenen Regionen in Australien, da haben die gar keine Chancen einen Arzt zu finden, wenn nicht einer angeflogen kommt. Und dort haben sie also seit 25 Jahren diese Arbeit und haben das auch schon längst die Erfahrungen im Studium verankert. Das ist Bestandteil von der Ausbildung. Natürlich haben wir große Unterschiede zwischen Deutschland und Australien, zwischen den Systemen und zwischen der Versorgung. Deswegen haben wir auch andere Strukturen einfach entwickelt. Aber so diese Schwierigkeiten und Hindernisse als Arzt, als Ärzte, sich an Kollegen zu wenden, die sind auch die gleichen. Es führt ja dann eigentlich auch so konkret eher so ein Appell an einen selber. So was mache ich denn jetzt? Wie kann ich mich jetzt so als Praxisinhaberin auf einen Krankheitsfall vorbereiten? Ich muss ja auch immer mal damit rechnen, dass ich einen Unfall oder Infektion oder Gott weiß, was noch passieren kann, dass ich mal ausfalle und nicht zur Arbeit gehen kann oder nicht zur Arbeit gehen sollte, um halt die anderen auch zu schützen. Wie geht man denn damit auch am besten um, gerade in der Voraussicht, dass man halt eben auch dann ausfällt und Patienten, Patientinnen dann quasi enttäuschen muss, dass man nicht für sie behandeln kann? Gibt es Empfehlungen von eurer Seite für Vertretungsregelungen oder wie gehe ich das an? Wie schaffe ich mir da einen Plan? Vielleicht gehe ich da nochmal ein auf unsere Erfahrung auch mit den Ärzten in Weiterbildung. Da fängt es nämlich schon an, auch die wollen nicht krank sein aus schon benannten Gründen. Und da ist es aber eigentlich so, dass die sich ja wirklich jederzeit krank melden können, wenn sie im Krankenhaus tätig sind oder in der Praxis. Und die Vertretung muss organisiert werden. Nach sechs Wochen, klar, da beginnt dann das Krankengeld und sie bekommen als Arbeitnehmer, wie alle im Gesundheitswesen beziehungsweise im Angestelltenverhältnis, halt 70 Prozent des Gehaltes. Anders ist es jetzt wieder im niedergelassenen Bereich. Jessica, da berichtest du. Ja, wenn man halt den Sitz übernommen hat, dann muss man ja die Patientenversorgung sicherstellen, auch im Krankheitsfall. Und das heißt, man muss die umliegenden Kollegen abtelefonieren, wenn man jetzt in der Einzelpraxis ist und einfach um Vertretung bitten. Oder aber wenn man jetzt in der BAG, in der Gemeinschaftspraxis niedergelassen ist, dann kann ja auch erstmal der Kollege die Kollegin einspringen. So ist es bei uns. Bei längerer Erkrankungen? Genau, wenn man jetzt länger krank ist, dann muss man sich im Prinzip extra versichern dafür. Es gibt eine Krankentagegeldversicherung und je nachdem, was man dann vereinbart hat mit denen, springt die ab der dritten, ab der vierten, ab der sechsten Woche ein und man kann dann einen Vertreter bezahlen. Aber den muss man halt auch erst mal finden. Und es ist ja quasi auch dann dieses strukturelle Problem des gesamten Gesundheitssystems, die uns der Gesundheit der Ärzte, Ärztinnen dann auch schon irgendwie dann gleich irgendwie mit reinspielt, weil man das alles ja so beachten muss. Einmal die eigenen Arbeitszeiten, um halt mal zu einem normal geöffneten Hausarzt, Hausärztin selber zu gehen, die Unterbesetzung, die vorliegt, dann am Ende noch die Überbelastung oder psychische Belastung, die man am Arbeitsplatz so erfährt durch die ganzen Geschichten, die man so mitbekommt. Und man geht meistens auch ohne Pause durch die Dienste und hat Schlafmangel. Das ist ja schon alles ziemlich schwierig zu steuern. Und dafür die Selbstversorge, die bleibt dann oft auf der Strecke. Ja, also ich gebe dir total Recht. Das Gesundheitssystem ist in Deutschland sehr gewinnbringend orientiert. Und es ist nicht als reine Daseinsfürsorge gesehen. Und dadurch haben wir eine massive Arbeitsverdichtung. Und ich finde, durch diese Arbeitsverdichtung ist häufig auch die Stimmung einfach nicht gut in den Teams. Und das macht es schwierig, dann ist man nicht ausgeschlafen, es sind nicht genügend Leute da, die arbeiten und man hat dann aber auch einen Anspruch. Also man will ja gut arbeiten, man möchte die Patienten in guter