Wege der Allgemeinmedizin

Kompetenzzentrum Weiterbildung Hessen
Since 10/2021 39 Episoden

Psychische Gesundheit im Fokus- mit Katja Bonardi

01.09.2024 53 min

Zusammenfassung & Show Notes

Inhaltswarnung: In dieser Folge wird über das Thema Suizid gesprochen. Unser Gast ist dieses Mal Dr. Katja Bonardi, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Beleuchtet werden die Schnittstellen der Zusammenarbeit zwischen Hausärzten/innen und Psychiater/innen. Katja Bonardi gibt einen Einblick in den Arbeitsalltag in ihrer psychiatrischen Praxis, erzählt von ihren Schwerpunkten und gibt Tipps zum Umgang mit psychischen Erkrankungen für Allgemeinmediziner/innen. Sie berichtet z.B., welche zentrale Rolle Hausärzte/innen bei der Diagnose und dem Therapiebeginn insbesondere der Depression spielen können und wie der Umgang mit Suizidalität aussehen kann.  Darüber hinaus werden Prävention, einzelne Krankheitsbilder, Weiterbildungsmöglichkeiten und die eigene Resilienz thematisiert. Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass z.B. genannte Dosierungsempfehlungen immer nur dem aktuellen Wissensstand entsprechen und sich ändern können.

Shownotes:



Shownotes:


Transkript

Music. Wege der Allgemeinmedizin. Dein Podcast rund um die Weiterbildung. Hallo und herzlich willkommen. In dieser Folge sprechen wir über psychische Erkrankungen und auch über das Thema Suizid aus ärztlicher Sicht, was vielleicht beunruhigend wirken kann. Bitte entscheide selbst, ob du die Folge gerade hören kannst und möchtest. In den Shownotes findest du auf jeden Fall wertvolle Links und Telefonnummern. Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Wege der Allgemeinmedizin. Ich bin Sandra, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und am Institut für Allgemeinmedizin in der Ausbildung von Medizinstudenten tätig. Und ich bin Katharina, Hausärztin in der Praxis und auch am Institut für Allgemeinmedizin tätig. Heute sprechen wir über die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen an der Schnittstelle hausärztliche und psychiatrische fachärztliche Behandlung. Dafür haben wir zu Gast Dr. Katja Bonardi, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in einer Praxisgemeinschaft zusammen mit drei neurologischen Kolleginnen und Kollegen in Frankfurt. Herzlich willkommen, Katja. Vielen Dank, dass ich da sein darf. Ja, das ist ja nicht mal dein erster Podcast-Auftritt, richtig? Stimmt. Ja, hr1-Info-Wissen? Genau. Das war, glaube ich, vor anderthalb Jahren oder von einem, irgendwie sowas, genau. Und da hast du ja auch aufgeklärt über das Thema Depression, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Richtig. Fünf Mythen der Depression wurden mit einer Betroffenen, die so mutig war, das offenzulegen, aufgeklärt. Super. Schön, dass du heute bei uns bist. Wir freuen uns auch schon sehr auf das Gespräch zu diesem relevanten Thema mit dir. Denn psychische Erkrankungen haben ja eine hohe Prävalenz. Circa ein Drittel der Bevölkerung leidet Studien zufolge mindestens einmal im Leben an einer psychischen Erkrankung. Und gerade die hausärztliche Praxis kann ja auch eine entscheidende Rolle bei der Erkennung und auch Versorgung psychischer Erkrankungen spielen, da sie eine niedrigschwellige und auch vertraute erste Anlaufstelle ist. Im Rahmen der Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin ist der Kurs psychosomatische Grundversorgung integriert. Im Praxisalltag selber stößt man aber ja auch immer wieder auf Herausforderungen, sodass gerade da eine gute Vernetzung und auch Kooperation mit psychiatrischen und psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen ganz wichtig ist. Unbedingt. Katharina und ich sind dem Thema Psychiatrie und Psychotherapie ja auch durch unsere eigenen Werdegänge verbunden. Katharina, du durch deine Qualifikationen, fachgebundene Psychotherapie und ich selbst habe auch begeisterten großen Teil meiner Weiterbildung in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie verbracht und da eben auch gelernt, wie wichtig es ist, für diesen Bereich überhaupt auch sensibilisiert zu sein. Absolut, kann ich nur unterstreichen. Als kleine Vorinfo für euch. Heute wird es schwerpunktmäßig um psychische Erkrankungen bei Erwachsenen gehen. Eine spezielle Folge zu Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ist aber wahrscheinlich auch noch in Planung. Aber nun zu dir, Katja. Deine Behandlung umfasst das gesamte Spektrum der psychiatrischen Erkrankungen im Erwachsenenalter wie Depression, Schizophrenie, Angsterkrankungen, Demenzen. Eine besondere Zeit stellt ja auch der Übergang von der Jugend ins Erwachsenenalter, also die Transition dar. Und du behandelst auch Erkrankungen wie ADHS, Autismus-Spektrum-Störung oder Wochenbettdepression. Also das hört sich nach sehr viel Abwechslung in deinem Arbeitsalltag an. Ja, das stimmt. Das ist auch so. Und wir starten da gerne mit der Frage, wie war denn dein Weg zu der aktuellen Tätigkeit? Also wie kam es zu deiner Motivation und deinem Interesse an der Behandlung von psychischen Erkrankungen? Eigentlich eine Menge Zufälle oder im Nachhinein kann man vielleicht sagen schicksalshafte Fügung. Ich habe eigentlich die Psychiatrie nie auf dem Schirm gehabt. Und durch unterschiedliche Ereignisse habe ich festgestellt, dass mich das doch interessiert. Unter anderem dadurch, dass ich in Marburg eine hervorragende sowohl kinder- und jugendpsychiatrische als auch psychiatrische Lehre hatte. Wo wir nämlich mit Patienten tatsächlich sprechen durften, was sonst in Marburg damals nicht so oft vorkam. Und dann habe ich gesagt, Mensch, im PJ kann ich doch eigentlich mal mein Wahlterzial in diesem Bereich verbringen und habe das dann am ZE in Mannheim gemacht, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie . Genau, so habe ich erst mal angefangen und habe dann auch wirklich am zweiten Tag festgestellt, okay, das interessiert mich wirklich, das will ich machen und bin dann aber wiederum über Umwege der Liebe wegen nach Frankfurt gekommen. Da gab es keinen Kinder- und Jugendpsychiatrischen Platz. Dann bin ich in der Psychiatrie für Erwachsene gelandet und ja, dann irgendwie da hängen geblieben und so richtig bereut habe ich es noch nicht. Das klingt gut. Dann hattest du ja auch über die Kinder- und Jugendpsychiatrie tatsächlich die Berührungspunkte gehabt am Anfang. Und war denn für dich schon von Beginn an klar, dass du dich niederlassen möchtest, so im Vergleich zur Arbeit in der Klinik? Nee, gar nicht. Also eigentlich wollte ich den Erwachsenenfacharzt fertig machen, dann wollte ich Kinder- und Jugendpsychiatrie noch obendrauf machen. Aber dann habe ich mein Neurologie-Jahr in der Niederlassung gemacht und dann haben meine Kollegen mich gefragt, ob ich mich nicht komplett niederlassen möchte. Und so bin ich in der Praxis gelandet. Das war eigentlich nicht mein Ziel. Ist ja öfter so. Die Umwege der Weg ist das Ziel. Und was begeistert dich denn vor allem an dem Fach? Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und das, was ich da jeden Tag geboten bekomme, zu hören bekomme, ist ja ein Einblick in ganz viele unterschiedliche Persönlichkeiten, Schicksale, Lebensgeschichten. Und ich finde das unglaublich spannend und ich finde auch, es ist eine sehr intensive Erfahrung, wenn die Menschen sich wirklich öffnen. Also ich habe immer das Gefühl, wenn ich denen wirklich zuhöre und ich versuche, möglichst wenig zu unterbrechen, dann…. Dann allein fühlen sich die Leute schon wahrgenommen und gesehen und da bekommt man ganz schnell Verbindung zu völlig wildfremden Menschen. Ja, und dann kann ich natürlich auch noch was tun. Ja, meistens, nicht immer, aber ich gebe mir ja Mühe. Und wenn ich dann eben noch helfen kann, Leben zu verändern, teilweise auch, ja, Familien, weil dann haben wir vielleicht die Mutter, die dann noch ein Kind hat und der ich dann helfen kann, dass sie psychisch so stabil und gut weiterleben kann, dass sie zum Beispiel ihr Kind auch nicht mit den gleichen Problemen, vielleicht großzieht, wie sie es vielleicht vorher gemacht hätte. Oder halt, du hast vorhin gesagt, in der Transition Menschen, die eben ihren weiteren Werdegang, Schule, Studium und so weiter bestreiten, unglaublich spannend. Es ist einfach vielfältig. Sehr schön. Gibt es denn da auch ein besonderes Highlight oder einen besonders schönen Moment, der dir in Erinnerung geblieben ist? Ja, es gibt viele einzelne Momente wahrscheinlich, aber was ich irgendwann mal eingeführt habeist, bei mir gibt es einen Patienten des Tages. Den gibt es manchmal nur innerlich, also den wähle ich dann selber aus. Manchmal sage ich es der Patientin, dem Patienten auch. Und die meisten freuen sich total. Manche kriegen sogar Tränen in die Augen. Und zwar, weil das sind immer Patienten, die irgendwas besonders gut hinbekommen haben. Entweder denen geht es wieder richtig gut, sind aus der Depression rausgekommen. Oder sie haben was umgesetzt, was ihnen total schwer gefallen ist. Irgendein schwieriges Gespräch. Oder sie haben das fünfte Mal den Job gewechselt. Sie sind endlich irgendwo angekommen. Ja, und dann sage ich denen, das ist mein Patient des Tages. Und das ist so was, ja, was mich freut, was die Patientinnen und Patienten freut. Genau. Ansonsten habe ich sehr viele schöne Begegnungen, vor allem, wenn Menschen mir dankbar sind. Und das bedeutet nicht, die müssen mir nichts mitbringen, aber wenn die Danke sagen und das so von Herzen kommt, das ist manchmal ein allerschönstes Lob. Und manche kommen wieder, nur um sich zu bedanken für irgendwas und sagen, mir geht's gut, ich wollte nur mal Hallo sagen. Das ist das Allerschönste. Ja, das klingt auf jeden Fall sehr wertschätzend. Ja, ich glaube auch gerade so Neugierde ist auch echt total schön, wenn man seinen Beruf oder sein Arbeiten so auch mit Neugierde oder mit offenen Augen betrachten kann. Willst du mal beschreiben für die Hörer und Hörerinnen, wie dein beruflicher Alltag so aussieht? Ich kann mir ja vorstellen, dass du ähnlich wie in der Hausarztpraxis wahrscheinlich nur noch mehr Patienten sehr regelmäßig, also relativ regelmäßig siehst, langen Kontakt mit den Patienten hast, sie sehr lange betreust. Heißt, hast du so einen bestimmten Betreuungsrahmen, bestellst du sie zum Beispiel quartalsweise ein oder wie läuft das so ab? Ja, also abrechnungstechnisch wäre es natürlich am sinnvollsten, die kommen einmal im Quartal. Bei manchen reicht das auch, bei anderen nicht unbedingt. Die kriegen 15-Minuten-Termine, wenn sie Wiederkommer sind, so nenne ich das. Also wenn es quasi nichts Neues, Spektakuläres gibt, eine halbe Stunde, wenn es Neupatienten sind. Und je nachdem, was sie brauchen, bekommen sie häufiger Termine. Also wenn jetzt jemand zum Beispiel eine akute Depression bekommt, kann ich nicht sagen, kommen sie mal in drei Monaten wieder, sondern ich habe jetzt gerade eine junge Frau zum Beispiel, die hat gerade entbunden und ein kleines Baby daheim und der geht es gerade schlecht und die sehe ich nach einer Woche wieder und gucke, ob ich die ambulant weiter versorgen kann oder ob sie stationär muss. Oder natürlich jemand, der Podromal-Symptome von einer Schizophrenie hat, von einer bipolaren Erkrankung, sehe ich natürlich viel häufiger. Genau. Und ich habe schon eine hohe Taktung. Also wenn ich mit Psychotherapeutinnen spreche, die bedauern mich immer. Das hat aber so einen Vor- und Nachteil. Also man kann natürlich auch schneller abschließen mit den einzelnen Schicksalen. Ich sehe das gar nicht so unbedingt nur als schwierig an, diesen häufigen oder schnellen Wechsel. Klar, manchmal gibt es Tage, da kennt ihr aus der Hausarztpraxis sicherlich auch, da sprengen die Patienten die Sprechstunde oder einzelne. Das dauert dann länger und geht in die Mittagspause oder abends eigentlich oder nachmittags in den Bereich, wo man eigentlich schon längst zu Hause sein würde oder den Schreibtischkram machen. Aber das ist nicht jeden Tag so. Und kommen die Patienten meistens aus eigenem Antrieb oder kommen die meisten mit Überweisung vom Hausarzt oder kann man das gar nicht so genau? Sehr unterschiedlich. Also meistens bin ich die letzte Anlaufstelle, das kann ich zumindest sagen. Also da waren sie vorher schon bei diversen Fachärztinnen und Fachärzten. Oder die Frau hat gesagt, Mensch, geh doch mal jetzt zur Psychiaterin oder der Hausarzt, die Hausärztin, jetzt gehen sie doch mal hin. Manche auch, weil der MDK sagt, sie sollen mal gehen zu einer Fachärztin. Mit Überweisung, das wird zumindest besser. Vielleicht kann ich noch kurz einschieben. Also es gibt wirklich einen Unterschied zwischen Psychiatrie und Neurologie und viele ältere Hausärzte schreiben immer noch drauf Neurologie. Ich bin aber Psychiaterin und das ist tatsächlich ein Unterschied. Und das ärgert auch meine Kollegen in der Praxis manchmal, weil die dann Menschen bekommen mit seelischen Erkrankungen, aber eigentlich neurologisch dafür gar nicht zuständig sind. Also bitte, wenn es irgendwie geht, differenzieren. Genau, und ich hatte, was ich nicht beantwortet habe, ich habe tatsächlich viele Stammpatienten, genau, den chronischen Verlauf, habe ich vorhin noch nicht gesagt, ist richtig. Das heißt, du betreust dich dann oft auch über Jahre hinweg. Ja Und hast du dann so, du bist ja auch mal gerne im Urlaub vielleicht, hast du Notfallregelungen, Vertretungsregelungen? Ja, ich habe Praxen in Frankfurt, die ich mal vertrete, die mich vertreten. Das klappt eigentlich relativ gut, muss man sagen. Ich habe einen halben Kassensitz und ich bin zum Beispiel mittwochs gar nicht in der Praxis. Aber das wissen fast alle meine Patienten und die haben sich da irgendwie ganz gut mit arrangiert. Für den kleinen Dienstweg, wenn wirklich was ganz Akutes sind einer von den drei Neurologen der Praxis immer da. Der kann dann auch mal mit Rücksprache mit mir was verordnen oder eine AU ausstellen oder sowas. Ja, das klappt auch. Und wenn du schon über deine Kollegen und Kolleginnen sprichst, wie weit ist da die Zusammenarbeit? Ist das eine Praxisgemeinschaft? Gibt es da einen regelmäßigen Austausch nichtsdestotrotz? Es gibt, sagen wir mal, einen Austausch für interne Sachen, ja. Wir haben einmal die Woche ein Treffen und aber natürlich auch über Patienten. Wir haben viele gemeinsam, also irgendwie Parkinson, Depression oder Demenz, MS, Depression, Schlaganfall, Angst. Also da gibt es schon viele Überschneidungen und wir dürfen leider nicht so viele Überschneidungen haben. Das muss man auch wissen, weil wir eine Praxisgemeinschaft sind. Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, aber man darf da nicht zu viel Überlappung haben. Ich glaube maximal ein Drittel dürften wir zusammen betreuen. Muss man so ein bisschen aufpassen. Gibt es noch andere Professionen, mit denen du regelmäßig Kontakt hast oder kooperierst? Psychotherapeuten, Therapeuten zum Beispiel? Ja, ich würde mal sagen, ein psychotherapeutisches Netzwerk, wo ich gerne hin vermittle und schicke. Ich arbeite aber auch gerne mit Gynäkologinnen zusammen, sei es zum Thema eben Wochenbett, sei es Schwangerschaft, sei es Menopause oder die Zeit davor. Und ansonsten, ja, kennt ihr vielleicht auch, man kennt ja so Menschen, da weiß man, da kann man anrufen und die tun dann auch was für einen oder wechselseitig und so habe ich einige Hausärzte und Hausärzte, wo das einfach auf einem kleinen Dienstweg auch irgendwie gut funktioniert. Ja, Netzwerk ist total wichtig. Ich gehöre ja auch dazu, die dich manchmal anschreibt. Ein paar Fragen mal oder weil jemand es dringend braucht. Das ist sehr, sehr hilfreich und da bin ich auch super dankbar dafür, dass das so einfach geht. Es gibt eine datenschutzgeschützte App, die eben für medizinische