ZUSAMMEN WACHSEN - Was Teams wirklich erfolgreich macht

Corporate Storyteller Jürgen Krauß für BRANDAD

Brenda Meisel, wie funktioniert intensivmedizinische Rund-um-die-Uhr-Pflege des eigenen Kindes? [6]

Eine Unterhaltung über Delegation, Fehlerkultur und Life-Balance

27.05.2025 54 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wie funktioniert Teamarbeit, wenn es um die intensivmedizinische Rund-um-die-Uhr-Betreuung des eigenen Kindes geht? Wenn wenig Raum für Fehler ist, man aber trotzdem Verantwortung abgeben muss? Das und mehr haben wir mit Werbetexterin, Gründern und Mutter Brenda Meisel besprochen – für Episode 6 von ZUSAMMEN WACHSEN.

Wenn die Gesundheit des eigenen Kinds auf dem Spiel steht, würden sich wahrscheinlich die wenigsten eine „robuste Fehlerkultur“ attestieren. Auch Brenda Meisel musste die erst erlernen: Ihre Tochter kam mit einem Gendefekt auf die Welt und erkrankte später schwer, sodass die heute Achjährige rund um die Uhr intensivmedizinisch betreut werden muss. Was das ganz konkret für Herausforderungen mit sich bringt, und wie Brenda das mit einem 30-Stunden-Job und der Gründung eines Unternehmens unter einen Hut bekommt, das klären wir in Episode 6 von ZUSAMMEN WACHSEN – und reden dabei ganz konkret über Delegation, Life-Balance und Fehlerkultur.

Euer Gastgeber ist Jürgen, verantwortlich für Text, Podcast und anderen Unfug bei BRANDAD – seine Gesprächspartnerin ist Brenda Meisel, Co-Founderin von Plix, Werbetexterin und dreifache Mutter. Zu ihrem Fragebogen geht es hier entlang: https://brandad.dev/images/podcast/zusammen-wachsen/charakterbogen-brenda-meisel.pdf


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ZUSAMMEN WACHSEN ist ein Podcast von Jürgen Krauß für BRANDAD.

Wir glauben, dass wir das mit der Teamarbeit nach mehr als 15 Jahren agiler Softwareentwicklung in Teams ganz gut beherrschen. So gut gar, dass wir unsere Dev-Teams seit einigen Jahren auch an Kunden verleihen. Wir nennen das Teams as a Service – und sind schon auch ein kleines bisschen stolz auf die Ergebnisse, die unsere Teams in Kundenprojekten erzielen.

Trotz großartigen Feedbacks durch unsere Kunden sind wir überzeugt: Es geht auch noch besser. Und: Was heute funktioniert, könnte morgen schon nicht mehr funktionieren. Von daher fragen wir uns, euch und unsere Podgästinnen und -gäste regelmäßig, wie wir und unsere Teams noch weiter zusammen wachsen können. Was können wir von Großfamilien lernen? Was von Einsatztruppen? Was von Staffelläufern, Bands und Impro-Theatergruppen? In diesem Podcast wollen wir es herausfinden.

Folgt uns gerne in den üblichen Podcast-Verzeichnissen, direkt über unseren Feed, unsere Social-Media-Kanäle, oder unsere Webseite. Schreibt uns gerne euer Feedback und eure Themenwünsche an: podcast@brandad.de

Transkript

[Musik] Hi, ich bin Jürgen und ihr hört den BRANDAD Podcast "Zusammen wachsen". Unsere Dienstleistung ist es, hochperformante, cross-funktionale Softwareentwicklungsteams an Kunden zu vermieten, sodass die an Tag 1 in Projekten sofort Gas geben können. Und wir fragen uns regelmäßig, hey, wie können wir eigentlich noch besser zusammenarbeiten? Und dich laden wir gerne ein, uns zu begleiten, wenn wir nach der Antwort auf diese Frage suchen. Also ab komm, lass uns zusammen wachsen. Nein, Moment, das klingt falsch. Lass uns zusammen wachsen. So klingt's richtig. Let's go! [Musik] Für diese Episode habe ich mit Brenda Meisel gesprochen. Ich kenne Brenda nicht, weil sie, wie ich, Werbetexte schreibt. Nein, nicht alle Werbetexte kennen sich untereinander. Sondern ich kenne sie über das Unternehmen Plix, das sie mitgegründet hat. Und dieses Unternehmen richtet sich an Eltern mit pflegebedürftigen Kindern. Was da nämlich ganz oft passiert ist, dass die Familien in einem Wust an analogen Prozessen und Formularen und Papieren fast zu ertrinken drohen. Und Brenda und Isa haben sich das vorgenommen und versuchen da mit Aufklärung, mit Webinaren, aber auch mit einer App das Leben leichter zu machen. Das machen sie natürlich aus einer gewissen Motivation heraus. Sie sind selber betroffen, sie haben selber jeweils ein pflegebedürftiges Kind. Und das ist eigentlich der Part, der mich am meisten interessiert. Ich habe mich nämlich gefragt, was können wir aus einem Haushalt lernen, in dem eine Familie mit teils gesunden, teils pflegebedürftigen und schwer kranken Kindern den Alltag organisieren muss. Da sind noch Pflegekräfte mit an Bord. Das ist ein kompliziertes Konstrukt mit ganz, ganz viel Aufwand. Und ich glaube, da können wir viel über Life Balance, Fehlerkultur und Delegation lernen. Noch mal ganz kurz die Fakten. Brenda hat drei Kinder, sechs, acht und zehn, wobei die zwei Jungs, sechs und zehn, die sind soweit gesund und sie hat eine schwerbehinderte Tochter, die ist acht Jahre alt und die ist zudem auch noch schwer krank. Brendas Tochter muss rund um die Uhr betreut werden. Es gibt im Prinzip die Zusage von der Krankenkasse, dass rund um die Uhr jemand da ist, der sie pflegt. Sonst wäre ein normales Familienleben nebenher und auch wie Brenda ein Arbeitsleben, das auch noch on top kommt, wäre überhaupt nicht möglich, überhaupt nicht denkbar. Trotzdem muss natürlich zu Hause viel organisiert werden. Trotzdem fällt immer mal wieder eine Pflegekraft aus, muss viel auch, müssen die Eltern einspringen, müssen diesen Teil übernehmen. Und so ein klassisches Familienleben, wo man mal spontan alle Kinder einpackt und zum Einkaufen fährt oder sonst was, ist im Prinzip bei Meisles überhaupt nicht möglich. Das sind eine Menge große Herausforderungen, die hier diese Familie zusammen löst. Und wie gesagt, nebenher sind auch noch zwei gesunde Kinder zu betreuen, ein Familienleben aufrecht zu erhalten. Brenda hat einen 30-Stunden-Job als Werbetexterin und hat außerdem noch ein Unternehmen mitgegründet. Also das ist ein ganz schön voller Arbeitstag, aber darüber werden wir jetzt gleich im Detail nochmal sprechen. Viel Spaß! [Musik] Ich würde gerne mal mit einem typischen Tag anfangen. Also viele können sich, glaube ich, ein Leben mit pflegeintensiven Kindern gar nicht vorstellen. Kannst du uns einmal so durch einen typischen Tag in deinem Leben nehmen? Ja, sehr gerne. Wir fangen mal mit einem idealen Tag an. Das heißt, ich hätte Nachtdienst gehabt. Das heißt, es wäre eine Pflegekraft da gewesen, die morgens um halb sieben eigenständig Übergabe mit dem Tagdienst macht. Da wäre, das hieße, ich könnte morgens aufstehen, könnte mich für Arbeit fertig machen, die Geschwisterkinder fertig machen und würde um kurz nach sieben das Haus verlassen und hätte mit Pflege eigentlich gar nicht viele Handgriffe. Das wäre ideal. In der Regel ist es allerdings so, dass irgendeiner der Dienste ausfällt. Das heißt, wenn wir keinen Nachtdienst da haben, mache ich den Nachtdienst bei uns zu Hause. Das heißt, ich habe ein Babyphone neben meinem Bett stehen und weil unsere Tochter Monitor versorgt ist, also dass wir halt immer die Vitalwerte im Blick haben. Ja, dann habe ich Nachtdienst, mein Wecker klingelt um viertel nach fünf und dann mache ich unsere Tochter für die Schule fertig. Das dauert dann so bis sechs Uhr dreißig ungefähr und dann kommt der Tagdienst und übernimmt. Das heißt, ich stehe auf und versorge unsere Tochter erstmal im Schlafanzug, mache alles, was