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Stefano Cantini: Mittelstand zwischen Kostendruck, Deindustrialisierung und EU-Regulativ

Wie ein traditionsreicher Wiener Verpackungsbetrieb zwischen Kostendruck, Deindustrialisierung und strengeren EU-Vorgaben um seine Zukunft kämpft – und trotzdem an Europa, junge Menschen und Unternehmertum glaubt

07.12.2025 39 min Staffel 6 Episode 7

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Episode spricht ÖGV-Generalsekretär Stephan Blahut mit Stefano Cantini von Karba Pack über die Realität eines mittelständischen Verpackungsunternehmens im Jahr 2024. 
Sie diskutieren den massiven Kostendruck, die Verlagerung der Produktion nach Ungarn, Deindustrialisierung und die oft widersprüchliche Förderpolitik in Österreich. Zugleich geht es um die Unterschiede zwischen japanischer und österreichischer Arbeitskultur, um junge, europäisch denkende Generationen, um Frieden – und um den Wunsch nach einem faireren Klima für Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich.

Mehr Infos gibts wie immer in den Shownotes oder im Internet unter
24geschichten.at

Der Podcast entsteht mit freundlicher Unterstützung des österreichischen Gewerbevereins ÖGV
https://www.gewerbeverein.at

Karba Pack ist ein Unternehmen, das buchstäblich produziert, was andere wegwerfen: flexible Verpackungen für die Lebensmittelindustrie. In dieser Folge erzählt Stefano Cantini, sechste Generation im Familienbetrieb, wie aus einer „Wiener Gelatinwarnindustrie“ ein hochspezialisierter Verpackungsbetrieb wurde – und welche Rolle Zellulose, Gelatine und später Kunststofffolien dabei spielen.

Er beschreibt, wie sich die Verpackungswelt in den letzten Jahrzehnten verändert hat: von händisch genähten Beuteln, die zu Hause gefertigt wurden, hin zu hochautomatisierten Anlagen, dünneren und stabileren Folien und immer komplexeren Anforderungen an Haltbarkeit, Barriereeigenschaften und Design. Verpackung ist für ihn kein „Plastikmüll“, sondern gleichzeitig Schutz, Informationsträger und das, wodurch ein Produkt überhaupt zum ersten Mal verkauft wird.

Ein zentraler Block des Gesprächs dreht sich um Standortfragen: Warum musste die Produktion nach Ungarn wandern, obwohl der Betrieb seit 1902 am selben Wiener Standort war? Stefano schildert offen, wie Lohnsteigerungen, Energiepreise, fehlende Investitionsförderungen und der Wettbewerb aus den Nachbarländern einen kleinen Mittelbetrieb an die Grenze bringen. Deindustrialisierung ist für ihn kein abstrakter Begriff, sondern gelebter Alltag: Firmenpleiten, Verlust von Arbeitsplätzen und Kaufkraft, während Betriebe aus dem Osten mit anderen Kostenstrukturen in Österreich verkaufen.

Gleichzeitig zeigt die Folge, wie sehr Regulierung und Kundenerwartungen die Branche verändern. Neue EU-Vorgaben treiben Monomaterialien, Recyclingfähigkeit und später auch den Einsatz von Rezyklat voran. „Weniger, einfacher, besser wiederverwertbar“ ist die Richtung – doch gerade Bio- und Stärkefolien sind deutlich teurer, stoßen auf Vorbehalte und sind schwer in gängige Kalkulationen integrierbar. Der Konsument hingegen schaut immer genauer auf Logos wie „recyclable“ oder „CO₂-neutral“ neben Kalorien, Laktose- oder Glutenhinweisen.
Einen spannenden Kontrapunkt bildet Stefanos Blick nach Japan. Durch Studium und Arbeit in japanischen Unternehmen kennt er andere Formen von Zusammenarbeit: mehr kollektivem Denken, rascherer Aufgabenverteilung im Team, stärkerem Respekt und Vertrauen. Im Vergleich dazu schildert er Österreich als Land, in dem Arbeit oft als Durchgang zur „Pensionshölle“ gesehen wird und Unternehmer schnell als „Kapitalistenschwein“ abgestempelt werden, obwohl die meisten Betriebe in Wahrheit große Familien sind.

Zum Abschluss wird die Episode sehr persönlich. Stefano spricht über seine Motivation als Familienmensch, über Verantwortung gegenüber den Generationen vor ihm und über eine junge, gut ausgebildete, europäisch denkende Generation, die ihm Hoffnung macht. Und er formuliert zwei Wünsche: dass Kriege – nicht zuletzt in den Regionen seiner Kindheit – endlich aufhören, und dass das Klima gegenüber Unternehmerinnen und Unternehmern in Österreich fairer und wertschätzender wird.

Keypoints
  • Vom Gelatinebetrieb zum Spezialisten für flexible Lebensmittelverpackungen: Historie eines Wiener Familienunternehmens seit 1895.
  • Verpackung als „Buhmann“ und zugleich unverzichtbarer Schutz, Informationsträger und Verkaufsfaktor.
  • Kostendruck, fehlende Förderungen und EU-Erweiterung als Treiber für Verlagerung der Produktion nach Ungarn und Deindustrialisierung in Österreich.
  • EU-Regeln zu Recycling, Rezyklat und Monomaterialien, Henne-Ei-Problem bei Bio- und Stärkefolien und steigende Kundenerwartungen an „grüne“ Verpackung.
  • Kulturvergleich Japan–Österreich: Teamarbeit, Respekt, Arbeitshaltung und was Europa daraus lernen könnte.
  • Persönliche Motivation, Verantwortung im Familienbetrieb, Optimismus für die junge Generation und der Wunsch nach Frieden und besserem Unternehmerklima.
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Musik: Africa, Toto
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