Berufe geeignet ist. Man kann die am PC oder am Handy benutzen. Ich finde das super. Da werden nach 30 Tagen glaube ich alle Nachrichten gelöscht, aber man kann die auch behalten. Man kann da mit Klarnamen über Patienten sprechen. Man muss nicht sagen, Frau M. kommt, sondern da kommt halt dann die Frau Müller. Das finde ich sehr gut. Ja, das finde ich auch so wie WhatsApp für etwas auf sichere Wege. Wir nutzen es auch in der Praxis viel. Um jetzt nochmal so den Abschluss von deinem Praxisalltag quasi zu schließen. Altersspektrum von deinen Patienten, Patientinnen ist wahrscheinlich auch relativ bunt gemischt ab 18. Genau, ich nehme ab 18, dürfte auch früher, aber ich tatsächlich gesagt, also die Kinder- und Jugendpsychiater sind für bis ja maximal 21 zuständig, ich nehme frühestens ab 18 und ich habe wirklich bis hoch betagt alle Altersspektren da. Würdest du so von dem ganzen bunten Blumenstrauß der psychiatrischen Erkrankungen sagen, das sind so meine Schwerpunkte oder davon sehe ich eigentlich am meisten Patienten? Also am meisten sehe ich, glaube ich, schon Depression und Angst, einfach weil die auch sehr häufig vorkommen. Schwerpunkt ist alles, was peripatal ist. Da habe ich mich auch im Rahmen der Doktorarbeit damals mit beschäftigt, von daher ist es ein bisschen so ein Steckenpferd und ich habe großes Verständnis für Mütter. Und also alles, was Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett ist. Transition, weil mein Herz immer noch so ein bisschen in der Kinder-Jugend-Psychiatrie hängt. Das mache ich auch sehr gerne. Und neuerdings tatsächlich auch die etwas unterschätzten Folgen der, wie gesagt, Menopause oder prämenopausalen Erkrankungen. Da versuche ich auch immer ein bisschen mehr zu beleuchten. Ja, auch so ein Feld, was so viel im Dunkeln auch liegt, wo man sich nicht so viel, die Wissenschaft sich auch nicht so richtig mit beschäftigt. Nee, sagen wir mal plakativ, wenn das eine Männerkrankheit wäre, dann hätten wir doch schon relativ viel Forschungsergebnis. Wahrscheinlich, ja. Und jetzt nochmal, wollen wir mal den Blick wenden auf vor allem die Kooperation zwischen Hausärzten und Psychiatern. Wenn man so überlegt, ich bin ja als Hausärztin quasi auch oft diejenige, wo es als erstes aufpoppt. Entweder sie kommen in der Krise oder man hat Patient, Patientin. Jetzt hatte ich mal eine Patientin mit Rückenschmerzen, die dann auch, nachdem ich dann nach Stress fragte, auch schluckte auf einmal und dann zwei Wochen später zu mir kam. Und dann nochmal ein ernsteres Gespräch mit mir gesucht hat, weil sie sagt, das könnte doch wirklich das Thema eigentlich für die ganzen Beschwerden sein. Also oft kommen die ja mit einer Somatisierung oder halt irgendeinem Extremmoment, der ihnen jetzt passiert ist, bei mir auf. Und ich kann schon verstehen, dass gerade jetzt habe ich natürlich durch die psychotherapeutische Ausbildung ein bisschen Zugang zu denen, aber bei vielen macht das ja manchmal auch so eine Abwehr. Oder es kann ja sehr emotional in einem selber dann auch werden, wenn man mit weinenden Menschen oder so Menschen in Extremsituationen konfrontiert wird, würdest du sagen, aus psychiatrischer Sicht ist es ganz gut, ein Augenmerk zu haben oder vielleicht so ein bisschen mutiger und entschlossener auch zu handeln? Ja, unbedingt. Also, weil ihr seid die ersten Ansprechpartner und total wichtige Stelle und…, Ich plädiere dafür, offene Fragen zu stellen, zuzuhören und reden zu lassen, solange ihr das könnt. Frei reden zu lassen, ohne zu unterbrechen. Da gibt es, glaube ich, sogar eine Studie darüber, wie schnell man unterbricht in der Hausarztpraxis. Also ich kriege die meisten Informationen in den ersten fünf Minuten, ohne dass ich irgendwas nachfrage. Und vielleicht gelingt euch das auch, dann ein relativ buntes Bild, ich schreibe dann auch relativ viel mit, zu bekommen und dann kann man ja nachfragen. Und meine Erfahrung ist, wenn die Menschen, wie gesagt, wissen, sie werden ernst genommen, es wird ihnen zugehört, dann öffnen sie sich normalerweise. Und ja, unbedingt sensibel sein, weil ihr seid ja die Menschen, die sie schon kennen. Und wenn sie jetzt zu mir kommen, ja, ich kriege auch relativ schnell eine Verbindung hin, aber es ist doch eben vertrauter mit Hausarzt und Hausärztin und ich finde, da kann man gar nicht so viel falsch machen. Ja, kann aufwühlend sein und irgendwie weinende Menschen, das haben wir, glaube ich, irgendwie verlernt, damit umzugehen. Also bei mir kommt kein Tag vor, wo keiner weint und ich habe auch die Klischee Taschentücher-Box auf meinem Tisch. Und es ist aber nicht schlimm, weil den meisten geht es ja ein bisschen besser, wenn sie weinen. Das darf man sich auch gerne nochmal in Erinnerung rufen. Und sie können vielleicht woanders das gar nicht loslassen. Also es ist gut, wenn sie es bei euch lassen. Wichtig wäre natürlich, dass sie es nicht bei euch innen drin lassen, sondern dass ihr euch schafft abzugrenzen. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt, was ich vielleicht schon vorweggreife, aber was ich immer wieder wichtig finde, einfach an sich selber zu denken, Selbstfürsorge zu betreiben. Das muss gar nicht ständig Achtsamkeit und Yoga sein, sondern jeder hat so seine eigenen Dinger. Der eine geht vielleicht joggen, der andere backt einen Kuchen, der dritte trifft sich mit einer Freundin. Also, dass man da wirklich auf sich aufpasst und hört, was man braucht und gerne auch mit vielen, die nicht Kollegen sind. Also so mache ich das auch. Ich habe in meinem Freundeskreis viele Nicht-Psycho-Menschen, die zwar gerne mal eine Geschichte hören, aber ansonsten keine Ahnung haben von dem, was ich da mache und das ist auch gut so. Das hatten wir auch in der Folge Palliativmedizin mit der Frau Fröschmann, die hat auch erzählt, wie wichtig das ist, dann Ausgleich zu finden und halt dann eben beim Schönwetter ins Freibad zu gehen und nicht ein schlechtes Gewissen deswegen zu haben, sondern das ist ja ganz wichtig. Nur wenn es einem gut geht, dann kann man da auch gut sich abgrenzen und da auch weiterhelfen. Sonst verpflichtet man sich da zu viel. Gibt es denn irgendwelche, so wie Red Flags, irgendwelche Symptome, Warnsignale, wo du sagst, oh, das muss sofort, das sollte wirklich in die Hände von Psychiatern? Ja, also Suizidität ist ein wichtiges Thema. Und auch da möchte ich ermutigen, Fragen zu stellen. Also es gibt manchmal auch in Medizinerkreisen noch das Vorurteil, wenn ich danach frage, dann tun sie es. Nein, sie tun es, wenn sie es wollen. Wenn man nicht fragt, tun sie es auch. Also das ist auch ein Mythos. Fragen, haben sie lebensmüde Gedanken? Haben sie Suizidgedanken? Haben sie schon mal darüber nachgedacht, sich selber zu verletzen? Haben sie schon mal darüber nachgedacht, sich selber irgendwas anzutun? Oder ist das in letzter Zeit bei ihnen in der Umgebung passiert? Gibt es in Ihrer Familie so etwas? Also wenn man in die Richtung fragen will, das ist total wichtig. Und die meisten Menschen sind auch da, das ist wie mit dem Wein, die sind erleichtert, sie dürfen da mal drüber reden. Und das ist jetzt vielleicht für mich einfacher, das zu differenzieren, was ist jetzt wirklich suizidal konkret, muss sofort in die Klinik oder was kann man behandeln, gehört im Rahmen von der Depression irgendwie zum Krankheitsbild. Und wenn einem das eben zu heikel ist, dann natürlich Abklärung psychiatrisch. Dafür sind wir ja da, um da nochmal genauer nachzuhaken. Aber die Frage zu stellen an sich, finde ich total wichtig. Und manche sagen auch, ja, ich hatte schon mal so lebensmüde Gedanken, aber ganz ehrlich, nee, also umbringen tue ich mich nicht. Also das können schon viele sehr, sehr deutlich auch sagen und es ist einfach so, dass im Rahmen gerade von der Depression oder von Krisen kommen auch mal so Gedanken. Viele kennen das auch im Liebeskummer, dass man