vor der Schule gemacht werden muss. Inhalationen und was so an Behandlungspflege eben anfällt bei so einem schwerbehinderten Kind. Ja, und dann habe ich eigentlich so gute neunzig Minuten bin ich schon gerannt, bis das mein eigentlicher "Ich stehe auf, mache mich fertig, mache die Geschwisterkinder fertig"-Tag, bis der startet. Okay, aber du hast quasi rund um die Uhr Unterstützung mittlerweile. Das war aber nicht immer so. Ja, theoretisch hätten wir die Unterstützung. Also die Krankenkasse hat gesagt, die Unterstützung steht uns zu. Aber wir finden natürlich nicht genug Pflegepersonal. Also, tja. Die klassische Challenge heutzutage. Das heißt, ihr habt da, wie schlimm ist denn die Situation? Oder kannst du das noch ein bisschen beschreiben? Das kann man sich, glaube ich, auch von außen gar nicht so richtig vorstellen. Also eigentlich bräuchten wir 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche eine Pflegekraft bei uns zu Hause. Weil unsere Tochter ist, das nennt sich außerklinische Intensivpflege. Also du kannst dir vorstellen, wir haben eine Intensivstation zu Hause. Wir haben Sauerstoff, wir haben Absauggeräte, wir haben Notfallmedikamente. Wir haben sowieso einen Riesenschwung an Medikamenten, die über den Tag gegeben werden müssen. Unsere Tochter braucht im Prinzip rund um die Uhr eine intensivmedizinische Betreuung. Kannst du dich erinnern, vielleicht mal so in deine Vergangenheit geblickt, an den Moment, als dir klar geworden ist, dass euer Familienleben vielleicht nicht so verlaufen wird wie bei anderen Familien. Also diesen ersten Moment. Kannst du dich da noch dran erinnern und mir sagen, wie es dir da ging? Glücklicherweise gab es diesen einen Moment bei mir gar nicht. Das kam alles schleichend. Und das ist rückblickend betrachtet auch ganz gut. Wenn mir vor acht Jahren nach der Geburt unserer Tochter jemand gesagt hätte, wie unser Leben aussehen würde, hätte ich das wahrscheinlich nicht so gut weggesteckt, wie wenn ich diese ganzen Erfahrungen im Laufe der Jahre gemacht habe. Unsere Tochter war nicht immer intensivmedizinisch. Sie ist zwar mit einem Gendefekt auf die Welt gekommen. Das heißt, es war klar, unsere Tochter wird sich nicht entwickeln wie gesunde Kinder. Aber das, was dann darauf folgte, wir müssen an dieser Stelle unterscheiden zwischen Behinderung und Krankheit. Unsere Tochter ist zwar schwer behindert, aber das, was im Alltag für Pflegekräfte und so was spricht, ist, dass unsere Tochter zusätzlich auch noch schwer krank ist. Und da sind wir die Jahre über so reingewachsen, weil einfach immer mehr Diagnosen dazukamen. Und wenn ich mich zurückerinnere an die ersten Tage, wir haben auf Intensivstation gestartet nach der Geburt. Das heißt, wir sind direkt ohne Vorbereitung in dieses neue Leben reingeschubst worden. Da konnte ich damals noch überhaupt nicht überblicken, was wir heute alles machen müssen und was wir schaffen können. Da wächst man mit seinen Aufgaben. Da stellt man mal fest, wie viel und wie schnell man eigentlich überhaupt in der Lage ist zu wachsen, oder? Genau, genau. Also das ist, ich tue mich immer ganz schwer mit der Formulierung, daran zu wachsen. Natürlich, ich bin auf jeden Fall gewachsen. Mein Sohn auch, wir als Familie. Das klingt immer so romantisch und ist so eine schöne Erzählung. Aber letztendlich hatten wir halt auch keine andere Wahl. Also wir mussten ja wachsen. Wir hätten unsere Tochter, sie könnte nicht bei uns zu Hause wohnen, wenn wir nicht weitergewachsen wären und gesagt hätten, okay, wir werden jetzt plötzlich Mediziner*innen, wir werden Pflegekräfte, wir werden Sekretär*innen, wir werden Anwälte für unsere Tochter. Wir mussten ganz viele Rollen auf einmal einnehmen, weil in der Theorie, also viele, die jetzt mit Behinderung oder mit Pflegebedürftigkeit so nichts zu tun haben, die wissen vielleicht gar nicht, dass es ganz viele Hilfsmöglichkeiten gibt, aber diese Hilfe tatsächlich zu bekommen, dass die bei einem zu Hause ankommt, das ist ein ganz, ganz langer, steiniger Weg mit ganz vielen Hürden. Das geht jetzt schon ein bisschen in die Richtung, über die wir uns jetzt ja auch hier zusammengefunden haben. Du hast dann irgendwann daraus ein Unternehmen gegründet oder mitgegründet. Was war denn da ganz konkret der Auslöser für die Gründung von Plix und was ist da so dein Antrieb? Also ich bin zum Projekt, damals war es für mich erstmal ein Projekt, bin ich dazu gekommen. Isa ist eigentlich diejenige, die losgegangen ist. Also Isa hat auch eine schwerbehinderte Tochter und wir haben uns über Instagram kennengelernt. Also ich bin auf Isa aufmerksam geworden. Isa hat ganz viel Content gemacht, was es für Hürden im Alltag von pflegenden Eltern gibt und dass wir das doch digital lösen können müssen, zumindest das, was wir lösen können. Also Beispiel Steuererklärung. Wer macht heute seine Steuererklärung noch ohne eine Software? Kann man sich nicht vorstellen. Aber wenn man im Pflegebereich ist, läuft gefühlt alles auf Papier. Da gibt es keinen digitalen Raum. Und ja, dann bin ich auf Isa aufmerksam geworden und dann habe ich einfach so lapidar gesagt, hier pass auf, ich bin Texterin. Wenn du jemanden brauchst, der sich der Kommunikation annimmt, der Texte schreibt, ich mache das gerne pro bono für euch. Ja und da haben sich dann die Ereignisse innerhalb von wenigen Wochen überschlagen und dann war ganz klar, okay, ich möchte gar nicht nur als Externe mit da rein und ein bisschen Kommunikation machen, sondern dieses Projekt ist nicht nur ein Projekt, sondern daraus müssen wir ein Unternehmen machen, daraus müssen wir weiterdenken, darum müssen wir Lösungen finden, die bei pflegenden Eltern, also Eltern von pflegebedürftigen Kindern, im Alltag wirklich ankommt. Bei Beratungsstellen und so was, das gibt es alles, aber die kommt bei den Familien nicht an, weil die Familien in der Regel gar keine Kapazität haben, sich diese ganzen Informationen selbstständig zu suchen. Und dann dieses Handling. Also du musst dir vorstellen, am Tag, wir haben ganz, ganz viele Ansprechpersonen rund um Pflege, sei das Förderung, sei das die Krankenkasse, sei das die Eingliederungshilfe und mit denen müssen wir immer wieder interagieren. Und von denen bekommen wir ganz viele Informationen zugespielt, die müssen verarbeitet werden und Eltern kommen plötzlich in die Rolle einer Führungskraft eines Unternehmens und das können Eltern nicht leisten. Und deswegen haben wir gesagt, müssen wir Lösungen finden, die das für Eltern niedrigschwellig möglich machen, sodass sie im Alltag wieder Zeit für Quality Time, ist so ein abgenutzter Begriff, aber genau darum geht es, die ganzen To-dos, die pflegende Eltern erledigen müssen, die wir digital für sie abnehmen können, dass wir dadurch Zeiträume schaffen, damit es so was wie ein Familienleben neben der Pflege wiedergibt. Freizeit, das ist auch so das große Versprechen, wenn man auf die Webseite von BliX geht, dass man sich einfach dadurch Freiraum erschafft. Ist das so das wichtigste Gut in deinem Leben? In meinem Leben auf jeden Fall. Also es ist auch das knappeste Gut. Ich würde gar nicht mal nur sagen Freizeit, sondern generell Zeit. Zeit zu haben, ist mit einem pflegebedürftigen Kind, Zeit für sich selber zu haben, Zeit für die Familie, für das Kind zu haben, ganz losgelöst von diesem