und hoher Qualität versorgen und da ist aber wenig Gestaltungsspielraum da. Weil die äußeren Umstände doch auch sehr drückend sind. Und das ist natürlich eigentlich eine klassische Konstellation, die einen in einen Burnout führen kann, wenn man nicht achtet, wenn man nicht auf sich achtet. Und das hat 2018 der Deutsche Ärztetag schon längst erkannt. Das war noch vor der Corona-Pandemie. Die haben sich dem Thema angenommen und haben beschlossen, dass sich das wirklich ändern muss, dass die Arbeitsbedingungen so sein müssen für Ärztinnen und Ärzte, dass sie weder körperlich noch seelisch in ihrer Gesundheit gefährdet sind. Und deshalb denke ich, ist es ganz wichtig, frühzeitig auch die Ärzte in der Ausbildung, in der Weiterbildung mitzunehmen und sie für dieses Thema zu sensibilisieren, sich auszutauschen, in Kommunikation zu sein, sich zu vernetzen, damit sie lernen, a uch ihre Grenzen zu sehen und ihre Grenzen zu setzen. Wir bieten da im KW eben ein spezifisches Seminar auch an. Unser Doppelseminartag steht unter dem Motto, wenn die Seele Hilfe ruft. Und da haben wir ein anderthalbstündiges Seminar, wo es genau darum geht, nämlich Strategien zu erarbeiten, wie wir im Alltagsstress uns trotzdem so zurücknehmen können, dass wir Inseln der Ruhe schaffen, unsere tägliche Routine so gestalten, dass wir eben da sehr gut reinkommen. Also Selbstfürsorge in der Weiterbildung und natürlich auch im Studium haben wir auch genau solche Seminare, damit wir da schon frühzeitig anfangen, die Saat zu sähen, damit wir später unsere Studierenden und unsere Ärzte in Weiterbildung auch auf einen guten Weg bringen. Ja, man kann nicht früh genug damit anfangen. Wir haben das Thema auch aufgenommen in der Lehre am Institut für Allgemeinmedizin in Frankfurt, weil das eben wirklich eine Haltung ist, eine Einstellung und die muss man eigentlich schon frühzeitig erwerben. Ja, total. Das hat ja auch viel mit dieser Vorbildfunktion zu tun, an der wir uns ja alle so gerichtet haben. Wir haben ja alle gelernt von denen, die halt ja auch immer über ihre Grenze gehen und auch immer tun, als wären sie unverwundbar. Und wenn man einfach frühzeitig als Studierende schon erfährt, irgendwie auch wir als Ärzte sind Menschen und sind mal vielleicht krank und sind mal schwach, das frühzeitig zu lernen, hilft uns wahrscheinlich schon sehr dann auch später in Zukunft damit, gesunder umzugehen. Und das ist ja ganz toll, dass ihr solche Seminare schon gestaltet habt und die anbietet. Könnt ihr vielleicht schon mal uns so ein bisschen in die Schatzkiste einen Einblick gewähren? Wie kann man den Blick auf die eigene Gesundheit schärfen und was für Tipps gäbe es im Umgang mit Stress oder Schaffen von Resilienz? Ja, in unseren Seminaren sammeln wir immer die Ideen auch der Ärzte in Weiterbildung und die sind sehr vielfältig. Und ich glaube, die sind aber auch übertragbar auf uns und auf alle. Jeder darf sich das raussuchen, was für ihn relevant ist. Und da ist wirklich ganz wichtig, dass man einen Ausgleich auch hat. Hobbys, zum Beispiel Sport, Yoga, Nähen, Tanzen, in Urlaub gehen. Also das ist wirklich breit gefächert. Da muss jeder sich raussuchen, was für ihn wichtig ist. Aber auch so im Alltag. Wie kann ich da einen Rhythmus schaffen, ein Ritual schaffen, wo wir zur Ruhe kommen? Und da gibt es zum Beispiel die Idee, dass man einen Termin, die Frau Meier jeden Tag um 10.30 Uhr einträgt für eine Viertelstunde. Wo man sich dann trifft und kurz austauscht, was trinkt, nochmal zur Ruhe kommt, reflektiert. So ein kurzes Miteinander, um dann wieder gestärkt auch in die Patientenkonsultation zu gehen. Also so ein Warnsignal, hellhörig werden muss man, wenn man merkt, die Empathie schwindet. Der Sarkasmus nimmt zu und der Kontakt mit dem Patienten ist nicht mehr ganz so, wie ich sonst von mir gewohnt bin. Und das ist so der späteste Moment, wo man einfach einschreiten sollte für sich selber. Den Uro-News von 2020 sind auch ein paar Tipps zusammengetragen worden. Das startet bei gesunder Ernährung und dann auch der Hinweis, immer wieder an Pausenzeiten zu denken, an