wirklich denkt, ach Mensch, wie jetzt hat das alles keinen Sinn mehr, aber gleichzeitig eine innere Stimme, die sagt, nee, also der ist es jetzt nicht wert oder mich hält, meine Partnerin, meine Familie, mein Hund oft, sind sie Haustiere. Nee, kann ich nicht machen, weil dann wäre mein Hund allein. Auch nach den Ressourcen fragen. Genau. Und deswegen da keine Angst haben, fragen und auch da offen sein für die Antworten. Ja, also da kann ich aus meiner Erfahrung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auch nur mich anschließen und ermutigen, weil genau das war oft das Thema, dass es so eine gewisse Angst gibt, also mit der Frage danach, dann die Suizidalität zu induzieren und das Gegenteil der Fall ist, wie du es ja schon schön beschrieben hast. Dass vielleicht in dem Rahmen, wenn sich jetzt die Patienten in den Krisen vorstellen, eben auch wie du gesagt hast, mit akuter Suizidalität, was dann auch als Red Flag zu werten ist, wo man wirklich dann auch an die Psychiater und Psychiaterinnen denken sollte und eben überweisen. Welche Rolle können denn da die Hausärztin auch als Vertrauensperson weiter noch in der Prävention spielen? Also man kann natürlich auch weiter vermitteln, es gibt ja viele Angebote, also gerade in Frankfurt zum Thema Suizidprävention. Also man kann auch sagen hier zum Beispiel, wenn die jetzt sagen, naja es ist irgendwie so da irgendwie, aber heute bringe ich mich nicht um, okay jetzt ist vielleicht Wochenende, am Wochenende können sie in die Psychiatrie, sie können ans Sorgentelefon sich wenden oder es gibt ja FRANZgibt es in Frankfurt, das kann man nochmal googeln, also da gibt es ja viele, viele Angebote, wo man auch hin verweisen kann. Genau, auf Franz und Frappé wollte ich auch nochmal hinweisen. Also es passt super, dass du es jetzt direkt auch sagst, dass es so bekannt ist. Wir kennen das ja auch, weil das Institut für Allgemeinmedizin hatte da auch kooperiert mit den psychiatrischen Kliniken und dem Gesundheitsamt. Und also Franz, das Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention und Frappé, das ehemalige Frankfurter Projekt zur Suizidprävention, hat ja auch Websites und auf die würden wir auf jeden Fall in den Shownotes auch nochmal verlinken. Da finden auch Hausärztinnen und Hausärzte Informationen zum Thema Suizidalität. Welche Fragen kann ich stellen, also da ist auch eine ganz schöne Broschüre, aber auch eine Notfallhotline für Angehörige, Betroffene oder auch professionelle Helfer und Helferinnen. Was vielleicht auch noch wichtig ist, um das zu differenzieren, wie ernsthaft ist es, das kommt aber jetzt darauf an, ob sich der oder diejenige das zutraut, die davor sitzt, ist zu fragen, wenn Suizidgedanken da sind, wie würden sie sich das Leben nehmen? Wenn er jetzt hier mal sitzt und sagt, ja weiß ich nicht, also so konkret habe ich noch nicht drüber nachgedacht, das ist sehr gut. Das ist schon mal wieder ein Stück weg davon. Wenn jetzt aber jemand sagt, naja, also wissen Sie, ich habe überlegt und das ist jetzt kein Witz, also da sitzen Leute, die sagen mir das. Das ist sehr, sehr, sehr konkret und stufe ich entsprechend viel gefährlicher ein, als wie gesagt jemand, der sich damit eben noch nicht beschäftigt hat. Ja, wir haben in der Praxis auch so einen Zettel dann mit den Nummern drauf und mit Notfallnummern, den wir dann mitgeben können. Falls wirklich jemand, so wie du sagst, wenn ich das so abschätzen kann, dass jemand sich immer noch abgrenzen kann und das jetzt noch nicht so konkret als Vorstellung hat, aber auch schon so ein paar chronisch suizidale Patienten, da muss man natürlich schon total aufpassen. Und das ist ja einfach dieses Impulshafte von diesem Suiziddrängen, ist ja dann manchmal schon ganz schön erschreckend, wie das aufkommen kann. Wir denken ja auch, es ist irgendwie dieses appellative Suizidversuch oder Kinder- und Jugendpsychiatrie ist das manchmal auch, dass man sagt, das gibt es. Ja, mag es irgendwie geben, aber ich habe das wirklich selten. Also, dass jemand das macht, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich sage mal so, wenn das jemand wirklich macht, um darüber Aufmerksamkeit zu bekommen, dann ist die Person wirklich auch sehr krank. Ja, ist auch ein Hilfsberuf. Genau, definitiv. Das muss man auch ernst nehmen und dann psychiatrisch natürlich wiederum abklären lassen. Ja, ja. Um jetzt wieder so auf diese Diagnostik, wenn jemand kommt und ist so das erste Mal so richtig aufgepoppt bei mir in der Praxis mit so, dass ich das Gefühl habe, es ist nicht unbedingt was Somatisches, sondern halt eben doch vielleicht auch eine psychische Ursache, die dahinter steckt. Hast du auch so Testverfahren, die du nutzt oder die du empfehlen könntest oder irgendwelche Anlaufstellen, an die man sich wenden könnte? Also Testverfahren benutze ich nur für Demenztestungen. Bin eine große MOCA-Freundin. Wir machen MOCA und DemTech bei uns routinemäßig, aber MOCA finde ich großartig, weil es ihn auch in unterschiedlichen Sprachen gibt. Ich weiß nicht, ob ihr den, du nickst schon. Genau, den gibt es auch frei im Internet verfügbar. Das ist eine ganz tolle Sache, finde ich. Für Depressionen habe ich mir angewöhnt, eigentlich alles Wichtige im Gespräch abzufragen. Man könnte natürlich ein BDI nehmen, aber ich bin irgendwie, ich weiß auch nicht, warum, ich bin ganz viel weg von Testungen. Anlaufstellen für Testungen, ja, das ist auch gar nicht so leicht. Also ich habe früher in der Praxis ADHS testen lassen durch eine Mitarbeiterin. Die Mitarbeiterin ist nicht mehr da, jetzt mache ich es nicht mehr. Die Nachfrage ist riesig. An der Uni kriegt man keinen Platz. Und ja, also es gibt so Praxen, die haben sich darauf spezialisiert. Zum Beispiel jetzt auf ADHS-Testungen, da habe ich manchmal den Eindruck, wenn man da hingeht und ADHS haben möchte, hat man es hinterher auch. Also da schicke ich so ungern hin. Ich schicke schon wirklich gerne zu offiziellen Stellen. Es gibt inzwischen viele psychotherapeutische Praxen, die das anbieten. Ist aber, glaube ich, eine Selbstzahlerleistung. Bei den meisten gibt es ja unterschiedliche Beträge, ja. Und Autismus noch schwieriger zum Beispiel. Also auch an der Uni ist ja, glaube ich, ausgebucht bis ich weiß nicht wann. Ja, und Und ansonsten... Ich weiß nicht, es gibt natürlich umfangreiche Persönlichkeitstestungen, aber das ist meistens in der Klinik dann eher der Fall. Ja, ich fand das auch so im Praxisalltag oft nicht so gängig, denen dann einen Fragebogen mitzugeben, sondern wie du sagst, oft findet man so, gerade mit diesen zwei Fragentests, die wir so in der Allgemeinmedizin auch haben, kriegst du eigentlich schon so die knackigen, harten, depressiven Kriterien ja doch eigentlich schon ganz gut rausgefiltert. Ja, und ich finde auch, also ein Test kann natürlich ein Hinweis sein, aber ich gucke mir die Leute ja im Ganzen an. Also, wie reagieren die auf meine Fragen? Zögern die? Schwitzen die? Also, es sind ja vieles, was wir aufnehmen. Die ganzen Sinne ist ja nicht nur eben ein Kreuzchen irgendwo und eine Zahl, die bei rauskommt, sondern mehr. Es kann die Diagnostik vervollständigen, aber es ist eben wirklich ein Puzzlestück im Grunde genommen. Genau so ist es. Wahrscheinlich auch einfach der Unterschied da nochmal von der hausärztlichen Behandlung. Also wie screene ich vor, ist das wirklich jetzt ein Fall, der fachärztlich psychiatrisch behandelt werden soll und dann kann man ja spezielle Testverfahren dort auch nochmal anwenden. Aber es ist natürlich gerade, wenn man nicht so viel Kontakt vielleicht ansonsten mit dem Thema hat, oft hilfreich, wenn man so eine Art kleine Leitfaden hat oder gewisse Fragen, die man stellt. Das ist, da hast du ja auch gerade. Dieser Zwei-Fragen-Test, der ist, finde ich, auf jeden Fall sehr sinnvoll, dass du wirklich ziemlich schnell auch gerade in so einer