organisatorischen und pflegerischen Aufwand, den man hat. Das haben die wenigsten Familien. Und jetzt habe ich auch noch ein Kind, was palliativ erkrankt ist. Das heißt, wir sind in der Palliativversorgung. Da bekommt Zeit nochmal eine ganz andere Komponente im Leben. Also ich stelle fest, wir haben so viel Zeitverschwendung, wenn es um organisatorische Dinge geht. Wir arbeiten viel mit Behörden zusammen, müssen wir als Eltern. Und ich glaube, wir wissen alle, wie Behörden so arbeiten. Das sind lange Wege. Das sind ganz viele Prozesse, die einfach ganz, ganz lange dauern. Und diese Zeit, die können wir viel, viel sinnvoller nutzen. Die können wir für uns nutzen. Also ich bin absolut geflasht davon. Also ich bin selbst chronischer Schmerzpatient und ich ärgere mich manchmal über die Zeit, die ich in Wartezimmern, die ich mit Anträgen, die ich mit Sachen verbringe. Und das ist ja aber nur ein Bruchteil von dem, was ich mir vorstelle, dass ihr aufwenden müsst. Also man sagt immer so leicht, es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Was braucht man denn, um ein Kind wie deine Tochter mit großem Pflegeaufwand, um das wirklich optimal und bedürfnisgerecht betreuen zu können? Was braucht man da alles? Gibt es eine Liste? Kannst du das mal so darlegen? Was ist da medizinisch, organisatorisch, behördlich? Was es da so alles braucht? Um bei deinem Dorfbild zu bleiben, würde ich sagen, wir brauchen eine Stadt mit ganz vielen Menschen, die mitdenken und die mittragen und die proaktiv handeln. Das Problem ist, selbst nahestehende Personen, also selbst Familienangehörige, die ganz nah in unserem Leben drin sind, die betrachten trotzdem die Situation immer nur von außen und die können nicht nachvollziehen, warum viele Sachen für uns nicht möglich sind. Also bei unserer Tochter, es ist zum Beispiel nicht einfach so möglich, sich mit unserer Tochter ins Auto zu setzen und zu sagen, ich mache jetzt mal schnell einen Wocheneinkauf, weil seit einer Woche keiner mehr einkaufen kann und der Kühlschrank leer ist. Das geht nicht. Das muss geplant sein. Und dann muss da auch ganz, ganz viel mit. Also bei unserer Tochter eben solche Sachen wie Sauerstoff, Absauge und so was. Bei anderen Kindern, die nicht so einen hohen medizinischen Bedarf haben wie unsere Tochter, können das ganz andere Problemstellungen sein. Also Pflege ist so ein ganz, ganz, ganz individuelles Thema. Und wir pflegenden Eltern sind massiv darauf angewiesen, dass alle Menschen um uns rum uns einfach glauben, dass bestimmte Situationen nicht zu händeln sind. Also dass man uns auch ganz oft mit diesen klassischen Tipps und dieses, du musst dir auch mal Zeit für dich nehmen, du brauchst auch mal eine Pause, das habe ich in den letzten acht Jahren bestimmt im fünfstelligen Bereich gehört, dass Menschen das zu mir gesagt haben. Aber diese Menschen gehen nie einen Schritt weiter. Die geben immer den Tipp, aber die bieten nie die Lösung, wie ich das denn umsetze. Ja, also da docke ich sehr gut an mit so Tipps von außen. Was macht das mit dir, wenn Leute von außen mal kurz drauf blicken und dann mit so einem schnell ausgesprochenen Tipp, der meistens halt da ist, damit die sich besser fühlen? Aber was macht das mit dir, wenn du so was hörst? Mittlerweile kann ich das weglächeln, das prallt an mir ab. Ich sage mal, ich bin zu Teflon geworden in den letzten Jahren, aber das ist natürlich übertrieben. Also das macht schon was mit einem. Es kommt immer darauf an, wer das sagt. Wenn das wirklich nahestehende Personen sind, dann kommt bei mir auch ein Unverständnis hoch, wo ich dann sage, ja, aber du kennst doch unsere Situation. Du müsstest doch jetzt eigentlich das größte Verständnis haben, warum ich das und das nicht leisten kann, warum ich das nicht machen kann. Und dann ist es natürlich auch, also das war in den ersten Jahren so, als ich habe fünf Jahre unsere Tochter Vollzeit gepflegt. Das heißt, ich war nicht berufstätig. Ich war zu Hause oder in der Klinik mit unserer Tochter. Und da hat das dazu geführt, dass ich dann auch einfach sehr isoliert gelebt habe. Weil irgendwann willst du halt die Tipps auch nicht mehr hören. Dann ziehst du dich halt auch selber zurück, weil du kannst das alles nicht umsetzen. Du kannst gar nicht so handeln, wie die Außenstehenden meinen, du müsstest das jetzt tun. Und dann bist du halt ganz schnell verloren, bist du ganz schnell einsam. Also Einsamkeit ist ein ganz großes Thema bei Eltern von pflegebedürftigen Kindern oder kann ein ganz großes Thema sein. Einer der größten Irrglauben ist ja, dass wir unseren Kindern etwas übers Leben beibringen. Eigentlich, finde ich, ist es meistens genau andersrum. Was haben dir deine Kinder, und da darfst du gerne auch deine anderen, du hast ja mehr Kinder, gerne alle miteinbeziehen, was haben die dir übers Leben beigebracht? Also ja, da stimme ich mit dir völlig überein. Ich habe gelernt durch meine Kinder. Ich habe einen großen Sohn, der zehn ist, und einen kleinen Sohn, der sechs ist. Alle drei haben mir gezeigt, dass das Wichtigste, was ich tun kann, ist, immer wieder mich selber auch zu hinterfragen, meine Sicht auf die Welt zu hinterfragen, meine Perspektive zu hinterfragen, lernen. Und das, was die Kinder sagen, wie die die Welt sehen, in ihrem völlig unbelasteten Blick auf das Leben, dass ich mir da ein ganz großes Stück abschneiden kann. Gerade auch im Thema Inklusion, wie gehen wir mit Menschen um, wie gehen wir miteinander um. Kinder sind da so völlig losgelöst von irgendwelchen Glaubenssätzen, die wir als Erwachsene ja alle irgendwie Interesse haben. Die haben wir uns alle antrainiert. Und sich damit auseinanderzusetzen und den Kindern auch zugestehen, dass sie eine Meinung haben, die mit mir auf Augenhöhe ist. Also wo es eher darum geht, sich als Erwachsener oder als Elternteil zu hinterfragen, kann ich das nicht vielleicht doch anders machen, haben die Kinder jetzt vielleicht Recht in dem, wie sie handeln würden. Also das habe ich von meinen Kindern, von allen dreien, gelernt in den letzten Jahren. Das ist ein super schöner Gedanke, weil man ja oft so im Reflex dann so sagt, nee, das ist jetzt nicht so und ich erkläre dir das jetzt. Und so ist es, wenn man aber mal pausiert und mal nachdenkt, warum Kinder gerade zu irgendeinem Schluss kommen. Dann merkt man, dass man vielleicht die Welt gar nicht so wahrnimmt und gar nicht so offen ist, wie man immer denkt, dass man ist. Also das finde ich einen ganz spannenden Punkt. Du hast gerade schon gesagt, es ist super wichtig für dich, dass du als Person auch irgendwie eine Rolle spielst, dass du Zeit für dich hast, dass du auch dich verwirklichen kannst. Und das kann ich absolut verstehen. Wie schaffst du da, daraus eine Teamarbeit zu entwickeln? Oder macht dich das zu einem besseren Teamplayer, wenn du, genauso wie du in einem Team agierst, auch immer wieder dich als Person hinterfragst und wahrnimmst und rausnimmst? Auf jeden Fall. Also ich arbeite sowohl zu Hause, wir sind ja da im Prinzip eigentlich die Arbeitgeber unserer Pflegekräfte. Das ist jetzt nochmal ein bisschen andere Ebene, als wenn ich jetzt hier in meiner Erwerbsarbeit in einem Projektteam arbeite. Da sind wir von der Hierarchie eigentlich eher alle auf einer Ebene. Solange ich mit mir selber fein bin und das schaffe mir, die Arbeits- und