Spannung, Achtsamkeit, dann auch soziale Kontakte. Geklärte Beziehungen, dass man auch ein bisschen Hoffnung und Dankbarkeit sich überlegt. Wofür bin ich dankbar? Was sind die positiven Aspekte? Dann ist noch als Beispiel genannt, kognitive Stimulation, was lernen, was anderes lernen, eine Sprache lernen. Und dann ist da auch nochmal der Wert auf die Rhythmen und Rituale gelegt, dass man einfach eine Regelmäßigkeit hat und auch auf den Schlaf achtet. Ja, das hört sich dann immer so simpel an, aber man weiß ja selber, wie das so im Alltag dann am allerschnellsten runterfällt oder wie man halt eben auch so, sich so mit so Themen, die quasi medizinisch nicht relevant sind, sich dann eigentlich am wenigsten beschäftigt, wenn die Zeit drängt. Aber wie wichtig das im Nachhinein doch für unsere Gesundheit einfach ist, sich das wirklich immer vor Augen zu führen. Ich musste da auch eben gerade an unsere Folge mit unserer Psychiaterin, Frau Bonardi, die auch gesagt hat, sobald sie der Patient auf einmal unter der Dusche begegnet in Gedanken quasi und so aufpoppt, merkt sie, oh, da ist jetzt was wirklich gerade geht mir zu nah und ich brauche mal wieder Abstand. Und ich denke so, wenn man das erkennt für sich selber, solche Signale oder so Momente, wo man merkt, oh, das ist jetzt einfach wirklich zu viel. Ich merke das dann oft, weil ich mein Portemonnaie irgendwo liegen lasse oder mein Handy und dann merke ich so, ich bin, glaube ich, einfach gerade ein bisschen zu, ist zu voll, ist zu viel. Das ist dann so mein Warnhinweis. Und wenn es dann das Kind quasi so in Brunnen gefallen ist, wenn man merkt, ich bin jetzt wirklich zu überlastet, ich bin kurz vom Burnout, ich brauche unbedingt Hilfe. Habt ihr irgendwelche Tipps, was es für Stellen gibt, wenn man überlastet ist? Gibt es irgendwelche bestimmten Hotlines oder hattet ihr vorhin auch schon was erzählt im Rahmen von der Sucht? Also leider für somatische Anliegen können wir im Moment noch keine Anlaufstellen nennen, aber im Bereich Burnout und Stress gibt es mehr. Genau, da gibt es die Anlaufstellen der Landesärztekammer. Das habe ich gesagt, das ist ein Telefon 24-7, vor allem zum Thema Sucht. Dann gibt es das Projekt Ärzte haben Grenzen. Ich finde, das ist ein sehr schöner Name, auch von der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Für die Mitglieder des Deutschen Ärztinnenbundes gibt es eine Burnout-Hotline. Auch das kann man nutzen und für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, die psychosoziale Unterstützung brauchen, da gibt es die PSU-Helpline als erste Ansprechpartnerin, auch im Zusammenhang mit traumatischen Ereignissen, mit Fehlern, im Zusammenhang mit der Patientenversorgung im Gesundheitswesen, wo man eben sich jederzeit auch hinwenden kann und Unterstützung bekommt. Und die Initiative Blaupause.de, die ist auch für die mentale Gesundheit verantwortlich. Und auch da kann man sich hinwenden. Die haben niederschwellige Angebote für Expertinnen aus dem Gesundheitswesen. Ja, vielen Dank. Habt ihr denn nach den konkreten Punkten, die wir jetzt schon so besprochen haben, auch Ideen, welche Veränderungen nötig wären, um die Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten langfristig zu verbessern. Also was wünscht ihr euch diesbezüglich für die Zukunft? Also wir wünschen uns eine langfristige curriculare Verankerung des Themas Arztgesundheit, Ärztinnengesundheit im Studium an der Uni Freiburg, an allen Universitäten in Deutschland, damit die Studierenden von Anfang an einen guten Umgang mit sich und ihrer Gesundheit haben und erlernen und dann später als Ärztinnen in der Behandlung eben auch das berücksichtigen und sich auch im Fokus haben und gut mit sich umgehen und gute Ärztinnen sind. Und dann wünschen wir uns, dass da ein richtiges Netzwerk entsteht, ein Netzwerk von Behandlerinnen, die jetzt speziell geschult sind, Ärztinnen und Ärzte zu behandeln. Das kann ja nach australischem Vorbild sein und muss dann aber sicherlich angepasst werden auf die deutschen Bedürfnisse, was wir hier brauchen. Und dann könnten eben erkrankte