Notfallsprechstundensituation mal rausgefiltert hast. Das ist natürlich sehr breit, das trifft auch viele Leute zu, die das bejahen können, aber du hast trotzdem schon mal so eine Vorstellung. Mhm. Zu den Red Flags nochmal kurz zurückzukommen. Das eine war jetzt akute Selbstgefährdung im Grunde genommen. Akute Fremdgefährdung wahrscheinlich auch. Ich weiß nicht, wie oft du das jetzt im Praxisalltag hast. Ganz selten. Also ich habe so ein paar schwierigere, auffälligere, lautere Patientinnen und Patienten, aber natürlich viel weniger als jetzt in der Klinik. Und wenn die nicht mehr im ambulanten Setting führbar sind, dann kommen die auch in die, also in meinem ambulanten Setting kommen die auch in die Ambulanz, in die psychiatrische Institutsambulanz. Das wäre mir jetzt auch noch was, aber das kommt vielleicht nochmal später. Genau. Red Flags, das ist eher was, da höre ich auf mein Bauchgefühl, wenn mir jemand komisch vorkommt. Und wir hatten mal mit der Praxis so ein Seminar auch genau zu dem Thema, Deeskalation und so. Und da geht es immer ums Bauchgefühl. Und wenn dein Bauchgefühl dir sagt, hier ist irgendwas nicht gut, dann ist es bei mir so, dass ich versuche mehr Abstand hinzukriegen zwischen Patientinnen und Patienten, gucke, dass die Praxis oder meine Zimmertür offen ist, solche Sachen, dass das Fenster vielleicht offen ist, außer ich bin jetzt im dritten Stock, aber so, dass man da Abstand schafft und möglichst guckt, dass man nicht alleine ist oder diesen Menschen relativ schnell wieder rausbekommt. Und dann hilft eigentlich, also wenn es jetzt um Aggressivität oder sowas geht, hilft eigentlich wirklich nur die Polizei rufen und ganz klar sagen, ich habe hier einen, der ist psychisch auffällig, aggressiv oder kurz davor hoch angespannt, kommen Sie jetzt. Okay, aber zum Glück scheint das nicht so oft zu passieren. Nein, also wir hatten, also bisher in der Praxis hatte ich nur zwei, drei schwierigere Situationen, aber nie wirklich, dass es jetzt zu Gewalt offensichtlich gekommen ist. Die meisten Menschen, außer sie sind intoxikiert, aber das habe ich auch selten, die kommen bei mir eigentlich nicht in die Praxis, kann man, runter reden oder kann man irgendwie entgegenkommen und das funktioniert meistens. Das ist gut. Ja. Hast du denn vielleicht auch eine Motivation für die Hausärztinnen und Hausärzte, wo man vielleicht auch mutiger behandeln kann? Ja, Depression, das ist ja das häufigste Thema, also da möchte ich unbedingt eine Lanze für verbrechen. Also liebe Hausärzte und Hausärzte zukünftige, wenn ihr mich glücklich machen wollt, dann macht ihr bei jedem, wo ihr denkt, da könnte was Depressives sein, ein EKG mit QTC-Zeit, weil die meisten meiner Medikamente da eine Störung machen können und eine Laborentnahme mit Schilddrüsen-Diagnostik, einfach um zu gucken, ob da irgendwas vorliegt. Und dann, wenn ihr das Gefühl habt, da gibt es ja klare Kriterien für die Depression, also länger als zwei Wochen bestehend, Minderung von Antrieb, Konzentration, Schlafstörung, somatische Beschwerden ist ja bei euch vielleicht auch sehr häufig. Dann mal mutig mit 10 Milligramm Citalopram anfangen. Übrigens nicht mit Kaffee einnehmen. Das wirkt dann nicht so gut. Nicht gleichzeitig. Und ein paar Wochen warten. Zwei, drei, vier Wochen. Wenn es nicht reicht, auf 20 hochgehen. Noch mal ein paar Wochen warten. Und entweder geht es den Menschen besser oder ihr schickt sie halt dann zur Psychiaterin. Ja, mutig sein, wirklich. Weil da könntet ihr viele, viele schon mit abfangen. Und Citalopram oder auch Sertralin sind total gute Medikamente, um da zu starten. Also in erster Linie sich sensibilisieren, es könnte eine Depression dahinter stecken, da genau schauen, ist dann der Punkt und dann zu sagen, okay, ich kann schon mal beginnen. Was würdest du dir denn sonst noch von der Zusammenarbeit zwischen Hausärztinnen und Hausärzten und Psychiaterin und Psychotherapeutin wünschen? Also mir hilft es immer, wenn man mal miteinander spricht, was ja manchmal schwierig ist, jemanden zu erreichen. Also bei mir hilft es am ehesten, man schreibt mir eine kleine E-Mail und sagt, können wir mal telefonieren oder so und dann findet man einen Termin. Weil ich finde, dass da oft Sachen sich anders darstellen. Manchmal sagt der Patient, Patientin, meine Hausärztin will nicht ABC oder so oder ich soll und dann ruft man da an und dann habe ich nie gesagt und glaube ich auch wirklich. Also dann ist irgendwann irgendein Missverständnis. Das hatte ich letztens mit einer Gynäkologin zum Beispiel, wo die Patientin gesagt hat, meine Gynäkologin hat gesagt, ich muss in der Schwangerschaft das und das Medikament absetzen. Und dann ging es ihr halt schlechter und dann rief ich die Gynäkologin an und sie hat gesagt, das habe ich nie gesagt. Ich habe mich schon gewundert, warum sie das abgesetzt haben. Also so waren einfach Missverständnisse. Also miteinander reden und ja, eigentlich auch bei den Psychotherapeutinnen. Also wenn man einfach mal einmal spricht, wenn es schwierigere Fälle in Anführungsstrichen sind, das finde ich das Wichtigste. Ansonsten klappt die Zusammenarbeit eigentlich, muss ich sagen, mit den Hausärzten und Hausärzten gut. Ich kann da gar nicht meckern. Also die machen brav die EKGs, wie gesagt, ich möchte immer das Gleiche haben. Die machen brav die EKGs. Und viel mehr ist es ja auch gar nicht und sind, glaube ich, immer froh, wenn die bei mir sind. Aber zum Beispiel, wenn ich die jetzt zurück entlasse und sage, hey, ist jetzt stabil eingestellt und so, dann schreibe ich das auch genauso rein, also wie man das dann weiter verordnen kann, das Medikament oder wenn man es absetzen kann oder so. Und dann bin ich auch total dankbar, wenn das jemand einfach weiter übernimmt. Sehr gut. Also vielleicht nur noch mal zu erwähnen, Psychopharmaka machen nicht abhängig, außer durch Benzodiazepine, das ist klar, alles andere nicht. Das ist ja oft auch was, wovor die Patientinnen und Patienten Angst haben. Was es aber schon machen kann, bei bestimmten ist so Absetzphänomene, das ist auch nicht schön. Also wenn man ein Medikament absetzt und dann redet einer von Blitzen im Kopf, das ist tatsächlich wahr. Also gerade beim Venlafaxin zum Beispiel, das ist nicht Schizophren oder irgendwie was anderes oder Somatoform, Blitze im Kopf, kann tatsächlich vorkommen. Deswegen ganz langsam und lieber über einen längeren Zeitraum auch die Medikamente absetzen. Aber das kann man dann ja auch nochmal rückfragen oder das können die Psychiater, Psychiaterinnen machen. Ist auch kein Hexenwerk, aber das muss man so ein bisschen auf dem Schirm haben. Und ich denke auch so die regelmäßigen Laborkontrollen, die man so aufsetzt. Ich hatte jetzt einen Patienten, der jetzt zum Beispiel unter den SSRI eine sehr massiv erhöhte Triglyceride jetzt bekommen hat. Das ist dann immer auch oft die Frage, wie reagiere ich auf so bestimmte Laborveränderungen. Ja, das finde ich auch schwierig. Also ich versuche dann immer die Dosis zu reduzieren und zu gucken, kommt das wirklich daher oder gibt es vielleicht noch andere Faktoren. Ja, das gibt es. Es gibt Erhöhungen von Transaminasen manchmal, es gibt manchmal Hyponatriämie. Das ist eigentlich so das Häufigste. Ja, was man gucken muss, neben dem EKG mit QTC-Zeit, weil Wechselwirkung mit vielen anderen Medikamenten, die das EKG betreffen, ist auch sowas zum Beispiel wie Eliquis, was ja viele Älteren nehmen, muss man sehr aufpassen, weil die Blutgerinnung sich durch die SSRIs nochmal einfach erhöht. Da muss man die Patienten gut aufklären und eigentlich ist Eliquis und SSRI auch eine Kontraindikation, muss man sehr gut abwägen. Ich glaube aber, das sind dann so Feinheiten. Manchmal ist, wenn man Lithium nimmt zum Beispiel, wird Ibuprofen den Spiegel vom Lithium. Aber das sind so Sachen, das sind so Feinheiten. Das ist psychiatrisch dann. Aber