Privatumgebung so zu gestalten, dass ich morgens glücklich hier auf die Arbeit komme und dann auch nachmittags wieder glücklich nach Hause gehen kann. Natürlich nicht jeden Tag, wissen wir alle. Es gibt Tage, die sind einfach, die gehören dann auch in die Tonne. Aber so generell, dass man so eine positive Grundhaltung haben kann, das kommt von mir von innen heraus. Also es ist natürlich Arbeit. Die Umgebung muss für mich passen. Ich habe allerdings auch als pflegendes Elternteil bringe ich schon so einen Riesenball an Sorgen mit, dass es für mich nicht möglich wäre, zum Beispiel in einer Arbeitsumgebung zu arbeiten, wo es kein Miteinander gibt. Also ich sage mal, ich habe mein Krisenpotenzial. Das habe ich ausgeschöpft in den letzten Jahren. Das glaube ich ja. Ich stelle mir vor, dass man in egal welchem Team-Kontext du jetzt unterwegs bist, du bist ja in ganz vielen Team-Kontexten, zu Hause, mit den Pflegekräften, im Gespann mit Betreuungspersonal, aber auch in der Arbeit, die du tust. Wie kann man da Teams bauen, wo Teile auch mal ausfallen können? Weil du ja, du brauchst ja eine große Flexibilität. Wie kann man ein Team bauen, wo mal was wegbricht, ohne dass sofort alles in sich zusammenfällt? Hast du da Tipps? Hast du da Erfahrung? Ganz großes Stichwort ist Verantwortung. Also Verantwortung und ein Verantwortungsgefühl im Team etablieren und Verantwortung auch teilen. Wenn nur eine Person die Verantwortung für alles hat und diese Person wegbricht, dann sind die anderen wissen nicht, was sie tun können oder was sie tun müssen oder was sie tun sollen, weil sie sich bis dato nie verantwortlich zum Beispiel für irgendeine Aufgabe gefühlt haben und dann auch gar nicht wissen, wie sie mit dieser Aufgabe umzugehen haben. Das heißt, wir haben gerade jetzt zu Hause, also auch zum Beispiel mein Mann, wenn ich ausfallen würde, kann der die Pflege unserer Tochter genauso übernehmen, wie ich das könnte. Und das war nicht immer so. Also es war eine Entwicklung, als ich wieder angefangen habe zu arbeiten und nicht mehr Vollzeit zu Hause war, war klar, wir müssen hier ganz strikt, also Verantwortung teilen, aber übergreifend teilen. Also dass zwar klar ist, jeder hat so sein Ding im Alltag, worum er sich eigentlich zu kümmern hat, aber alles muss so gut dokumentiert und abgelegt sein, sodass jeder auf Informationen zum Beispiel Zugriff hat. Weil es kann schon daran scheitern, wenn eine Medikamentenbestellung gemacht werden muss und ich würde ausfallen und es würde im Team überhaupt niemand wissen, was für Medikamente unsere Tochter nehmen würde, dann würden die da stehen. Dann könnten die, wären die handlungsunfähig. Also ich versuche das gerade mir vorzustellen, weil in meinem Familienleben hat sich das so ganz natürlich ergeben, dass man sich die Arbeit ja aufteilt, aber nicht so 50/50 und nicht, dass jeder alles kann, sondern jeder macht halt das, wo er selber seine persönlichen Stärken auch hat. Wie kann man das schaffen, dass man sich das so baut, wie du es gerade beschreibst, also dass man wirklich auch ausfallen kann und in Themen reinspringen, denen man sich üblicherweise vielleicht gar nicht so gut auskennt oder gar nicht aufhält? Kontinuierlicher Austausch immer wieder, auch über Banalitäten. Also mein Mann und ich halten im Prinzip Meetings abends auf der Couch ab, wo wir zum Beispiel hatten wir gerade eine Einarbeitung, wo wir dann rückblickend einfach nochmal besprochen haben, okay, was hätten wir denn eigentlich noch besser vorbereiten müssen für die Einarbeitung? Wir haben zum Beispiel noch überhaupt keine Übersicht, wo wir uns gegenzeichnen lassen, dass wir die und die Einweisung an dem und dem Gerät gemacht haben. Das müssen wir eigentlich machen, gar nicht mal, um hinterher nachweisen zu können und zu sagen, du, du, du, wenn jetzt ein Fehler passiert wäre, wir haben dich aber eingewiesen, darum geht es gar nicht, sondern um den Überblick selber zu behalten, was haben wir denn jetzt schon an Informationen weitergegeben? Wir müssen ganz, ganz viel dokumentieren, das ist dann manchmal schon so ein bisschen, hat das so einen Bürokratie-Flair. Das müssen wir aber machen, weil mein Mann und ich, wir können nicht alles im Kopf haben und manchmal ist es auch so, dass Themen dann einfach im Kopf sind und wir vergessen, die untereinander anzusprechen. Und dann ist eine Information einfach nicht weitergegeben worden. Und das ist ja nicht nur Sachen, die die Pflege unserer Tochter betreffen, das kann so Banalitäten sein, wie zum Beispiel auch der Elternabend im Kindergarten, da muss ja auch irgendjemand hingehen. Also es vermischt sich bei uns thematisch. Ja, das darf man natürlich nicht vergessen, dass nebenher auch noch ein normales Familienleben organisiert werden muss, das für viele ja auch schon fast eine Überforderung manchmal auslöst, ohne dass da jetzt noch was on top kommt. Ich stelle mir auch vor, dass bei euch so insgesamt im System wenig Toleranz für Fehler eigentlich sein muss. Wie geht ihr mit sowas um? Wie passieren Fehler? Wie kritisch ist das, wenn mal was schief geht, wenn mal jemand eine Information nicht hat? Und wie geht ihr damit um? Fehler passieren, die passieren auch bei uns, auch im medizinischen Kontext. Das lässt sich überhaupt nicht vermeiden. Also wir arbeiten vor, indem wir bei bestimmten Bereichen, mein Mann und ich uns vorher schon überlegen, wo sind potenzielle Fehler. Und wenn wir potenzielle Fehler erkannt haben, dann schon dagegen zu arbeiten. Also wenn wir zum Beispiel wissen, das ist ein ganz banales Beispiel, wir haben ein Inhalationsgerät, was mit Akku funktioniert. Da sind Akkubatterien drin. Jetzt hat dieses Inhalationsgerät aber auch einen Stecker, dass man das an Strom anschließen kann, aber dann müssten die Akkus halt raus. Also muss die logische Konsequenz sein, wir müssen die Pflegekräfte irgendwie daran hindern können, im Vorfeld, dass irgendjemand in einer stressigen, unbedachten Situation dieses Inhalationsgerät mit den Akkus drin an die Steckdose anschließt. Dann haben wir das eben hinten großflächig überklebt, sodass man da gar keinen Stecker für den Strom reinmachen kann und haben noch großes Warnsignal mit, wir haben ein Etikettiergerät, das ist ein ganz wichtiger Baustein in unserem Alltag. Es ist alles etikettiert. Ja und dann passiert es aber dann trotzdem, dass es an Strom kommt und dann ist das so und dann müssen wir im Team darüber sprechen und müssen erklären. Also wir müssen immer ganz, ganz, ganz viel erklären. Das finde ich auch wichtig, weil Fehler können wir vermeiden, wenn wir den Hintergrund, also den Gesamtkontext dann eben auch verstehen, auch bei so Banalitäten. Sonst macht man sich im Alltag, im Arbeitsalltag nicht immer Gedanken darüber. Wenn ich jetzt nur Anweisungen geben würde, die jeder einfach nach Anweisungen befolgen würde und müsste nicht mitdenken, dann passieren Fehler. Also das ist zum Beispiel bei Medikamentengaben von Antibiosen so. Wir haben Antibiosen und manchmal sind die nicht lieferbar und dann sind die nur in einer anderen Milligramm, in einer anderen Zusammensetzung lieferbar. Wenn unsere Pflegekräfte jetzt wüssten, sie müssten immer fünf Milliliter davon geben und plötzlich habe ich dasselbe Medikament in einer anderen Zusammensetzung und habe mit fünf Milliliter die doppelte