Duderstedt auf Kultour

Andreas Duderstedt
Since 08/2022 25 Episoden

Bio-Bauer gegen Weltkonzern

Ein Landwirt in Lippe will Volkswagen vor Gericht dazu zwingen, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zu bauen. Von einer Niederlage in erster Instanz lässt er sich nicht abschrecken.

15.09.2024 6 min

Zusammenfassung & Show Notes

Ein Landwirt in Lippe will den Volkswagen-Konzern vor Gericht dazu zwingen, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zu bauen. Von einer Niederlage in erster Instanz lässt er sich nicht abschrecken.
 
„Ich bin entsetzt, wie wir Christenmenschen diese wunderbare Schöpfung zugrunde richten“, sagt Ulf Allhoff-Cramer. „Wir zerstören das, wovon wir leben.“ Der gebürtige Sauerländer war ursprünglich katholisch, ist aber schon seit längerer Zeit nicht mehr konfessionell gebunden. Dennoch ist er „ein großer Anhänger von Jesus und seinen Ideen“.
Weil der Biobauer in Mosebeck bei Detmold die Folgen des menschengemachten Klimawandels unmittelbar und heftig zu spüren bekommt, ist er gegen den zweitgrößten Autobauer der Welt vor Gericht gezogen. Die Umweltorganisation Greenpeace und die Hamburger Rechtsanwältin Roda Verheyen haben ihn gefragt, ob er als Kläger auftreten würde. Er fordert VW zu einem vollständigen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2030 auf. „Das mag verrückt erscheinen“, sagt er, „ist aber angesichts der dramatischen Entwicklung nach Aussage der Klimaforschung notwendig.“
Denn die zunehmende sommerliche Dürre bedroht seine Existenz. Wenn der Regen ausbleibt, wächst kein Futter für seine 25 Mutterkühe, die auf Kleegras- und Kräuterwiesen weiden. 2022 musste Allhoff-Cramer bereits im August damit anfangen, seinen Rindern das Winterfutter zu geben – normalerweise ist dieser Zeitpunkt erst im November. Vier der letzten fünf Sommer waren Dürresommer.
„Unsere Nadelwälder sind dem Wassermangel und der Hitze zum Opfer gefallen, die Laubwälder waren noch nie in einem derart schlimmen Zustand. Die Förster sagen: Uns gehen die Baumarten aus, es ist ungewiss, welche wirklich noch eine Perspektive haben in einer immer heißeren Welt.“ Das vormals wasserreiche und fruchtbare Klima in Deutschland sei schon jetzt aus den Fugen.
Die Mühen des Gerichtsverfahrens nimmt Ulf Allhoff-Cramer auf sich, weil er zutiefst davon überzeugt ist, „dass wir die Belastbarkeitsgrenzen unseres schönen Planeten respektieren müssen, wenn wir unseren Kindern eine halbwegs intakte Welt hinterlassen wollen.“ Er glaubt, Jesus würde heute alles dafür tun, dass die Schöpfung erhalten bleibt. „Die Klimakrise ist die größte denkbare Ungerechtigkeit – gegenüber den Nachfolgenden und schon jetzt gegenüber den Menschen im globalen Süden“, sagt er. Und: „Die alte Schlange aus dem Paradies flüstert uns heute ein, dass die zerstörerische Lebensweise unser selbstverständliches Recht sei. Die Folgen werden schrecklich und brutal sein, wenn wir nicht schnellstens gegensteuern.“
 
 
Gegensteuern würde unter anderem bedeuten: nicht weiterhin Jahr für Jahr ungebremst Millionen neuer klimaschädlicher Diesel und Benziner zu verkaufen. Genau das tut der Autobauer aus Wolfsburg. Der Landwirt findet, Konzerne wie VW sollten aus eigenem Interesse Klimaschutz betreiben: „Wenn unsere Welt von immer schlimmeren Katastrophen zerrüttet wird, dann wird es auch keine erfolgreiche Wirtschaft mehr geben können.“
Wer seine bildschönen Kühe sieht, die duftendes Heu bekommen, glaubt ihm gerne: „Nur wenn wir den Tieren ein gutes Leben ermöglichen, kann auch ihr Fleisch ein gutes Lebensmittel sein.“
Von einer ersten Niederlage lässt er sich nicht aufhalten. Am 24. Februar hat das Landgericht Detmold seine Klage abgewiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die von dem Bauern vorgebrachten Beeinträchtigungen mit den von ihm geforderten Maßnahmen beseitigt werden könnten. Der Kläger habe nicht ausgeführt, so erklärte das Gericht, welche wesentlichen Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen „gerade ihn in einer um mehr als 1,5 Grad erwärmten Welt treffen sollen, die über diejenigen hinausgehen, die seinem Vorbringen nach bereits jetzt eingetreten sind“.
Wenig überraschend: Der VW-Konzern sieht sich nach dem Detmolder Urteil darin bestätigt, dass Klimaklagen gegen einzelne herausgegriffene Unternehmen der falsche Weg seien. Es sei „nicht Aufgabe eines Landgerichts, über solche klimapolitischen Fragen zu entscheiden“. Dies obliege dem Gesetzgeber.
Allhoff-Cramer hat den Eindruck, dass die Richter die Klimakrise in ihrer gesamten Dimension nicht verstanden hätten. „Vielleicht ist ihnen das eine Nummer zu groß.“ Das Unvergleichliche an dieser Krise: „Sie wird schon bald nicht mehr heilbar sein. Dann müssen unsere Kinder in einer Welt ständiger ökologischer und humanitärer Katastrophen leben. Der Menschheit läuft die Zeit davon.“
Er wird beim Oberlandesgericht Hamm in Berufung gehen.