wichtig vor allem auch auf die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten zu achten. Ja, aber das ist auch was, was ich total wichtig finde und wo ich nicht weiß, also die Jüngeren haben das bestimmt eher auf dem Schirm als die älteren Hausärzte und Hausärzte. Da gibt es ja auch so tolle Programme, wo man das einfach eingibt. Manchmal machen die mehr Angst, als dass sie einem nutzen, ehrlich gesagt, dann ist das alles rot, rot, rot. Aber man muss ja gucken, was individuell da gefragt ist. Manches kann man eben durch das EKG, ich bin heute redundant, nochmal einsetzen. Ja, gerade am Anfang ist es ja auch so, dass wahrscheinlich die Wartezeit auf einen Termin bei dir auch eine gewisse Zeit ist. Wie sind denn da so die Angaben? Ja, offiziell gibt es gar keine Wartezeit, weil es gibt keine Warteliste. Also die Menschen müssen Glück haben, wenn sie sich melden und dann gibt es gerade wieder eine Lücke. Es gibt immer so Phasen, da gehen viele Patienten, hoffentlich, weil sie gesund sind und dann habe ich wieder Lücken und offiziell nehme ich schon seit Jahren keinen mehr auf. Wobei ich natürlich in Klammer setzen muss, der kleine Dienstweg funktioniert halt schon. Also wenn die Katharina mir irgendwie schreibt, dann kriege ich irgendwie doch was hin. Aber dann weiß ich halt auch, dass es Hand und Fuß hat. Und deswegen ist ja auch so ein Netzwerk wichtiger. Wenn ich weiß, die eine Person schickt mir jemanden, dann weiß ich, okay, das ist A vorbereitet und B hat das wirklich Hand und Fuß. Und dann ist das für mich auch eine super gute Sache, weil das sehr strukturiert erfolgt. Wie jemand einfach so mal mit könnte, eventuell irgendwas haben, das macht es für mich ja dann auch schwieriger. Ja klar. Und hast du vor dem Hintergrund der Versorgungslücke von auch Psychotherapieplätzen oder überhaupt Wartezeiten bis zum Beginn einer psychiatrischen Vorstellung Erfahrungen mit dem Einsatz von DIGAS, also digitalen Gesundheitsanwendungen gesammelt? Ich habe ein paar Patienten, ich habe das immer nur auf Wunsch verschrieben, ich habe mich mit denen nicht wirklich beschäftigt, muss ich gestehen. Wobei die relativ aktiv beworben werden, was mich aber immer noch kritischer stimmt, leider. Ich habe so ein paar, die haben das mal genommen, auch parallel, so Deprexis und so sagt mir was. Und ich hatte das Gefühl, das kann unterstützend sein, wenn die Menschen sich mit digitalen Medien auskennen und gerne eigenständig ein bisschen was machen. Dann kann das unterstützen. So die wahnsinns positive Rückmeldung hatte ich bisher noch nicht. Muss man da irgendwas beachten? Beziehungsweise sicherlich, was muss man dabei beachten? Also es sind ja nicht alle erstattungsfähig. Es gibt ja zig Applikationen wahrscheinlich und im Prinzip ist eine DIGA ein Medizinprodukt und auch gelistet beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Genau, ich weiß es gar nicht genau, ehrlich gesagt. Ich gucke schon immer nochmal drauf, ob das eine ist, die grundsätzlich was taugt. Über Erstattung habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, weil ich immer dachte, die kriegen es dann eh nicht, wenn es nicht erstattungsfähig ist, wenn ich es auf Rezept drauf schreibe, aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Also du kannst also über unser Verschreibungsprogramm kannst du dann über die PZN-Nummer kriegst du dann eigentlich das aufgezeigt, welche Diagnose das haben muss. Es gibt ja nur bestimmte diese DIGA mit der Diagnose quasi und dann muss da auch bestimmte Sachen auf diesem Rezept draufstehen. Also das ist meistens immer so ein ganz voller Zettel mit der Diagnose, dem Zugangscode und wir haben ja auch nochmal eine Folge über die Digitalisierung, da werden wir dann vielleicht dir danach berichten oder du hörst dann die Folge auf jeden Fall rein, da werden wir viel erfahren. Also ich habe auch ein paar Mal aufgeschrieben, aber bin auch so ein bisschen noch, habe auch die meisten melden, es ist so, ja auch wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, es begleitet, es ist halt mal so für sechs Wochen so ein bisschen eine Überbrückung, aber so richtig natürlich auch nicht die Lösung des ganzen Problems. Nee, uns kommt ja auch drauf an, auf das Strukturniveau der Patienten, wie sind die denn so drauf, was können die überhaupt eigenständig machen. Und das Funktionsniveau. Richtig, ja. Katharina, Hausärztinnen können ja, so wie du es gemacht hast, die Zusatzbezeichnung Fachkundende Psychotherapie erhalten. Für wen lohnt sich das? Also ich glaube auch in erster Linie für Menschen, die sich neugierig, die neugierig sind und gerne halt mit so den Geschichten der Menschen, also nicht nur das Medizinische, sondern auch wirklich das, was im Kopf vorgeht und die auch vielleicht was gerne über sich selber erfahren möchten, weil man ja auch viel Selbsterfahrung zum Beispiel macht. Denke ich mal, für die Menschen ist das, glaube ich, wirklich eine sehr interessante, spannende Geschichte und würde ich jetzt auch sehr für mich als lohnenswert ansehen, auch wenn ich es jetzt nicht unbedingt abrechnungstechnisch sagen würde, dass es sich lohnt. Aber so für mich als Erfahrung war es sehr viel wert. Und auch für die Versorgung. Und für die Versorgung, ja. Ich kann natürlich doch viel einfacher Dinge manchmal erkennen oder mich selber halt auch abgrenzen und auf einmal merken, woher kommt das denn? Woher kommen denn diese Gefühle? Und das anders betrachten. Also man lernt ja auch, sich selber zu betrachten und Reaktionen zu bewerten und das macht ja viel mit der Interaktion mit den Patienten. Dadurch kann ich, glaube ich, da viel klarer manchmal auch so sagen, so und so, so geht's jetzt, das empfehle ich Ihnen jetzt oder kann es sein, dass es daran liegt, das fällt mir dann natürlich schon ein bisschen leichter. Und das war eine Zusatzweiterbildung, die jetzt, glaube ich, nochmal umfangreicher geworden ist, wenn man das facharztgebunden machen möchte, macht meistens ein Praxisteil mit Theorie und Sachen, die man einfach auch theoretisch lernen soll und. Über Therapiestunden, die man dann hält und Selbsterfahrungsstunden. Das ist meistens eher so was mehrjähriges als was Schnelles, was man so als Zusatzqualifikation sich sammeln kann. Weil ich fand es wirklich bereichernd und hatte auch viele Kollegen, gerade Hausärzte, die das mit mir zusammen gemacht haben, weil sie eben auch mal gesagt haben, sie möchten nicht immer dieses rein medizinische, sondern auch mal ein bisschen anderen Zugang zu den Patienten bekommen. Ja, ich fand auch in meiner Zeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie diesen anderen Zugang und wirklich diese ganzheitliche Sicht. Also ich kann eigentlich auch nur dafür werben, sich da mal näher mit zu beschäftigen, um einfach den Mensch an sich auch besser zu verstehen und die Zusammenhänge und auch die Gleichwertigkeit von somatischer und seelischer Erkrankung. Und das kann ja auch wirklich was sehr gefährliches und auch quasi tödliches sein, so eine Depression, wenn man die nicht erkennt. Definitiv, ja. Oder man macht sie auch kränker, wenn man sich nur auf das Somatische konzentriert und dann in so eine Schleife von der Behandlung, der Behandlung, der Behandlung, wenn man dann nicht auch mal sagt, so stopp jetzt, reicht es, wir müssen jetzt auch mal an was anderes denken, kann man dem Patienten ja auch viel Schaden zufügen damit. Also von daher ist es super, die Chance zu nutzen, dann gerade in der Primärversorgung sich schon damit auseinanderzusetzen und zu handeln. Ich finde auch den Selbsterfahrungscharakter total wichtig, weil wenn man einmal selber verstanden hat, wie schwer es ist, wirklich zu reflektieren und seine eigenen Schwächen zu betrachten, dann versteht man vielleicht auch den Widerstand des einen oder anderen Patienten, der Patientin besser und kann damit eben anders umgehen