Dosis, dann hätten wir ein ganz großes Problem. Deswegen haben wir zum Beispiel die Regel, dass Medikamente bei uns nur gestellt werden dürfen, wenn der Medikamentenplan daneben liegt. Und dann ist da extra markiert, wie viel Milligramm da drinne sind. Und wenn wir ein Medikament von einem neuen Hersteller haben, weil was nicht lieferbar ist, dann wird da ein pinkes Post-It dran geklebt und das bleibt so lange da dran kleben, damit einfach als Signal, als optisches Signal, damit die wissen, okay, irgendwas stimmt mit diesem Medikament jetzt hier nicht. Also irgendwas ist anders als sonst. Obacht! Damit im stressigen Alltag, was auch für die Pflegekräfte bei uns teilweise sehr stressig sein kann, wenn es um Schule geht und sie müssen los und man hat noch vielleicht einen Physiotermin, dass in der Hektik keine Fehler passieren. Ja, du hast jetzt gerade schon gesagt, mit viel Erklären und viel System, das ihr euch erarbeitet habt, arbeitet ihr da. Aber ich stelle mir vor, dass bis man mal an den Punkt kommt oder wahrscheinlich auch jetzt im täglichen Doing, braucht es da auch viel Feedback und Kritik. Wie schafft ihr es, mit kritischen Aspekten kommunikativ umzugehen, vor allem wenn in so einem Kontext wie euren, steht man ja den anderen, ich mache jetzt Anführungszeichen Teammitgliedern, steht man ja sehr nahe, persönlich wahrscheinlich. Wie kannst du da Kritik transportieren, sodass es konstruktiv bleibt? Ich kann ruhig bleiben. Also ich fahre in der Regel nicht aus der Haut, das finde ich ganz, ganz wichtig, dass wir auf einer Ebene bleiben, dass erstmal keine Vorwürfe gemacht werden. Also dass wir erstmal versuchen, überhaupt den Grund für den Fehler zu finden und dann wirklich konsequent auch Kleinigkeiten ansprechen. Weil so Kleinigkeiten können halt dann einfach so ein Rattenschwanz hinter sich herziehen und wenn das dann immer falsch gemacht wird, dann, und manchmal merken wir das auch nicht, also es kann auch sein, dass zum Beispiel zu einer falschen Uhrzeit einfach eine bestimmte Inhalation gegeben wurde und das erfahren wir dann halt erst Tage oder Wochen später, dann müssen wir mit der Pflegekraft, die es betrifft, einfach darüber sprechen und fragen, wie konnte das jetzt passieren, weil wenn wir dann wissen, wie es passieren konnte, können wir halt im Vorfeld schon gegenwirken. Das setzt natürlich voraus und da haben wir halt auch das Glück, das muss ich an der Stelle jetzt einfach mal sagen, die Pflegekräfte, die wir haben, die sind toll, die sind teilweise seit Jahren bei uns in der Familie, die haben diverse Pflegedienste gewechselt mit uns, bis dass sie jetzt letztendlich von uns selber angestellt wurden. Wir haben ein Team, wo alle offen miteinander sprechen können. Also wie habt ihr da, also gab es da mal Situationen, wo du sagst, hey, das war mal vielleicht auch heikel oder, also wenn du die teilen magst, wenn nicht, kann ich das natürlich auch verstehen, aber das finde ich einen ganz spannenden Punkt, dass man sich in so einer Beziehung entwickeln kann. Es gibt ja immer irgendwo mal Stolpersteine und das sind die Stellen, an denen man oft das meiste lernt. Jetzt ist es aber in dem Unternehmen so, dass dann, okay, da verbrennt man vielleicht mal Zeit oder Geld, aber also bei euch ist die Fallhöhe ja eine ganz andere. Gab es da mal Situationen, wo du gesagt hast, boah, das hätte jetzt auch richtig schief gehen können oder das war mal knapp oder gab es so was? Ja, mehrfach. Allerdings ist diese Pflegekraft dann auch tatsächlich nicht mehr in unserem Haushalt. Also wir hatten einmal mehrfach die Situation, dass falsche Medikamente gegeben wurden, trotz ruhiger Ansprache und Gespräch danach, das dann halt wiederholt passiert ist und dann aber auch immer versucht wurde zu vertuschen und das ist was, das geht halt gar nicht. Also Fehler können passieren, aber wenn ein Fehler passiert, muss darüber gesprochen werden und vertuschen geht bei unserer Tochter nicht, weil die Medikamente, die sie bekommt, natürlich auch wirklich schwerwiegende Nebenwirkungen haben können. Also es kann wirklich ernsthaft gefährlich werden und das ist auch der Grund, warum wir jetzt im persönlichen Budget sind, also warum wir unsere Pflegekräfte selber angestellt haben, dass wir von dem letzten Pflegedienst, von dem wir versorgt wurden, Pflegepersonal zu uns kam, was die fachliche Qualifikation nicht hatte, was sie sich aber auch nicht anlernen ließe. Das heißt, dann hatten wir Situationen, wo unsere Tochter Atemnot hatte und wenn dann eine Pflegekraft da steht, die eine Absauge nicht bedienen kann und wir sind in der Intensivpflege, also dann ist das das Bare Minimum an fachlicher Expertise, dann hilft uns auch eine offene, zugewandte Fehlerkultur nicht. Wenn die Menschen nicht einsichtig sind, dann muss man in letzter Konsequenz sagen, du musst unseren Haushalt verlassen und das haben mein Mann und ich in den letzten Monaten gemerkt und das haben wir auch daraus mitgenommen. Wir haben uns viel zu lange viel zu viel gefallen lassen. Also wir haben, weil wir ja in so einem Abhängigkeitsverhältnis sind, also wir sind ja darauf angewiesen, dass wir Pflegekräfte im Haushalt haben und dann ist natürlich auch einfach nochmal die Sorge, wenn ich denn jetzt irgendwie Kritik äußere, was ist denn, wenn die ihre Sachen packt und geht, weil Pflegekräfte, die finden überall einen Job. >> GUIDO SCHERP: Stell ich mir auch gerade super schwer vor, weil du vorhin schon gesagt hast, es ist so wichtig, Verantwortung auch abgeben zu können. Wie kann man nach solchen Situationen sich da wieder hinarbeiten, dass man, dass man Verantwortung abgeben kann, dass man Vertrauen, Vertrauen hat in neue Pflegekräfte? Wie schafft man das? >> NICOLE CLASEN: Also wir haben dadurch, dass wir so ein gutes Einarbeitungssystem haben und alle so nah beieinander sind und ich eine richtig, richtig tolle Teamleitung in meinem Team habe, habe ich da gar nicht so die Probleme, Verantwortung abzugeben. Hatte ich allerdings auch früher nie. Also ich war nicht, ich war jetzt nicht die Mutter, die jetzt schweren Herzens das Haus verlassen hat und wieder arbeiten gegangen ist. Das habe ich für mich, das entspricht einfach meinem Naturell, dass ich Verantwortung gut abgeben kann. Ich gebe den Menschen immer einen Vertrauensvorschuss. Die bekommen immer den Vertrauensvorschuss. Die müssen, wir fangen nicht so an, wie die müssen sich jetzt erstmal beweisen und ob das alles so klappt, sondern ich gehe erstmal davon aus, dass die ihre Arbeit gut machen, dass die in die Familie passen, dass wir eine Ebene der Kommunikation miteinander finden. Und das kann ja auch ganz unterschiedlich sein. Wir haben eine Pflegekraft gehabt, die war für unsere Geschwisterkinder die Ersatzoma und die war so lange bei uns. Die war ganz nah an uns dran, was ja auch eigentlich kein typisches Verhältnis eigentlich so auf der Arbeitsebene ist. Und dann hat man Pflegekräfte, die sind halt distanzierter. Wir sind zwar alle zum Beispiel per Du, das ist mir auch wichtig. Ich fände das ganz komisch, wenn ich in meinem Haushalt jemanden sitzen würde. Aber da muss man so einen Weg finden, wie man damit umgehen kann. Wir haben jetzt schon sehr viel über dich und deine Familie geredet, einfach weil ich da super neugierig bin. Aber natürlich geht es mir auch um deine