Duderstedt auf Kultour

Andreas Duderstedt
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Als Erster mit dem Schiff nach Indien

Er segelte als erster Europäer nach Indien - Vasco da Gama

02.05.2025 7 min

Zusammenfassung & Show Notes

Als Erster mit dem Schiff nach Indien
Er segelte als erster Europäer nach Indien und wurde als kühner Seefahrer gefeiert. Seinem Land erschloss er den lukrativen Gewürzhandel, seine Reisen stehen am Beginn des Kolonialismus. Doch seine Brutalität steht zu Recht in der Kritik. 
 
In Hamburg stehen zwei Denkmäler, eines für Christoph Kolumbus und eines für Vasco da Gama. Wer den Zollkanal überquert, um in die Speicherstadt zu gelangen, passiert die beiden steinernen Figuren.
 
Wer war dieser Portugiese, Zeitgenosse des ungleich bekannteren Kolumbus? Vasco da Gama lichtete im Juli 1497 in Lissabon die Anker und landete im Mai 1498 in Calicut (heute Kozhikode) in Indien. Er begründete die Route, auf der bis zur Eröffnung des Suezkanals alle europäischen Schiffe nach Asien fuhren.
 
Seit Beginn des 15. Jahrhunderts strebte das Königreich Portugal danach, das arabische Monopol im Handel mit indischen Gewürzen zu brechen. Der Seeweg nach Indien, das wusste man, führte um die Südspitze Afrikas: Erstmals 1434 gelang es, Kap Horn zu umsegeln. Die Portugiesen waren in Europa führend als Seefahrernation. Wirtschaftliche wie auch politische Interessen waren die Triebfeder: Es ging darum, neue Länder zu unterwerfen und auszubeuten und den Islam zu bekämpfen.
 
So startete König Manuel I. 1497 eine Expedition nach Indien. Zum Oberbefehlshaber ernannte er den jungen Vasco da Gama, der sich einen Ruf als fähiger Navigator erworben hatte. Als Sohn eines königlichen Beamten wurde er um 1469 geboren.
 
Dass die Reise ein Erfolg wurde, war auch dem Mut des Kommandanten zu verdanken, denn bis dahin fuhren die Schiffe fast nur in Sichtweite der Küsten. Niemand traute sich, unbekannte Ozeane zu durchqueren: Man fürchtete Stürme und Seeungeheuer als tödliche Gefahren. „Um gegenüber der See, dem Wetter, den Mannschaften, den Krankheiten, der Feindseligkeit der Afrikaner, Araber und Inder, dem tropischen Klima und politischen Intrigen bestehen zu können, bedurfte es neben navigatorischer Fertigkeit einer Mischung aus Diplomatie, Entschlossenheit, Schläue, Geistesgegenwart (…) und einer Hartnäckigkeit, die selbst in den hoffnungslosesten Situationen nicht zu erschüttern war“, schreibt Gernot Giertz, Herausgeber der zeitgenössischen Reiseberichte.
 
Als das Flaggschiff „São Gabriel“, vollbeladen mit kostbaren Gewürzen, im September 1498 wieder in Lissabon eintraf, wurde Vasco da Gama triumphal empfangen. Doch er hatte in Indien und Afrika „Hass gegen alles Portugiesische gesät“, wie Giertz feststellt: durch sein stolzes, anmaßendes und skrupelloses Auftreten. 1502 stach Vasco da Gama zu seiner zweiten Indienfahrt in See, diesmal mit 21 schwer bewaffneten Fahrzeugen. Portugals Stellung an der indischen Malabarküste wurde von Vasco da Gama ausgebaut und militärisch gestärkt. Er begründete das portugiesische Kolonialreich in Asien.
 
Gernot Giertz: „Seine zweite Reise hinterließ eine breite Spur von nutzlos vergossenem Blut, fast unvorstellbarer Grausamkeit, Tod und Verderben“. Seitdem herrschten die portugiesischen Vizekönige in Indien mit Raub und Mord und bereicherten sich durch Günstlingswirtschaft, Bestechung und Betrug. Die Kolonie verfiel.
 
König João III., Manuels Nachfolger, wollte die Missstände abstellen. 1524 ernannte er Vasco da Gama zum Vizekönig von Indien und entsandte ihn auf seine letzte Reise dorthin. Nachdem er eine „gnadenlose Säuberungswelle“ (Giertz) in Gang gesetzt und mit rigorosen Verordnungen und drakonischen Strafen gegen Korruption und Misswirtschaft vorgegangen war, starb er drei Monate nach seiner Ankunft, wahrscheinlich an Malaria.
 
Wie ist Vasco da Gama heute zu sehen und zu beurteilen? Im 19. Jahrhundert, der Hoch-Zeit des europäischen Kolonialismus und noch lange danach, galt er – wie Kolumbus – als Pionier, dessen Tat für die Entwicklung der Menschheit von größter Tragweite war. Deshalb errichtete man Denkmäler. Heute werden sie gestürzt. In den USA, aber auch in Südamerika sind seit 2020 zahlreiche Kolumbus-Statuen vom Sockel gestoßen worden – weil sie Rassismus und Kolonialismus verherrlichen würden.
 
Für den Historiker Franz-Josef Arlinghaus besteht Vasco da Gama eigentlich aus drei Personen, auf die sich heute der Blick richtet: Zunächst die historische Figur, um 1500 unterwegs, um das arabische Handelsmonopol zu brechen; dann der Entdecker, den das 19. Jahrhundert aus ihm machte; und schließlich der menschenverachtende Kolonialist, wie ihn heute einige sehen. Aus dieser Perspektive werde der Vasco da Gama des 19. Jahrhunderts angegriffen, nicht der historische. „Die postkoloniale Diskussion tut sich keinen Gefallen, wenn sie zwischen den Epochen nicht genug differenziert“, so Arlinghaus, der in Bielefeld Geschichte des Hoch- und Spätmittelalters lehrt.
 
Das 19. Jahrhundert sei ebenso in den Blick zu nehmen wie die Zeit um 1500, um zu einem differenzierten Urteil zu kommen. Das bedeutet für den Historiker jedoch nicht, alles zu tolerieren. Für Vasco da Gama war die Folter ein selbstverständliches Herrschaftsmittel. Auch wenn es die Menschenrechte in der Vormoderne noch nicht einmal als Idee gab, sagt Arlinghaus klar: „Wer foltert, hat unrecht.“ Von Denkmalstürzen hält er trotzdem nichts. Das Schwarzweißdenken der Bilderstürmer widerstrebt ihm.