und lässt auch vielleicht die Sachen nicht ganz so nah an sich ran. Ja, das. Oder Patienten, die zum Beispiel eine sehr starke Traurigkeit oder so eine besondere Art an sich haben, da denke ich mir auch immer so gut, so wird es denen wahrscheinlich nicht nur bei mir so gehen, sondern bei allen Menschen so gehen. Das ist ja ein ganz schweres Leben und deswegen kommt ja oft nie so zu den Bedürfnissen, weil es woanders was auslöst. Dass man dann was auslöst, eben dass diese Übertragung quasi, sind wir jetzt ja da schon richtig tief drin, dass sich das halt so überträgt auf einen selber und man sich deswegen ja auch so selber so unangenehm und so eine Abwehrhaltung gegen diesen Menschen entwickelt. Und das kann ich dadurch schon besser aufbrechen, dass ich es einfach erkenne und sage, okay, nee, das ist jetzt eigentlich das, was er mir auslöst. Das hat nichts damit zu tun, dass ich wirklich nicht mag, weil ich kenne ihn ja gar nicht, sondern das ist die Krankheit, die das macht. Also sehr hilfreich für die persönliche Entwicklung, aber auch die professionelle. Du hattest ja vorhin auch darüber gesprochen, dass man diese professionelle Rolle auch hat und gleichzeitig authentisch sein kann im Umgang mit den Patientinnen und Patienten, aber natürlich auch irgendwo professionell damit umgeht. Ja. Katja, bei dir werden ja Patienten ab 18 behandelt. Wie gestaltest du diesen Übergang? Du hast ja gesagt, die Transition liegt dir auch im Herzen, auch deine Erfahrungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Also das ist ja eine sehr vulnerable Lebensphase. Bist du da spezifisch im Austausch mit Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und Psychiatern oder Therapeutinnen und Therapeuten oder wie gestaltest du das auch für die Patienten? Eigentlich ganz unspektakulär. Also wenn ich Glück habe, und das ist jetzt gar nicht ironisch gemeint, dann kriege ich einen Bericht vom Vorbehandler. Wenn ich Glück habe, ist das nicht nur eine Seite, wo ich immer denke, hey, da sind jetzt irgendwie jugendliche Jahre, teilweise wirklich viele, vorangegangen. Und dann kommt da eine Seite, das wird diesen Menschen nicht gerecht. Manche kommen auch ganz ohne Befunde. Also es ist leider meine Realität. Da gibt es quasi keine Zusammenarbeit. Das ist sehr schade. Weil ich auch immer denke, das ist jetzt krass, also jetzt werden die auch gesiezt bei mir zum Beispiel, die werden ja vorher geduzt und jetzt nenne ich sie so, wie ihr Vater genannt wird oder ihre Mutter. Also ich versuche eigentlich zu erklären, was ich mache. Ich versuche, wie es vorher war, damit sie möglichst viel wissen, wie hier mein Alltag aussieht. Aber eigentlich sind die jungen Menschen, die da kommen, muss ich sagen, sind echt ganz cool. Also manche freuen sich auch, dass sie jetzt zu den Erwachsenen irgendwie gehören und ich glaube, ich bin wenig furchteinflößend, also die kommen ganz gerne und bleiben, aber wie gesagt, was die Zusammenarbeit betrifft, ich würde mich wie immer freuen, wenn ich vorher ein paar Vorbefunde habe, ein paar Ideen, das muss auch nicht super ausführlich sein, aber eine DIN-A4-Seite wird einem 21-jährigen jungen Menschen, der vielleicht seit sechs Jahren Kinder- und Jugendpsychiatrisch betreut wurde, nicht gerecht. Da gibt es noch Verbesserungspotenzial. Und wenn wir uns jetzt nochmal so ein paar konkreten Krankheitsbildern quasi widmen möchten, wir hatten ja vorhin auch schon mal das Thema ADHS angeschnitten, was ja einfach gerade der totale Boom ist. Also ich habe wirklich das Gefühl, dass in den letzten zwei Jahren vielleicht das wirklich massiv zugenommen hat, dass die Leute aktiv auf mich zukommen, mich fragen, wo kann ich mich testen lassen oder die halt von Psychotherapeuten, Therapeutinnen dann wieder zu mir kommen und sagen, ich habe jetzt das Rätsel Lösung, es ist ADHS oder ADS. Und da auch mit Medikamenten, die aber teilweise auch sehr auf der Suche sind, dann wo kann ich mich denn testen lassen? Und das ist, würde ich sagen, wirklich ein viel größerer Beratungsanlass geworden, als das früher mal war. Wie nimmst du das wahr oder hast du da irgendwelche? Genau so. Also sowohl dafür ist auch Autismus oder es gibt ja so andere Wörter, die einfach gerade im Alltagsgebrauch übergegangen sind, wie auch Trigger, toxisch. Also da werden Begriffe benutzt, das ist einfach oft nicht richtig und wird der Sache nicht gerecht und dann kommt jemand und sagt, ich lebe in einer toxischen Beziehung, ich werde von dem und dem getriggert und ich habe ein ADHS übrigens. Okay, wer hat das ADHS diagnostiziert? Ja, ich habe den Test im Internet gemacht. Also das ist auch meine Realität, ja. Oder ich bin halt autistisch oder so. Aha, das finde ich immer so ein bisschen schwierig, wenn man schon mit einer vorgefertigten Diagnose kommt. Auf der einen Seite denke ich, okay, prima, sind wir jetzt hier, dann können wir jetzt mal gucken, dass wir eine Diagnostik machen. Ich nehme sie schon ernst, sage ihnen aber auch, es kann einfach auch Tausend andere Sachen sein, die sie haben. Konzentrationsstörungen können verschiedene Sachen sein, dass man sich autistisch fühlt oder Reiz überflutet, kann viele verschiedene Ursachen haben. Also ich versuche es ernst zu nehmen und einer guten Diagnostik eben zuzuführen und das einzugrenzen. Aber es macht es nicht leichter, die Arbeit. Ja, ich bin auch total zwiegespalten dann oft, ob die Schublade dann einem gut tut oder ob man nicht generell einfach an sich in irgendeiner Weise arbeiten müsste in Form von Psychotherapie oder inwieweit es dann hilfreich ist, dann quasi so einen Deckel zu bekommen oder eben es manchmal eine Entlastung sein könnte. Also ich habe da noch keine abschließende. Da gibt es auch glaube ich nichts. Das ist ein Dilemma und ja klar, es kann eine Entlastung sein, Medikamente zu bekommen. Interessanterweise bei der Masse an Menschen, die ich inzwischen auch habe, die von irgendwelchen Leuten diagnostiziert wurden, bei vielen hilft das Medikament oder die diversen Medikamente überhaupt nicht. Und dann denke ich mir, okay, war die Diagnostik falsch? Oder es sind ja viele Bögen, die man selber ausfüllt. Also habe ich da was ausgefüllt, was vielleicht nicht so ganz der Wahrheit entspricht oder so? Das wundert mich nämlich schon. Und wenn jemand dann alle seine Symptome auf ADHS, ich als ADHSler, das mag ja in manchen Situationen so sein, aber man ist ja nicht nur ADHSler. Also wer will denn bitte auf seine Krankheit begrenzt werden? Viele wollen doch nicht mal auf ihr Geschlecht begrenzt werden. Also wie kann man dann sagen, ich, also das finde ich auch wirklich schwierig. Ich versuche das sehr rational runterzubrechen, zu sagen, okay, aha, sie haben das Gefühl, dass wir machen Diagnostik und dann probieren wir und dann gelingt es halt mit der Behandlung oder nicht. Aber es ist definitiv ein Hype. Ja, und aber auch schwierig gleichzeitig, weil wie du ja vorhin schon gesagt hast, die wirklich spezielle Diagnostik für adultes ADHS, also es gibt wenig wirklich sicher gute Anlaufstellen, zu denen man gehen kann und die Plätze sind sehr rar und deshalb ist es natürlich so, dass man dann in der Praxis damit umgehen muss, okay…. Kann nicht alle direkt dahin schicken und dann wird es ganz sicher ausgeschlossen oder eben bestätigt. Und das ist so ein Spannungsfeld. Genau, aber ich behandle keinen Patienten ohne Diagnostik. Das sage ich auch ganz klar. Und wer damit nicht zurechtkommt, der findet schon jemanden, der das anders macht. Ich mache das nicht und ich möchte halt auch nicht in irgendwelchen Foren stehen als die behandelt vorab schon oder ohne Diagnostik oder sowas möchte ich nicht. Ich hatte am Anfang, als ich übernommen habe die Praxis, wirklich ein paar Menschen, die haben doch so lustige Sachen wie Amphetaminsaft bekommen und so. Und die habe ich mir genau angeguckt und dann festgestellt, das