Rolle als Unternehmerin. Was nimmst du mit aus deiner Familiensituation und macht dich das zu einer besseren Führungsperson auch in einem Unternehmen? Ich bin krisensicher, das ist übertrieben, aber ich kann sehr, sehr gut mit Ausnahmesituationen umgehen und kann switchen. Also kann sagen, ich kann schnell Entscheidungen treffen. Ich glaube, das ist in ganz vielen Unternehmen und je mehr Ebenen es in einem Unternehmen gibt, wird das zu einem Problem, dass Entscheidungswege so lang sind. Und das können wir bei Plix sehr, sehr gut. Wir können gut schnelle Entscheidungen treffen und wir haben einen Blick füreinander. Also bei uns im Unternehmen müssen wir nicht erklären, warum jetzt gerade was nicht geht. Warum die Situation jetzt zu Hause so ist, dass ich an dem Montagabend um 20.30 Uhr leider nicht an dem Call teilnehmen kann. Wir müssen uns nicht erklären, weil wir uns eben gegenseitig auch den Vertrauensvorschuss geben. Und sagen, keiner würde die Situation jetzt ausnutzen, weil er jetzt einfach keinen Bock hat. Und selbst das ist ja an manchen Tagen vielleicht auch einfach legitim zu sagen, ich habe heute keine Kapazitäten. Und jetzt bin ich natürlich bei Plix nicht in der Rolle einer Führungsperson, weil wir natürlich, Isa und ich als Gründerinnen zusammen agieren und jeder hat so seinen Kompetenzbereich und wir arbeiten miteinander. Es ist auf einer Augenhöhe. Das ist bei uns im Pflegeteam dann ein bisschen anders, weil da bin ich, da habe ich zwar eine Teamleitung, aber da bin ich dann doch diejenige, die letztendlich alles führen muss, die gucken muss, dass das funktioniert. Da haben diese Jahre der Pflege, die mit vielen Ausnahmesituationen gespickt sind. Also muss man sich vorstellen, die ersten drei Jahre unserer Tochter habe ich sechs Monate in Summe auf Station gelebt mit unserer Tochter. Das ist ein Ausnahmezustand, der auch nie wirklich aufhört. Unsere Tochter hat immer wieder Notfälle, auch im Alltag. Das heißt, ich stehe morgens auf und ich weiß nicht, wie der Tag verläuft. Und wenn man nicht so ein Mindestmaß an Resilienz hat, und ich glaube, ich bin einfach ein ganz sehr resilienter Mensch, dass ich auch, wenn Situationen nicht gut laufen, wenn was richtig blöd ist, dann nicht zu sagen, ich schmeiße jetzt die Flinte ins Korn und das ist jetzt alles, ich gebe jetzt auf. Das ist keine Option. Wir machen weiter. Und da ist Isa von ihrer Persönlichkeit her eben genauso. Und so sind wir an Plex auch rangegangen. Dass man einfach sagt, es ist sowieso immer ein kontinuierlicher Lernprozess, egal ob wir zu Hause sind oder im Unternehmen. Nur dass wir bei Plex nicht dieses typische, was wir sonst aus der Arbeitswelt halt ganz häufig haben, so dieses, ja, wir haben eine strikte Trennung zwischen privat und geschäftlich. Das haben wir bei Plex natürlich nicht, weil wir uns ja auch im privaten Kontext kennengelernt haben. Auch muss ich dazu sagen, wir waren ja vorher nicht befreundet. Also es ist jetzt nicht so, dass zwei Freundinnen sich jetzt entschieden haben, ein Unternehmen zu gründen, sondern Isa und ich haben gegründet, bevor wir uns das erste Mal live gesehen haben. Wir kannten uns nur digital über den Bildschirm. Würdest du sagen, ihr seid jetzt befreundet mittlerweile? Ja, ja, ja. Also es gibt, glaube ich, keinen Menschen, mit dem ich über den Tag verteilt so konsequent kommuniziere wie mit Isa. Und auf allen möglichen Kanälen. Du bist aber auch noch in einem anderen Job unterwegs, richtig? Genau, ich bin Werbetexterin in einer Kreativagentur. Also das ist ja ein unglaublicher Spagat und ein Wandel zwischen unterschiedlichen Welten. Wie ist denn die Arbeitswelt in deinem Angestellten-Dasein? Da haben wir jetzt gar noch nicht so ausführlich drüber geredet. Wie bist du da? Bist du da der gleiche Mensch oder ziehst du dich da bewusst zurück, weil du mal nicht die ganze Verantwortung vielleicht tragen musst? Nee, ich glaube, das Verantwortung-Abgeben-Ding nehme ich auch mit in meine Erwerbsarbeit. Das muss ich leider so sagen. Ich glaube, dieses sich für alles verantwortlich fühlen, das habe ich mir fleißig antrainiert in den letzten acht Jahren. Aber ich arbeite in einer Agentur, wo ich einen Arbeitgeber habe, der, ich sage immer, das Paradebeispiel ist dafür, wie schaffe ich es, einen Arbeitsplatz zu konzipieren, dass Eltern mit pflegebedürftigen Kindern hier auch wirklich arbeiten können. Also wir sind im konsequenten Austausch miteinander, schauen immer, wie müssen wir jetzt den Tag gestalten, dass das für mich auch funktioniert. Weil ich muss zum Beispiel einmal im Monat mindestens zwischendrin einfach spontan weg, weil Sauerstoff geliefert wird. Das ist kein Thema, darüber brauchen wir nicht zu sprechen. Ich habe völlig freie Einteilung meiner Arbeitszeit. Also ich habe schon auch in der Agentur eine 30-Stunden-Woche. Das ist schon knackig, auch so bei drei Kindern. Diese Zeit, die habe ich da einfach, aber ich habe auch immer die Möglichkeit, remote zu arbeiten. Ich habe die Möglichkeit, selbstständig mit den Kunden Termine auszumachen, sodass die dann auch für mich passen. Und das ist von Seiten des Arbeitgebers von Anfang an so gewesen, weil ich aber auch in die Agentur reingegangen bin mit, also meinem Lebenslauf stand unter anderem Familien erprobt und Pflege erfahren, glaube ich, habe ich als Begriff genutzt. Also ich habe da nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir eine schwerbehinderte Tochter haben. Das würde auch nicht funktionieren. Haben deine Peers, deine Kolleginnen und Kollegen, haben die die gleichen Freiräume oder wie blicken die da drauf? Weißt du das? Die sind, also was remote arbeiten betrifft, haben wir alle, ich sag mal, die gleichen Rechte. Bei uns arbeiten viele remote, auch von der Zeiteinteilung her. Ich bin allerdings immer mehr auf dem Sprung. Also bei mir ist es, glaube ich, so, dass sowieso alle immer Verständnis haben, wenn etwas jetzt nicht geht. Was aber auch letztendlich so ist, das muss man auch so sagen, ich liefere auch. Also ich wüsste jetzt nicht, wie es wäre, wenn ich meinem Job nicht nachkommen könnte, wie ich müsste. Das heißt, es gab Situationen, da waren wir in der Klinik, da haben mein Mann und ich abgeklatscht. Er ist bei unserer Tochter geblieben. Ich habe mir was Hübsches angezogen und bin zum Pitchen gefahren. Also das sind dann Situationen, wenn ich nicht liefern würde, glaube ich, könnte ich diesen Job nicht machen, weil wir ja nun mal einfach auch Kunden haben und Projekte haben und die Kunden natürlich erwarten, dass wir Fristen einhalten und dass da ein Ergebnis bei rauskommt. Also finde ich das auch persönlich super neugierig oder super spannend, weil ich kenne die Situation so ähnlich. Durch meine chronische Schmerzkrankheit brauche ich auch Flexibilität am Arbeitsplatz. Und das führt aber dazu, dass ich versuche, das so wenig wie möglich in Anspruch zu nehmen und so viel wie möglich zu liefern, damit es überhaupt nie eine Diskussion darum gibt, ob ich denn meinen Teil beitrage oder nicht. Also das führt bei mir zu einem ganz komischen Ansporn, da noch mehr Leistung zu bringen. Kennst du das Gefühl? Das ist bei mir genauso. Also ich bin immer, ich versuche immer fünf Tage im Plus zu sein, so gefühlt. Ich würde mich im Zweifelsfall auch abends nach 20 Uhr noch dran setzen, was überhaupt