Kolleginnen und Kollegen leichter jemanden erkennen, der darin ausgebildet ist und da vielleicht auch Lust und Freude dran hat, Kollegen und Kolleginnen zu behandeln. Und Behandelnde können sich auch gegenseitig besser die ärztlichen Patientinnen und Patienten zuweisen. Dass man einfach weiß, an welche fachärztliche Kollegin, kann ich jetzt überweisen? In Australien gibt es ja alle zwei Jahre so einen großen medizinischen Kongress nur für Arztmedizin. Das ist Wahnsinn. Aber wir haben jetzt heute mit dieser Podcast-Folge auch schon mal ein Zeichen für die Ärztegesundheit gesetzt. Auf jeden Fall. Das ist so wichtig, dass wir Ärzte, Ärztinnen alle gesund bleiben und uns mehr für uns sorgen. Ich habe ja so ähnlich wie du, Martina, auch eine tiefenpsychologische Weiterbildung gemacht und habe da natürlich total viel über die Selbsterfahrung, über die Ausbildung, sehr viel erfahren über mich und kann dadurch, glaube ich, mittlerweile ganz gut irgendwie meine Grenzen irgendwie kennen. Nichtsdestotrotz ist es ja sinnvoll, sich immer wieder weiterzubilden, zu informieren und das wieder aufzufrischen. Gibt es derzeit irgendwelche Angebote, die ihr empfehlen könnt, wo man sich so zu dem Thema Ärzte/Ärztinnen-Gesundheit weiterbilden kann? Also in Deutschland gibt es schon Seminare von Professor Jörg Braun von Arztgesundheit.de. Die Seminare sind mit Westerlandseminar.de. Da geht es mehr um die eigene Gesundheit. Und er hat auch einen Podcast, wer sich nochmal weiter in das Thema einhören möchte. Super. Genau, und wir starten mit einer Ausbildung für Arztbehandlerinnen im Herbst in diesem Jahr zusammen mit der Psychosomatik der Uniklinik Freiburg, mit dem Professor Lahmann und dem Institut für Allgemeinmedizin mit einer Schulung für Arztbehandelnde. Und die aktuellen Informationen dazu kann man über die Website der Ärztekammer Südbaden jederzeit aufrufen. Wir gehen in dem Seminar speziell eben auf die Arzt- und Patientinnenrolle in der formalen Konsultation ein, sodass man da eben dann auch direkt geschult ist hinterher. Ja toll und das ist offen für deutschlandweit. Ja. Super, sehr gut. Das hört sich großartig an. Wir sind somit, kommen wir zum Ende unserer Folge. Es war ein sehr spannendes Gespräch mit euch beiden. Es hat uns sehr viel Spaß gemacht. Habt ihr noch einen ganz abschließenden Tipp zum Thema Ärztegesundheit für Allgemeinmediziner? Auf jeden Fall haben wir Tipps. Die wollen wir gerne auch noch loswerden. Und danke, dass wir die Möglichkeit haben. Also Tipps für Ärzte als Patientinnen. Bei eigener Erkrankung bitte frühzeitig Hilfe in Anspruch nehmen. Und dann auf jeden Fall eine formale Konsultation anstreben, dass einfach die Grenzen und Regeln klar sind. Und dann dürfen und müssen wir aber als Arztpatienten auch unsere engsten Befürchtungen und Erwartungen klar benennen. Genau, dann haben wir noch Tipps für Arztbehandler. Genau, diese Tipps haben wir von Edward Krall aus 2008. Der empfiehlt, dass wir zwei Grundregeln immer beachten, wenn wir ärztliche Patientinnen behandeln. Und frei übertragen aus dem Englischen sind die erstens, vergessen Sie nie, dass Sie eine Ärztin behandeln. Zweitens, vergessen Sie, dass Sie eine Ärztin behandeln. Und zu guter Letzt, ganz wichtig, die Selbstfürsorge hält uns gesund und macht uns zu besseren und entspannt Ärzten. Und Menschen. Und Menschen. Danke. Und wenn ich als das, was ich jetzt vor allen Dingen aus dem Gespräch, also ich nehme sehr viel mit, aber was ich jetzt auch nochmal so für mich als Memo mitnehme und ich denke, das sollten wir an alle Ärzte, Ärztinnen nochmal rauswerfen, sucht euch alle einen Hausarzt oder eine Hausärztin, denen ihr vertraut, auch wenn ihr selber Ärzte oder Ärztinnen seid. Sehr schön. Ich glaube, das ist auch in eurem Sinne. In dem Sinne bedanken wir uns total herzlich. Vielen, vielen Dank. Wenn euch, liebe Hörer, der Podcast gefallen hat, abonniert ihn gerne, lasst uns ein Feedback da und teilt ihn mit eurem Umfeld. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal. Vielen Dank, Martina und Jessica. Wir danken euch. Wir danken. Tschüss. Music.