ist glaube ich weniger das Krankheitsbild, sondern da liegt eine Sucht dahinter. Wenn die schon schwitzend vor einem stehen und dann habe ich gesagt, also ich mache das nicht und dann gibt es bei mir keinen Saft und dann tauche ich auch nirgendwo auf, als die Ärztin dir das verschreibt. Das möchte ich auch nicht. Das ist sehr wichtig. Ja, das ist ja auch sowas, wo man seinem Weg treu bleiben muss und irgendwie selber dafür gerade steht. Also muss ich in den Spiegel gucken können. Genau, das trifft es. Also auch gerade angesichts, du hattest es angesprochen, Social Media überhaupt im Internet und wie hat Dr. Google, also viele Informationen, die Patientinnen und Patienten kommen mit teilweise aber natürlich auch nicht ganz so offiziellen Informationen oder fachlich guten Informationen. Hast du da noch eine Idee, wie man präventiv, also die Patienten und Patienten, wo die sich gut Informationen holen können? Mhm. Also gar nicht leider patientenspezifisch, aber ich kann vielleicht hier noch einen kleinen Werbeblock einbauen. Gibt eine Frankfurter Stiftung, nennt sich Tomoni, von einer Frankfurter Familie gegründet. Und die bieten zumindest für Lehrerinnen und Lehrer mit Module an zur Früherkennung von psychischen Erkrankungen. Im Moment noch kostenfrei, weil das evaluiert wird und online. Und das ist sehr gut, das soll ausgeweitet werden, auch noch auf Eltern. Das ist halt für eine jüngere Zielgruppe vorgesehen. Ansonsten zum Thema Prävention psychischer Erkrankungen, da gibt es viel Bedarf und ein weiteres Thema ist Resilienzförderung. Wir kriegen das hin, aber das ist relativ jung. Von der Regierung gibt es jetzt so einen Ausschuss, wo es genau um diese Themen geht. Es gibt auch so, ich glaube, Mental Health Coaches gibt es so, glaube ich, 20 deutschlandweit an irgendwelchen Schulen. Was die genau machen, weiß ich nicht, weil die Ausbildung von denen habe ich nicht gesehen. Also es gibt irgendwie schon Ideen dafür, aber so richtig was Fundiertes kann ich gar nicht empfehlen. Bis auf das mit Tomoni. Das ist ja schon mal ein guter Tipp und es müsste wahrscheinlich auch einfach da politisch nochmal mehr passieren, damit das einfach wirklich auch, ja Entstigmatisierung ist ja ein Thema und Awareness, also das auch eine Sichtbarmachung und dass man doch mal auch dahin kommt, eine Gleichstellung eben von körperlicher und seelischer Erkrankung. Definitiv ist das ein politisches Thema. Und ich hatte gedacht, so nachdem Corona vorbei war, wo alle ja viel geschrien und gejammert haben und dass dann Offenheit jetzt mehr wäre für diese Themen politisch. Aber ich glaube, das ist einfach auch überlagert worden. Also jetzt in Schutz zu nehmen, dann kam noch der Krieg in der Ukraine und so weiter. Also da waren einfach viele andere Themen noch, die auch wichtig sind. Trotzdem sollte man das nicht vergessen, weil es einfach einen Großteil der Bevölkerung betrifft. Und ob jetzt die Zahlen nach Corona an seelischer Erkrankung wirklich kausal gestiegen sind, weiß ich nicht. Mein Eindruck war immer, es gibt ein Brennglas, also man guckt wie so ein Brennglas auf die Probleme, die schon da sind. Aber ich glaube, man könnte nutzen diese Sensibilität dafür eben politisch und mehr zu tun. Ja, vielen Dank. Ich bin echt total dankbar und froh, dass du heute hier bei uns bist. Einfach auch nochmal einen anderen Blick. Irgendwie vielleicht so im Vorfeld haben wir gesagt, das Thema ist ja sehr schwer und wie gesagt, auch für Patienten, mit denen man vielleicht eher ungern ist, ist es natürlich einfacher, einen Schnupfen zu behandeln als jemanden, wo es doch ein bisschen auch andere Thematik gibt. Aber ich wäre wirklich froh, wenn die Hörer und Hörerinnen das mitnehmen, dass es eigentlich doch auch viel Spaß auch irgendwie auf eine Weise bereiten kann. Wie schaffst du das denn nicht besonders? Gut, ich meine, du hast ja trotzdem auch viel mit schweren Schicksalen zu tun. Was hilft dir quasi, um dich abzugrenzen? Also ganz viel Alltagskram. Ich habe eine Familie, das ist immer mein zweiter Job, wenn ich da hingehe. Ich habe zwei Kinder. Ich habe, habe ich glaube ich vorhin schon gesagt, einen Freundeskreis, die wenig mit Psycho zu tun haben, die sich aber auch meine Geschichte anhören. Ich habe einen Mann, der geduldig und viel zuhört. Ich mache viele Sachen, die mich erden. Also so basale Sachen, was wir oft so vergessen. So wirklich kochen mit Leidenschaft. Irgendwas zubereiten. Ich bin nicht so gut im Gestalten von Dingen, aber das könnte für andere eine Lösung sein. Ja, also was schaffen, weil sonst ist das alles ja nur so... Im Raum. Und was ich auch noch gelernt habe, was wichtig ist, ist Supervision zu machen. Also das war bei mir leider ein trauriger Grund, warum ich dazu gekommen bin. Es war ein relativ schwerer Suizid oder der Suizid war nicht so schwer, sondern die Folgen, die sowas auslöst. Und da habe ich gemerkt, da komme ich nicht alleine mit zurecht. Da brauche ich Hilfe. Und dann habe ich zum Glück einen ganz tollen Supervisor kennengelernt, bei dem ich mir jetzt selber verordnet habe, viermal im Jahr hinzugehen. Diese Termine sind fest. Egal, ob ich ein Thema habe oder nicht, ich verschiebe das nicht, ich gehe da hin. Dann habe ich immer irgendwann ein Thema. Aber das habe ich gemerkt, das ist total wichtig und darf man nicht unterschätzen. Und das wäre eigentlich auch was, was ich vielen, auch Allgemeinmedizinern oder auch anderen Kollegen wünschen würde. Das ist ein bisschen wie mit der Selbsterfahrung. Also sich Hilfe holen, sei es Balintgruppe oder eben Supervision, das tut nicht weh, das ist total bereichernd und es hält einen gesund. Also ich möchte nicht irgendwann in Rente gehen und tot umfallen oder selber psychisch krank werden. Und da möchte ich gerne auch nochmal zu ermutigen und ich mache damit einfach total gute Erfahrungen und natürlich ist Sport und ich fahre viel in Urlaub, ich gehe viel wandern und sowas. Aber da hat so jeder seine eigenen Sachen, glaube ich, die einem gut tun. Ja, das ist doch ein sehr schönes Abschlusswort. Vielen Dank und würde ich mich auch noch mit anschließen. Sucht euch Leute, mit denen ihr euch gut versteht, Kollegen, Kolleginnen. Schließt euch zusammen, wenn jemand das mit einer Barlint-Gruppe irgendwie dann zu viel, irgendwie ach nee, das muss gar nicht so hochschwellig, sondern kann auch ruhig niedrigschwellig bei einem runden Tisch irgendwie im netten Restaurant abends mal sein, dass man sich austauscht und dass man von der Seele reden kann. Oder einfach nur ein kurzes Zwischen-Tür-und-Angeln-Gespräch geht auch. Aber so wirklich redet euch das von der Seele, wenn euch was nahe geht und euch was belastet. Das ist auch völlig in Ordnung, dass man sich vielleicht manchmal fragt, habe ich das richtig gemacht oder warum beschäftigt mich das jetzt so. Also das finde ich eine gute Sache. Möchtest du noch abschließend was für die Hörer, Hörerinnen sagen? Ich freue mich, dass ihr das bis zum Schluss angehört habt. Das möchte ich gerne sagen. Und hoffentlich was gelernt habt und keine Sorge habt vor Zusammenarbeit mit Menschen wie mir und damit das nämlich auch den Patienten nehmen könnt, die Sorge zu Menschen wie mir zu gehen. Ich hatte mal eine Freundin, die hat immer gesagt, wenn ich Bauchweh habe, gehe ich zum Hausarzt und wenn mir die Seele wehtut, gehe ich zur Psychiaterin. Vielen, vielen Dank. Wenn ihr euch noch mehr mit dem Thema befassen wollt, wir bieten auch verschiedene Seminare zu diversen Aspekten psychischer Erkrankungen für angehende Allgemeinmediziner/Medizinerinnen an. Besucht dafür gerne unsere Webseite kwhessen.de. Und wenn euch dieser Podcast gefallen hat, abonniert ihn gerne, lasst uns ein Feedback da und teilt ihn mit eurem Umfeld. Danke fürs Zuhören und tschüss. Tschüss. Bis zum nächsten Mal. Vertraue und glaube, es hilft, es heilt die göttliche Kraft!