nicht gut ist. Also eigentlich müsste ich das viel mehr trennen. Das ist halt so ein bisschen der Knackpunkt, dass ich die Arbeit auch, die Projekte dann immer auch wieder mit ins Private nehme, weil ich manchmal einfach früher nach Hause muss, weil eine Kinderbetreuung ausfällt, weil die Pflegekraft ausfällt. Also ich habe immer den Anspruch und der ist nicht auf Dauer zu halten, aber das alles immer so läuft. Ich tue immer gerne so, als hätte ich kein pflegebedürftiges Kind. Das ist natürlich totaler Quatsch, aber das ist halt so drin, weil natürlich auch die Angst ganz groß ist, was ist denn, wenn ich das jetzt hier nicht mehr schaffe oder was ist denn, wer stellt mich denn jetzt an? Wer stellt denn jemanden an, der so unflexibel ist, was eigentlich gar nicht stimmt? Also ich bin eigentlich zeitlich total flexibel, aber man redet sich selber so schnell so ein. Du hast so ein großes Päckchen mit und du müsstest jetzt eigentlich auch so ein bisschen dankbar sein, dass du den Job machen kannst, den du da gerade machst. Und das ist natürlich total ungesund, diese Denkweise, aber krieg die mal aus dem Kopf. Ja, es ist ungesund, aber auf der einen Seite bringst du viel von dir und deiner Situation mit in dein Berufsleben. Dann ist es ja auch irgendwie nachvollziehbar, dass es andersherum genauso funktioniert, dass du auch wieder viel Berufsleben mit zurücknimmst. Aber also da, witzig, da ticke ich echt so. Ich weiß nicht, jetzt überlege ich gerade, ob das so ein persönliches Ding ist oder ein, ich bin auch Weibetexter, ob das vielleicht irgendwie da damit zu tun hat, weiß ich nicht, muss ich mal darüber nachdenken. Wenn du einen Wunsch frei hättest an die Gesellschaft, was müsste sich so gesamtgesellschaftlich ändern, damit sich Familien wie deine besser unterstützt fühlen? Es müsste sich ändern, dass die Menschen gerne hinsehen und dass sie wahrnehmen. Das Problem ist, dass im öffentlichen Raum Menschen mit Behinderung und Familien mit pflegebedürftigen Kindern, die existieren im öffentlichen Raum per se nicht, weil die Rahmenbedingungen oft nicht dafür da sind, dass du dein schwerbehindertes Kind einfach mit auf den Spielplatz nimmst, einfach mit zum Einkaufen nimmst. Und solange die nicht vor Ort dabei sind, werden die nicht wahrgenommen und dann sind die auch als Anspruchsgruppe gar nicht da. Die existieren einfach nicht. Die Familien sind unsichtbar, wenn man dann mal so nachhakt. Jeder kennt irgendwen irgendwie, der eine Behinderung hat oder der ein behindertes Kind hat. Aber das Thema Behinderung, das ist so negativ belastet in unserer Gesellschaft, dass das ganz gerne ganz, ganz weit weg geschoben wird. Behinderung, Krankheit, Tod, das sind alles so Themen, die sind nicht gesellschaftsfähig. Da wird ganz ungern drüber gesprochen. Und solange Menschen sich mit diesen Themen nicht auseinandersetzen wollen und es keine Begegnungsräume gibt, also keine Begegnungen geschaffen werden, dann lernen die Menschen sich auch nicht kennen. Und dann verstehen die, lernen die nicht, dass die Mutter von dem behinderten Kind ja vielleicht auch total gerne in ihrer Freizeit Rollschuh fährt und vielleicht nebenbei richtig gut schreiben kann oder zwischendurch mal eine Podcastaufnahme macht. So, das lernen die ja alles gar nicht kennen, weil das ist ja die Mutter von dem behinderten Kind. Ja, aber da gibt es wahrscheinlich auch keine One-Size-Fits-All-Lösung. Wie ganz konkret in eurer Situation, wie müsste ein Supermarkt denn aussehen oder wie müsste ein Spielplatz denn aussehen, damit genau das möglich wird? Also bei Supermärkten für unsere Situation funktioniert das nicht, weil der Gesundheitszustand unserer Tochter einfach instabil ist. Aber was das ja ist, es gibt ja schon Ansätze. Also es gibt für Menschen im Autismus-Spektrum gibt es Supermärkte, die einzeln diese ruhigen Stunden einführen, also wo nicht diese Dauerbeschallung ist, wo nicht so viel Lautstärke ist, wo Menschen, die mit Lautstärke ein Problem haben, wo die mit Reizfilterung ein Problem haben, wo die wissen, okay, in der Stunde kann ich da hingehen oder da kann ich mit meinem Kind hingehen. Und dann können wir in Ruhe einkaufen gehen. Und das ist ja auch eigentlich gar kein großer Aufwand, mal so eine Stunde einfach den Sound runterzudrehen. Null Aufwand. Genau. Und so, wir müssen da so ganz kleinschrittig dran gehen. Das ist auch Thema Kindergarten. Unsere Tochter war in einem Regelkindergarten als Integrationskind. Das war das erste schwerstbehinderte Kind, was in diesem Kindergarten war. Und leider muss ich rückblickend sagen, mein Mann und ich haben drei Jahre gekämpft und haben versucht, in unserer, wir leben in einer ganz kleinen Kommune, das Thema Inklusion, Barrierefreiheit als kommunales Thema zu setzen, auch mit dem Bürgermeister, mit den Menschen, die in der Kommune arbeiten. Und wir sind einfach gescheitert, obwohl wir eigentlich, wie ich glaube, gut kommuniziert haben, gute Lösungen und gute Anstöße und einfach als selbstbetroffene Familie überall präsent sind. Also unsere Tochter auch immer überall mit hingenommen haben. Wenn da, also wer nicht will, dass Inklusion stattfindet, der wird sich auch nicht dafür einsetzen. Und das, die Erfahrungen machen ganz, ganz viele Familien mit pflegebedürftigen Kindern. Also ist es nicht, würdest du sagen, das ist dann nicht am System gescheitert, sondern an Personen, die einfach das nicht sehen wollen, nicht auf dem Schirm haben wollen, sich eine Welt vorstellen wollen, wo es das gar nicht gibt? Ja, also das System, das System ist schon nicht gut, wie es so ist, das muss man leider sagen. Aber ich glaube, dieses, wie sage ich mal, in Anführungsstrichen System, weil was ist jetzt eigentlich das System? Die Rahmenbedingungen sind in der Theorie schon teilweise da, gerade was Integration im Kindergarten betrifft oder auch Inklusion in der Schule. Die stehen auf ganz vielen Papieren, da hat sich auch ganz viele Gruppen, haben sich da ganz viele Gedanken gemacht und haben auch politisch Sachen niedergeschrieben, aber die kommen halt einfach nicht in die Umsetzung. Und die scheitern ganz oft an einzelnen Personen, an einzelnen Sachbearbeiter*innen. Also was die, diese einzelnen Personen, die zum Beispiel in der Eingliederungshilfe vom Sozialamt, also das ist so eine ganz wichtige Stelle für behinderte Kinder ganz oft, wenn es ums Thema Teilhabe geht. Welche Macht einzelne Sachbearbeiter*innen haben können, indem sie einfach den Antrag ablehnen. Das ist, und wir haben als Eltern keine Handhabe. In letzter Konsequenz, ja, müssen das Anwälte dann regeln, aber ganz viele Eltern sagen an den Stellen auch, okay, wir haben gar nicht die Kapazität, uns jetzt auf einen Gerichtsstreit einzulassen. Und dann findet Teilhabe nicht statt, obwohl sie rein rechtlich stattfinden müsste. Dafür gibt es ja Gesetze. Es gibt eine EU-Behindertenrechtskonvention, also die hat Deutschland auch unterschrieben, aber sie setzen es halt nicht um. Aber das ist auch das, was ich mit System meine. Also ja, es gibt Gesetze und eigentlich ist das System dafür da, aber das wird dann oft in der Bürokratie so zerfasert und so umständlich, dass die sich nicht durchschlagen. Ich meine, ja, lebt vielleicht dann manchmal an Einzelpersonen, manchmal an der Komplexität des Ganzen. Das sehe ich an ganz vielen