ZenCast

Sven Precht

! auf ZENdung ! (In die Stille gehen)

Warum ich mir das antue

30.08.2023 28 min

Zusammenfassung & Show Notes

Ich habe mal ein Foto gesehen - von einem in perfekter Sitzhaltung meditierenden Zen-Meister. Ich weiß nicht: Das hat irgendwie mein Leben verändert.

Wenn du mal für eine Weile wirklich still gesessen bist und alles in dir zur Ruhe kommt, dann weißt du, was ich gerade meine. Du blickst auf den Boden, direkt zu deinen Füßen, siehst das Sonnenlicht auf dem Parkett spielen, blickst aus dem Fenster, siehst Vögel vorbei fliegen und sich auf die Äste von Bäumen setzen, hörst diese Vögel rufen und zwitschern, siehst auf den Balkonen der umliegenden Häuser Menschen aufräumen, sauber machen, Wäsche aufhängen oder eine Zigarette rauchen. Du siehst und hörst das alles und hast womöglich das Gefühl, zum ersten Mal in deinem Leben richtig zu sehen und zu hören. Was du siehst und was du hörst, ist in diesem Moment frei von gedanklichen Zutaten, ist gewissermaßen rein und frisch und unschuldig - und irgendwie wunderbar, auf eine nicht zu fassende Weise. Du fühlst dich munter und froh und wirklich mit allem verbunden. Du fühlst dich mit allem verbunden, weil du in der langen Arbeit des Meditierens alles beiseite geräumt und verbrannt hast, was zwischen dir und den anderen fühlenden Wesen und dieser wunderbaren Welt steht. Und weiter: Du verstehst, warum es in dieser eigentlich so wunderbaren Welt immer noch Kriege und Verbrechen und Zerstörung gibt: Weil die vielen anderen Menschen, die eigentlich alle Buddha oder Jesus sind, diese eminent wichtige Arbeit an sich selbst und in sich selbst nicht oder noch nicht geleistet haben. Diese Menschen sind voller Zorn und Aggression und steigern sich in ihre Vorstellungen und Ideologien hinein. Sie könnten sich statt dessen hinsetzen und klären. Sie könnten das Leben genießen. Und sie würden mit der Zeit zu echten Friedensaktivisten werden. Sie würden verstehen, dass nicht der Krieg, nicht das gegeneinander Kämpfen, sondern einzig das friedliche Sein und das Miteinander sowie das Arbeiten unser natürlicher Zustand ist. Statt dessen ziehen diese Menschen aus einem Krieg in den nächsten. Sie entwickeln oder kaufen Waffen und richten diese Waffen aufeinander. Sie fallen in fremde Länder ein, weil sie meinen, dass ihnen so etwas zustünde. Sie meinen vermutlich auch, dass sie dort alles besser machen würden als ihre Vorgänger. Dabei läuft es bei ihnen zuhause nicht mal annähernd rund. Diese Menschen - diese anderen Menschen - sie kennen nur den Modus des Sich-durchsetzens, der Gewalt, des Krieges. Was ich sagen will: Wenn du für eine Weile in dieser echten Stille gesessen bist und alles zur Ruhe kommt, alles Denken, alles Fühlen, alles Wollen, dann kommt dir unser tägliches Treiben nachgerade absurd vor. Du stehst auf und fragst dich, warum deine Mitmenschen eigentlich so sind, wie sie sind. Warum legen sie nicht die Waffen nieder und machen etwas Sinnvolles?

Man muss auch nicht immer über Zen sprechen, um Zen zu praktizieren. Das ist eine Einsicht, zu der ich auch irgendwann gekommen bin.