Stellen. Also so würde ich das System interpretieren. Aber gut, jetzt glaube ich, jetzt landen wir in einer Systemkritik, das führt jetzt vielleicht ein bisschen zu weit. Gibt es noch irgendeinen Aspekt, idealerweise auf Teamarbeit bezogen, der dir wichtig wäre, worüber wir noch reden sollten? Was ein ganz wichtiger Aspekt bei uns ist, ist, wie motiviere ich die Menschen um uns rum zum Mitdenken? Also zum aktiv Mitdenken und aktiv schon Fehler vermeiden. Also das ist bei uns immer ganz schwierig, weil wir ja der Privathaushalt sind und wir sind aber ja gleichzeitig eben auch der Arbeitsplatz. Und diese Geschäftsbeziehungen, die man sonst im Alltag hat, die ist bei uns eben eine andere, wo wir immer wieder darauf angewiesen sind als Eltern, dass die Menschen für uns ein Stück weit mitdenken und das mittragen und vielleicht auch mal Ideen reinwerfen, wo man sagt, okay, wir könnten das vielleicht anders lösen. Und dann wirklich aktiv aber auch Lösungen einbringen. Das haben wir in unserem Team jetzt. Also wir haben eine Teamleitung, die das macht. Aber wenn das nicht da ist, dann kommen wir nicht weiter. Dann werden wir nicht besser. Und letztendlich müssen wir, weil der Gesundheitszustand unserer Tochter immer so ist, dass es immer wieder Veränderungen gibt, wir müssen halt sehr, sehr, sehr flexibel sein. Wir müssen immer wieder anpassen. Und das funktioniert am besten, wenn ganz viele Menschen sich zumindest ein Stück weit verantwortlich fühlen und auch in der Pflicht sehen, aktiv dazu beizutragen, dass wir das System, ich sage jetzt mal das System, was wir aufgebaut haben, die Organisation, die Pflegeorganisation, dass wir die erhalten können. Also hängt das Mitdenken aber auch wieder an der Verantwortung? Also weil ich habe mich jetzt gerade gefragt, wie kriegt man die Leute dazu mitzudenken? Aber du hast jetzt gerade die Antwort schon so halt mitgeliefert. Ja, das ist jetzt natürlich meine ganz persönliche Meinung. Aber ich glaube, wenn ich mich für etwas nicht verantwortlich fühle, dann bin ich auch vielleicht ein bisschen weniger motiviert, da ernsthaft mitzuarbeiten oder ernsthaft mitzudenken. Denn wenn ich nicht das Gefühl habe, dass ich etwas bewirken kann mit dem, was ich tue und dass es auch so ein bisschen in meiner Verantwortung liegt, dass etwas zum Gelingen beizutragen ist, so dann glaube ich, sind die Menschen nicht so motiviert, wie wenn sie, ja, wenn sie selber ein Stück weit Verantwortung tragen. Würde ich so unterschreiben. Brenda, vielen, vielen Dank. Das war ein sehr, sehr schönes, sehr, sehr kurzweiliges Gespräch. Ich hätte, glaube ich, noch zehn weitere Aspekte, wo ich gerne noch weiter gebohrt hätte, aber ich würde es jetzt nicht zu sehr ausfasern. Aber vielleicht machen wir das einfach noch mal irgendwann in der Zukunft, wenn mir noch weitere Themen dazu einfallen. Ja, vielen, vielen Dank. Also es ist für mich als pflegende Mutter so toll, dass ihr eine Plattform uns hier gebt, dass wir das Thema pflegende Elternschaft einfach auch in andere Kontexte einbetten können. Das ist so, so wichtig und vielen, vielen Dank dafür. [Musik] Also vielen Dank, Brenda, erstmal für dieses sehr aufschlussreiche und offene und ehrliche Gespräch. Ich kann es mir nur am Rande ausmalen, was das für eine Organisation, was das für eine, ein seelischer Ballast auch sein muss, das alles am Laufen zu halten. Und deswegen finde ich es auch echt ganz spannend, dass man gerade in so einer herausfordernden Situation dann schon auch fast gezwungen ist, sich auch mal rauszunehmen. Und ich meine, das funktioniert nur mit Delegation, das funktioniert nur mit einer guten Fehlerkultur und das Ergebnis ist dann hoffentlich eine gewisse Life Balance. Ich glaube, dafür haben wir ganz gute, ganz gute Beispiele jetzt im Gespräch gehört. Ja, absolut krass, wie man neben, also sowieso mit drei Kindern ist schon viel Arbeit. Eins davon pflegebedürftig, intensiv medizinisch muss das betreut werden rund um die Uhr. Dazu dann nebenher einen 30-Stunden-Job als Werbetexterin und nebenher noch ein Unternehmen mit zu gründen und irgendwie noch, ich weiß nicht, wahrscheinlich auch nicht nur Mutter, sondern auch Frau zu sein. Also ich kann es mir nicht, ich kann es mir nicht ausmalen. Ich ziehe meinen Hut vor diesem Zeitmanagement. Und ich glaube, der wichtigste Punkt dahin ist aber, ist aber das, was wir jetzt mit, mit Delegationen haben, mit Sachen delegieren können, mit Verantwortung abgeben. Und ihr, ihr Weg dazu, das halte ich auch mal für mich fest oder das nehme ich auch mal für mich mit, ist ganz stark natürlich Verantwortung abgeben und kommunizieren. Zuerst, wenn alle in einem Team wirklich auch die Verantwortung sich, sich annehmen und, und wirklich das gemeinsame Ziel als ihr eigenes vereinbaren. Dann, glaube ich, funktioniert Delegation oder das ist so, hat es Brenda mir auch beschrieben. Das, das klingt für mich absolut schlüssig. Das will ich unbedingt aber an der Stelle mal festhalten. Und dann ist Fehlerkultur natürlich auch ein ganz spannender Punkt. Gerade wenn, wenn eben Fehler, die passieren, oft ja die Gefahr haben, drastische Folgen nach sich zu ziehen. Das ist jetzt in der Softwareentwicklung zum Glück nur manchmal so. Das ist aber immer, wenn es um die Gesundheit von Menschen geht, ist das natürlich ein extrem hoher Einsatz. Und gerade dann eine, eine gesunde Fehlerkultur zu haben, wo, wo nicht über Schuldzuweisungen, sondern eher über, über Ursachen suche und Prävention funktioniert. Das finde ich auch einen ganz großartigen Gedanken. Das möchte ich mir auch unbedingt aus dieser Episode mitnehmen. Also nochmal, Brenda, vielen Dank für das Gespräch. Du hast eindrücklich gezeigt, wie Organisation, Empathie, Kommunikation, wie all das essentiell ist, um auch eine anspruchsvolle Lebensrealität zu meistern. Und da irgendwie Work-Life-Balance oder Life-Balance irgendwie reinzukriegen mit geteilter Verantwortung, mit einer Kultur des Vertrauens und des Lernens, des Weiterentwicklens. Ob das jetzt rein auf die Familie bezogen ist oder auf den Beruf. Ich glaube, da brauchen wir gar nicht so den Unterschied machen. Also ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute. Ich wünsche deiner Familie alles Gute. Ich wünsche euch für Plix alles Gute. Und vielleicht jetzt noch der kleine Disclaimer am Schluss, damit auch alle Leute das richtig einordnen können. Es arbeiten gerade einige meiner Kolleginnen und Kollegen im Haus in ihrer freieinteilbaren Lernzeit daran, für Plix an der App weiterzuentwickeln oder zu entwickeln. Also das haben die selbst für sich entschieden. Sie nutzen ihre Zeit, die sie selbst einteilen können zum Lernen. Jetzt für so ein, ja es ist nur ein Unternehmen am Ende des Tages, aber es ist etwas, etwas nicht gemeinnütziges, sondern etwas, ja das uns in der Gesellschaft auf jeden Fall hilft und das vielen Menschen in Not auf jeden Fall weiterhelfen wird. Von daher finde ich das ein ganz, ganz großartiges Unterfangen und würde es unterstützen und hoffe, dass ich mit dem Minijans Sichtbarkeit, das ich jetzt hier durch diesen Podcast beitragen kann, da auch einen kleinen Beitrag geleistet habe. Okay, that's it. Wir hören uns beim nächsten Mal. Ich bin Jürgen Kraus. Wir sind Branded und lasst uns auch gerne beim nächsten Mal wieder zusammen wachsen. Ciao. [Musik]